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Inhaltsverzeichnis Seite

 

 

  1. Die Rolle der Generalversammlung in den Vereinten Nationen und
  2. die Diskussion um die Rechtsverbindlichkeit ihrer Resolutionen

     

  3. Kompetenzen der Generalversammlung
  4.  

    2.1 Aufgaben

    2.2 Befugnisse

     

  5. Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen nach Art. 38 des Statuts des
  6. Internationalen Gerichtshofs (IGH)

     

    3.1 Resolutionen als Verträge

    3.2 Resolutionen als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts

    3.3 Resolutionen als Formulierungen allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze

     

  7. Wirkungen von Resolutionen der Generalversammlung
  8.  

    4.1 Rechtsbildende Wirkungen

    4.2 Politische und moralische Wirkungen

     

  9. Einfluß statt Allmacht. Der Sinn einer beschränkten Kompetenz der Generalversammlung
  10.  

  11. Anhang
  12.  

  13. Literaturverzeichnis

 

 

 

 

1. Die Rolle der Generalversammlung in den Vereinten Nationen und die Diskussion um die Rechtsverbindlichkeit ihrer Resolutionen

 

Die Generalversammlung (GV) der Vereinten Nationen (VN) gilt als eines der bedeutendsten internationalen Organe. Vor allem wegen ihrer universellen Zusammensetzung, der großen Bandbreite der von ihr behandelten Themen und ihrer Aufsichtsrolle gegenüber anderen Organen der Vereinten Nationen kann sie zu Recht als das Zentrum der VN bezeichnet werden. Die GV ist das einzige bestehende Organ weltweit, in dem fast alle Staaten dieser Welt vertreten sind und miteinander in Dialog treten können. Die alljährliche Teilnahme der Staats- und Regierungschefs oder Außenminister aller vertretenen Länder an den Eröffnungssitzungen der Generalversammlung zeigt, welche wichtige Rolle die Staaten dieser Versammlung selbst zumessen.

Von der GV werden jährlich ca. 400 Resolutionen verabschiedet. Bei diesem beachtlichen Output stellt sich die Frage, inwieweit diese Resolutionen die Staaten rechtlich binden.

Von der GV verabschiedete Resolutionen können sich auf die interne Organisation der VN beziehen, wie z.B. Resolutionen zu Haushalt und Wahlen, oder sie können sich an Adressaten außerhalb der VN wenden. Die letztgenannten Resolutionen finden in der Öffentlichkeit die meiste Beachtung, sind aber auch am stärksten umstritten, und zwar gerade in Bezug auf ihre Rechtsverbindlichkeit. Mit dieser Kardinalfrage befaßt sich die vorliegende Arbeit, wobei, der Problematik entsprechend, nur die Rechtsverbindlichkeit von solchen Resolutionen untersucht wird, die an Adressaten außerhalb der VN gerichtet sind.

Die in der "Gruppe der 77" zusammengeschlossenen Entwicklungsländer möchten in den Resolutionen der GV gerne völkerrechtlich bindende Rechtsetzungsakte der VN sehen. Denn wenn diese Resolutionen rechtsverbindlich wären, könnte diese Gruppe mit ihrer inzwischen quasi automatischen Zweidrittelmehrheit in der GV ihre Interessen gegenüber den Industrienationen dieser Welt gut durchsetzen. Aus genau diesem Grund wird von den reicheren Ländern die Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen heftig bestritten.

Die Punkte, an denen sich die Auseinandersetzungen über die Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen festmachen, beziehen sich auf Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH), in dem die Quellen internationalen Rechts ausdrücklich beschrieben sind. Das Statut des IGH ist Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen. Es ordnet die völkerrechtlichen Verträge, das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze als die primären Rechtsquellen ein, die bei Streitbeilegungen durch den Internationalen Gerichtshof als Rechtsgrundlage anerkannt werden. Resolutionen wären dann verbindliches Völkerrecht, wenn sie den Anforderungen dieser Rechtsquellen entsprächen.

Daher gilt es in der vorliegenden Arbeit nach einer allgemeinen Beschreibung der Aufgaben und Befugnisse der Generalversammlung zunächst festzustellen, ob Resolutionen als Verträge im Sinne des Art. 38 Abs. 1a gelten können. Dann ist zu untersuchen, ob aus einer Resolution völkerrechtlich verbindliches Gewohnheitsrecht nach Art. 38 Abs. 1b des Statuts des IGH werden kann. Schließlich muß geprüft werden, ob einstimmig oder per Konsens angenommene Resolutionen der GV die von den Kulturvölkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze (opinio juris) wiedergeben und somit unter Art. 38 Abs. 1c zu subsumieren sind.

 

 

2. Kompetenzen der Generalversammlung

 

Zuerst muß erläutert werden, wozu die GV eingerichtet wurde und welcher Art ihre Entscheidungsbefugnisse sind.

 

 

2.1 Aufgaben

 

Die wesentlichste Aufgabe der GV ist am prägnantesten in Art. 1 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen beschrieben: "Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: ... 4. ein Mittelpunkt zu sein, in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele aufeinander abgestimmt werden" (Ziele in Art. 1 Abs. 1-3). Ihre Funktion erklärt sich auch aus Art. 10 der Charta, der ihr die Rolle eines zentralen, mit allgemeiner Diskussions- und Empfehlungsbefugnis ausgestatteten Organs zuschreibt. Zu ihren Aufgaben gehört es unter anderem, durch Resolutionen die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Problem oder eine bestimmte Angelegenheit zu lenken.

 

 

2.2 Befugnisse

 

Nach dem Wortlaut der Charta der Vereinten Nationen ist die GV grundsätzlich berechtigt, drei Arten von Entschließungen zu treffen:

Empfehlungen (Art. 10-14 der Charta), Vorschläge für Übereinkommen (Art. 105 Abs. 3) und Entscheidungen mit direkt bindender Kraft. Letztere betreffen die Aufnahme oder den Ausschluß von Mitgliedern oder die Aussetzung ihrer Rechte (Art. 4 und 5 der Charta), den Haushalt und organisationsinterne Angelegenheiten.

Wenn die GV eine Resolution verabschiedet / beschließt, so bedeutet dies, daß sie damit eine bestimmte Empfehlung (recommendation) ausspricht, einen Beschluß (decision) mitteilt, eine Feststellung trifft oder eine Tatsache in Erinnerung ruft.

Manche Resolutionen werden in einem besonders feierlichen Rahmen als Deklarationen verabschiedet. Diese sind jedoch in ihrem rechtlichen Status den Resolutionen im wesentlichen gleichgestellt.

 

3. Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen nach Art. 38 des Statuts des IGH

 

Schon bei der Gründung der Vereinten Nationen 1945 in San Francisco gab es erste Versuche, die GV mit gesetzgebender Autorität auszustatten. Die Philippinen schlugen vor, der GV solle die Kompetenz verliehen werden, Regeln des internationalen Rechts zu erlassen, welche für die Mitglieder der Organisation verbindlich sind, sobald diese Regeln von der einfachen Mehrheit des Sicherheitsrats gebilligt wurden. Sollte sich der Sicherheitsrat nicht innerhalb von 30 Tagen zu den vorgeschlagenen Regeln äußern, so sollten diese Regeln dennoch wirksam und verbindlich werden, so, als ob sie der Sicherheitsrat angenommen hätte.

Der Vorschlag wurde mit 26 gegen 1 Stimme abgelehnt. Die beteiligten Staaten zeigten somit direkt bei der Gründung der VN deutlich, daß sie nicht bereit waren, der GV eine gesetzgebende Kompetenz zuzuschreiben. Gerade wegen der fehlenden Rechtsetzungsbefugnis konnte der GV jedoch eine umfassende Diskussions- und Empfehlungsbefugnis eingeräumt werden. Empfehlungen stellen nach der international allgemein anerkannten Terminologie Rechtshandlungen dar, welche für die Adressaten keine Verbindlichkeit besitzen.

Doch gerade die Staaten der "Dritten Welt" mit ihrer 2/3 – Mehrheit in der GV haben ein starkes Interesse daran, Resolutionen einen rechtsverbindlichen Charakter zuzuschreiben. So wäre es diesen Ländern möglich, die GV zu einem Forum zu machen, in dem sie ihren Forderungen gegenüber der "Ersten Welt" Nachdruck verleihen und diese Forderungen auch durchsetzen könnten.

Daher ist zu untersuchen, ob Resolutionen evtl. unter Art. 38 des IGH-Statuts subsumiert werden können. Denn nur wenn Resolutionen als primäre Rechtsquelle vom IGH anerkannt wären, hätten sie diesen rechtsverbindlichen Charakter.

 

 

3.1 Resolutionen als Verträge

 

Wie bereits festgestellt, hat die GV aufgrund der Charta keine direkte Legislativbefugnis. Es muß jedoch untersucht werden, ob die Zustimmung zu einer Resolution eine vertragliche Bindung im Sinne des Art. 38 Abs. 1a des Statuts des IGH bewirken kann. Dann müßte die im förmlichen Abstimmungsverfahren erklärte Zustimmung Ausdruck des vertraglichen Bindungswillens sein. Eine Abstimmung genügt jedoch nicht dem Erfordernis, dem Bindungswillen der Staaten Ausdruck zu verleihen. Die Entscheidung, für oder gegen eine Resolution zu stimmen, ist fast immer von politischen Motiven bestimmt: So kann z.B. eine Verpflichtung zur Gruppensolidarität vorliegen oder der Wunsch bestehen, andere Staaten nicht abzuschrecken. Aus dem Abstimmungsverhalten lassen sich also kaum Rückschlüsse über die tatsächliche Akzeptanz einer Resolution durch den betroffenen Staat ziehen.

Zudem ist in den meisten nationalen Verfassungen eine Ratifikation internationaler Verträge durch das Parlament festgelegt. Die Delegierten in den Vereinten Nationen haben daher im allgemeinen zwar eine Befugnis zur Abstimmung, jedoch nicht zum Vertragsabschluß.

Eine Resolution unterscheidet sich im übrigen ganz deutlich von einem Vertrag durch ihre Unkündbarkeit. Es liegt den meisten Staaten fern, sich rechtliche Fesseln anzulegen, die sie, wenn überhaupt, nur mit Zustimmung der Gegenseiten wieder abstreifen könnten. Es muß also festgestellt werden, daß mit Resolutionen keine Rechtsquellen im Sinne des Art. 38 Abs. 1a des IGH-Statuts vorliegen.

 

 

3.2 Resolutionen als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts

 

Für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht werden im allgemeinen zwei Voraussetzungen genannt: Zum einen müssen die Staaten, durch deren Praxisn die völkerrechtliche Gewohnheit erst entsteht, der Auffassung sein, daß ihr Handeln rechtmäßig ist, zum anderen benötigt es eine einheitliche und konstante Übung. Dadurch, daß die Generalversammlung jedes Jahr erneut über die gleichen Grundsätze eine Resolution verabschiedet, entsteht noch kein Gewohnheitsrecht. Zwar können durch die ständige Wiederholung (re-citation) die wichtigsten Resolutionen in ihrer Bedeutung aus der Masse der vielen tausend bisher verabschiedeten Resolutionen hervorgehoben werden, dadurch ändert sich aber nicht ihr rechtlicher Status.

Charakteristisch für das Gewohnheitsrecht ist, daß seiner Entstehung kein bestimmter Zeitpunkt zugrunde liegt, sondern daß es durch eine mehr oder weniger lange Entwicklung zu formellem Recht wird. Daher kann Völkergewohnheitsrecht nicht per Abstimmung geschaffen werden. Eine Resolution kann folglich nur dann Gewohnheitsrecht ausdrücken, wenn sie mit dem schon bestehenden, praktizierten Gewohnheitsrecht der Staaten übereinstimmt. Aber selbst dann bliebe die Resolution an sich formal unverbindlich. Rechtlich gebunden sind die Staaten durch ihre Praxis, nicht dadurch, daß diese Praxis in einer Resolution beschrieben wird.

Somit sind Resolutionen keine formale Rechtsquelle im Sinne des Art. 38 Abs. 1b des IGH-Statuts.

 

 

3.3 Resolutionen als Formulierungen allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze

 

Wenn Resolutionen als Formulierungen der herrschenden Rechtsauffassungen der Staaten gesehen würden, könnten sie als Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze unter Art. 38 Abs. 1c des Statuts des IGH subsumiert werden. Um zu prüfen, ob diese Subsumtion möglich ist, müssen die Grundsätze für das Abstimmungsverhalten der Staaten beachtet werden. Stimmentscheidungen sind, wie oben erläutert wurde, vorwiegend von politischen Motiven bestimmt und nicht von Motiven juristischer Art. Insofern repräsentieren die Resolutionen der Generalversammlung vornehmlich das politische, nicht so sehr jedoch das juristische Bewußtsein der Staaten.

Allgemein von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Rechtsgrundsätze (wie z.B. pacta sunt servanda) benötigen keine von der Generalversammlung verabschiedete Resolution, um Rechtswirkung zu entfalten. Eine Resolution kann daher allenfalls eine Vermutung für das Vorliegen eines allgemeinen oder neuen Rechtsgrundsatzes begründen. Nicht die Resolution an sich, sondern nur "etwaige Völkerrechtsnormen ‘hinter’ den Beschlüssen der Generalversammlung" können als allgemeine Rechtsgrundsätze im Sinne des Völkerrechts verbindlich sein.

Daher können Resolutionen nicht als formale Rechtsquelle im Sinne des Art. 38 Abs. 1c des IGH-Statuts gelten.

 

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Resolutionen der Generalversammlung weder nach der Charta der Vereinten Nationen noch nach Art. 38 des Statuts des IGH rechtliche Verbindlichkeit besitzen.

 

 

4. Wirkungen von Resolutionen der Generalversammlung

 

Obwohl für die Resolutionen der Generalversammlung keine Rechtsverbindlichkeit festzustellen ist, besitzen sie dennoch Wirkungen. Diese können sowohl rechtsbildender als auch politischer und moralischer Natur sein.

 

 

4.1 Rechtsbildende Wirkungen von Resolutionen

 

Eine Besonderheit des Völkerrechts besteht darin, daß in ihm (im Unterschied zum nationalen Recht) verschiedene Grade von Geltungskraft zu finden sind. Die Entwicklung des faktischen, tatsächlichen Rechts ist schon in seinen Vorstadien relevant. Ändert sich die internationale Rechtsüberzeugung, so kann sich das in einer Resolution der GV niederschlagen. Dies ist wichtig, wenn Resolutionen als rechtliche Argumentationshilfe oder Auslegungshilfe verwendet werden.

So bezieht z.B. der IGH in neuerer Zeit Resolutionen der GV in seine Entscheidungsfindung mit ein. Da Richterrecht unbezweifelt eine gewisse rechtsbildende Wirkung innewohnt, muß diese auch zum Teil den herangezogenen Resolutionen zugerechnet werden. Jedoch ist nicht die Resolution als solche Recht, sondern das dahinterliegende allgemeine Völkerrechtsprinzip.

Von den Staaten wird erwartet, daß sie sich an Resolutionen halten, die sie selber unterstützt haben. Um durch diese Erwartung, die andere Staaten nach Treu und Glauben an sie richten, nicht verpflichtet zu werden, machen die Staaten insbesondere bei der Annahme von Resolutionen durch "Konsens" von ihrem Recht Gebrauch, förmliche Vorbehaltserklärungen abzugeben. Hierin drückt sich die Unsicherheit über den rechtlichen Status von Resolutionen aus. Denn wären Resolutionen rechtlich tatsächlich völlig wirkungslos, wäre die Abgabe von Vorbehaltserklärungen überflüssig.

 

Resolutionen der GV sind also weder konkretes Recht, noch sind sie völkerrechtlich irrelevant. Ihrer Bedeutung wird man am ehesten mit dem Begriff des "soft law" gerecht. Als "soft law" finden sie auch nur auf einen "soften" Bereich Anwendung, wie z.B. als Auslegungshilfe oder "Argumentationsrahmen". "Harte" rechtliche Ansprüche lassen sich aus ihnen nicht ableiten. Resolutionen sind also, ohne selbst unmittelbar Rechtsnormen zu sein, rechtlich relevant.

 

 

4.2 Politische und moralische Wirkungen von Resolutionen

 

Resolutionen sind Sollenssätze, sie setzen eine politische Norm. Auf individueller Ebene wären sie z.B. vergleichbar mit den Geboten: "Du sollst deine Eltern ehren" oder "Du sollst nicht lügen". In einer Resolution heißt es an die Regierungen gerichtet: "Du sollst nicht foltern". Solche Sollenssätze haben eine nicht zu unterschätzende bindende Funktion. Als außerrechtliche Normen binden sie rechtlich nicht weniger, sie binden anders.

Durch Resolutionen werden bestimmte allgemeine Prinzipien im öffentlichen Bewußtsein verfestigt, an denen keine Regierung vorbeigehen kann, wenn sie nicht durch die GV verurteilt werden will. Dazu gehören die grundsätzliche Respektierung der Menschenrechte, die Legitimität der demokratischen Regierungsform und das Prinzip der Selbstbestimmung, die Dekolonisierung sowie die Illegitimität von Interventionen und Apartheid. So können Resolutionen moralischen Druck auf die Mitgliedsstaaten der GV ausüben, der sich dann politisch äußert. Sicherlich sind Staaten nicht gezwungen, sich den als bloße Empfehlung geltenden Resolutionen zu beugen, allerdings kann doch ihr Verhalten durch sie beeinflußt werden. So wurden z.B. wichtige Elemente der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in die Verfassungen vieler neu gegründeter unabhängiger Staaten aufgenommen. So kann der durch Resolutionen erzeugte öffentliche Druck die Staatenpraxis verändern, und eine so veränderte Staatenpraxis kann wiederum neues Recht schaffen.

Resolutionen sind folglich als ein Impuls zur Schaffung von Bewußtsein und Wertvorstellungen zu verstehen.

 

 

5. Einfluß statt Allmacht. Der Sinn einer beschränkten Kompetenz der Generalversammlung

 

Mit den Vereinten Nationen wurde eine Organisation geschaffen, der ihre Mitglieder zwar Autorität, aber keine Macht übertragen haben. Die Organisation hat noch keine Möglichkeit gefunden, die ihr übertragene Autorität auch effektiv einzusetzen.

Wenn sich die Generalversammlung politische Allmacht anmaßt, können die Staaten mit Austritt drohen oder ihre Beitragszahlungen kürzen, wie es z.B. die USA und die Sowjetunion schon getan haben. Das hat schwerwiegende, aber auch disziplinierende Konsequenzen für die Organisation.

Die fehlende gesetzgebende Macht der Generalversammlung ist jedoch keineswegs ein Versehen ihrer Gründer. Sie findet ihre Ursache in der Struktur des internationalen Systems, welches sich seit dem Mittelalter als sehr solide erwiesen hat. Diese Struktur hat sich weder durch die Gründung der Vereinten Nationen noch durch andere zeitweilige Entwicklungen geändert.

Die "Gruppe der 77" könnte fast jede beliebige Resolution in der GV durchsetzen. Diese sich für eine Majoritätsgruppe von Staaten ergebende Möglichkeit, Resolutionen durchzusetzen zu können zu Lasten einer Minderheitsgruppe, schließt es aus, die GV als Forum der Weltgesetzgebung anzuerkennen. Die Unterwerfung unter die Legislativgewalt eines mit "überwältigender Mehrheit entscheidenden Weltgesetzgebers könnte für manche Staaten einem Todesurteil gleichkommen." Aber auch so besteht für die "Gruppe der 77" die Möglichkeit, in der GV ihren politischen und sozialen Forderungen auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen und sie öffentlich zu machen, was dann bei anderen Staaten auch auf nationaler Ebene einen Prozeß des Umdenkens in Gang setzen kann.

Offen ist, ob diese Welt eine bessere Welt wäre, wenn die GV die Autorität hätte, ihren an die Staaten gerichteten Resolutionen Rechtsverbindlichkeit zu verleihen. Zweifel ergeben sich, weil erstens die nach dem nicht repräsentativen und nicht gerechten Prinzip des one state - one vote getroffenen Mehrheitsentscheidungen kein gerechtes Ergebnis produzieren können und zweitens bei einer Rechtsverbindlichkeit der GV-Resolutionen das völkerrechtliche System um einiges instabiler wäre, weil es von wechselnden Mehrheiten und Koalitionen abhängig wäre. Dadurch würde der internationalen Gesetzgebung quasi die Grundlage entzogen.

Ein Problem bleibt die Inflation von Resolutionen. Die Ursache dieser Inflation liegt darin, daß die die Resolutionen verabschiedenden Nationen wissen, daß diese Resolutionen unverbindlich sind. In der Öffentlichkeit gibt ihre Verabschiedung jedoch ein positives Bild ab. Doch zu viele nicht befolgte Resolutionen führen letztlich zu einem Autoritätsverlust der GV und der Vereinten Nationen an sich.

So wäre bei der Verabschiedung von Resolutionen weniger Quantität zugunsten von mehr Qualität wünschenswert, gefolgt von einem verstärkten follow-up-Verfahren (Überprüfung der Umsetzung).

 

Es bleibt abschließend festzuhalten, daß auch ohne die Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen der zwischen den 185 Mitgliedsstaaten der GV stattfindende Dialog, die gemeinsamen Diskussionen und die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Problemen der anderen Staaten wichtig und notwendig für ein besseres Verständnis untereinander sind.

 

6. Anhang

 

Auszug aus der Charta der Vereinten Nationen

(Quelle: Hüfner, 1991, S. 37 ff.)

 

Artikel 1

Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

  1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen;
  2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen;
  3. eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen;
  4. ein Mittelpunkt zu sein, in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele aufeinander abgestimmt werden.

 

Artikel 10

Die Generalversammlung kann alle Fragen und Angelegenheiten erörtern, die in den Rahmen dieser Charta fallen oder Befugnisse und Aufgaben eines in dieser Charta vorgesehenen Organs betreffen; vorbehaltlich des Artikels 12 kann sie zu diesen Fragen und Angelegenheiten Empfehlungen an die Mitglieder der Vereinten Nationen oder den Sicherheitsrat oder an beide richten.

 

Artikel 11

  1. Die Generalversammlung kann sich mit den allgemeinen Grundsätzen der Zusammenarbeit zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einschließlich der Grundsätze für die Abrüstung und Rüstungsregelung befassen und in bezug auf diese Grundsätze Empfehlungen an die Mitglieder oder den Sicherheitsrat oder an beide richten.
  2. Die Generalversammlung kann alle die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Fragen erörtern, die ihr ein Mitglied der Vereinten Nationen oder der Sicherheitsrat oder nach Artikel 35 Absatz 2 ein Nichtmitgliedsstaat der Vereinten Nationen vorlegt; vorbehaltlich des Artikels 12 kann sie zu diesen Fragen Empfehlungen an den oder die betreffenden Staaten oder den Sicherheitsrat oder an beide richten. Macht eine derartige Frage Maßnahmen erforderlich, so wird sie von der Generalversammlung vor oder nach der Erörterung an den Sicherheitsrat überwiesen.
  3. Die Generalversammlung kann die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf Situationen lenken, die geeignet sind, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gefährden.
  4. Die in diesem Artikel aufgeführten Befugnisse der Generalversammlung schränken die allgemeine Tragweite des Artikels 10 nicht ein.

 

Artikel 12

  1. Solange der Sicherheitsrat in einer Streitigkeit oder einer Situation die ihm in dieser Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, darf die Generalversammlung zu dieser Streitigkeit oder Situation keine Empfehlung abgeben, es sei denn auf Ersuchen des Sicherheitsrats.
  2. Der Generalsekretär unterrichtet mit Zustimmung des Sicherheitsrats die Generalversammlung bei jeder Tagung über alle die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten, die der Sicherheitsrat behandelt; desgleichen unterrichtet er unverzüglich die Generalversammlung oder, wenn diese nicht tagt, die Mitglieder der Vereinten Nationen, sobald der Sicherheitsrat die Behandlung einer solchen Angelegenheit einstellt.

 

Artikel 13

  1. Die Generalversammlung veranlaßt Untersuchungen und gibt Empfehlungen ab,
  1. um die internationale Zusammenarbeit auf politischem Gebiet zu fördern und die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts sowie seine Kodifizierung zu begünstigen;
  2. um die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, des Sozialwesens, der Kultur, der Erziehung und der Gesundheit zu fördern und zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion beizutragen.
  1. Die weiteren Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Befugnisse der Generalversammlung in bezug auf die in Absatz 1 Buchstabe b genannten Angelegenheiten sind in den Kapiteln IX und X dargelegt.

 

Artikel 14

Vorbehaltlich des Artikels 12 kann die Generalversammlung Maßnahmen zur friedlichen Bereinigung jeder Situation empfehlen, gleichviel wie sie entstanden ist, wenn diese Situation nach ihrer Auffassung geeignet ist, das allgemeine Wohl oder die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nationen zu beeinträchtigen; dies gilt auch für Situationen, die aus einer Verletzung der Bestimmungen dieser Charta über die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen entstehen.

 

 

LITERATURVERZEICHNIS

 

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