#!/usr/bin/perl print qq§Content-Type: text/html §;

Inhalt

 

 

  1. Einleitung
  1. Der Selbständige - Definition, Abgrenzung, Funktion
  1. Stellung der Selbständigen aus soziographischer Sicht
  1. Wer gründet Unternehmen ?

 

4.1 Arbeitsmarktlage als Motiv für die Selbständigkeit

4.2 Intrinsische Gründungsmotive

4.3 Soziale Faktoren

4.4 Sach- und Humankapital

 

  1. Resümee

 

Literatur

 

 

 

1. Einleitung

 

"Durch eine Gründeroffensive [ von neuen Unternehmen] können und müssen wichtige Beiträge zur Stabilisierung und Ausweitung der Beschäftigung geleistet werden. Qualität und Niveau der künftigen Wirtschaftsentwicklung hängen wesentlich davon ab, in welchem Maß Leistungsträger der Gesellschaft bereit und fähig sind, sich unternehmerisch zu betätigen. Existenzgründer und Jungunternehmer sind vielfach die Avantgarde des Wandels von der Industrie- zur Wissensgesellschaft" (Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, 1997, 52).

 

In einer Zeit des grundlegenden Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft, verbunden mit zahlreichen Problemen, wird seitens der Politik verstärkt das Ziel formuliert, Unternehmensgründungen zu forcieren. Kommunen errichten Existenzgründerzentren, Industrie- und Handelskammern und Branchenverbände bieten Existenzgründerseminare an und Banken zeigen sukzessive mehr Bereitschaft, Risikokapital für Unternehmensgründungen zur Verfügung zu stellen. Zwei wesentliche Motive haben Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftsorganisationen dabei im Blick. Erstens sollen auf diesem Weg Gegenmaßnahmen zur steigenden Zahl der Arbeitslosen wirksam gemacht werden. Zweitens verspricht man sich davon, den strukturellen Wandel der Wirtschaft zu meistern und im Hinblick auf den globalen Wettbewerb Zukunftsmärkte frühzeitig zu besetzen.

 

Die Erfolgswahrscheinlichkeit all dieser Initiativen steigt, wenn das Wissen über diejenigen Akteure des Wirtschaftssystems wächst, die als Unternehmensgründer und zukünftige Selbständige in Frage kommen. Die Forschung in diesem Bereich steht jedoch noch am Anfang. Es gilt daher, den Blick von den makroökonomischen Effekten von Selbständigkeit auch auf mikroökonomische Betrachtungsweise zu lenken, die sich mit typischen Mustern und spezifischen Voraussetzungen eines selbständig agierenden Wirtschaftssubjektes auseinandersetzt.

 

Ziel dieses Textes ist es, nach einer Definition des Erkenntnisobjektes und einer Einordnung in den gesamtwirtschaftlichen Kontext sich mit der Frage zu befassen, welches die Determinanten der Selbständigkeit sind. Da eine primär sozialwissenschaftliche Perspektive gewählt wird, sollen insbesondere sozialstrukturelle aber auch psychologische bzw. soziolgische Faktoren behandelt werden.

 

Die Datenbasis, auf der die meisten der empirischen Aussagen dieses Textes aufbauen, sind der Mikrozensus und das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Aufgrund des eingeschränkten Umfangs dieser Arbeit müssen methodische Aspekte ausgeklammert werden, obgleich sich hier interessante und facettenreiche Ansatzpunkte verbergen. Da der Text einen recht allgemeinen Überblick geben will, muß er sich damit begnügen, Ergebnisse empirischer Studien zu referieren.

 

 

2. Der Selbständige - Definition, Abgrenzung, Funktion

 

Die Klassifikation von Berufen wird zuweilen recht unterschiedlich gehandhabt. Bereits 1921 hat Max Weber eine Einteilung vorgenommen, indem er in "Unternehmer" als privilegierte,und "Arbeiter" als negativ privilegierte Erwerbsklassen unterscheidet (Weber, 1976, 178). Diese Unterscheidung ist in ähnlicher, wenn auch radikalerer Form schon bei Marx zu finden. Orientiert man sich an der heute üblichen Einteilung der amtlichen Statistik, so erhält man fünf verschiedene Formen der Erwerbstätigkeit: 1996 waren von rund 36 Mio. Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland

 

Drei wesentliche Unterscheidungen sind zwischen dem Selbständigen und dem abhängig Beschäftigten zu treffen:

 

Nimmt man diese drei Charakteristika als Eckpunkte einer Definition des Selbständigen, sind beispielsweise führende Manager von Kapitalgesellschaften nicht automatisch der Kategorie "Selbständige" zuzuordnen. Nur wenn ihr Kapitalanteil an der Unternehmung so groß ist, daß sie in der Lage sind, ihre Entscheidungen eigenständig zu treffen, können sie als Selbständige bezeichnet werden. Auch Kapitalgeber werden, sofern sich ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Bereitstellung von Kapital verbunden mit einer Zinserwartung beschränken, nicht den Selbständigen zugerechnet (Börsch-Supan/Pfeiffer, 1992, 259).

 

Dem selbständigen Unternehmer werden im Wirtschaftsprozeß gemeinhin verschiedene Funktionen zugesprochen. Knight (1921) betont die Funktion des Risikoträgers, während Schumpeter (1952) seine Innovationsfunktion als zentral betrachtet. Kirzner (1983) bezeichnet den Unternehmer als Arbitrageur, der schneller als andere eine Gewinnchance erkennt und für sich ausnützen kann.

 

Bei der Behandlung des Selbständigen werden ihm in der Literatur zwei wesentliche Persönlichkeitsmerkmale zugeschrieben:

  1. Unternehmerische Fähigkeit (Marshall, 1949); Fähigkeit zu organisieren, Menschen zu führen, Marktchancen zu erkennen und umzusetzen.
  2. Risikoverhalten (Knight)

 

Trotz vieler statistisch nachweisbarer Gemeinsamkeiten unter selbständigen Erwerbstätigen, handelt es sich um eine eher heterogene Gruppe. Ein Selbständiger ist also nicht gleich ein Selbständiger. Im Hauptteil der Arbeit wird diese Aussage anhand einzelner, zum Teil empirisch nachprüfbarer Merkmale aufgegriffen. Der Begriff des Unternehmers beinhaltet ein extremes Spektrum. Er reicht vom Imbißwagenbesitzer vor dem Einkaufszentrum bis hin zum weltweit agierenden Großunternehmer. Der Anteil Selbständiger, die im Besitz von Großunternehmen sind, beträgt jedoch nur ca. 2 Prozent. Folglich hat der überwiegende Teil der Selbständigen Firmen, die mit weniger als 500 Mitarbeitern zu den kleinen und mittleren Unternehmen zählen. 46 Prozent der Selbständigen führen ihre Geschäfte ohne dabei feste abhängige Beschäftigte einzusetzen. Aufgrund dieser heterogenen Struktur treffen Bechhofer/Elliot (1981) die Unterscheidung in "haute Bourgeoisie" für Selbständige mit vielen Angestellten und "petit Bourgeoisie" für Selbständige ohne bzw. sehr wenigen Angestellten.

 

 

3. Stellung der Selbständigen aus soziographischer Sicht

 

Der Anteil der Selbständigen an der Gesamtheit der Erwerbstätigen lag 1996 in der Bundesrepublik Deutschland bei 9,5 Prozent. Dies ist verglichen mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, als rund 25 Prozent der Erwerbsbevölkerung in Deutschland selbständig war, ein relativ kleiner Wert. Betrachtet man jedoch eine langfristige Entwicklungstendenz, stellt man fest, daß bis Anfang der achtziger Jahre eine kontinuierliche Abnahme der Selbständigen-Quote zu beobachten war. Der Tiefpunkt lag 1980 bei 8,6 Prozent. Seither ist eine Stabilisierung bzw. ein leichter Anstieg festzustellen.

 

Hinsichtlich der Geschlechterverteilung wird deutlich, daß bei den männlichen Erwerbstätigen der Anteil der Selbständigen deutlich höher liegt als bei den weiblichen Erwerbstätigen. Jedoch sind die prozentualen Zuwächse bei den selbständigen Frauen geringfügig höher als die der Männer.

 

Selbständigen-Quote in der BR Deutschland nach Geschlecht differenziert

 

Selbständigen-Quote

Gesamt

Männer

Frauen

1980

8,62 %

11,53 %

4,95 %

1991

9,06 %

11,72 %

5,76 %

1996

9,47 %

12,04 %

6,00 %

Quelle: Statistische Jahrbücher, Eigene Berechnung

 

Vergleicht man die einzelnen Bundesländer untereinander hinsichtlich ihrer Selbständigen-Quote, so lag Bayern 1996 mit einem Anteil von 11,5 Prozent Selbständiger an der Spitze aller Bundesländer. In den fünf neuen Ländern liegt die Selbständigen-Quote erwartungsgemäß noch hinter den alten Ländern zurück. Stellt man die Selbständigen-Quote auf Länderebene der jeweiligen Arbeitslosen-Quote gegenüber, weisen 12 Länder einen negativen Saldo auf. Lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein ist die Selbständigen-Quote höher als die Arbeitslosen-Quote.

 

Selbstständigen- und Arbeitslosen-Quote der Bundesländer

 

 

April 1996

April 1990

April 1984

 

S-Q (%)

A-Q (%)

S-Q (%)

A-Q (%)

S-Q (%)

A-Q (%)

Baden-Württemberg

10,0

8,0

8,6

3,5

9,2

4,8

Bayern

11,5

7,9

9,5

4,0

10,0

6,3

Berlin (1990, 1984 nur West)

10,6

15,7

7,9

8,0

6,9

9,3

Brandenburg

7,1

16,2

-

-

-

-

Bremen

9,3

15,6

6,5

12,0

6,2

13,4

Hamburg

11,1

11,7

8,1

9,0

7,1

10,0

Hessen

10,3

9,3

8,3

4,7

8,1

6,4

Mecklenburg-Vorpommern

6,7

18,0

-

-

-

-

Niedersachsen

9,6

12,1

8,0

7,8

8,4

10,0

Nordrhein-Westfalen

8,7

11,4

7,3

7,8

7,3

9,6

Rheinland-Pfalz

9,3

9,4

8,5

5,2

8,4

7,2

Saarland

8,7

12,4

7,1

8,4

6,3

11,5

Sachsen

7,6

15,9

-

-

-

-

Sachsen-Anhalt

6,9

18,8

-

-

-

-

Schleswig-Holstein

10,3

10,0

8,5

7,1

9,0

8,7

Thüringen

7,0

16,7

-

-

-

-

Gesamt

9,5

10,1

8,3

6,0

8,4

7,8

Quelle: Statistische Jahrbücher, Eigene Berechnungen.

 

Interessant erscheint auch ein Blick über die Grenzen. Im Referenzjahr 1989 lag die Selbständigen-Quote der Bundesrepublik hinter den meisten westlichen Ländern zurück. Lediglich die USA, Kanada und Schweden hatte gemessen an der Gesamterwerbsbevölkerung einen geringen Anteil an Selbständigen. Besonders groß ist die Differenz bei einem Vergleich mit den Mittelmeerländern und Irland.

 

Selbständigen-Quoten ausgewählter Industrieländer

 

 

1989

1979

1969

USA

8,5

8,5

9,2

Schweden

8,8

7,5

10,2

Kanada

8,9

9,0

-

BR Deutschland

8,9

8,9

10,9

Dänemark

9,3

12,5

15,8

Norwegen

9,4

10,3

18,6

Österreich

10,5

-

-

Großbritannien

12,2

-

-

Finnland

14,0

13,8

-

Belgien

14,3

13,1

14,7

Japan

14,6

17,6

19,7

Australien

14,8

15,7

13,2

Frankreich

15,1

17,0

22,7

Spanien

21,6

21,8

23,6

Irland

22,6

22,4

24,8

Italien

24,8

23,3

-

Griechenland

35,2

-

-

Entnommen aus: Pfeiffer, 40.

 

Der internationale Vergleich führt, insbesondere wenn auch weitere Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas herangezogen werden, zu der These, daß es einen negativen Zusammenhang zwischen dem Stadium der Industrialisierung und dem Anteil selbständiger Erwerbstätiger gibt (Pfeiffer, 42).

 

 

4. Wer gründet Unternehmen ?

 

Nachdem nun klargeworden sein sollte, was ein selbständiger Unternehmer ist und welche Position er aus soziographischer Perspektive einnimmt, soll nun die eigentliche Kernfrage der Arbeit erörtert werden - "Wer gründet Unternehmen?" Diese Frage impliziert, daß Unternehmensgründer typische Merkmale besitzen, die sie systematisch von anderen Personenkreisen unterscheiden. Schon im ersten Abschnitt sind einige spezifischen Eigenschaften von Unternehmern angeklungen. Eigenschaften, wie "Risikobereitschaft" und "Managementfähigkeiten" wurden kurz erwähnt. Jedoch geht es nachfolgend nicht primär darum, welche signifikanten Eigenschaften Selbständige in Ausübung ihrer Tätigkeit als Unternehmer haben, sondern vielmehr, welche Merkmale im Sinne von Prädispositionen vorhanden sind, wenn sich Personen entschließen, den Schritt in die Selbständigkeit zu tun und eine Unternehmung gründen. Bögenhold benennt zwei fundamentale Entscheidungsdimensionen für den Weg in die Selbständigkeit. Auf einem bipolaren Kontinuum markieren seiner Terminologie folgend die "Ökonomie der Selbstverwirklichung" und die "Ökonomie der Not" die beiden Pole (Bögenhold, 1989, 269).

 

 

4.1 Arbeitsmarktlage als Motiv für die Selbständigkeit

 

Hinter dem Begriff "Ökonomische Not" verbirgt sich aus Sicht des Individuums Arbeitslosigkeit bzw. die subjektiv empfundene Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren. Der Schritt in die Selbständigkeit stellt ein Ventil dar, der Situation von Arbeitslosigkeit bzw. drohendem Arbeitsplatzverlust zu entziehen. Die Einschätzung, daß eine als schwierig empfundene Arbeitsmarktlage ein wesentliches Motiv zur Unternehmensgründung darstellt, wird von anderen Autoren geteilt und ist auch empirisch vielfach belegt. Eine Studie des IFO-Instituts aus den frühen 80er Jahren unterstreicht diese These. Sehr prägnant stelle sich darin die Situation im Handwerk dar. Hier resultierte jede vierte Unternehmensgründung aus der Arbeitslosigkeit des Gründers (Weitzel, 1986).

 

Auch bei Evans/Leighton (1989) wird die individuelle Arbeitsplatzlage als ein Schlüsselmotiv für die Entscheidung zur Selbständigkeit angeführt. Sie treffen die empirisch fundierte Aussage, daß die Wahrscheinlichkeit, selbständig tätig zu werden, bei Arbeitslosen, schlecht bezahlten Arbeitnehmern und Personen, die häufig ihre Arbeitsstelle gewechselt haben, besonders hoch ist.

 

Börsch-Supan/Pfeiffer sehen ebenfalls eine Handlungsoption in der beruflichen Verselbständigung für Menschen, "denen der Zugang zum traditionellen Arbeitsmarkt versperrt ist". Sie führen jedoch einschränkend zwei Faktoren an. Zum einen wird die Rolle von sozialen Sicherungssystemen betont, die einen Einfluß auf den Zusammenhang zwischen schlechter individueller Erwerbslage und der Entscheidung zur Selbständigkeit ausübt. Die These muß daher lauten: "Je besser das soziale Sicherungssystem, desto geringer die materielle Bedrohung durch Arbeitslosigkeit bzw. durch einen unsicheren Arbeitsplatz. Somit sinkt der unmittelbare Problemdruck, der sich aus der persönlichen Situation ergibt und die Notwendigkeit eine berufliche Alternative in der eigenständigen Erwerbsarbeit zu suchen, nachläßt.

 

Als zweite Einflußgröße nennen Börsch-Supan/Pfeiffer die Rolle von institutionalisierten Eintrittsbarrieren in die Selbständigkeit. Beispielhaft für die Bundesrepublik Deutschland sei die Notwendigkeit einer Meisterprüfung im Handwerk genannt, ohne die eine Eröffnung eines selbständigen Handwerksbetriebs nicht möglich ist.

 

Börsch-Supan/Pfeiffer weisen auch eine Besonderheit hin, die hier wenigsten am Rand Erwähnung finden soll. Sie gelangen aufgrund ihrer empirischen Ergebnisse zu der Erkenntnis, daß innerhalb der Kategorie der Selbständigen eine Unterscheidung zwischen Unternehmern und Freiberuflern zu treffen ist, da zwischen diesen beiden Gruppen grundsätzliche Differenzen beobachtbar sind, die in der empirischen Analyse zu Aggregationsfehlern führen, wenn sie unberücksichtigt bleiben. Einer der Unterschiede tritt bei dem Einfluß der Arbeitsmarktlage auf die Entscheidung zur Verselbständigung zutage. Während analog zu den obengenannten Standpunkten der Druck auf dem Arbeitsmarkt bei den Unternehmern ein maßgebliches Motiv zur Unternehmensgründung war, zeigen Freiberufler eine genau gegenteilige Reaktion. Bei ihnen wirkt sich eine angespannte Arbeitsmarktlage als Hemmnis für eine selbständige Tätigkeit aus (Börsch-Supan, 278).

 

Sieht man von dieser sehr speziellen Ausnahme ab, so kann eine angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt als ein Hauptmotiv für das Ergreifen einer selbständigen Tätigkeit angeführt werden.

 

4.2 Intrinsische Gründungsmotive

 

Als zweite grundsätzliche Motivation zur Unternehmensgründung kann das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung - die "Ökonomie der Selbstverwirklichung" - angesehen werden. Im Gegensatz zur Arbeitsmarktlage als exogenem Einflußfaktor handelt es sich bei dem Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung um einen endogenen Einflußfaktor, der in erster Linie aus psychologischer Perspektive betrachtet werden muß. Diese Grundmotivation wird beseelt von dem Ziel, den eigenen Berufsalltag selbst zu bestimmen, an keine Weisungen von anderen gebunden zu sein, eigene Ideen zu verwirklichen und der eigenen Leistung entsprechend entlohnt zu werden. Es werden sogar Einkommenseinbußen in Kauf genommen, wenn auf der anderen Seite die positiven Effekte einer selbständigen Tätigkeit sehr hoch bewertet werden (Bögenhold, 269).

 

Es ist naheliegend, daß dem Ideal der eigenständig bestimmten Arbeit ein spezieller Persönlichkeitstypus zugrunde liegt. Eigenschaften wie "Leistungsbereitschaft" kombiniert mit einer "individualistisch orientierten Weltanschauung" führen zu einem Lebenskonzept, das es den Betroffenen erschwert, sich in einen eng strukturierten und fremdbestimmten Arbeitsprozeß einzugliedern. Die voranschreitende Verbreitung postmaterialistischer Werthaltungen in der westlichen Welt dürfte diese Entwicklung unterstützen.

 

Einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung psychologischer Determinanten der Unternehmensgründung leistet der in diesem Zusammenhang häufig zitierte J. B. Rotter. Mit seiner in den 60er Jahren entwickelten Skala ("locus of control") läßt sich ermitteln, ob Personen erlangte Erfolge ursächlich als Konsequenz des eigenen Handelns bzw. der eigenen Leistung betrachten ("internals") oder externen Umständen wie Glück oder Zufall zurechnen. Untersuchungen, die sich an Ergebnisse des Rotter-Tests anknüpfend mit deren Verteilung zwischen Selbständigen und abhängig Beschäftigten befaßten, haben selbständige Unternehmer stark der Gruppe der "internals" zugeordnet, wohingegen abhängig Beschäftigte wesentlich seltener die eigene Leistung als Ursache für Erfolge betrachten. Als Schlußfolgerung aus diesem Ansatzpunkt geht die Literatur gemeinhin davon aus, daß Menschen, die Erfolge den eigenen Leistungen zuschreiben, eher die Aussicht haben, ein Unternehmen zu gründen.

 

McClelland (1961) betont in einem von ihm entwickelten Persönlichkeitskonzept das Bedürfnis nach Leistung ("need for achievement"). Menschen mit einem grundsätzlich vorhandenen Bedürfnis nach Leistung streben demnach eine berufliche Tätigkeit an, die unternehmerisches Denken verlangt. Diese finden sie in der Selbständigkeit. Auch kreative Personen sind für die Selbständigkeit prädestiniert. Die bereits in der frühkindlichen Sozialisation geförderte Kreativität ermöglicht es der kreativen Persönlichkeit, in komplexen und unstrukturierten Situationen selbständig zu agieren (Hagen, 1962). Diese Fähigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, sich einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit gewachsen zu fühlen.

 

Schließlich bleibt im Kontext der intrinsischen Motivationsfaktoren für die Selbständigkeit noch das Streben nach sozialem Ansehen zu erwähnen. Für Personen, deren Ziel ein Aufstieg in der Gesellschaft ist, bietet sich in der Selbständigkeit eine wesentliche Handlungsoption.

 

 

4.3 Soziale Faktoren

 

Das soziale Umfeld spielt auch bei der Analyse von Unternehmensgründern zweifellos eine Rolle. Soziologen neigen möglicherweise dazu, soziale Beziehungen in ihrer Bedeutung für spezifische Handlungen oder Entscheidungen - wie die einer Unternehmensgründung - zu stark zu betonen. Ökonomen hingegen blenden die soziale Umgebung als Einflußkomponente für individuelle Akteure oft aus.

 

Welchen Einfluß der soziale Hintergrund auf die Berufswahl, insbesondere auf die einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit besitzt, hat Max Weber in einem seiner bekanntesten Beiträge "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" bereits 1920 dargelegt (Weber, 1988). Weber zeigt den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und der für den praktischen Lebensalltag relevanten Wertvorstellung auf. Es gibt soziale Einheiten, in denen Werte und Normen existieren, die eine unternehmerische, den Gesetzen des Kapitalismus folgende Tätigkeit erst ermöglichen. In seiner Schrift zur Religionssoziologie bezieht er sich vor allem auf protestantische bzw. calvinistische Glaubensgemeinschaften, deren Wertvorstellungen besonders gut mit den Funktionsmechanismen des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem kompatibel sind. Für die heutige weitgehend säkularisierte Gesellschaft, in der religiöse Wertvermittlungsinstanzen an Bedeutung verloren haben, scheint dieses Beispiel auf den ersten Blick möglicherweise etwas antiquiert. Jedoch ist es unzweifelhaft, daß in verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedliche Wertvorstellungen existieren, welche die Entscheidung für eine selbständige unternehmerische Tätigkeit begünstigen oder hemmen können.

 

Auch Ergebnisse der neueren empirischen Forschung geben Hinweise, daß der Einfluß der Familie ein bedeutender Faktor für spätere berufliche Selbständigkeit ist. Untersuchungen auf der Datenbasis des Sozio-ökonomischen Panels ergaben, daß der Berufsstand des Vaters den statistisch signifikantesten Einflußfaktor bei Unternehmern darstellt. Bei Personen, die im Alter von fünfzehn Jahren einen selbständigen Vater hatten, ist die Wahrscheinlichkeit um 25 Prozent höher, daß auch sie selbständig werden, als beispielsweise bei Arbeiterkindern (Börsch-Supan/Pfeiffer, 279). Diese Aussage läßt zwei Rückschlüsse zu. Erstens kann die deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit daß Unternehmerkinder ebenfalls Unternehmer werden darin begründet liegen, daß durch eine Vererbung des Betriebs sie konkreter mit der Frage einer eigenen Selbständigkeit konfrontiert werden. Zweitens kann man aber auch die These vertreten, daß durch die Unternehmertätigkeit des Vaters auch andere Werte vermittelt wurden und Unternehmerkinder schon frühzeitig mit spezifischen Inhalten des Unternehmerdaseins konfrontiert wurden, was ihnen den Zugang zur Denk- und Handlungsweise eines Selbständigen eröffnet.

 

Auch die Art der "Einbettung" ("embeddedness") in soziale Gefüge wirkt sich auf den Schritt in die Selbständigkeit aus. Granovetter hebt die Bedeutung eines sozialen Netzwerks bzw. von vielseitigen sozialen Beziehungen bei der Entstehung von Unternehmungen hervor, indem er formuliert: "Economic institutions do not emerge automatically in response to economic needs. Rather, they are constructed by individuals whose action is both faciliated and constrained by the structure and resources available in social networks in which they are embedded" (Granovetter, 1992, 7). Diese Einbindung in soziale Netzwerke kann sich "beschaffungsseitig" bei der Verfügbarkeit von Informationen oder Kapital, aber auch "absatzseitig" bei der Existenz von Kundenkontakten positiv auf die Entscheidung zur eigenen Unternehmung auswirken.

 

Um die sozialen Einflußfaktoren zu komplettieren, sei schließlich noch Diskriminierung als sozialer Auslöser für eine selbständige Tätigkeit erwähnt. Diskriminierung kann dann eine Rolle spielen, wenn Mitglieder einer diskriminierten Gruppe einen niedrigeres Arbeitsentgelt erhalten als ihre nicht-diskriminierten Kollegen. Eine selbständige Tätigkeit ist eine probate Methode, sich dieser Benachteiligung zu entziehen. Es läßt sich auch empirisch nachweisen, daß der Anteil an Selbständigen in solchen Gruppen höher ist, die gesellschaftlich diskriminiert sind (Pfeiffer, 66).

 

 

4.4 Sach- und Humankapital

 

Als letzten die Gelegenheitsstrukturen einer potentiellen Selbständigkeit beschreibenden Punkt sind noch einige materielle und immaterielle Ressourcen zu erwähnen. Neben den bisher genannten Einflußfaktoren sind Sach- und Humankapital von Bedeutung.

 

Will man Humankapital als Einflußgröße auf berufliche Selbständigkeit statistisch erfassen, gilt es Variablen wie "Schulbildung" oder "Berufserfahrung" zu operationalisieren. Untersuchungen dieser Variablen in Abhängigkeit von selbständiger Berufsausübung haben ergeben, daß Selbständige im Durchschnitt über eine drei Jahre längere Berufserfahrung verfügen als Arbeitnehmer. Bei der Schulausbildung verfügen die Selbständigen im Durchschnitt über einen höheren Abschluß als Arbeitnehmer. Es ist davon auszugehen, daß eine gute Allgemeinbildung den Schritt in die Selbständigkeit erleichtert, weil Anfangshürden leichter genommen werden.

 

Auch die Ausstattung mit Kapital und Sachmitteln spielt bei der Entscheidung sich selbständig zu machen eine Rolle. Personen mit größerem Vermögen vollziehen den Schritt in die Selbständigkeit leichter als solche ohne Vermögen (Evans/Leighton, 520). Neben der reinen Kapitalausstattung kann sich auch die Verfügbarkeit räumlicher Ressourcen positiv auf die Entscheidung zur Selbständigkeit auswirken. Hat man die Möglichkeit, kostenlos in eigenen Räumen eine Betriebstätte oder ein Büro einzurichten, fällt eine Unternehmensgründung leichter, als wenn man zeitliche und finanzielle Aufwendungen für Räumlichkeiten zu bewältigen hat.

 

 

5. Resümee

 

Selbständige Unternehmer sind eine Kategorie, die sich von abhängig Beschäftigten klar abgrenzen läßt. Dennoch ist die Gruppe der Selbständigen nicht durch auffallende Homogenität gekennzeichnet. Ein kurzer Seitenblick auf die soziographische Stellung der Selbständigen sollte einen Eindruck vermitteln, welchen Umfang diese Gruppe im gesamtwirtschaftlichen Kontext besitzt.

 

Der Weg in die Selbständigkeit ist ein Unterfangen, welches zahlreichen Einflußfaktoren unterworfen ist. Die individuellen Voraussetzungen für eine Unternehmensgründung sind über die Gesamtbevölkerung unterschiedlich verteilt. Ziel der Arbeit war es, die wesentlichen Prädispositionen darzustellen. Zwei Grundmotive - der Druck des Arbeitsmarktes auf der einen und spezifische Persönlichkeitsstrukturen auf der anderen Seite - sollten deutlich geworden sein. Als Randbedingungen wurde der Akzent auf Sach- und Humankapital und die soziale Umgebung gesetzt. Außer der Arbeitsmarktlage wurden makroökonomische Einflußgrößen vernachlässigt, weil sie nicht unmittelbar mir dem Kern der Frage "Wer gründet Unternehmen?" zu tun hat.

 

Die Bildung eines Prototyps des Unternehmensgründers ist leider nicht möglich, weil die Kombination unterschiedlichster Merkmale in unterschiedlicher Gewichtung bei dem Schritt ins freie Unternehmertum naheliegt. Daher muß man sich bei der Beschreibung der Spezies "Unternehmensgründer" wohl darauf beschränken, auf der Basis von statistischen Relationen einzelne markante oder typische Determinanten aufzuzählen und ihre signifikanten Unterschiede zur Gruppe der abhängig Beschäftigten zu referieren.

 

Nicht eingegangen werden konnte auf Aspekte der Austrittswahrscheinlichkeit bzw. der Bedingungen, unter welchen eine selbständige Beschäftigung wieder aufgegeben wird. Bei der Behandlung empirischer Studien mußte auf das methodische Zustandekommen bestimmter Ergebnisse verzichtet werden. Es konnten lediglich wichtige Ergebnisse vorgestellt und kurz skizziert werden.

 

Zurückkommend auf die in der Einleitung erwähnten Bemühungen, aus wirtschaftspolitischem Interesse Existenzgründungen zu forcieren, sollten die dargelegten Aussagen eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Programme zulassen. Geht man, wie in dieser Arbeit geschehen, streng von der individuellen Sicht des (potentiellen) Unternehmers aus, so muß man feststellen, daß es eine Vielzahl von Einflußfaktoren gibt, die nicht oder nur zu einem sehr begrenzten Teil durch staatlich induzierte Maßnahmen zu beeinflussen sind. Provokativ gesagt hieße dies, Starthilfen für Selbständige werden fast ausschließlich von Personen in Anspruch genommen, die ohnehin über die maßgeblichen Voraussetzungen für eine Existenzgründung verfügen.

  

Literatur

Bechhofer, F. / Elliot, F. (Eds.): The Petite Bourgeoisie. Comparative Studies of the Uneasy Stratum, London, 1981.

Bögenhold, Dieter: Die Berufspassage in das Unternehmertum. Theoretische und empirische Befunde zum sozialen Prozeß von Firmengründungen, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 4, 1989.

Börsch-Supan, Axel / Pfeiffer, Friedhelm: Determinanten der Selbständigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hujer, Reinhard / Schneider, Hilmar / Zapf, Wolfgang (Hrsg.): Herausforderungen an den Wohlfahrtsstaat im strukturellem Wandel, Frankfurt/Main, 1992.

Evans, D. S. / Leighton, L. S.: Some Empirical Aspects of Entrpreneurship, American Economic Review, Vol, 79, 1989.

Granovetter, M.: Economic Institutions as Social Constructions: A Framework for Analysis, Acta Sociologica, 1992.Kirzner, I. M.: Entrpreneurs and the Entrepreneurial Functions, in: Ronen, J. (Ed.): Entrpreneurship, Lexington, 1983.

Hagen, E. E.: On the Theory of Social Change. How economic Growth Begins, London, 1962.

Knight, F.: Risk, Uncertainty and Profit, New York, 1921.

Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen: Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklungen, Ursachen und Maßnahmen. Teil III, Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage. Bonn, 1997.

Marshall, A.: Principles of Economics. An Introductory Volume, London, 1949.

McClelland, D. C.: The Achieving Society, New York, 1961.

Pfeiffer, Friedhelm: Selbständige und abhängige Erwerbsarbeit. Arbeitsmarkt- und industrieökonomische Perspektiven, Frankfurt/Main, 1994.

Rotter, J. B.: Generalised Expectancies for Internal versus External Control of Reinforcement, Psychological Monographs: General and Applied, Vol. 80, 1966.

Schumpeter, J.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin, 1952.

Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1997, Wiesbaden.

Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübimgen, 1976.

Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen, 1988.

Weitzel, G.: Beschäftigungswirkungen von Existenzgründungen, München, 1986.