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Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

 

Darlegung des Links-Rechts-Schemas

 

Was ist links, und was ist rechts ?

 

Der Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatz - die zentrale Konfliktlinie der Zukunft ?

 

Ein Szenarienentwurf künftiger Links-Rechts-Konstellationen

 

These 1:

Ablösung des traditionellen Klassenkonfliktes durch den Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatz

 

These 2:

Koexistenz der alten und neuen Konfliktlinie

 

These 3:

Synthese aus alter und neuer Konfliktlinie

 

These 4:

Auftauchen zusätzlicher Konfliktlinien

 

These 5:

Verschwinden des Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatzes

 

Schlußbemerkung

 

Literaturverzeichnis

 

 

 

Einleitung

 

Die TAZ gilt gemeinhin als eine linke Tageszeitung, während der Bayernkurier rechts steht. Die SPD sieht sich selbst als linke Volkspartei, wohingegen die Republikaner als extrem rechts eingestuft werden. Die Begriffe "links" und "rechts" werden bei der Klassifikation von Politikern, Parteien oder politischen Positionen mit großer Selbstverständlichkeit verwendet. Dies gilt gleichermaßen für alltägliche Gespräche über Politik wie auch für den akademischen Diskurs. In der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westlichen Staaten ist das politische Links-Rechts-Schema als fester Bestandteil der politischen Kommunikation einem Großteil der Bevölkerung geläufig. Die Mehrzahl der Personen ist in der Lage, wenn sie danach gefragt werden, sich selbst innerhalb dieses Spektrums politisch einzuordnen. "Die meisten Menschen in Westeuropa haben das subjektive Gefühl, der Linken oder der Rechten (oder der Mitte) anzugehören" (Inglehart 1995, S. 367).

 

Die Begrifflichkeiten "links" und "rechts" reichen als ordnende Bezeichnungen für politische Positionen weit in das vergangene Jahrhundert zurück. Bereits in der ersten deutschen Nationalversammlung von 1848 war "Die Linke" der Name für eine Gruppe von Abgeordneten, die radikaldemokratische und egalitäre Inhalte vertrat. Trotz der tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die sich seither in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern vollzogen haben, hat das Links-Rechts-Kontinuum als politische Orientierungskategorie bis heute Bestand.

 

Ziel des vorliegenden Textes ist es, Struktur und Funktion des Links-Rechts-Schemas darzustellen und ausgehend von Ingleharts "Theorie des Wertewandels" aufzuzeigen, inwieweit sich der neue politische Gegensatz zwischen materialistischen und postmaterialistischen Wertorientierungen auf die Links-Rechts-Dimension auswirkt. Anschließend soll in Form von alternativen Szenarien eine thesenartige Einschätzung darüber gegeben werden, welche möglichen Veränderung der Konfliktlinien und die damit in Zusammenhang stehenden Links-Rechts-Konzeptes denkbar sind.

 

 

Darlegung des Links-Rechts-Schemas

 

Schon allein dieTatsache, daß das Links-Rechts-Kontinuum ein weit verbreitetes und viel genutztes Modell der politischen Kategorisierung ist, das sich über einen langen Zeitraum bewährt hat und bislang weder eliminiert noch durch ein anderes Konzept ersetzt wurde, ist ein starker Indikator für seine bemerkenswerte Nützlichkeit im Rahmen der Auseinandersetzung mit politischen Sachverhalten. Trotz bzw. wegen seiner Abstraktheit eignet es sich dazu, komplexe politische Sachverhalte zu vereinfachen und zu strukturieren. Betrachtet man das Links-Rechts-Schema aus der funktionalistischen Sicht Luhmanns (Luhmann 1984, S. 140), trägt es dazu bei, Komplexität (politi-scher Sachverhalte / Syteme) zu reduzieren, ohne sie (die Komplexität) zu zerstören.

 

Der Wert dieses Konzeptes liegt also darin, daß es für die meisten Menschen eine funktionierende Orientierungshilfe darstellt, um sich im Dschungel einer potentiell unendlichen Anzahl politischer Sachfragen, Parteien, Meinungen und Interessensgruppen zurechtzufinden und diese Vielfalt auf eine allgemeinverständliche Ebene zu bringen. Es läßt sich demzufolge die These aufstellen, daß eine dauerhafte und systematische Auseinandersetzung mit politischen Problemen auf einer breiten gesellschaftlichen Basis unter anderem erst durch die sozial geteilte Links-Rechts-Dimension ermöglicht wird, weil sie dem einzelnen die Möglichkeit eröffnet, sich selbst politisch zu positionieren und auf diesem Weg Unterschiede und Gemeinsamkeiten in bezug auf politische Standpunkte von Politikern, Parteien oder Gesprächspartnern transparent werden.

 

Gäbe es dieses Instrument nicht, wäre die Auseinandersetzung mit politischen Problemen in einem hohen Maß beliebig, weil verschiedene Standpunkte und Einzelfragen lediglich in die sich von Sachfrage zu Sachfrage unterscheidenen nominalen Kategorien "gleich" bzw. "ungleich" eingeordnet werden könnten. Ein stabiler Ankerpunkt auf einer grundsätzlichen Ebene, der nicht nur Unterschiede, sondern vor allem deren Qualitäten und metrische Relationen verdeutlicht, wird erst mit Hilfe eines generalisierenden Instrumentes wie dem der Links-Rechts-Einteilung möglich.

Es ist somit festzuhalten, daß ein bedeutsamer Faktor des Links-Rechts-Schemas darin besteht, daß politische Positionen, Parteien, Politiker usw. in der allgemeinen Wahrnehmung einem bestimmten Punkt auf dem Kontinuum zugeordnet werden können (Inglehart, 1995). Auf diese Weise wird es dem Individuum ermöglicht, sich in einer rasch wandelnden politischen Umwelt zurechtzufinden, Position zu beziehen und eine konkrete Wahlentscheidung zu treffen.

 

Inglehart liefert in seinen Ausführungen lediglich einen empirischen Aufweis, daß die meisten Menschen in Westeuropa eine relativ einheitliche Vorstellung von einem Links-Rechts-Konzept besitzen und darüberhinaus fähig sind, sich selbst innerhalb dieses Schemas einzuordnen. Welche Mechanismen dafür sorgen, daß dieses Schema für den überwiegenden Teil der Bevölkerung Gültigkeit besitzt, wird bei Inglehart jedoch nicht ausgeführt.

 

Auch bei Fuchs/Klingemann findet sich kein dezidierter Hinweis auf die kognitiven Prozesse, welche dafür verantwortlich sind, daß das Links-Rechts-Schema in westeuropäischen Ländern von einer breiten Masse in einheitlicher Form perzipiert wird. Die Autoren beschränken sich auf einen Verweis auf politische Erziehung und bestimmte kognitive Fähigkeiten, ohne diesen sozialpsychologisch durchaus interessanten Punkt weiter darzulegen (Fuchs/Klingemann 1990, S. 209). Jedoch liefern Fuchs/Klingemann in ihrer Arbeit einen wichtigen Aspekt, der das Verständnis dafür fördert, daß ein abstraktes Gebilde wie das Links-Rechts-Kontinuum bei einer breiten Masse verstanden und angewandt wird.

 

Sie gehen davon aus, daß es drei Verständnisstufen des Links-Rechts-Schemas gibt. Die niedrigste sei der Wille und die Fähigkeit, sich selbst innerhalb dieses Schemas einzuordnen. Die zweite Stufe sei die Fähigkeit, für einen der beiden Begriffe - links oder rechts - eine Bedeutung angeben zu können. Die dritte Stufe schließlich sei die Fähigkeit, für beide Begriffe eine Bedeutung angeben zu können (Fuch/Klingemann 1990, S. 208).

 

In einer Umfrage in der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden sowie den USA haben sie erhoben, welche Bedeutung die Befragten mit den Begriffen "links" und "rechts" verbinden. Das Ergebnis macht deutlich, daß bezüglich der Bedeutung, die mit den Begriffen "links" und "rechts" verbunden wird, ein erstaunlich großes Maß an Übereinstimmung zwischen den Befragten der verschiedenen Ländern besteht und sich darüberhinaus die assoziierten Bedeutungen - gemessen an den potentiell zu erwartenden Möglichkeiten - auf relativ wenige beschränken. Dies verdeutlicht, daß auch bei einer breiten Masse eine sehr präzise Vorstellung darüber existiert, was sich hinter dem Begriffspaar links-rechts verbirgt und eine Bedeutungszuweisung keinesfalls zufällig oder willkürlich erfolgt, sondern die in Frage kommenden Bedeutungen durchaus limitiert sind.

 

Für Deutschland und die Niederlande ermitteln Fuchs/Klingemann selbst bei über fünfzig Prozent der Befragten der Gruppe mit dem niedrigsten Bildungsstand ein vollständiges Verständnis des Links-Rechts-Schemas. Insgesamt besitzen rund zwei Drittel der niederländischen und ca. drei Viertel der bundesdeutschen Befragten die Fähigkeit, Bedeutungen für beide Begriffe anzugeben. Dies ist ein deutlicher Hinweis dafür, wie stark das Links-Rechts-Schema als ein Konzept der generalisierten Bedeutung von politischen Inhalten bei der Bevölkerung dieser Länder verankert ist. Die Kategorien "Links" und "Rechts" werden auf einer stark generalisierten Ebene vor allem mit Wertvorstellungen oder ideologischen Ausrichtungen in Verbindung gebracht.

 

 

Was ist links, und was ist rechts ?

 

Nachdem auf einer allgemeinen Ebene festgestellt wurde, daß das Links-Rechts-Schema ein gängiges Konzept für die Strukturierung von politischen Sachverhalten ist, stellt sich nun die Frage, welche konkreten politischen Inhalte auf welcher Seite des Links-Rechts-Kontinuum eingeordnet werden und entlang welcher Konfliktlinie sich eine Links-Rechts-Zuordnung manifestiert bzw. welche politischen Gegensätze für eine Links-Rechts-Kategorisierung ausschlaggebend sind.

 

Der geeignete Ausgangspunkt für diese Überlegungen ist die Arbeit von Lipset und Rokkan (1967). Diese gehen davon aus, daß der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital für Industriegesellschaften von fundamentaler Bedeutung ist. Eine ebenfalls prägende Kraft kommt daneben in bestimmten Ländern (z.B. der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden) einer religiösen Konfliktlinie zu.

 

"Konfliktlinien trennen bei jeder politischen Streitfrage Befürworter und Gegner einer Entscheidung" (Pappi 1993). Da Konfliktlinien keine Phänomene sind, die kurzfristig kommen und gehen, sondern vielmehr über einen langen Zeitraum Bestand haben und nachhaltig strukturierend auf Gesellschaften einwirken, sind sie auch im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung des Links-Rechts-Gegensatzes von zentralem Belang. In diesem Sinne ist es in erster Linie der Klassenkonflikt mit seinen Wurzeln in der Frühphase der Industrialisierung im neunzehnten Jahrhundert, der zur sukzessiven Ausdifferenzierung des Parteiensystems beigetragen hat, welches von seiner grundsätzlichen Konfiguration bis heute in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern Gültigkeit besitzt. Weil die gesellschaftlich geteilte Bedeutungszuweisung zu den Kategorien "Links" und "Rechts" in einem engen Zusammenhang mit den Positionen verschiedener Parteien steht, ist der Interessensgegensatz sozialer Klassen auch Ausgangspunkt für die Etablierung und dauerhafte Gültigkeit des Links-Rechts-Schemas.

 

Die soziale Konfliktlinie entlang unterschiedlicher Klassenlagen ist wirtschaftlicher Natur, da es in dieser Auseinandersetzung vor allem darum geht, wie (gerecht) die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital verteilt sind bzw. welcher gesellschaftliche Stellenwert mit ihnen verbunden ist. Analog dazu besteht der Gegensatz zwischen linken und rechten Parteien (und deren Wählern) darin, daß rechte Parteien bestrebt sind, den Status quo zu erhalten, während linke Parteien den als ungerecht empfundenen Unterschied zu beseitigen suchen und daher als Befürworter sozialen Wandels hin zu mehr Gleichheit auftreten.

 

Meßbar und damit empirisch belegbar werden Haltungen zu dieser Konfliktlinie, indem - wie von Inglehart praktiziert - Items gebildet werden, die Einstellungen gegenüber "Verstaatlichung von Unternehmungen", "staatlichen Interventionen in wirtschaftliche Prozesse", "Reduzierung von Einkommensunterschieden" oder "stärkere[n] Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer auf wirtschaftliche Entscheidungen" abbilden (Inglehart 1995, S. 363ff.). Inglehart kommt zu dem Ergebnis, daß die Korrelation zwischen wirtschaftlichen Fragestellungen und der Selbsteinordnung auf einer Links-Rechts-Skala bei älteren Personen deutlich stärker ist als bei jüngeren Befragten. Während bei älteren Bürgern (über 50jährige) in der Bundesrepublik Deutschland der stärkste Prädiktor für die Links-Rechts-Selbsteinordnung darin besteht, ob jemand zur Arbeiterschicht gehört oder nicht, hängt die Orientierung jüngerer Bundesbürger (18 bis 29 Jahre) praktsch nicht mehr von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht ab, sondern steht in einem engen Zusammenhang mit Einstellungen zu Themen der Neuen Politik, wie zum Beispiel die Haltung zur Kernenergie oder den GRÜNEN (Inglehart 1995, S. 372f.). Dementsprechend werden Wahlentscheidungen von dieser Generation auch eher auf der Basis von neuen politischen Themen getroffen.

 

Dies führt zu der Annahme, daß ein neuer politischer Konflikt, nämlich der Gegensatz zwischen materialistischen und postmaterialistischen Wertvorstellungen, für die Gestalt des Links-Rechts-Schemas in zunehmendem Maße an Bedeutung gewinnt. In Relation dazu verliert die traditionelle Dimension, die sich an der Einkommensverteilung sowie an der Kontrolle über die Produktionsmittel orientiert, an Gewicht. Folgt man dieser These, zeichnet sich ab, daß die Begriffe "links" und "rechts" eine neue Bedeutung erhalten.

 

Der Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatz -

die zentrale Konfliktlinie der Zukunft ?

 

Mit Ingleharts Veröffentlichung "The Silent Revolution in Europe" im Jahre 1971 und den daran anknüpfenden Arbeiten hat sich eine breite Diskussion über die Veränderung von grundlegenden Wertorientierungen in Industriegesellschaften entwickelt. Diese Debatte berührt oder dominiert mittlerweile viele politikwissenschaftliche Fragestellungen. Ob sich Wertorientierungen ändern und neue entstehen, ist nicht mehr die Frage, die es zu klären gilt. Vielmehr ist es von Interesse, wie sich dieser Wandlungsprozeß vollzieht, welches Ausmaß an Veränderungen damit verbunden ist und welche Implikationen auf einzelne politische Themenfelder damit einhergehen. Auch in bezug auf das Links-Rechts-Schema ist die Theorie des Wertwandels ein wichtiger Aspekt.

 

Für das Links-Rechts-Konzept ergibt sich aus der voranschreitenden Tragweite des Wertewandels die Situation, daß eine neue Dimension, nämlich die postmaterialistischer Wertorientierungen, Berücksichtigung finden muß, während die traditionelle, an Klassenlagen orientierte Konfliktlinie in ihrer Bedeutung zurückgedrängt oder möglicherweise sogar ganz abgelöst wird. Jedoch besteht keine Zwangsläufigkeit, daß aufgrund einer neu entstandenen Konfliktlinie bereits existierende soziale Konfliktlinien an Bedeutung verlieren (Pappi 1993).

 

Auf der traditionellen wirtschaftlich geprägten Links-Rechts-Achse besteht der Hauptgegensatz zwischen den beiden Polen darin, daß auf der rechten Seite Vorstellungen favorisiert werden, die einen uneingeschränkten Wettbewerb und die Regelkraft eines rein marktwirtschaftlichen Systems als wichtige Eckpfeiler betrachten. Privateigentum und ein Staat, welcher nicht regulierend in den Wirtschaftsprozeß eingreift, sowie die Ablehnung wirtschaftlich egalisierender Maßnahmen gehören zu den Kernpunkten, die der materialistischen Dimension auf der rechten Seite zugeordnet werden. Auf der linken Seite wird dem eine extensivere Rolle des Staates in wirtschaftlichen Belangen entgegengestellt, was zur Verhinderung ökonomischer Fehlentwicklungen und Krisen beitragen soll. Zielsetzung ist daneben die Erreichung von Vollbeschäftigung, der Abbau von sozialen Unterschieden und der Aufbau und die Aufrechterhaltung eines Wohlfahrtssystem (Knutsen 1995, S. 160f.).

 

Der Übergang von materialistischen zu postmaterialistischen Wertvorstellungen in fortgeschrittenen Industriegesellschaften wird häufig auch als ein Wechsel von der Alten zu der Neuen Politik bezeichnet. Auf der linken Seite des Spektrums wird der Übergang daran festgemacht, daß die Neue Linke beispielsweise den Individualismus, dezentralen politischen Lösungen oder einer Vielfalt von Lebensstilen positiv gegenübersteht, während die Alte Linke dazu gegensätzliche Auffassungen vertritt. Daneben wird von der materialistischen Linken ein gewisses Maß an organisatorischer und hierarchischer Disziplin als notwendig angesehen und wirtschaftliches Wachstum für den ökonomischen Fortschritt als erforderlich betrachtet. Dies steht wiederum im Gegensatz zu den Zielen der Neuen Linken (Knutsen 1995).

 

Knutsen kommt in seiner Arbeit zu dem Ergebnis, daß auf der Ebene der breiten Masse nach wie vor starke materialistische Wertvorstellungen präsent sind. In entwickelten Industriegesellschaften hat jedoch die Bindung bestimmter Wertvorstellungen an soziale Klassen abgenommen. So tendiert die Bevölkerung in weniger entwickelten Ländern stärker zu einer materialistischen Linksorientierung als die Bevölkerung in weitentwickelten Gesellschaften. Insgesamt geht Knutsen von einer relativen Stabilität in westlichen Gesellschaften aus. Diese wird seiner Meinung nach in Studien, die sich mit Wertewandel befassen, übersehen (Knutsen 1995, S. 193f.).

 

Inglehart setzt in seiner Analyse des Zusammenhangs zwischen Wertewandel und der Struktur des Links-Rechts-Schemas einen anderen Akzent. Er hebt hervor, daß das Vordringen postmaterialistischer Werte besonders dort politisch polarisierend wirkt, wo am wenigsten ein Zusammenhang mit etablierten Parteibindungen vorliegt. Folglich ist ein starker Einfluß des Postmaterialismus insbesondere dort zu erwarten, wo es allgemein um die Unterstützung gesellschaftlicher Veränderung geht, wohingegen bei konkretem Wahlverhalten, wo Parteibindungen eine größere Rolle spielen, ein eher geringer Einfluß erwartet wird (Inglehart 1995, S. 382). Von den drei Konfliktlinien Religiosität, soziale Schicht und Wertvorstellungen ist nach Inglehart Religosität der stärkste Prädiktor für Wahlverhalten und die Selbsteinordnung auf einer Links-Rechts-Achse. Wertvorstellungen sind im Vergleich zu den beiden anderen Faktoren der stärkste Prädiktor, wenn es um die Haltung gegenüber sozialer Veränderungen geht.

 

Fuchs und Klingemann gehen mit ihren Überlegungen am weitesten. Wie Inglehart konstatieren auch sie, daß der Klassenkonflikt nach und nach von einem Wertekonflikt als zentrale Konfliktlinie abgelöst wird. Hinsichtlich des Links-Rechts-Schemas halten sie drei Effekte für denkbar:

 

(1) Es entsteht ein neues Schema, das sich an der neuen Konfliktlinie orientiert

(2) Das Links-Rechts-Schema löst sich auf, ohne daß ein neues Schema entsteht

(3) Das alte Schema wird in der Form modifiziert, daß es in der Lage ist, die verän- derten und erweiterten Dimensionen zu integrieren

 

Unter funktionalen Gesichtspunkten erscheint die Existenz eines generalisierenden Instrumentes sowohl aus der Systemperspektive als auch aus der Sicht des Individuums notwendig. Im Unterschied zu Knutsen oder Inglehart prognostizieren Fuchs und Klingemann eine schrittweise Veränderung des Parteiensystems aufgrund der vordringenden postmaterialistischen Werte und übertreffen mit dieser Erwartung die Reichweite, die dem Phänomen des Wertewandels von den anderen Autoren zugetraut wird. Aufgrund der neuen Wertprioritäten, so die Argumentation bei Fuchs und Klingemann, entstehen neue grundsätzliche politische Orientierungen, auf jenem Abstraktionsniveau, wie sie auch dem Links-Rechts-Konzept zugrungeliegen. Diese führen schließlich zu neuen Parteibindungen, was eine Veränderung des Parteiensystems nach sich zieht. Entweder die bestehenden Parteien greifen postmaterialistische Positionen auf, oder es entstehen neue postmaterialistisch ausgerichtete Parteien (Fuchs/Klingemann 1990, S. 228ff.).

 

 

Ein Szenarienentwurf zukünftiger Links-Rechts-Konstellationen

 

Die oben angeführten Darstellungen legen den Schluß nahe, daß es aufgrund der neuen Dimension postmaterialistischer Wertorietierungen zu Veränderungen des Links-Rechts-Schemas kommen wird. Im folgenden sollen einige Szenarien entworfen und argumentiert werden, welche Konfliktsituationen auftreten denkbar wären und wie sich das Links-Rechts-Konzept in Zukunft darstellen könnte. Die nachfolgenden Thesen müssen zwangsläufig zu einem sehr hohen Maß hypothetisch sein und können deshalb keinen anderen Zweck besitzen, als der Ausgangspunkt für eine Diskussion zu sein.

 

 

These 1:

Ablösung des traditionellen Klassenkonfliktes

durch den Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatz

 

Es wäre vorstellbar, daß der Konflikt zwischen Materialisten und Postmaterialisten die bislang prägende wirtschaftlich-religiöse Konfliktlinie vollständig ablöst und als einziger zentraler Konflikt an deren Stelle tritt. Dies würde bedeuten, daß sich die existierenden Parteien inhaltlich-programmatisch bzw. in der Wirkung, die sie beim Wähler erzielen, entweder komplett umorientieren müßten oder neue postmaterialistische Parteien entstehen würden, um der gestiegenen Nachfrage des Wählers nach postmaterialistischen Vertretungsinstanzen gerecht zu werden. Das Prinzip des bisherigen Links-Rechts-Konzeptes könnte versehen mit neuen Bedeutungsinhalten bestehen bleiben und weiterhin als funktionierende Orientierungshilfe fungieren.

 

Angaben über einen Zeitraum, in dem sich ein solcher Prozeß vollziehen könnte, sind in höchstem Maße spekulativ. Die Tatsache, daß die heute für die älteren Geburtskohorten nach wie vor dominante wirtschaftlich-religiöse Konfliktlinie bereits seit dem vergangenen Jahrhundert strukturierend wirkt (Inglhart 1995, S. 122), ist einerseits ein Indiz für die geringe Geschwindigkeit, mit der solche Phänomene ihre Wirkung entfalten. Andererseits spricht einiges dafür, daß diese Konfliktlinie auch nur sehr langsam verschwinden würde. Ingleharts Theorie des Wertewandels basiert neben der Mangelhypothese auch auf der Sozialisationshypothese (Inglehart 1995, S. 92). Diese besagt, daß diejenigen Faktoren (lebenslang) bestimmend sind, die in der formativen Sozialisation aufgenommen wurden. Dasselbe würde selbstverständlich auch für die wirtschaftlichen oder religiösen Dispositionen der Geburtskohorten der beginnenden 50er Jahre und davor gelten. Erst die danach geborenen wurden mit postmaterialistischen Wertorientierung in ihrer formativen Sozialisation konfrontiert. Somit hätte die klassenspezifische bzw. religiöse Konfliktlinie mindestens bis in das erste viertel Jahrhundert des kommenden Jahrtausends bestand.

 

Hinsichtlich des Parteiensystems würde sich die Frage stellen, wieviele materialistische bzw. postmaterialistische Parteien nötig wären, um das Gesamtspektrum abzudecken. Die Antwort darauf wäre von einer zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbaren Ausdifferenzierung materialistischer bzw. postmaterialistischer Werthaltungen abhängig. Neben Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die bereits heute als Träger postmaterialistischer Wertvorstellungen existieren, liegt die Vermutung nahe, daß sich weitere postmaterialistische Parteien, so sie einen Platz im Parteienspektrum finden würden, tendenziell eher aus dem bestehenden Parteienssystem heraus entwickeln würden. Bereits Anfang der 80er Jahre waren einer Studie von Wildenmann et al. zufolge die Führungseliten von SPD und FDP von Trägern postmaterialistischer Werte dominiert (Wildenmann et al. 1982). Insofern wären die Voraussetzungen dafür bereits heute gegeben.

 

Eine andere vorstellbare Auswirkung beim alleinigen Durchsetzen einer Postmaterialismus-Materialismus-Achse könnte darin bestehen, daß die Parteienlandschaft sich in zunehmendem Maße aus "Bewegungsparteien" zusammensetzen würde. Postmaterialisten neigen zu unkonventionelle Formen der politischen Partizipation (z.B. neue soziale Bewegungen, Bürgerinitiativen). Wie das Beispiel der GRÜNEN deutlich gemacht hat, können aus derartigen Bewegungen Parteien hervorgehen, in denen der "Bewegungscharakter" zumindest eine Zeit lang lebendig bleibt (Kleinhenz 1995).

 

 

 

These 2:

Koexistenz der alten und der neuen Konfliktlinie

 

Als zweites Alternativszenario wäre es denkbar, daß es zu einer Koexistenz der traditionellen und der neuen Konfliktlinie kommt. In diesem Fall würde sich der momentane Zustand dauerhaft etablieren. Für das Links-Rechts-Schema bedeutete dies, daß es in einer nicht ganz eindeutigen aber dennoch funktionsfähigen Form fortbestehen könnte. Allerdings würde sich bei dieser Konstellation ein relativ starkes Spannungsfeld zwischen den beiden Konfliktlinien aufbauen, das sowohl für das Parteiensystem als auch für die Orientierung der Individuen problematisch erscheint. Eine zusätzliche gesellschaftliche Spaltungslinie würde eine eindeutige politische Zuordnung erschweren und der daraus resultierende "Schwebezustand" könnte zu Verunsicherungen führen.

 

Die Parteien müßten sich für einen klaren Standpunkt auf einer der beiden Achsen entscheiden und ihre Integrationskraft dürfte dann nur schwerlich ausreichen, um Wähler, die sich an der jeweils anderen Konfliktlinie einordnen gewinnen zu können. Es ist davon auszugehen, daß parlamentarische Mehrheiten und Koalitionen unter diesen Bedingungen nur mit größeren Anstrengungen möglich wären.

 

Eine Partei wie die SPD müßte ihren Kurs neu bestimmen, weil sie durch die Auseinanderentwicklung ihres Klientels keiner Gruppe mehr gerecht werden könnte. Der sich bereits zur Zeit abzeichnende Konflikt zwischen Abwanderungstendenzen ihrer Wählerschaft zu den postmaterialistisch orientierten GRÜNEN auf der einen Seite und der traditionell klassendeterminierten Arbeiterschaft zu materialistisch rechts ausgerichteten Parteien (Pappi 1993, S. 304) auf der anderen Seite dürfte die SPD vor eine kaum lösbare Zerreißprobe stellen.

 

Für das Wahlverhalten der Bevölkerung wären in diesem Fall ebenfalls zwei Möglichkeiten denkbar. Erstens spricht einiges dafür, daß eine klare und dauerhafte Positionierung auf einer der beiden Achsen vorgenommen würde. Andererseits könnte es auch dazu kommen, daß durch die gestiegene Komplexitätaufgrund einer zusätzlichen Entscheidungsdimension, Wahlentscheidungen zunehmend anhand von aktuellen Einzelfragen getroffen würden, wobei grundsätzliche Orientierungen nur noch eine nachrangige Rolle spielten. Außerdem wäre möglich, daß sich Individuen innerhalb eines zweidimensionalen Koordinatensystems positionieren, wobei ein Referenzpunkt auf beiden Achsen - der traditionellen und der neuen - notwendig wäre. Graduelle Unterschiede bezüglich der Dominanz einer der beiden Konfliktlinien könnten dann gewichtend wirken.

 

 

These 3:

Synthese aus alter und neuer Konfliktlinie

 

An den Gedanken der Koexistenz anschließend wäre aus dialektischer Perspektive eine Entwicklung denkbar, an deren Ende eine Synthese aus der vertrauten Links-Rechts-Achse auf der Basis schicht- bzw. glaubensspezifischer Faktoren und ihrer postmaterialistischen Antithese stehen könnte (Inglehart 1995, S. 415). In diesem Fall würde das klassische Links-Rechts-Schema zu seiner früheren Eindeutigkeit zurückfinden, nachdem die beiden Pole jeweils mit einer neuen Bedeutung versehen worden sind.

 

Für das Parteiensystem bedeutete dies, daß nach Abschluß einer innerhalb der Parteien stattfindenden Richtungsfestlegung das alte System in seiner Struktur fortbestehen könnte und nur die inhaltlich-programmatischen Ausrichtungen der einzelnen Parteien überarbeitet worden wären. Dabei bestünde jedoch die Möglichkeit, daß sich die Relationen der einzelnen Parteien zueinander verändern. Geht man von der Annahme aus, daß die traditionelle materialistische Links-Rechts-Achse zu einem Pol der neuen Materialismus-Postmaterialismus-Achse zusammenschrumpfen würde, bestünde die Möglichkeit, daß aus dem Potential der traditionellen Parteien eine gemeinsame neue Partei entsteht, die sich dann am materialistischen Pol der neuen Konfliktlinie etablieren könnte.

 

 

These 4:

Auftauchen zusätzlicher Konfliktlinien

 

Ergänzend zu den bisher angebotenen Szenarien ist es nicht auszuschließen, daß zusätzlich zu den angesprochenen Konfliktlinien eine oder mehrere neue auftauchen und auf diesem Weg weitere Dimensionen relevant würden. Die im vorherigen Absatz dargestellte Entwicklung zu einem zweidimensionalen Koordinatensystem würde sich dann zu einem drei- bzw. n-dimensionalen Koordinatensystem fortsetzen. Spätestens in diesem Fall könnte man keinesfalls länger von einem Links-Rechts-Schema sprechen, obgleich nach wie vor der Mechanismus einer Einordnung auf bipolaren Achsen, wenn jetzt auch auf mehreren, Gültigkeit besitzen würde.

 

Eine neue zusätzliche Konfliktlinie, die nicht allzu abwegig erscheint, könnte der Gegensatz zwischen einer ausgeprägten individualistischen Haltung einerseits und einer an sozialen Bindungen orientierten Haltung andererseits beschreiben. Starke individualistische Tendenzen sind im gesellschaftlichen Kontext bereits derzeit feststellbar. Wenn sich eine Gegenbewegung wie beispielsweise der Kommunitarismus durchsetzen und etablieren würde, ergäbe sich daraus eine neue Konfliktlinie. Der Kommunitarismus hat "als Projekt zur Wiederbelebung von Gemeinschaftsdenken und -handeln unter den Bedingungen postmoderner Dienstleistungsgesellschaften" (Reese-Schäfer 1996) in den USA bereits große Beachtung gefunden. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen und auch in Westeuropa Fuß fassen, läge dieses Szenario - unter der Bedingung, daß die klassenspezifische Konfliktlinie und der Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatz bestehen blieben - durchaus im Bereich des Möglichen.

 

Eine weitere potentielle Keimzelle für eine zusätzliche Konfliktlinie könnte man in einem Gegensatz zwischen regionalen und nationalen bzw. supranationalen Interessen sehen. Ausgehend von der Prämisse, daß Entscheidungen, die auf nationaler oder supranationaler Ebene getroffen werden, den subjektiv empfundenen Bedürfnissen auf regionaler Ebene nicht mehr gerecht werden können und daß einhergehend damit regionale Identitäten an Bedeutung gewinnen, ist eine Konfliktlinie zwischen den Polen "regionale Interessen" einerseits und "nationalen bzw. supranationalen Interessen" andererseits vorstellbar. Die PDS kann als Beispiel für eine Partei genannt werden, die in erster Linie von der Kluft zwischen spezifisch ostdeutschen Problemlagen und gesamtdeutschen Interessen profitiert. Offen ist bislang noch, ob sich dieser momentan akute Gegensatz in Zukunft auflösen oder möglicherweise dauerhaft etablieren wird.

 

Die Implikationen, die sich aus n-dimensionalen Konfliktlagen für das Parteiensystem ergeben würden, sind nur in sehr allgemeinen Termen formulierbar. Wie im vorhergehenden Punkt darstellt, müßten sich Parteien bzw. die Wählerschaft auf einem Punkt in einem mehrdimensionalen Koordinatensystem placieren. Dieser Punkt ergäbe sich als Schnittstelle der von den Einordnungen auf den Referenzachsen ausgehenden Geraden. Die Parteien müßten in diesem Fall eine sehr hohe Integrationskraft für die unterschiedlichen Problem- oder Interessenslagen entwickeln, die auf den jeweiligen Achsen repräsentiert würden. Gelänge dies nicht, käme es zu einer Zersplitterung der Parteienlandschaft, indem sich einzelne Parteien (Beispiel PDS) auf bestimmte Achsen konzentrieren müßten. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob ein dermaßen komplex gewordenes System bestehend aus mehreren bipolraren Konfliktachsen überhaupt noch analog zur Funktionsweise des Links-Rechts-Schemas funktionieren und als Orientierungshilfe dienen kann.

 

 

These 5:

Verschwinden des Materialismus-Postmaterialismus-Gegensatzes

 

Die Mangelhypothese in Ingleharts Theorie des Wertewandels besagt, daß "die Prioritäten eines Menschen sein sozio-ökonomisches Umfeld reflektieren und der größte subjektive Wert den Dingen zugemessen wird, die relativ knapp sind" (Inglehart 1995, S. 92). Für die Folgerung, daß postmaterielle Wertorientierungen an die Stelle von materiellen Zielprioritäten treten ist es eine unabdingbare Voraussetzung, daß die materiellen Bedürfnisse befriedigt sind.

 

Trotz der seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Westeuropa anhaltenden Phase wirtschaftlicher Prosperität und der damit verbundenen Steigerung des allgemeinen Wohlstandes, ist es nicht auszuschließen, daß sich dieser Prozeß umkehrt und der allgemeine Wohlstand zurückfällt in einen Zustand, der die selbstverständlich gewordene Befriedigung materieller Bedürfnisse wieder in Frage stellt. Träfe dieser Zustand bei einer gleichzeitigen Reduktion wohlfahrtsstaatlicher Leistungen ein, wäre die Basis für die Verbreitung postmaterialistischer Wertorientierungen aufgehoben und folglich verschwände auch die darauf aufbauende Konfliktlinie. Dies könnte gleichbedeutend sein mit einem Rückfall in eine alte von sozialen Klassenlagen geprägte politische Spaltung.

 

Betrachtet man die aktuelle Entwicklung in westeuropäischen Industrienationen so scheint dieser Gedanke nicht völlig abwegig. Zwar gibt es für solche apokalyptischen Szenarien bisher keine Hinweise, aber es gibt auch keine Garantie für eine Entwicklung, die eine permanente Wohlstandssteigerung oder auch nur die Konservierung des hohen Wohlfahrtsniveaus der Gegenwart sichert.

 

Auch Inglehart selbst zieht eine Auflösung des Postmaterialismus in Betracht. Er stellt fest, "daß ein ins Extrem getriebener Postmaterialismus selbstzerstörerische Folgen haben kann, da die anti-industrielle Einstellung seiner Ideologen dazu führen könnte, daß die wirtschaftliche Basis vernachlässigt wird, von der er selbst abhängig ist" (Inglehart 1995, S. 415).

 

Als Auswirkungen auf die Parteienlandschaft wären zwei Situationen möglich. Erstens könnte es zu einer Restaurierung des alten Parteinsystems kommen, bei dem eine postmaterialistische Partei wie Bündnis 90/DIE GRÜNEN wieder von der Bildfläche verschwände. Zweitens ist eine Modifikation der inhaltlichen Positionen der Parteien und die Eliminierung postmaterialistischer Wertvorstellungen möglich.

 

 

 

Schlußbemerkung

 

Die große Popularität, der sich die Debatte über Wertewandel erfreut ist als Indiz für ihre weitreichende Bedeutung anzuerkennen. Wie einleitend erwähnt findet sie Eingang in zahlreiche politikwissenschaftliche Themenbereiche. Auch die Zukunft des politischen Links-Rechts-Schemas kann man nicht ernsthaft diskutieren, ohne auf die Postmaterialismustheorie von Inglehart einzugehen. Vieles deutet darauf hin, daß sie auch in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung ist. Dennoch scheint es erwähnenswert, daß die Postmaterialismustheorie auch in Zukunft noch einige Bewährungsproben vor sich hat.

 

Am Beispiel des politischen Links-Rechts-Konzeptes kann man deutlich machen, daß einige Entwicklungsoptionen eng mit dem Gegensatz zwischen materialistischen und postmaterialistischen Wertorientierungen verknüpft sind. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, daß die zukünftige Bedeutung der Postmaterialismustheorie durchaus mit einigen Fragezeichen zu versehen ist. Die Thesen im letzten Teil des Textes sollten ohne empirische Untermauerung oder tiefschürfenden theoretischen Konstruktionen einzig den Blick dafür schärfen, daß es neben der Postmaterialismustheorie bei einer konkreten politischen Fragestellung auch andere Ideen gibt, die entweder selbst eine prägende Funktion übernehmen können oder die Theorie des Wertewandels in seiner Bedeutung relativieren können.

 

Ob das politische Links-Rechts-Schema in Zukunft so bestehen bleibt wie es ist, ob es sich verändert oder möglicherweise gänzlich obsolet wird nicht nur von dem Vordringen postmaterialistischer Werte abhängen. Gleichwohl dürften sie zumindest in naher Zukunft diesem Konstrukt auch ihren Stempel aufdrücken.

 

 

Literaturverzeichnis

 

Fuchs, Dieter / Klingemann, Hans-Dieter

The left-right-schema, in: Jennings / van Deth et al.: Continuities in political action, Berlin, 1990.

 

Inglehart, Ronald

Kultureller Umbruch. Wertwandel in der westlichen Welt, Frankfurt / New York, 1995.

 

Kleinhenz, Thomas

Die Nichtwähler. Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung in Deutschland, Opladen, 1995.

 

Knutsen, Oddbjorn

Left-right materialist value orientations, in: van Deth / Scarbrough (eds.): The impact of values, Oxford, 1995.

 

Lipset, Seymour M. / Rokkan, Stein

Party Systems and Voter Alignments, New York, 1967.

 

Luhmann, Niklas

Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt, 1984.

 

Pappi, Franz Urban

Konfliktlinien, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Wörterbuch Staat und Politik, München, 1993.

 

Reese-Schäfer, Walter

Die politische Rezeption des kommunitarischen Denkens in Deutschland, in: Aus Poltik und Zeitgeschichte, B 36/96.

 

Wildenmann, Rudolf et al.

Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland, Mannheim, 1981.