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1 Einleitung

Warum das Thema Rechenstörungen? Diese Frage stellten mir einige meiner Kollegen. Die Frage ist leicht zu beantworten.
Mir sind in meiner Schulpraxis immer wieder Kinder aufgefallen, die Schwierigkeiten mit mathematischen Problemen hatten. Ich stand zum Beispiel bei einem Schüler einer 2. Klasse, der große Probleme hatte, Aufgaben wie 5 + 7 = zu lösen. Obwohl er mit Material arbeitete, in diesem Fall mit Rechenwürfeln, konnte er Aufgaben ähnlicher Art nicht oder nur sehr langsam lösen. Seine Lösungen schauten zum Teil so aus: 5 = 7. Ich stand ziemlich ratlos daneben und wußte auch nicht so recht, wie ich ihm helfen konnte.
Der Klassenlehrer vermutete eine Raumorientierungsstörung, da der Schüler auch sporadisch Rechts-Links-Vertauschungen in der Schreibweise der Ziffern zeigte. Aber auch er konnte keine genauere Diagnose treffen.
Ähnlich wird es vielleicht vielen Lehrern gehen. Im Unterricht fallen der Lehrkraft Kinder mit Störungen im mathematischen Denken auf, da sie an Rechnungen scheitern. Der Lehrer hat durch Beobachtungen im allgemeinen Unterricht möglicherweise Vermutungen, aber sehr oft bleibt es bei diesen Vermutungen.
Diese lernschwachen Kinder besuchen den Förderunterricht und durch zusätzliche Übungen soll das Lerndefizit nachgeholt werden. Es soll hier den Lehrern das Bemühen nicht abgesprochen werden, aber leider ist diese Methode sehr oft nicht erfolgreich.
Durch Gespräche mit Studenten und Lehrern konnte ich feststellen, daß es in vielen Fällen ähnlich abläuft.
Diese Tatsache gab mir den Anlaß, mich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen. Ich stellte bald fest, daß ohne ein Wissen über mögliche Ursachen einer Rechenschwäche bei einem Kind, ohne Verständnis für mögliche Fehlstrategien und ohne das Bereitstellen geeigneter Fördermaßnahmen eine Lernstörung im Mathematikunterricht nicht behoben werden kann.
Da aber Rechenstörungen sehr vielfältige Ursachen haben, beschränkte ich mich auf wichtige Bereiche im mathematischen Lernprozeß. Der erste Teil dieser Arbeit erläutert die verschiedenen wissenschaftlichen Teilbereiche, die sich mit dem Thema Rechenstörungen auseinandergesetzt haben. Jede wissenschaftliche Disziplin brachte ihre eigenen Ergebnisse hervor. In Summe gesehen trugen alle Gebiete zum besseren Verständnis des Problems Rechenstörungen bei.
Ein nächster Schritt um Rechenstörungen besser zu verstehen, ist die Frage nach den Voraussetzungen für mathematisches Denken. Hier wird der Schwerpunkt auf die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung, als eine fundamentale Voraussetzung für mathematisches Denken, auf die Bedeutung der Zeitwahrnehmung und der Zusammenhang zwischen Mathematik und Sprache, gelegt.
Dadurch, daß viele Kinder Schwierigkeiten mit mathematischen Operationen haben und auch sehr häufig Störungen im Aufbau und Verinnerlichungsprozeß auftreten, wird auch diesem Bereich besondere Beachtung geschenkt.
Und schließlich kann eine sinnvolle Förderung nur dann stattfinden, wenn vorher der Bereich einer Lernstörung abgegrenzt wird. Alle diese Schritte sind notwendig um Schüler mit einer Rechenstörung zu verstehen, ihre Gedankenschritte besser zu kennen, und somit auch sinnvoll ihre Schwächen zu fördern oder möglicherweise zu beheben.

2 Ansätze der verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen


Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit unterschiedlichen Ansätzen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen, die alle versuchen das Problem von Rechenstörungen zu erfassen.

2.1 Psychodiagnostische Studien


Die Psychodiagnostik entstand Anfang dieses Jahrhunderts mit dem Ziel, geeignete Tests für Berufsanwärter zu entwickeln. Das Ziel war die Auslese zwischen mehreren Kandidaten. In diesem Zusammenhang entstand auch das Konzept der Intelligenztests. Die vielversprechenden Ergebnisse der Intelligenzmessung ließen auch Pädagogen auf dieses Instrument zurückgreifen. In diesem Sinne hat sich das Verfahren bis heute gehalten, werden diese Tests doch bei fast allen Schullaufbahnentscheidungen mit einbezogen, wenn auch mit nötiger Vorsicht und größer werdendem Vorbehalt.[1]
Die Konzeption der Intelligenztests war so angelegt, daß die einzelnen Faktoren nicht miteinander zusammenhängen (korrelieren). Das bedeutet, daß die Rechenleistungen von den anderen Faktoren unabhängig sein müssen. Erst später wurde versucht durch zusätzliche Tests einen Zusammenhang zu den übrigen Intelligenzfaktoren herzustellen. Es wurden Beziehungen zwischen der mathematischen Leistung und der Raumanschauung, den Sprachfaktoren sowie dem Gedächtnis festgestellt.[2]
Weiters ging es der Psychodiagnostik nicht um die Erklärung der Denkvorgänge beim Lösen der Aufgaben, weder wurde untersucht, wie die betreffende Person die Rechenaufgabe bearbeitet, noch welche Strategie sie beim Lösen verwendet. Man blieb bei der Feststellung von Unterschieden stehen, die sich in den Tests ausdrücken. So ist der didaktische Nutzen eher gering.[3]
Trotzdem ist es der Psychodiagnostik durch die Aufgliederung der Intelligenz gelungen, einen differenzierten Blick auf die menschliche Fähigkeit zu werfen, Probleme zu lösen. Diese Fähigkeit wird als stabil angenommen, und es wird unterstellt, daß nicht situative Faktoren oder Anforderungen der Aufgabe den Bearbeitungserfolg mitbedingen und Lernprozesse die Testergebnisse verändern können.[4]

2.2 Sonderpädagogik


Auf dem psychodiagnostischen Ansatz aufbauend entwickelte sich innerhalb der Sonderpädagogik eine Richtung, die sich mit der Frage der Erkennung lernschwacher Kinder befaßte. Die ältere Sonderpädagogik unterschied nicht zwischen einer allgemeinen und einer speziellen, nur Teilbereiche betreffenden Lernbehinderung. Es ging darum, die Gruppe der Behinderten klar und scharf von den Nichtbehinderten abzugrenzen. Durch diese Betrachtungsweise wurde lange Zeit der Blick auf die verschiedenen Erscheinungsbilder von Lernstörungen in der Regelschule verstellt.[5]
Hingegen fassen Autoren wie AYRES (1992) und KEPHART (1977) "die basale, frühkindliche, insbesondere die motorische und taktil-kinästetische Erfahrung als wesentliche Determinante des gesamten Lernprozesses auf, die Grundlage für die Entwicklung der visuellen Wahrnehmung, der Form-, Raum- und Zeitwahrnehmung bildet. Für die Entstehung von Rechenschwierigkeiten werden vor allem Faktoren angenommen wie
* Störung des Körperschemas,
* visuo-motorische Integrationsstörung und
* räumlich-visuelle Erfassungs- und Vorstellungsschwäche."
(Lorenz/Radatz, 1993, S. 19)
Diese neurologisch orientierten Ansätze fassen Lernstörungen als Defekte auf. Der therapeutische Erfolg wird in einer heilpädagogischen Übungsbehandlung jener Symptome gesucht, die mit den obigen Fähigkeiten verbunden sind.
An PIAGET orientierte Ansätze legen Wert auf Vergleichshandlungen zwischen Zahlen, Längen, Gewichten, etc. Hier wird die Sprache als vermittelnde Instanz zwischen praktischen Handeln und theoretischen Begriffen verwendet.[6]

2.3 Ansätze der Denkpsychologie


Um die Jahrhundertwende entwickelte sich, innerhalb der Psychologie, die Gestaltspsychologie. Die Gestaltspsychologie rückte den Ganzheitsbegriff bzw. die das Ganze auszeichnende Ordnung in den Mittelpunkt. Der Verdienst der Gestaltspsychologen besteht darin, daß sie die atomistische Betrachtungsweise überwanden, ohne dabei das Experiment als methodischen Zugang aufzugeben.[7]
Wesentlich ist die Methode, durch lautes Denken tiefere Einsichten in die Denkprozesse beim Lösen mathematischer Aufgaben zu erzielen und die Erkenntnisse über Wahrnehmungsstrukturierung und deren Umorganisation. Diese basieren auf Vorstellungen und deren Beziehungen zueinander. Die kognitiven Prozesse, die dabei stattfinden, werden als raum-zeitliche Abläufe beschrieben. Der Verarbeitung mit Hilfe innerer Bilder bei verschiedenartigen Veranschaulichungshilfen und dem verbalen und visuellen Gedächtnis kommt große Bedeutung zu.[8]
"Es wird davon ausgegangen, daß rechenschwache Schüler nicht qualitativ anders lernen als ihre Mitschüler, daß aber bei ihnen die schrittweise Abfolge gerade mathematischer Lernprozesse besonders deutlich wird. Didaktisch bedeutet dies, daß
* eine genaue Untersuchung der einzelnen Lernschritte aus psychologischer Sicht notwendig ist und
* die Schülertätigkeit betont werden muß." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 21)
Während andere Schüler innere Bilder ausbilden und aufgrund der Darbietung der Lehrkraft Strukturen und Schemata ändern und weiterentwickeln, ist dies rechenschwachen Schülern nicht möglich. Sie bedürfen einer besonderen didaktischen Anleitung, die großen Wert auf die Schülerhandlung legt.[9]

2.4 Neuropsychologische Beiträge


Sehr früh wurden Untersuchungen von Neurologen und Psychiatern an rechengestörten Erwachsenen durchgeführt. Sie erhofften, eben durch diese Defekte, Aufschluß über die Funktionsweise des Gehirns zu erhalten. Es schien naheliegend, bei diesen Untersuchungen, in einem ersten Schritt anzunehmen, daß sich bestimmten motorischen, wahrnehmungsmäßigen, zum Beispiel optischen, auditiven, Schmerz-, Druck-, und weiteren Empfindungen aber auch kognitiven Fähigkeiten, entsprechende Gehirnzonen zuordnen lassen. Auch WEINSCHENK[10] beschäftigte sich eingehender mit diesem Thema und kam zu dem Schluß, daß mit großer Wahrscheinlichkeit ein Rechenzentrum im Gehirn liegt, ohne aber sichere Aussagen über den Sitz und die Art dieses Rechenzentrums machen zu können. Da aber die Suche nach diesen Zonen, die für die Rechenleistung zuständig sind, nicht sonderlich erfolgreich waren, versuchten einige Neurologen, die dem Rechnen zugrundeliegenden Prozesse aufzuhellen. Aufgrund der oft zu beobachtenden gleichzeitigen Störung der Rechenfähigkeit mit optischen Defekten wurde die Rolle der bildhaften Vorstellung oder der Visualisierung in den Prozessen untersucht, die den mathematischen Operationen zugrunde liegen. Danach beinhaltet jede geistige Repräsentation einer Zahl notwendig eine visuelle Vorstellung im Raum, das heißt "Zahlen werden als Elemente in diesem Raum aufgefaßt." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 22)
Eine bedeutungshaltige Erfassung einer Zahl ohne "räumliche" Bestimmung ist demnach nicht möglich. Eine Störung der Rechenfähigkeit ist somit auf eine Beeinträchtigung des visuellen Gedächtnisses oder auf ein Defizit in der visuellen Analyse zurückzuführen.[11]
Wiederum andere neurologische Untersuchungen betrachten die sensomotorische oder konstruktiv-praktische Seite als die wesentlichste beim Lösen arithmetischer Probleme. Die arithmetischen Operationen werden als Abstraktion des fundamentalen Hantierens aufgefaßt.
"Objekte werden hinzugefügt, einige werden wieder weggenommen, einige Male wird die gleiche Menge von Objekten produziert, zum Beispiel hingelegt, oder eine gegebene Menge wird in gleiche Teile geteilt." (Lorenz, 1992, S. 24)
Trotz der Betonung der konstruktiven, praktischen Natur der arithmetischen Prozesse, wird auch hier der räumliche Faktor beim Rechnen hervorgehoben.[12]
Für das Problem der Leistungsminderung interessierten aus neurologischer Sicht in stärkerem Maße auch solche Störungen kognitiver Funktionen, die auch ohne nachweisliche Hirnverletzung auftreten, aber im Erscheinungsbild jener sehr ähnlich sind. Es wurde der Begriff der "minimalen cerebralen Dysfunktion" (MCD) eingeführt. Der Begriff wurde sehr populär, da eine Sammelbezeichnung für Störungen der Wahrnehmung, Vorstellungsfähigkeit, Sprache, des Gedächtnisses und der Kontrolle der Aufmerksamkeit und des Impulses gefunden zu sein schien. Der Begriff der MCD ist aber sehr umstritten, weil er nur einen Überbegriff darstellt und die Störungen eine sehr unterschiedliche und vielgestaltige Symptomatik aufweisen. Auch JOHSON & MYKLEBUST[13] stellten fest, daß sich der Begriff MCD nur begrenzt anwenden läßt, weil sich diese Bezeichnung speziell auf einen Teil des Gehirns bezieht (Kortex). Es schien günstiger, ihn durch den Begriff Teilleistungsschwäche zu ersetzen, der weniger auf die Ursache als auf ihr Erscheinungsbild abhebt.[14]
Jetzt galt es, jene kognitiven Fähigkeiten zu beschreiben, die für Rechenaufgaben erforderlich sind. Die Diagnose richtet sich auf eine Beschreibung der kindlichen Beeinträchtigung im kognitiven Bereich. "Unter Teilleistungsstörung, englisch: specific learning disabilities, wollen wir solche minderentwickelten Fähigkeiten (der Wahrnehmung, der Speicherung und der Integration von Informationen)[15] verstehen, die im Vergleich zur sonstigen intellektuellen Entwicklung zurückgeblieben sind. Diese spezifischen Lernstörungen kommen bei hochintelligenten, durchschnittlich intelligenten wie minderbegabten Kindern vor."
(Frostig & Müller, 1981, S. 2)
Durch diese neue Sichtweise schien es gelungen zu sein, das Augenmerk auf die kognitiven Prozesse zu lenken, die für das Lösen von Rechenaufgaben erforderlich sind. Folgende Faktoren haben sich als wesentlich für die Rechenleistung ergeben
* "Störungen im taktil-kinästhetischen Bereich,
* Störungen der auditiven Wahrnehmung, Speicherung und Serialität,
* visuelle Wahrnehmungsstörungen,
* Störungen der Intermodalität." (Lorenz, 1992, S. 27)
Diese Fähigkeiten sind allesamt für die Entwicklung mentaler Bilder und für das visuelle mentale Operieren von Schülern und somit auch für das Rechnen überaus wichtig.
Aber eines konnte von der Neuropsychologie nicht geleistet werden, nämlich bei welchen Lernschritten, bei welchen Darbietungsformen und bei der Bearbeitung welcher arithmetischer Aufgaben diese allgemeinen kognitiven Fähigkeiten verlangt werden und wie sich die Störungen zeigen.[16]

2.5 Ansätze aus der Fehleranalyse


Die Fehleranalyse versucht, die kindlichen Lernprozesse inhaltsspezifisch abzubilden. Dies wird insbesondere dadurch bewirkt, das Schülerfehler nicht länger als Zufallsprodukte oder als Fehler des Gedächtnisses oder der Aufmerksamkeit aufgefaßt werden, sondern als Phänomen, dessen Untersuchung die Theorie erweitern kann.[17]
Fehler im mathematischen Bearbeitungsprozeß sind sehr oft ein Hinweis auf noch nicht entwickelte Stadien oder auf eine unzureichende Einsicht in mathematische Zusammenhänge. In einem ersten Schritt, durch Auswertung von Hausübungen oder Schularbeiten, werden die Fehler beschrieben und hierfür brauchbare Kategorien entwickelt. Hier zeigen sich bereits zum Teil interessante Ergebnisse:
* Die Probleme treten nicht nur an den bekannten Schwierigkeiten, wie Zehnerübergang und schriftliche Division auf, sondern es läßt sich eine Feinstruktur erkennen. Es ergeben sich beispielsweise deutliche Schwierigkeiten bei der schriftlichen Subtraktion und Multiplikation mit der 0 und mit der 1, oder die Schüler verwechseln und kehren Rechenoperationen um.
* Die Fehler sind in jeder Klasse zu beobachten, das heißt die Fehler sind relativ stabil und unabhängig vom verwendeten Lehrbuch und der von der Lehrerin bevorzugten Methodik. Einzuschränken wäre hier jedoch, daß es durch gravierende Mängel in der didaktisch-methodischen Aufbereitung durchaus zu einer Häufung bestimmter Fehlermuster kommen kann.
* Die Schülerfehler unterliegen keinem Zufallsprinzip, sondern besitzen eine gewisse Regelhaftigkeit, sie treten mit großer Konsistenz auf. Sie sind selten Einzelprodukte im Sinne von Flüchtigkeitsfehlern.[18]
Es scheint bestimmte Umstände im kindlichen Denken zu geben, die spezielle Fehlertypen bei Rechenaufgaben bewirken. Diese müssen nun in irgendeiner Form mit dem Unterricht zusammenhängen. In diesem ersten Schritt, der Auswertung von Aufgabenlösungen, erkennt man in vielen Fällen die Fehlertechnik. Oft erlauben aber die schriftlichen Lösungen keinen Rückschluß auf die Fehlstrategie.[19]
Es stellt sich die Frage, ob die Fehler die im Klassenverband auftreten, auch beim einzelnen Kind in gleicher Weise vorzufinden sind. Und lassen sich Fehler, die unaufgeklärt sind und nicht in eine bestimmte Kategorie passen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines Schülers letztlich ebenfalls verstehen.?
Hier kann nur in Form von Einzelfalluntersuchungen vorgegangen werden. Jedem Schüler wird eine Vielzahl von mathematischen Aufgaben vorgelegt, die nach auftreten der Fehler variiert und angepaßt werden. Es bestätigte sich, daß die Fehler einer größeren Schülergruppe, auch im individuellen Einzelfall Geltung besitzen. Aber über die Denkprozesse der einzelnen Schüler kann nichts Sicheres ausgesagt werden.
Es muß also der Versuch unternommen werden, die zugrundeliegenden Denkvorgänge bei Fehllösungen zu untersuchen und zu beschreiben. Hilfreich ist in diesem Falle, daß die Schüler alle ihre Gedanken beim Problemlöseprozeß äußern, das heißt, sie denken laut mit.[20]
Bei all diesen Überlegungen stellte sich heraus, daß neben bestimmten didaktisch-methodischen Fehlkonzepten auch allgemeine Fehlstrategien der Informationsaufnahme und -verarbeitung die Lösung beeinflussen:
* Mangelndes Sprach- und Textverständnis, daß die Bildung von mathematischen Begriffen negativ beeinflußt.
* Schwierigkeiten bei der Analyse von Darstellungen und Veranschaulichungsmittel.
* Durch falsche Assoziationen und Einstellungen, das heißt, daß erfolgreiche Strategien beibehalten und auf ungeeignete Aufgaben übertragen werden.
* Falsche Gebundenheit eines mathematischen Begriffs an bestimmte Darstellungen, wodurch Verallgemeinerungen erschwert werden.
* Nichtberücksichtigung wichtiger Bedingungen und Informationen aufgrund subjektiver Vorstellungen.[21]
Die Fehleranalyse stellt insgesamt den Versuch dar, zu einem Verständnis der kognitiven Prozesse der Schüler beim Bearbeiten von mathematischen Aufgaben zu kommen.
Im Rahmen der Fehleranalyse wird Rechenschwäche definiert als "kumulierte und durch partielle Förderung nicht behebbare negative Lernbiographie, wobei die dünne und fehlerhafte Wissensbasis einen Lernzuwachs durch den alltäglichen Unterricht verhindert."
(Lorenz, 1993, S. 26)

2.6 Ansätze der Kognitionspsychologie


Forschungsgegenstand dieses Modells ist die geistige Aktivität von Kindern, die versuchen, mathematische Aufgaben zu lösen. Dabei werden Ausdrücke, wie Prozessor, Speicher, Arbeitseinheit, für mathematisches Denken verwendet, die aus dem Computerbereich stammen. Untersucht wird, wie mathematisches Wissen organisiert, repräsentiert, gespeichert und benutzt wird. Ausgegangen wird allerdings nicht von fehlerhaften Lösungen, sondern vom sogenannten "Expertenwissen: Wie würden Erwachsene die arithmetische Aufgabe fehlerfrei und optimal lösen." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 26 f) Dies ist eine äußerst interessante Frage, denn genau diese Fähigkeit wollen wir unseren Kindern beibringen.[22]
Es geht darum, die Gedankenprozesse beim Lösen von mathematischen Aufgaben zu erfassen. Dazu bedarf es einer detaillierten Analyse der einzelnen Feinschritte beim Lösungsprozeß. Fehllösungen werden mit der entsprechenden erfolgreichen Methode verglichen und erweisen sich in diesem Modell als Abweichungen innerhalb der Einzelschritte. Sie sind Defekte bei der Ausführung der Lösungsprozeduren.[23]
Für Erwachsene wird angenommen, daß sie über zwei Formen mathematischen Wissens verfügen:
* Über "ein zusammenhängendes Netz arithmetischer Fakten." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 27) Es wird angenommen, daß dieses Wissen leicht zugänglich ist und durch Vergleiche erlaubt, vorgegebene Behauptungen als richtig oder falsch zu erkennen. Ein Beispiel wäre: 3 + 2 = 5 ist gespeichertes Faktum, durch Vergleich läßt sich feststellen, daß 3 + 2 = 6 falsch sein muß.
* Die "Lösungs- oder Bearbeitungsverfahren liegen in Form von Methoden für solche Aufgaben vor, die keine Erinnerungslösung besitzen." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 27) So etwa die Aufgabe 2 . 2 = ? (Faktenwissen), hingegen ist für die Aufgabe 14 . 24 = ? keine Lösung gespeichert. Hier bedarf es einem Verfahren, womit die Lösung berechnet werden kann.[24]
Für die unterschiedlichsten Aufgaben lassen sich Lösungsmethoden angeben. Zum Beispiel, um die schriftliche Subtraktion auszuführen werden verschiedene Entscheidungspunkte, wie "Ausborgen, wenn Minuend kleiner ist als Subtrahend" ect. benötigt.
Vergleicht man nun das Modell des erwachsenen Experten (Lehrer) mit den Fehllösungen der Schüler, können verschiedene Erklärungen abgegeben werden, die sich aber alle auf die einzelnen Schritte im Lösungsablauf beziehen. Fehler sind in diesem Zusammenhang keine Zufallsprodukte oder Gedächtnisschwächen, sondern dem Kind fehlt ein wesentlicher Schritt der Lösungsstrategie.[25]
Die Anfänge der Kognitionspsychologie haben sich auf die Ausarbeitung differenzierter Modelle menschlicher Informationsaufnahme und Verarbeitung beschränkt. Von kognitionspsychologischer Sicht aus wird Rechenschwäche aufgefaßt[26]
* "als quantitatives Problem, indem eine Fülle fehlerhafter Algorithmen in einer Vielzahl von Inhaltsbereichen auftreten und somit zu einer im Unterricht nicht mehr tolerierbaren Fehlerhäufung führen,
* als qualitativer Defekt im Sinne der Störung einer wesentlichen kognitiven Einheit, wie Gedächtnis, Steuereinheit ("central processor") oder auch Anschauung oder Sprache." (Lorenz/Radatz, 1993, S. 2)
Was sind die Folgerungen für den Mathematikunterricht?
Einerseits ist es für den rechenschwachen Schüler bedeutsam das vorhandene Faktenwissen zu festigen, durch häufiges und intensives Üben, andererseits sind bei Verfahrensfehlern, die auf ein unzureichendes Verständnis mathematischer Operationen hinweisen, genaue Analysen durchzuführen. Vorgeschlagen werden hier, Fehlstrategien durch lautes Denken zu lösen. Man orientiert sich an den Vorgaben der Fehleranalyse (vgl. Kap. 2. 5). Auch hier wird das Üben als Festigen in den Vordergrund gestellt.[27]
Die für rechenschwache Schüler förderliche Unterrichtsgestaltung verringert zuerst die Informationseinheiten, auf die sich die Aufmerksamkeit des Schülers richten muß, um sie im Laufe der Unterrichtsarbeit zu erhöhen.[28]

2.7 Zusammenfassung


In diesem Kapitel wurde versucht, die unterschiedlichen Wissenschaftsrichtungen zu erläutern, die sich mit dem Phänomen Rechenstörungen beschäftigen.
Der Psychodiagnostik (vgl. 2. 1) ging es vornehmlich darum, die Beziehung Rechenfähigkeit-Intelligenz, durch geeignete Tests, zu untersuchen. Die Ursachen von Rechenstörungen blieben weitgehend unberücksichtigt.
Die Sonderpädagogik (vgl. 2. 2) wendete sich der Beziehung Rechenfähigkeit-Teilleistungsstörung zu. Lernstörungen werden als neurologische Defekte aufgefaßt. Das Bemühen der Sonderpädagogen bestand darin, diese Schwächen heilpädagogisch zu beheben.
Den Ergebnissen dieser ersten beiden Ansätze schlossen sich jene Psychologen an, vor allem die Gestaltspsychologen (vgl. 2. 3), die sich Auskunft über Art und Ablauf von Denkvorgängen durch gestörte Rechenprozesse erhofften. Sie betonten die Funktion der "inneren Bilder", die zum Lösen von Problemen notwendig sind.
Die Neuropsychologie (vgl. 2. 4) beschäftigte sich vorerst damit, ein Rechenzentrum im Gehirn zu lokalisieren. Da dieses nicht gefunden wurde, versuchten sie zu einer Beschreibung der kognitiven Prozesse zu gelangen, wobei sie die Störungen die Lernschwächen verursachen, auf neuronaler Ebene zu erklären versuchten.
Die Ansätze aus der Fehleranalyse (vgl. 2. 5) und der kognitionspsychologische Ansatz
(vgl. 2. 6) rücken die von Schülern vollzogenen kognitiven Prozesse in den Vordergrund. Wobei auch hier wieder gestörte Problemlösungsabläufe besondere Bedeutung haben. Es läßt sich eine eher fachdidaktische Ausrichtung von einer kognitionspsychologischen, an die Computersprache orientierten Richtung unterscheiden.
Alle Ansätze verbindet das Bemühen, jene kognitiven Fähigkeiten aufzuklären, die für das Lösen mathematischer Aufgaben von Bedeutung sind. Es ist festzustellen, daß alle Bereiche teilweise einen deutlichen Bezug zueinander aufweisen, jedoch unterscheiden sie sich in der Betonung des diagnostischen und therapeutischen Moments.

3 Voraussetzungen für mathematisches Denken


Die Aufnahme der Schüler in die Volksschule erfolgt in der Regel mit sechs Jahren. Von den Schulanfängern wird erwartet, daß sie in der Lage sind, jetzt das "Rechnen" zu erlernen. Diese Annahme setzt voraus, daß es so etwas wie ein "Normalkind" gibt, das über bestimmte Lernvoraussetzungen verfügt. Die Schule hat erkannt, daß es keinen genormten Schüler gibt, und das der Unterricht individualisiert werden muß. Dies spiegelt sich auch in der Betonung bzw. der Forderung nach offenen Unterrichtsformen wieder. Jeder Schüler erwirbt zu unterschiedlichen Alterszeitpunkten bestimmte Erkenntnisse.[29]
Das, was wir als rechnerische Leistung definieren erfordert beim Kind sehr komplexe Denkvorgänge. Es ist wichtig zu verstehen, daß mathematisches Denken, am Ende von vielfältigen Reifungsprozessen steht. Hat das Kind diese Prozesse durchlaufen, und hat es keine nennenswerten Beeinträchtigungen gegeben, dann ist die Grundlage für das Rechnen gelegt. Treten jedoch Probleme dabei auf, müssen wir die Entwicklung zurückverfolgen und versuchen herauszufinden, wo es bei diesen komplexen Vorgängen zu Beeinträchtigungen gekommen sein kann.[30]
Es muß davon ausgegangen werden, daß mathematisches Denken in einzelnen Bereichen andere Fähigkeiten voraussetzt, als sie zum Erlernen des Lesens und Schreibens notwendig sind. Was aber alle intellektuellen, alle geistigen Prozesse gemeinsam haben, "ist das Aufnehmen, das Verarbeiten, das Speichern und das Wiederausdrücken von Information."
(Milz, 1994, S. 11)
In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Integration einzelner Sinnesmodalitäten zu einem funktionierenden System. Zu Beginn unseres Lebens sind die Voraussetzungen dafür noch sehr unzureichend.[31]
In den ersten sieben Jahren lernt ein Kind seinen Körper und seine Umwelt zu erfühlen. Das Kind erlernt elementare Fähigkeiten, wie der Gebrauch von Eßutensilien, der Umgang mit anderen Menschen, usw. Die Integrationsfunktion der sinnlichen Wahrnehmung verläuft in Stufen, wobei jedes Kind die gleichen Stufen absolviert. Bei all diesen Entwicklungsschritten gibt es ein Grundprinzip: Der Prozeß der Organisation, das heißt die Einordnung von Empfindungen und Eindrücken im gesamten Nervensystem. Erst dann ist das Kind fähig sinnvoll zu handeln und in weiterer Folge auch den schulischen Anforderungen gerecht zu werden.
Bereits zu Beginn des Lebens, wirken eine Vielzahl von Eindrücken auf das Kind (Berührung, Schwerkraft, Sehen, Geräusche, Geruch und Geschmack). Die Entwicklung setzt sich fort mit der Ausbildung der Augen und der Nackenmuskulatur, eine Fähigkeit die unter anderem für das Erlernen des Lesens notwendig ist. Etwa in der Mitte des ersten Lebensjahres lernt das Kind seine Hände mit dem in Verbindung zu bringen, was es sieht (Auge-Hand-Koordination). Ein weiterer Entwicklungsschritt ist die Fortbewegung von einem Ort zum anderen. Das Kind beginnt den Raum zu erfahren. Dieser Schritt ist besonders wichtig in Hinblick auf mathematisches Denken, denn das Erlernen des Rechnens setzt räumliches Vorstellen voraus. Gegen Ende des ersten Lebensjahres finden die wichtigsten Veränderungen im Leben des Kindes statt. Das Kind beginnt sich aufzurichten und entwickelt die Fähigkeit die Mittellinie zu überkreuzen, das heißt es greift eine Hand über die Mittellinie auf die andere Seite des Körpers.
"Es ist ganz sicher, daß ohne all die sensorische Integration, die im ersten Lebensjahr stattfand, es für das Kind wesentlich schwieriger wäre, diese Dinge jetzt zu lernen, und entsprechend kann man sagen, daß ohne die zunehmende Reizverarbeitung, die im zweiten Lebensjahr erfolgt, die Entwicklung der folgenden Jahre sehr schwierig würde."
(Ayres, 1992, S. 30)
Während der nächsten Jahre, etwa vom dritten bis zum siebten Lebensjahr, wird das Kind, sensomotorisch betrachtet, ein reifes Wesen. Die Sinnesorgane sind etwa so reif, wie sie für den Rest des Lebens sein werden.[32]
"Sieben oder acht Jahre des Sichbewegens und Spielens sind notwendig, um einem Kind die sensomotorische Fähigkeit zu vermitteln, die als Grundlage für seine intellektuelle, soziale und persönliche Entwicklung dienen kann." (Ayres, 1992, S. 35)
So betrachtet, wobei die erwähnten Entwicklungsschritte nur exemplarisch herausgegriffen wurden, ist das mathematische Denken ein Produkt vielfältiger Reifungsprozesse. Lesen und Schreiben benötigen zwar gleiche Voraussetzungen zu ihrer Entwicklung, aber dennoch werden unterschiedliche neuropsychologische Funktionen beansprucht.
Wie wäre es sonst zu verstehen, daß es die verschiedensten Störbilder gibt. Wir erleben Kinder mit Lese-Rechtschreibproblemen, die aber gut in Mathematik sind. Andere wiederum haben eben "nur" Rechenprobleme und keine im Lesen und Schreiben. Dann gibt es Kinder, bei durchschnittlicher Begabung, die im Rechnen, Lesen und Schreiben beeinträchtigt sind, von den vielfältigen Mischformen ganz abgesehen.[33]
Ein Kind hat eben Schwierigkeiten, Rechnen zu lernen, wenn ihm nicht alle seine sensorischen Systeme behilflich sind, das heißt, es muß lernen sein Gehirn zu ordnen, so daß es befähigt ist Lesen und Schreiben zu lernen und noch viele andere Dinge zu tun.[34]
Besondere Bedeutung hat, für mathematisches Denken, die räumliche Vorstellung. Von der Geometrie ist das ohnehin bekannt. Aber wir sprechen auch von einem Zahlenraum, zum Beispiel den Zahlenraum des ersten Zehners. Wir erweitern und überschreiten ihn, gleichzeitig überschreiten wir dabei aber immer auch Räume. Wir beschäftigen uns mit Eigenschaften von Gruppen und deren Anordnung und mit Gruppierungsphänomenen. Auch KEPHART (1977) hat die Bedeutung der räumlichen Vorstellung hervorgehoben.[35]
"Hat ein Kind keine adäquate räumliche Welt entwickelt, so wird es Schwierigkeiten haben mit Gruppierungsphänomenen umzugehen, da Gruppen nur im Raum existieren können. Es überrascht daher nicht, daß es so viele Kinder gibt, die adäquate Schulleistungen nur bis zu dem Zeitpunkt aufweisen, wo sie mit Zahlenproblemen konfrontiert werden. Hier scheitern sie kläglich. Die Stabilisierung der räumlichen Welt ist die schwierigste unserer Fertigkeiten, und sie entwickelt sich in der Reihe dieser Fertigkeiten zuletzt.... ...Es scheint wahrscheinlich, daß aus dieser Gruppe viele der Kinder mit spezifischen Rechenschwächen kommen, die wir in unseren Schulen finden." (Kephart, 1977, S. 126)
Die fundamentalste Form der Raumwahrnehmung liegt für unseren Organismus im Erkennen und der Interpretation der Richtung der Erdanziehungskraft. Ausgehend von dieser Interpretation gewinnt man die Erkenntnis, was oben und unten ist. Hier liegt der Beginn der Erstellung einer "Landkarte" oder ein Modell, das die Umwelt darstellt. Dieses Modell, also die Wahrnehmung der Bewegung innerhalb unserer Welt und die der Schwerkraft, sind zentrale Faktoren für den Ursprung der Raumwahrnehmung. Sobald sich ein Individuum in seiner Umgebung bewegt, müssen zunehmend Informationen über räumliche Strukturen im Gehirn integriert werden. Daher ist dieses Schema in erster Linie visuell, sozusagen eine sich ständig ändernde "Karte" zur Planung und Durchführung motorischer Handlungen innerhalb der Umwelt.[36]
Ein Großteil der Tätigkeiten in Unterricht beziehen sich auf die Beziehungen zwischen Objekten im Raum. Fehlen diese Einsichten, so wird die Arithmetik zu einer Sammlung mechanisch gelernter Fakten. Dieser Schritt, von der Fähigkeit des Rechnens zum mathematischen Verständnis, ist häufig davon abhängig, wie weit ein Kind ein stabiles räumliches System aufgebaut hat.[37]
Eine Rechenschwäche kann auch auf Bedingungen zurückgeführt werden, wie zum Beispiel eine Teilleistungsschwäche bei der Aufnahme, der Verarbeitung und der Speicherung visueller Informationen. Bei sehr vielen Grundschülern, mit Rechenstörungen, lassen sich auch Schwächen bei der visuellen Anschauung sowie dem Entwickeln von visuellen Vorstellungen beobachten.[38]
Daher möchte ich mich im nächsten Abschnitt näher mit der Bedeutung der visuellen Wahrnehmung, als Voraussetzung für mathematisches Denken, beschäftigen.

3.1 Die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung


Unter dem Begriff der visuellen Wahrnehmung kann man die notwendigen Fähigkeiten fassen, "die bei der Aufnahme, der Verarbeitung und der Speicherung visuell dargebotener Informationen erforderlich sind." (Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 128)
Diese Fähigkeiten sind entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg in den verschiedensten Schulfächern (Lesen, Schreiben, Rechnen, etc.). FROSTIG (1981) bezeichnet die Wahrnehmung als "eine der grundlegendsten Funktionen des Organismus-wenn nicht tatsächlich als die zentralste Funktion überhaupt." (Frostig/Müller, 1981, S. 36)
Sehr oft sind bei Schulanfängern die visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten noch nicht ausreichend ausgebildet. Diese Schüler sind permanent überfordert, sofern diese Schwächen nicht erkannt werden, und haben erhebliche Schwierigkeiten in den betroffenen Bereichen ein sicheres mathematisches Können auszubilden. Raumwahrnehmungsstörungen, Schwierigkeiten im Erfassen von Größen, Mengen und Längen, Störungen in der Rechts-Links-Orientierung usw. führen zur Verunsicherung des Kindes, hemmen sehr oft den Rechenprozeß und verfestigen eine Rechenschwäche.[39]
Bevor ich einzelne Bereiche der visuellen Wahrnehmung näher beschreibe, möchte ich kurz die Entwicklung der visuellen Wahrnehmung skizzieren.
Die Wahrnehmung visueller Stimuli kann man bereits kurz nach der Geburt nachweisen.Die stärkste Entwicklung erfolgt im Alter zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr. Während der Kindheit lernt das Kind , durch den Einsatz seiner Sinne und Bewegungen die Welt zu erkennen und sich auch anzupassen. Nach den ersten 3 ½ Jahren wird die Umwelt hauptsächlich durch Sehen und Hören (durch den Einsatz der Entfernungsrezeptoren, der Augen und Ohren) begriffen und verstanden. Alle unsere körperlichen Aktionen vollziehen sich in Beziehung zu dem Raum, den wir zur Verfügung haben. AYRES (1992) bezeichnet den Prozeß der Wahrnehmung im allgemeinen als Fundament aller Nervenprozesse.
Bei einem normalen Entwicklungsverlauf sind all diese Fähigkeiten im Bereich der visuellen Wahrnehmung im Repertoire eines sieben-bis achtjährigen Kindes enthalten. Ausfälle können das schulische Lernen verzögern.
Im folgenden möchte ich, orientiert an MARIANNE FROSTIGS Unterscheidung, einzelne Bereiche, die für die Entwicklung des mathematischen Denkens erforderlich sind, genauer
erörtern. MARIANNE FROSTIG, eine der größten Pioniere auf diesem Gebiet, entdeckte,daß visuelle Wahrnehmungsstörungen die häufigsten Symptome bei Lernstörungen darstellen. Sie entwickelte eine Testbatterie, die das erschloß, was sie als den Haupttyp der Wahrnehmungsstörung betrachtet. Der FEW (FROTIGS Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung) umfaßt folgende Bereiche:
* Visuomotorische Koordination
* Figur-Grund-Unterscheidung
* Wahrnehmungskonstanz
* Wahrnehmung der Raumlage
* Wahrnehmung der räumlichen Beziehung[40]

3.1.1 Visuomotorische Koordination


Als visuomotorische Koordination wird die Fähigkeit bezeichnet, Sehen und Bewegungen des Körpers, auch einzelner Körperteile, miteinander zu koordinieren. Beispiele: Einen Ball fangen, etwas ausschneiden, mit geometrischen Formen zu hantieren.
Auf einer niedrigen Entwicklungsstufe ist es die Hand, die Informationen aus der Umwelt einholt. Diese taktile Wahrnehmung ist am frühesten funktionsfähig. Später folgt das Auge der Hand und die Informationen werden mit der Hand koordiniert. Das Auge lernt zu sehen, was die Hand fühlt. In weiterer Folge übernimmt das Auge schließlich die Führung. Aber immer wenn wir schwierige Tätigkeiten durchführen, kehren wir zur Hand zurück, um eine Klärung herbeizuführen. Wir führen dann mit dem Finger und folgen ihm mit den Augen. Eine gute Augen-Hand-Koordination bedeutet, "daß Hände und Finger exakt dorthin gehen, wohin zu gehen die Augen dem Gehirn den Auftrag erteilen." (Ayres, 1992, S. 92)
Diese Koordination ist ein sehr komplexer Lernprozeß. Es müssen viele Verbindungen im Zentralnervensystem geknüpft werden. Das Muster dieser Verbindungen ist von entscheidender Bedeutung für den gesamten Lernprozeß.[41]

3.1.1.1 Welche Bedeutung hat die Koordination von Auge und Hand für die Entwicklung des mathematischen Denkens?


Die Auge-Hand-Koordination ist eigentlich die Grundlage der gesamten visuellen Wahrnehmung und damit auch die Voraussetzung zum Erfassen und Begreifen mathematischer Prozesse. Zuerst kennt das Kind seine Umwelt hauptsächlich durch seine gewohnheitsmäßigen Handlungen, die es braucht, um sich mit ihr auseinanderzusetzen. Wenn es zum Beispiel eine Menge erfassen soll, muß es mit den Dingen manipuliert haben. Zu diesem Manipulieren gehört aber das In-der-Hand-haben und das Sehen. Es handelt also in Koordination von Auge und Hand und eignet sich über diese enaktive Erfahrung allmählich eine Vorstellung von dem an, was es tut. Es entsteht ein geistiges Bild. Nur über diese Vorstellungsbilder, später eine exakte Vorstellung, kann es auch im Geist manipulieren, wie es für das Rechnen erforderlich ist, zum Beispiel beim Hinzutun oder Wegnehmen.
Bei all unserem Tun geht es eigentlich um die Auge-Hand-Koordination, auch bei mathematischem Tun, zum Beispiel beim Ordnen, beim Zuordnen, beim Zählen. Nehmen wir beispielsweise geometrische Formen. Die Formen werden ERFAHREN mit den Augen und Händen. Die Merkmale werden dadurch erlernt, erfaßt, begriffen. Immer sind die Hände und Augen beteiligt. Größer, kleiner, höher, tiefer, auch der Raum wird unter Zuhilfenahme von Augen und Händen erfahren.
Es wird deutlich, wie wichtig dieser Wahrnehmungsbereich überhaupt für unsere Erfahrung ist. Wir erschließen uns damit unsere Umwelt. Darum spielt auch in der Montessori-Pädagogik die Sinneswahrnehmung eine große Rolle (Materialien zur "Schulung der Sinne").
Es sollte aber bedacht werden, daß es zu ständigen Überschneidungen mit anderen Bereichen der visuellen Wahrnehmung kommt und daß sich die einzelnen Bereiche nach FROSTIG nur theoretisch trennen lassen. Der Prozeß der visuellen Wahrnehmung muß als ein ganzheitliches System gesehen werden[42]

3.1.1.2 Welche Störungen können bei der Auge-Hand-Koordination auftreten?


Nicht immer verläuft die Entwicklung von der Hand-Auge-Koordination zur Auge-Hand-Koordination ohne Beeinträchtigungen ab. Diese Beeinträchtigungen sind manchmal so minimal, daß wir sie nicht bemerken. Erst in der Schule, wenn es zu Lernproblemen kommt,
machen sie sich bemerkbar. Obwohl auch hier die Diagnose eher schwierig ist. Manchmal ist bereits die Hand-Auge-Koordination, also die unterste Stufe der Entwicklung beeinträchtigt. Es treten Schwierigkeiten auf, eine geschmeidige Handbewegung durchführen zu können. Das Auge kann der Hand nicht kontinuierlich folgen. Es besteht keine richtige Verbindung zwischen dem Auge und der Hand. Eine motorisch - sensorische Integration kommt nur unzureichend zustande. Dadurch kann auch die nächste Entwicklungsstufe, die Auge-Hand-Koordination beeinträchtigt sein. Die Integration von Sensorik, die Führung des Auges, und der Motorik, das Folgen der Hand, sind gestört. Die Erscheinungen sind sehr unterschiedlich, zum Beispiel die Hand greift neben das Ziel und muß korrigiert werden. Wird so ein Kind aufgefordert eine geometrische Figur zu zeichnen, so blickt es genau auf die Bleistiftspitze. Die Bewegungen sind ungeschickt und folgen genau dem Auge. Das Kind kontrolliert seine Bewegungen visuell, anstatt sie nur visuell zu überwachen.[43]
Hat ein Kind Schwierigkeiten bei der Auge-Hand-Koordination oder eine schlecht koordinierte Augenbewegung, dann läßt es eventuell ein Objekt aus oder zählt es doppelt. Um Ziffern genau zu plazieren ist ebenfalls eine angemessene Auge-Hand-Koordination wichtig.[44]
Das Problem bei solchen Teilleistungsschwächen ist, daß wir sie selten erkennen. Das Kind vermeidet solche Tätigkeiten und zeigt Verhaltensauffälligkeiten um vom eigentlichen Problem abzulenken. Wir setzen erzieherische Maßnahmen und vergeuden kostbare Zeit, wobei die Situation für das Kind nur noch schlimmer wird.[45]

3.1.2 Figur-Grund-Unterscheidung


Die Figur-Grunddiskrimination ist die Fähigkeit "aus einem komplexen optischen Hintergrund bzw. einer Gesamtfigur eingebettete Teilfiguren zu erkennen und zu isolieren." (Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 15 f)
Beispiele:

Abbildung 1: Zwei Aufgaben aus dem FEW, S.11


Hauptziel solcher Übungen ist, bei den Kindern die Fähigkeit zu entwickeln, sich auf die wichtigsten Reize zu konzentrieren. Die Kinder sollen zum Beispiel geschriebene oder gedruckte Formen und Symbole in der richtigen Reihenfolge wahrnehmen, ohne sich von anderen Reizen ablenken zu lassen. Die wesentlichen Aspekte unserer Umwelt müssen zu einer Figur werden, während andere Aspekte in den Hintergrund zurücktreten, aber nicht, und das ist eine entscheidende Fähigkeit, aus unserem Bewußtsein verschwinden. Diese Fähigkeit ist nicht nur für schulisches Lernen notwendig, sondern für jede zielgerichtete Handlung.[46]
Diese Fähigkeiten setzen aber voraus, daß das Kind in seiner Entwicklung zuvor Gegenstände taktil erfaßt hat, diese mit den Augen abtastet, um sie später wiedererkennen zu können. Dabei spielt auch die Auge-Hand-Koordination in der Entwicklung der Figur-Grund-Differenzierung eine Bedeutung, genauso wie die Formwahrnehmung (vgl. 3.1.3).
KEPHART (1977) vermutet, daß es die kinästhetische Figur-Grund-Beziehung ist, die Voraussetzung für die spätere Figur-Grund-Differenzierung im visuellen und akustischen Bereich darstellt.
"Die Entwicklung der Figur-Grund-Beziehung beginnt vermutlich während der......motorischen Differenzierung. Wenn die Bewegung eines bestimmten Körperteils (z.B. der Hände)[47] aus der Masse ausdifferenziert wird und wenn diese nun absichtsvoll ausgeführt wird, ist die Muskelanstrengung, die für diesen Körperteil aufgewendet wird, größer als die für die übrige Muskulatur......Es entsteht dadurch ein Kontrast zwischen der kinästhetischen Stimulation, die von der absichtsvollen Bewegung herrührt, und der aller anderen Bewegungen, die somit in den Grund zurücktreten. Die absichtsvolle Bewegung wird zur Figur vor einem Grund." (Kephart, 1977, S. 37)
Erst wenn diese Fähigkeit ausreichend entwickelt ist, kann das Kind seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge richten.[48]

3.1.2.1 Welche Bedeutung hat die Figur-Grund-Differenzierung für die Entwicklung des mathematischen Denkens?


Die Figur-Grund-Differenzierung ist eine elementare Voraussetzung aller Wahrnehmung. Ist im vorangegangenen Abschnitt (vgl. 3.1.1) die Auge-Hand-Koordination hervorgehoben worden, so kann verstanden werden, daß Auge und Hand nur das ergreifen und erfassen können, was sich von der Umgebung abhebt. Ein Beispiel soll das noch näher verdeutlichen. Stellen wir uns vor, wir fahren bei dichtem Nebel auf einer Landstraße. Wir müssen uns äußerst konzentrieren, um Figuren und Objekte herauslösen und Entfernungen abschätzen zu können. So kann man sich vorstellen, wie es Kindern geht, die in diesem Bereich der Wahrnehmung Probleme haben.[49]
Die Figur-Grund-Differenzierung wird beansprucht zum Beispiel bei der Erkennung "von Ziffern in der Anordnung mehrstelliger Zahlen, bei Stellenwert, bei Reihenfolgen, bei räumlichen Begriffen wie dem Begriff "zwischen" als einer Sonderform des Umschlossenseins, beim sich Zurechtfinden auf einer Buchseite." (vgl. Milz, 1994, S. 24)
Ein weiterer Aspekt sollte auch noch bedacht werden, der Blick zur Tafel. Das Kind muß die Objekte aus dem Tafelbild herausdifferenzieren können und sich auch im Heft zurechtfinden. Gelinget es nicht, aus zum Beispiel einer Zeichnung wesentliche Details "herauszusehen", entsteht sehr oft Verunsicherung. Das Kind muß mehr Konzentration aufwenden, um Aufgaben zu bewältigen als andere Schüler. Es kommt nicht mehr mit, weil alles zu schnell geht und ist ständig überfordert.
Es kann sich hierbei jedoch auch um eine Beeinträchtigung des Sehvermögens handeln. Bei einem derartigen Verdacht muß ein Augenarzt konsultiert werden.
Ist die Figur-Grund-Differenzierung beeinträchtigt, sind es auch die Leistungen des Kindes. Das trifft auch in vielfältiger Weise und auf verschiedenen Ebenen des mathematischen Denkens zu. Kinder mit Problemen in der Figur-Grund-Differenzierung, haben besondere Schwierigkeiten, wenn sie mit größeren Zahlen, die aus mehr Ziffern bestehen, rechnen sollen. Sie neigen dazu, die Stelle zu verlieren und nicht mehr wiederzufinden, an der sie gerade arbeiten.[50]
Wenn die Gruppierung von Elementen wegen einer Störung der Figur-Grund-Differenzierung nicht deutlich genug wahrgenommen werden, kann die Speicherung und Vorstellung dadurch mitbeeinträchtigt sein. In weiterer Folge wird das Strukturieren und Umgehen mit Mengen erschwert und folglich auch der Umgang mit Zahlen im ersten Zehner.[51]

3.1.3 Wahrnehmungskonstanz


Als Wahrnehmungskonstanz wird die Fähigkeit bezeichnet, "Figuren in verschiedenen Größen, Anordnungen, räumlichen Lagen oder Färbungen wiederzuerkennen und von anderen Figuren zu unterscheiden."(Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 16)
Beispiele:

Abbildung 2: Aufgaben aus Subtest 3 des FEW, S. 12-13

Wir Erwachsene sind es gewöhnt, unsere Umwelt als eine Fülle von unterscheidbaren Objekten und Formen anzusehen, die im Raum bestimmte Positionen zueinander einnehmen. Diese Wahrnehmung der Umwelt beruht auf einem sehr langen und komplizierten Lernvorgang.
Dieser Lernvorgang setzt die bereits dargestellten elementaren Fähigkeiten der visuellen Wahrnehmung: Auge-Hand-Koordination und Figur-Grund-Differenzierung voraus. Vereinfacht gesagt, waren es zuerst die Hände, die zum Beispiel die Information "rund" erfahren haben, dann kam die Erfahrung durch die Augen hinzu.[52]
Das Kind, vermutet man, sieht zunächst nur ein Anzahl schlecht abgegrenzter Klumpen, die im wesentlichen undifferenziert sind. Dieses perzeptive Lernen beginnt vermutlich schon in den ersten Lebenstagen. Allmählich werden aus diesen Klumpen Elemente herausdifferenziert und erhalten Signaleigenschaft. Dieser Prozeß der Differenzierung verläuft in Schritten und setzt sich auch im Erwachsenenalter noch fort. Daraus ergibt sich, das auch im fortgeschrittenen Alter eine Förderung möglich ist.[53]
Zunächst sind es vermutlich einzelne Elemente, die ausgegliedert werden, aber noch nicht miteinander zu einem Ganzen integriert sind. Bei einem Quadrat zum Beispiel werden die Merkmale der Längen, der Seiten und das Verhältnis der Seiten zueinander isoliert wahrgenommen. Erst langsam entwickelt sich daraus die Eigenschaft "quadratisch." Die Schüler haben die Schwierigkeit ein Quadrat als Quadrat zu bezeichnen. Sehr oft sagen sie Viereck, womit sie durchaus recht haben. Diese Kinder erkennen ein Merkmal, nämlich die vier Ecken, aber nicht die anderen Merkmale, die miteinander integriert die Eigenschaft "quadratisch" ergeben.[54]
Konstruktive Formwahrnehmung ist ein sehr komplexer Prozeß, der ausgedehntes Lernen erfordert. Ist die Wahrnehmungskonstanz erworben, ist es dem Kind möglich komplexe Formen zu handhaben, die bei schulischen Aufgaben vorkommen. Die Manipulationen werden sinnvoll und sind mehr als ein bloßes Aneinanderreihen von Elementen.[55]

3.1.3.1 Welche Bedeutung hat die Wahrnehmungskonstanz für die Entwicklung mathematischen Denkens?


Störungen der Wahrnehmungskonstanz wirken sich allgemein auf Lernen und Verhalten aus. Ein Kind, das keine integrierte Form aufbauen kann, reagiert in seinem Verhalten mehr auf einzelne Elemente als auf das Insgesamt einer Situation. Wir tendieren dazu, dieses Kind als impulsiv zu bezeichnen. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß für dieses Kind nicht dasselbe Datengefüge besteht wie für uns. Für das Kind existiert nur eine bestimmte Einzelheit, auf die es reagiert. Für Problemlösungen in bestimmten Fällen, mag es durchaus notwendig sein, viele Einzelheiten zu beachten. Die Folge ist, das Kind erbringt eine falsche oder ungenaue Lösung. Wir beschreiben dann das Kind als ablenkbar, impulsiv oder disziplinlos. Aber sein ganzes Verhalten kann durchaus die Folge seiner Unfähigkeit sein, eine adäquate Form auszubilden.[56]
Für PIAGET (1977) ist das Phänomen der Konstanz einer Menge, er nennt es Invarianz, von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des mathematischen Denkens.
"Eine Menge oder eine Gruppe von Gegenständen ist nur vorstellbar, wenn ihr Gesamtwert unverändert bleibt, gleich welche Veränderungen in den Verhältnissen der Elemente eintreten mögen. Eine Zahl ist nur in dem Maße verständlich, wie sie mit sich selbst gleich bleibt, unabhängig von der Disposition der Einheiten, aus denen sie zusammengesetzt ist. Überall und immer setzt der Geist die Erhaltung von irgendetwas als notwendige Bedingung für jedes mathematisches Verständnis voraus." (Piaget, 1975, S. 15 f)
Die Fähigkeit zur Wahrnehmungskonstanz erlaubt, zum Beispiel Quadrate von Parallelogrammen und Rechtecken zu unterscheiden, auch wenn sie in verschiedenen Lagen zueinander stehen. Die Tätigkeit ist hauptsächlich visueller Art, indem ähnliche Figuren zusammengefaßt werden, unterschiedliche getrennt und eingekreist werden. Dadurch haben die Kinder keinerlei Hilfen taktil-kinästhetischer Art, so daß Teilleistungsstörungen in diesem Bereich das Lösen solcher Aufgaben verhindert.[57]
Beispiele:

Abbildung 3: Die Kinder müssen verwandte Figuren heraussuchen. Radatz/Rickmayer, 1991, S. 131

3.1.4 Wahrnehmung der Raumlage


Die Wahrnehmung der Raumlage kann definiert werden "als die Wahrnehmung der Beziehung eines Gegenstandes zum Beobachter. Zumindest räumlich gesehen ist der Mensch immer der Mittelpunkt seiner eigenen Welt, und er nimmt die Gegenstände als hinter-, vor-, über-, unter oder neben sich wahr." (Frostig/Müller, 1981, S. 81)
Diese räumlichen Beziehungen benötigen ein Koordinatensystem. Die Koordinaten des Raumes, auf die sich die Beziehungen einer Form aufbauen, müssen erlernt werden. Das Kleinkind erreicht die Raumstruktur im Verlauf eines Entwicklungsprozesses. [58]
Bereits im Mutterleib hatten wir aufgrund der Schwerkraftempfindung eine Vorstellung des Raumes. Im Mutterleib informierten uns die Schwerkraftrezeptoren, wo oben und unten war. Mit dem Augenblick der Geburt stand plötzlich wesentlich mehr Raum zur Verfügung, in den wir uns hineinbewegen konnten.
Die Dinge, die nun wahrgenommen werden, bekommen aber erst dann einen Sinn, wenn unser Gehirn darüber informiert ist, wo sich die Erde befindet.[59]Beispiel:

Abbildung 4: Beispiele aus dem FEW

Das Bezugssystem für alle Richtungen und Orientierungen im Raum ist bestimmt durch die Richtung der Schwerkraft. Haben wir zu dieser Richtung keine Beziehung, können wir uns nicht in unserer Umwelt orientieren. Das Kind lernt dies, indem es aus seinen Lernerfahrungen mit Gleichgewicht, Haltung und Körperschema Art und Angriffspunkt der Schwerkraft abstrahiert. Allmählich entwickelt sich aus diesen Erfahrungen das innere Bewußtsein von zwei Körperhälften und ihren Unterschieden. Mit zunehmender neurologischer Reifung führt dieser Lernprozeß zur Entwicklung der Seitigkeit und zur Bevorzugung einer Hand. Hat das Kind die Bezugsrichtung zur Schwerkraft, die vertikale Dimension, mittels seines Gleichgewichtsmechanismus erworben, mit Hilfe der Rechts-Links-Achse, die Horizontale Dimension, und durch Reize für die Tiefe des Raumes, die Vorne-Hinten-Dimension, besitzt es ein Bezugssystem für die räumlichen Relationen und für alle seine Entdeckungen in der Umwelt.
Das System hat sich generalisiert, und ermöglicht dem Kind nicht nur mit konkreten Objekten seiner Umgebung umzugehen, sondern auch mit Erinnerungen und Erfahrungen, mit abstrakten Gedanken und Begriffen in diesem räumlichen System zu manipulieren.[60]

3.1.4.1 Welche Bedeutung hat die Wahrnehmung der Raumlage für die Entwicklung des mathematischen Denkens?


Die Bedeutung einer stabilen, räumlichen Welt läßt sich kaum überschätzen. Wir können zwei Objekte nicht vergleichen, wenn wir nicht über einen adäquaten Raum verfügen, in den wir sie während des Vergleichs setzen.
Die Wahrnehmung der Raumlage ist eng verbunden mit den Fähigkeiten des Rechnens, Schreibens und des Lesens. Insbesonders mit der Unterscheidung von Druckbuchstaben, zum Beispiel p und q, der Zahlen 24 und 42. Kinder mit solchen Störungen zeigen im Unterricht der Volksschule häufig Drehungen der Zahlen. Es fällt ihnen schwer, mehrstellige Zahlen (153) zu lesen und zu schreiben.[61]
Aber auch zur Raumdimension rechts-links haben viele Grundschüler noch ungenügende Erfahrungen gesammelt. Diese Fähigkeit ist oft bis zum Ende der Volksschule recht unsicher. Diese Rechts-Links-Unterscheidung ist aber für viele Arbeitsmittel (Hundertertafel, Zahlenstrahl, Stellenwerttafel) eine grundlegende Voraussetzung des Verstehens und Anwendens.[62]

3.1.5 Wahrnehmung der räumlichen Beziehung


Die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen bezeichnet die Fähigkeit "zur Analyse einfacher Formen und Muster, die Stellung von Linien und Geraden zueinander." (Lorenz, 1984, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, S. 83)
Beispiele:

Abbildung 5: Aufgaben aus dem FEW, S. 17.

Die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen beinhaltet mehr als nur das Orten von Objekten innerhalb eines Koordinatensystems (Wir verwenden das euklidische Koordinatensystem, mit den drei Dimensionen: senkrecht, waagrecht und vorne-hinten). Die Wahrnehmungsfähigkeit für räumliche Beziehungen ist wahrscheinlich für das Erlernen der Mathematik die Wesentlichste. KEPHART (1977) vermutet, daß der Raumbegriff ein Konzept ist, welches im Gehirn entwickelt wird. In unserer Umwelt gibt es keine direkte Information über räumliche Beziehungen. Alle Informationen über räumliche Beziehungen erhalten wir durch Reize, die interpretiert werden müssen, um uns ein räumliches Konzept liefern zu können.[63]
"Die direkteste Information stammt aus dem kinästhetischen Bereich, d. h. von dem Sinn, der uns den Spannungszustand der Muskeln anzeigt. Durch die kinästhetische Wahrnehmung können wir das Ausmaß einer Muskelbewegung und damit den Abstand zu einem Objekt abschätzen. Nur durch Translationsbewegungen (z. B.: Drehung)[64]im Raum erhalten wir Kenntnis über den Abstand zu einem Objekt. Das gleiche gilt für alle anderen Raumbegriffe. Wir übersetzen Wissen aus anderen Bereichen in Wissen über den Raum. Wir eichen Veränderungen in anderen sensorischen Bereichen zu Maßstäben, mit denen wir den Abstand zu einem Objekt oder den Abstand zwischen zwei Objekten messen.......Obwohl wir den Raum und die Raumwelt als eine substanzielle, existierende Realität auffassen und obwohl wir uns so verhalten, als hätten wir direkte Informationen darüber, mußten wir diese Welt tatsächlich erst aus der Interpretation der Vielzahl sensorischer Daten aufbauen, deren keine mit dem Raum selbst direkt verknüpft war." (Kephart, 1977, S. 124)
Eine intakte Wahrnehmung der Raumlage ist zum Beispiel auch eine wichtige Voraussetzung für das Lesen, insbesonders längerer Worte, und für das Rechnen (Wahrnehmung der Anordnung von Ziffern in einer mehrstelligen Zahl, sowie der Mengenerfassung).
Diese Voraussetzung ist auch im Bereich der Wahrnehmung der Raumlage von Bedeutung und somit kann ersehen werden, wie eng diese beiden Bereiche miteinander verknüpft sind. Die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen setzt jedoch eine größere Differenzierung und Strukturierung der visuellen Perzeption voraus und damit auch eine größere Gedächtnisleistung. Bei der Figur-Grund-Differenzierung ist die Wahrnehmung in zwei Teile geteilt, ein vorherrschender Teil, der die Aufmerksamkeit erfordert (Figur) und ein zurücktretender Teil (der Grund). Bei der Wahrnehmung räumlicher Beziehungen werden eine beliebige Zahl verschiedener Teile in Verbindung zueinander gesetzt und erhalten ungefähr die gleiche Aufmerksamkeit.[65]

3.1.5.1 Welche Bedeutung hat die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen für die Entwicklung des mathematischen Denkens?


Beziehungen werden in der Mathematik Relationen genannt. Damit wird das Verhältnis von Objekten oder Mengen zueinander bestimmt. Störungen in diesem Bereich ziehen Schwierigkeiten im Erkennen von Längen- und Größenunterschieden nach sich und verhindern den Aufbau von Ordnungsrelationen, die durch den Vergleich zweier oder mehrerer Objekte entstehen. Darüber hinaus gelingt die Mengenerfassung und letztlich die 1-1 Zuordnung nicht, die eine fundamentale Voraussetzung für den Erwerb des Zahlenbegriffs darstellt.[66]
Eine wesentliche räumliche Beziehung ist die der räumlichen Aufeinanderfolge, deren Elemente dann ihrerseits die Relationen der Symmetrie bilden können. Die Reihenfolge der Zahlen spielt in der Arithmetik eine große Rolle.
"Ein Kind muß lernen, daß es die Zeichen nicht in beliebiger Anordnung hinschreiben kann, sondern daß sie eine ganz spezifische Reihenfolge einhalten müssen, um sinnvoll zu sein......In der Mathematik sind die Möglichkeiten des Zahlenaufbaus noch komplexer, weil nicht nur rechts und links, sondern auch oben und unten als Positionen wichtig sind. Wenn ein Kind Zahlen nach Diktat schreibt, dann arbeitet es von links nach rechts; doch wenn es mit ihnen rechnet, oft von rechts nach Links. Soll es die Aufgabe 4 + 5 schreiben, kann es die Zahlen von links nach rechts anordnen oder sie untereinander schreiben."
(Johson/Myklebust, 1976, S. 320)
Noch komplizierter wird es beim schriftlichen Malnehmen und Teilen und beim Untereinanderschreiben mehrstelliger Zahlen. Ist das Verständnis unsicher, fehlt die strukturelle Basis für schriftliche mathematische Operationen. Folglich ist es leicht vorstellbar, warum Richtungsunsicherheiten das Verständnis für Veranschaulichungsmittel mathematischer Vorgänge beeinträchtigen können, wie zum Beispiel die Arbeit am Zahlenstrahl, wo die Addition nach rechts und die Subtraktion nach links durchgeführt wird. Hinzu kommt die Sprechweise von zweistelligen Zahlen in der deutschen Sprache, bei der die zeitliche Reihenfolge eine andere ist als beim Schreiben. Hier kommt es manchmal zu Fehlern, daß die Einer und Zehner vertauscht werden.
Wenn das Erfassen räumlicher Beziehungen gestört ist, ist auch der Umgang mit Objekten oder Mengen, bei der Beschäftigung mit mathematischen Aufgaben mitbeeinträchtigt.[67]

3.1.6 Zusammenfassung


Anhand von MARIANNE FROSTIGS Unterscheidung wurde versucht die einzelnen Bereiche der visuellen Wahrnehmung näher darzustellen. Es muß nochmals betont werden, daß sich die einzelnen Bereiche (Auge-Hand-Koordination, Figur-Grund-Differenzierung, Wahrnehmungskonstanz, Wahrnehmung der Raumlage, Wahrnehmung der räumlichen Beziehungen) nur theoretisch trennen lassen. Unser ganzes visuelles System muß als eine Einheit funktionieren, damit wir die Eindrücke und Erfahrungen unserer Umwelt bewältigen, und in weiterer Folge auch die schulischen Anforderungen. Im speziellen wurde auf die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung für die Entwicklung des mathematischen Denkens eingegangen.
Nach FROSTIG entwickeln sich diese Fähigkeiten im Alter von 3 bis 7 Jahren. Jedoch gibt es in jeder Volksschulklasse Kinder, die noch auffällige Schwächen in der visuellen Wahrnehmung zeigen bis hin zu Wahrnehmungsstörungen. Bei sehr vielen Kindern sind die Ursachen in mangelnder Anregung oder Übung zu suchen, somit tritt eine Verzögerung der Fähigkeitsentwicklung ein. Hier liegt sicher eine zentrale Aufgabe des Volksschullehrers: Die frühzeitige Erkennung solcher Schwierigkeiten im visuellen Bereich. Solche Schwächen wirken sich nicht nur im Mathematikunterricht aus, sondern es können auch Probleme im Lesen und Schreiben auftreten. Außerdem sollte auch die psychische Situation der Kinder nicht vergessen werden, erleben sie doch wesentlich häufiger das Gefühl des "Nichtkönnens."
Über das Wahrnehmen hinaus geht die Fähigkeit des visuellen Speicherns, wobei visuelle Informationen aufgenommen, verarbeitet und im visuellen Gedächtnis, einen bestimmten Zeitraum, gespeichert werden müssen. Derartige Anforderungen sind im Mathematikunterricht recht zahlreich. Die Schüler müssen bildliche Darstellungen speichern, gesehene Ziffern, mathematische Zeichen oder ganze Aufgaben im Kopf behalten. Auch diese Fähigkeit entwickelt sich nicht ohne Anregung und Übung. Alle die in diesem Kapitel beschriebenen visuell-räumlichen Fähigkeiten bilden notwendige Voraussetzungen eines räumlichen Vorstellungsvermögens und damit auch die Voraussetzung für das Erlernen mathematischer Fähigkeiten.

3.2 Die Bedeutung der Zeitwahrnehmung


Das vorangegangene Kapitel (vgl. Kap. 3) hat die Bedeutung des Raumes hervorgehoben. Zum Bezugssystem des mathematischen Denkens gehört der Raum mit seinen drei Dimensionen (euklidisches Koordinatensystem) und mit dem Raum auch die Zeit als vierte Dimension.
"Ehe das Kind die Beziehungen in seiner Umwelt systematisieren kann, braucht es zusätzlich zu den drei räumlichen Dimensionen auch noch die Zeitdimension. Die Beziehungen, aus denen sich unsere Welt aufbaut, existieren in vier Dimensionen, nicht in drei allein."
(Kephart, 1977, S. 144)
Die Zeit bildet also mit dem Raum ein unlösliches Ganzes. Für PIAGET (1974) ist die Zeit die Koordination der Bewegung:
"ob es sich um räumliche Verschiebungen oder Bewegungen handelt oder um innere Bewegungen, wie es die nur geplanten, antizipierten oder gedächtnismäßig rekonstruierten Handlungen darstellen, die in der Ausführung ja auch räumlich sind, immer wieder spielt hier die Zeit dieselbe Rolle wie der Raum in Bezug auf die unbewegten Dinge. Genauer gesagt, für die Koordination simultaner Stellungen genügt der Raum, sobald aber Verschiebungen eintreten, ergeben sich aus den räumlichen Veränderungen ebenso viele verschiedene, also aufeinanderfolgende Raumzustände, und die Koordination dieser Zustände ist nichts anderes als die Zeit. Der Raum ist eine Momentaufnahme der Zeit, und die Zeit ist der Raum in Bewegung; beide bilden die Gesamtheit der Beziehungen der Einschachtelungen und der Ordnung, die Gegenstände und ihre Raumänderungen charakterisieren."
(Piaget, 1974, S. 14)
Blickt man noch einmal auf die einzelnen Bereiche der visuellen Wahrnehmung zurück, kann man die enge Verknüpfung von Wahrnehmung und Bewegung erkennen. Immer ist Bewegung daran beteiligt, und damit wird die Wahrnehmung ein Vorgang in der Zeit. Für die Bedeutung des mathematischen Denkens sowie für das Lernen und Verhalten allgemein, beinhaltet sie Gleichzeitigkeit, Rhythmus, Tempo und schließlich die räumlich-zeitliche Übersetzung, also die Integration von räumlicher und zeitlicher Wahrnehmung.
Die Zeitwahrnehmung entwickelt sich, vergleicht man sie mit anderen Wahrnehmungs-
fähigkeiten, relativ spät und ist abhängig vom bewußten Erleben. Ein kleines Kind empfindet Zeit zunächst zwischen einem Bedürfnis (Hunger) und dessen Befriedigung. Es lebt also im Augenblick. Erst mit fortschreitender Entwicklung erweitern sich diese Augenblicke zu einem Zeitraum, mit Vergangenheit und Zukunft. Die Gegenwart ist der Bereich, der zwischen diesen Abschnitten liegt. Im Erleben ist er mehr oder weniger ausgedehnt, strukturell betrachtet ein Punkt, der Zeitpunkt, in dem sich Vergangenes und Zukünftiges berühren. Man kann auch hier, wie bei einem Koordinatensystem, von einem Nullpunkt sprechen.[68]

3.2.1 Gleichzeitigkeit


"Der Nullpunkt der Zeitdimension ist die Gleichzeitigkeit. Wir können eine Zeitspanne nicht wahrnehmen, wenn wir nicht Gleichzeitigkeit wahrnehmen können. d. h. Ereignisse, zwischen denen das Zeitintervall Null besteht. Deshalb ist der Nullpunkt der Zeitdimension der Punkt der Gleichzeitigkeit, so wie der Nullpunkt des räumlichen Bezugssystems der Schwerpunkt war."
(Kephart, 1977, S. 147)
Gleichzeitigkeit wird auch hier wieder zunächst motorisch erfahren. Viele Aktivitäten des Kindes werden gleichzeitig durchgeführt. Wenn es zum Beispiel im Bett liegt, bewegen sich beide Arme oder Beine gleichzeitig. Erst später beginnt es seine Bewegungen zu unterscheiden, und erfährt den Unterschied zwischen gleichzeitiger und alternierender Bewegung, indem es zum Beispiel abwechselnd mit den Händen auf den Tisch schlägt. Damit wird der Grundstein zu einer Zeitdimension gelegt.
Viele Kinder haben Schwierigkeiten, eine wirkliche Gleichzeitigkeit zu entwickeln. Springen sie mit beiden Füßen ab, so berührt beim Aufkommen ein Fuß vor dem anderen den Boden.
Auch hier haben wir es wieder, ähnlich der visuellen Wahrnehmung, mit Differenzierung und Koordinierung zu tun. Unterschiede wahrzunehmen, einen Gegensatz zu spüren erfordert integrative Prozesse der Sensorik und Motorik. Diese Fähigkeiten müssen erst im Laufe der kindlichen Entwicklung heranreifen [69]

3.2.2 Rhythmus


Der Rhythmus ist die Einheit für einen Zeitabschnitt auf einer Zeitskala, genau wie die Einheiten cm oder m, die wegen ihrer gleichen Länge als Einheiten von räumlichen Skalen dienen. Es geht dabei um zeitlich gleichbleibende Intervalle bei sich wiederholenden Bewegungsabläufen. Rhythmus spielt in vielen Lern- und Verhaltensweisen eine Rolle.
Viele Kinder mit Lernschwierigkeiten besitzen kein gleichbleibendes rhythmisches Muster. Klopft man zum Beispiel mit konstantem Takt auf einen Tisch, können sie das Vorgegebene Muster nicht einhalten.[70]
KEPHART (1977) unterscheidet die folgenden Begriffe:
1. Motorischer Rhythmus
2. Akustischer Rhythmus
3. Visueller Rhythmus
1. "Motorischer Rhythmus ist die Fähigkeit, eine Bewegung oder eine Abfolge von Bewegungen mit einem konsistenten Zeitintervall auszuführen." (Kephart, 1977, S. 149)
Hier spielen sowohl die rhythmische Bewegung (Laufen, Gehen), als auch die rhythmische Koordination mehrerer Gliedmaßen eine Rolle.
Bei vielen Kindern zeigen sich Probleme mit dem Rhythmus in einem Mangel an Koordination. Beim "Hampelmann" stimmt die Bewegung der Arme und Beine nicht überein. Bei diesen Kindern ist die Zeiteinheit schlecht definiert und die Zeitskala besitzt keine Konsistenz.
2. Der akustische Rhythmus bedeutet " das Erkennen von gleichen Zeitintervallen bei akustischen Stimuli. Die besondere Bedeutung des akustischen Stimuli liegt darin, daß das Gehör der Abstandsrezeptor der Zeitwahrnehmung ist, so wie das Gehen der Abstansrezeptor der räumlichen Wahrnehmung ist." (Kephart, 1977, S. 149)
Überall, wo zeitliche Beziehungen von vorrangiger Bedeutung sind, ist das Gehör die Hauptinformationsquelle.
3. Der visuelle Rhythmus beinhaltet "die systematische Exploration einer visuellen Umgebung, die zu ausgedehnt ist, als daß sie durch das visuelle Feld einer einzigen Fixierung erfaßt werden könnte. Durch den Rhythmus werden die verschiedenen, für eine solche Exploration notwendigen Fixationen organisiert, so daß sie zu einem einzigen visuellen Eindruck integriert werden können." (Kephart, 1977, S. 149 f)
Diese drei Typen müssen existieren und jeweils in sich konsistent sein. Bei dysrhythmischen visuellen Erfassen können zum Beispiel Probleme im Lesen, im Aufnehmen und Speichern eines Wortbildes, sowie in der Mengenerfassung entstehen.
Rhythmus wahrzunehmen und zu reproduzieren, ist eine vielschichtige neuropsychologische Leistung, die relativ spät entwickelt wird. Wir erleben Rhythmus mit Atmung und Herzschlag, den Wechsel der Jahreszeiten, das bedeutet aber noch nicht, Rhythmus auch wahrzunehmen. Durch Nachklatschen eines einfachen Rhythmus, kann man feststellen, ob und wie Kinder dazu in der Lage sind.[71]

3.2.3 Tempo


Zeitliche Einheiten müssen konsistent sein. Darüber hinaus müssen aber auch Zeiteinheiten verschiedener Länge zur Verfügung stehen. Es gibt kurze aber auch lange Zeitintervalle, genau so wie es für räumliche Aufgaben kurze Einheiten (cm) und lange (km) Einheiten gibt. Eine Veränderung dieser Beziehungen wird durch das Tempo bewirkt. Manchen Kindern fällt es schwer ein bestimmtes Tempo einzuhalten, es fällt ihnen schwer das Tempo zu variieren. Jede Tätigkeit die sie durchführen, wird in einem Standardtempo getan. Alles wird ohne Rücksicht auf die Natur der Aufgabe in das Standardtempo übertragen.[72]
Eine interessante Vermutung stellt MILZ (1994) an. Sie vermutet, daß innerhalb des Bereichs der Zeitwahrnehmung auch so etwas wie eine Figur-Grund-Differenzierung im körperlichen Bereich besteht. Sie glaubt, "daß es neben einer individuellen Grundspannung, einem Grundtempo, eine vorübergehende Veränderung, ein Arbeitstempo gibt, daß sich dieses Arbeitstempo im Empfinden abhebt und wahrnehmbar und damit bewußt wird."
(Milz, 1994, S. 44)
Ist also das Grundtempo langsam, wird vermutlich das Arbeitstempo auch langsam sein, und sich eben nicht deutlich genug als Figur von einem Hintergrund abheben.
Möglicherweise sind die Propriozeptoren an den Muskeln und Gelenken daran beteiligt, die Informationen nicht nur über den Raum, sondern auch über zeitliche Abläufe geben.[73]

3.2.4 Reihenfolge


Der Rhythmus hat eine Zeitskala mit konsistenten Einheiten hervorgebracht. Nun müssen die Ereignisse auf dieser Skala so organisiert werden, daß die zeitliche Beziehung bewahrt bleibt. Diese Organisation wird durch die Reihenfolge bewirkt. Reihenfolge ist "die Anordnung von Ereignissen auf einer Zeitskala, so daß ihre zeitliche Beziehung und Abfolge offenbar wird." (Kephart, 1977, S. 151)
Die Zeit läßt sich eben nur im Ablauf von bestimmten Ereignissen erleben: Zuerst-dann-zuletzt. Menschen die ihre Handlungen nicht in eine Reihenfolge bringen können, werden als dyspraktisch bezeichnet.
Kinder müssen den Ablauf einer Handlung zuerst erlernen. Zuerst-dann-zuletzt ist ein Element jeglichen Handelns und somit auch des mathematischen Tuns als Voraussetzung des mathematischen Denkens. Die Reihenfolge ist für die Organisation der Zeitdimension verantwortlich, genauso wie die Raumstruktur die Organisation in den räumlichen Dimensionen bewirkt.
Für die Entwicklung des mathematischen Denkens sind solche serialen Leistungen nötig. Denkt man zum Beispiel an das Nacheinanderausführen von Rechenschritten beim Überschreiten des Zehners. Zunächst muß bis zur Zehnergrenze gedacht werden, damit der Rest des zerlegten Summanden den nächsten Zehner belegen kann, aber auch die Umkehroperation, das schriftliche Malnehmen und Teilen, immer müssen diese gedachten oder auszuführenden Handlungen der Reihe nach geschehen. Kann ein Kind diese Abfolge: zuerst-dann-zuletzt nicht erkennen und durchführen, wird es im Mathematikunterricht Probleme haben.[74]

3.2.5 Die räumlich-zeitliche Übersetzung


"Die Zeitdimension muß für das Kind eine echte vierte Dimension des Raumes werden. Es muß mit Ereignissen umgehen und Probleme lösen, die sowohl räumliche wie zeitliche Erstreckung haben. Es entsteht ständige Verwirrung, wenn diese beiden Dimensionstypen nicht so korreliert werden können , daß die Ereignisse in beiden Systemen dieselbe Bedeutung haben, und wenn nicht von dem einen in den anderen Dimensionstyp ohne Schwierigkeiten übersetzt werden kann." (Kephart, 1977, S. 152)
Folgendes Beispiel soll dieses Problem verdeutlichen. Wenn ein Kind ein Bild betrachtet, so hat es eine räumliche Struktur vor sich. Die Anzahl der Elemente des Bildes sind auf den drei Raumdimensionen organisiert, werden aber zur gleichen Zeit dargeboten. Stellt man nun dem Kind die Aufgabe, das Bild sorgfältiger zu betrachten, so muß es seine Aufmerksamkeit nacheinander auf die verschiedenen Details richten. Dieser Prozeß verläuft so, daß es von einem Detail zum anderen geht. Dadurch konstruiert es eine zeitliche Folge von Ereignissen. Diese zeitliche Abfolge darf jedoch nicht von der grundlegenden Tatsache der simultanen Darbietung abgelöst werden. Passiert das, so verliert das Kind in dem Labyrinth der Ereignisse die Bedeutung des Bildes. Nur wenn diese Zeitdimension eine echte vierte Dimension der räumlichen Struktur ist, kann es die Details im Zusammenhang des gesamten Bildes betrachten und so durch Konzentration auf Details den Gesamtzusammenhang ausgestalten und vertiefen. Es hat aus der Zeit in den Raum übersetzt.
Die beiden großen Realitäten Raum und Zeit sind in der Umwelt des Kindes sehr eng miteinander verflochten. Sehr viele Aufgaben im Unterricht verlangen vom Kind, daß es vom Raum in die Zeit, aber auch umgekehrt übersetzt.[75]

Besonders in der ersten Klasse der Volksschule wird aufgrund der geringen Leseleistung der Schüler auf die ikonische Arbeitsanweisung zurückgegriffen. Diese Anweisungen haben eine räumlich-zeitliche Struktur, die "gelesen" werden muß.[76]
Die Reihenfolge der Zeichen spielt hier eine wesentliche Rolle, Abänderung der Anordnung bewirken, daß eine Bedeutungsveränderung eintritt. Ist die Zeit für das Kind eine vierte Dimension, so fallen solche Übersetzungen leicht. Wenn aber die beiden Dimensionen der Wirklichkeit getrennt sind oder eine von ihnen schlecht ausgebildet, so ist ein Kind blockiert und kann bestenfalls alles in den Bereich übersetzen, in dem es kompetent ist, und dann darin operieren.

3.3 Mathematisches Denken und Sprache


Sehr oft wird die Sprache als fundamentale Bedeutung für den Ablauf von Denkprozessen beim Rechnen unterschätzt. Rechenoperationen sind mathematische Ausdrucksformen, die sachliche Relationen ausdrücken. Die Sprache ist ein Instrument des Intellekts zu gleichem Zwecke. Sie bildet darüber hinaus in ihrer Verbindung zum Denken die Basis für mathematisch logische Verknüpfungen. Bevor nämlich zum Beispiel Subtraktions-und Additionsverfahren ablaufen können, bedarf es der begrifflich-sprachlichen Klärung von "Mehr" und "Weniger." Die Intelligenzidee die diesen Operationen zugrunde liegt, entspringt somit der begrifflich-sprachlichen Ebene und wird erst im nächsten Abstraktionsschritt umgesetzt in logisch-mathematische Ausdrucksformen.[77]
Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Entwicklung der Sprache. Die Entwicklung der gesprochenen Sprache ist abhängig von der neurologischen Organisation des Zentralnervensystems und dem Zusammenspiel von Reifen und Lernen. Sprache entwickelt sich relativ spät. Das ist durchaus verständlich, denn es handelt sich um ein kompliziertes funktionelles System, das auf anderen Systemen aufbaut und diese integriert, um die Aufnahme, die Verarbeitung und den Ausdruck verbaler Informationen zu ermöglichen. Diese komplizierten Vorgänge sind in mancherlei Hinsicht störbar. Das System der Sprachverarbeitung ist in unserem Gehirn doppelseitig angelegt. Die Endverarbeitung geschieht im Kleinkindalter zunächst gleichwertig auf beiden Hirnhemisphären. Erst allmählich kommt es zur Bevorzugung einer Hirnhälfte für verbale Sprache. Bei den meisten Menschen, auch bei Linkshändern, ist das die Linke. Es kommt zu einer Dominanz in den dafür zuständigen corticalen Spracharealen und mit Ausreifung eines Balkens, der die Verbindung zu beiden Hirnhälften herstellt, zu einem Transfer von einer Seite zur anderen. Sprachverständnis und Sprachbenutzung sind hauptsächlich in der linken Hirnhälfte zu lokalisieren.[78]
Eine Beeinträchtigung der Sprache kann sich im Mathematikunterricht in verschiedenen Gebieten zeigen. Neben einer allgemeinen Differenzierungs- und Strukturierungsschwäche ist die Einsichtgewinnung in mathematische Zusammenhänge grundsätzlich erschwert. Diese Schwächen wirken sich aus von der Mengengliederung über das Verständnis der Grundrechnungsarten bis hin zu den Textaufgaben, deren Lösung die Differenzierungs- und Strukturierungsschwäche besonders deutlich wiederspiegelt. Textaufgaben bereiten dem Schüler vier voneinander getrennte, jedoch eng aufeinander bezogene Schwierigkeiten, bei deren Bewältigung das Sprachverständnis und der Sprachgebrauch in Zusammenhang mit Sachstrukturen und mathematischer Logik im Mittelpunkt stehen.[79]
* "Die gedankliche Rekonstruktion eines konkreten Sachverhalts aus dem Medium Sprache durch ein sinnentnehmendes Lesen der Texte,
* die Forderung nach gedanklichen Aufdeckung und Durchdringung verbalsprachlichen dargelegter Funktionszusammenhänge,
* die Transformation sprachlich dargestellter Funktionszusammenhänge in adäquate Rechenoperationen und
* auf intellektueller Einsicht beruhender operationeller Umgang mit Rechenverfahren." (Mückenhoff, 1980, S. 37)
Sprache ist in diesem Zusammenhang sowohl Informationsquelle als auch Kommunikations- und Denkmittel. Mathematische Probleme werden vor der numerischen Lösung sprachlich vorgestellt, und so ist es nicht verwunderlich, daß Kinder mit Problemen im sprachlichen Bereich bei solchen Aufgaben scheitern.
Dieses Beispiel macht deutlich, daß die Hinführung zum mathematischen Denken auch weitgehend an eine intensive Sprachschulung gebunden ist, sowie an die Herstellung einer Beziehung zwischen sprachlichem Ausdruck und sachbezogenen Rechenoperationen. Jedem rechnerisch-praktischen Handeln mit Gegenständen, gefolgt von den daraus abgeleiteten Rechenoperationen, sollte möglichst eine Vielzahl sprachlicher Begriffe beigeordnet werden, da diese Begriffe mit steigendem Alter der Kinder das praktische Tun ersetzen.
Die Erziehung zu einem differenzierten Sprachverständnis und zu einer exakten Sprachbenutzung bekommt damit einen besonderen Stellenwert und wird zu einer wichtigen Aufgabe im Schulbereich.[80]3

4 Teilleistungsschwächen im mathematischen Denken

In der bisherigen Betrachtung der Voraussetzungen für mathematisches Denken ist besonders auf die Bedeutung von Raum, Zeit und Sprache Wert gelegt worden. Dies sind die Grundlagen, auf denen sowohl das geometrische, wie auch das numerische Denken und Vorstellen aufbaut. Für PIAGET sind es die sensumotorischen Erfahrungen, aus denen sich diese Fähigkeiten herleiten. Seine These ist, daß es intelligente Auseinandersetzungen mit der Umwelt gibt, bevor Denken im Sinne des inneren Operierens mit Vorstellungen, Symbolen oder sprachlichen Zeichen möglich ist. Denken ist für PIAGET "verinnerlichtes Handeln." Die Grundlage für diesen Prozeß der Verinnerlichung bilden eben diese frühkindlichen Erfahrungen der sensomotorischen Phase. Aber auch später wirken die sensomotorischen Leistungen über die Wahrnehmung, über die Motorik und andere Verhaltensbereiche in die Entwicklung des Denkens[81]
Im Zusammenhang mit dem Thema "Rechenstörungen" möchte ich mich im wesentlichen mit Beeinträchtigungen im Aufbau-und Verinnerlichungsprozeß, sowie mit der Anwendung mathematischer Operationen beschäftigen. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und dem Verständnis von Grundoperationen und deren Anwendung.

4.1 Didaktische Stufen im Aufbau und im Verinnerlichen mathematischer Grundoperationen, mögliche Störbereiche und typische Fehler


Die bisherigen Ausführungen haben sich mit den neuropsychologischen Voraussetzungen beschäftigt, die zum Aufbau des mathematischen Denkens notwendig sind. Nun soll dargestellt werden, wie die Entwicklung des mathematischen Denkens beim Kinde vor sich geht.
Die Entwicklung des mathematischen Denkens vollzieht sich in drei voneinander abhängigen Bereichen: der Klassenbildung, der Schaffung von asymmetrischen Relationen und den Zahlen. Das Kind der anschaulichen Phase kann Gegenstände nach deren Ähnlichkeit vereinen oder bei Fehlen von Ähnlichkeiten trennen, es ist aber noch nicht in der Lage, die Gegenstände nach mehreren Merkmalen unterschiedlichen Klassen zuzuordnen. Kinder in dieser Phase sind zwar in der Lage bei Gegenständen wachsender Größe Paare zu bilden, zu Beispiel Puppen oder Stäbe der Größe nach einander zuzuordnen. Eine Reihenbildung von nach Größe zu ordnenden Gegenständen gelingt noch nicht.
Das Verständnis einer Zahl erfordert eine noch höhere Abstraktionsleistung. Mengen mit unterschiedlicher Anordnung, mit unterschiedlicher räumlicher Ausdehnung, müssen mit der gleichen Zahl belegt werden. Diese Bildung der Zahl geht aus Handlungen hervor, wie denen der Klassenbildung und des Ordnens. Während diese Koordination von Handlungen zunächst der Gegenstände bedarf, wird sie allmählich immer mehr verinnerlicht. Die Bildung der Zahl ist die Assimilation (die Anpassung der Realität an verinnerlichte Schemata) der Wirklichkeit an den Geist. Daraus folgt die Ablösung von der unmittelbaren Handlung und von der Realität. Die dazugehörige Akkommodation (gedanklich ausgeführte Handlungen) muß vorausschauend sein, die Handlung muß sich jeden beliebigen Gegenstand anpassen.
Das anschauliche mathematische Denken baut auf Handlungen der sensomotorischen Phase auf. Diese Handlungen werden in Vorstellungen übersetzt, das heißt es werden verinnerlichte Handlungen möglich. Sind diese Handlungen innerlich gut nachvollziehbar, werden Vorwegnahme und Rekonstruktion möglich. Und alles, was zuvor konkretes Handeln und Planen war, ist nun in der Vorstellung, im Geist möglich. Schließlich kommt es am Ende dieser Phase zu den Abstraktionsleistungen der Klassifikation, der Reihenbildung und der Bildung des Zahlbegriffs.[82]
Man kann sich leicht vorstellen, daß Störungen in der frühen Entwicklungsphase, die folgenden, darauf aufbauenden Leistungen beeinträchtigen können.
Bevor ich mich mit den Stufen im Aufbau und Verinnerlichungsprozeß mathematischer Operationen beschäftige, ist noch folgende Frage zu klären. Was beinhaltet der Begriff "mathematische Operationen?"
Wenn zum Beispiel ein kleines Kind Bausteine in eine Schachtel legt, zuerst einen Stein, dann noch einen und so weiter, bis es schließlich alle hineingelegt hat, dann hat es eine Handlung ausgeführt, in der es um eine Menge ging, eben um eine Menge von Bausteinen. Wenn nun von dieser Handlung alles konkrete, alles Sichtbare abgestreift wird, dann erhalten wir eine quantitative Ordnung oder Struktur. Diese Ordnung ist mit Hilfe einer Handlung entstanden, und sie sieht so aus: 1 + 1 +1+ 1 usw. Letztendlich haben wir es hier mit der mathematischen Operation einer Addition zu tun.
All das geschieht im konkreten Tun, mit wirklichen Gegenständen. Die Strukturen zu erkennen, zu verinnerlichen, vorzustellen, mit dieser Struktur zu manipulieren, das muß ein Kind im Laufe seiner Entwicklung erst lernen. Es muß immer mehr von dem abstreifen, was sichtbar, was konkret ist, im höheren Sinn der Mathematik schließlich sogar ablegen, was vorstellbar ist.[83]
Neben der quantitativen Struktur einer mathematischen Operation erwirbt das Kind auch eine räumliche Ordnung und diese ebenfalls über das Tun, das Handhaben von Gegenständen. Es müssen die Dinge in die Hand genommen werden, wenn man erfahren und verstehen will, was klein oder groß, dick oder dünn, rund oder eckig, offen oder geschlossen ist. Nur diese gehandhabten Erfahrungen führen zum Erkennen von Abbildungen im zweidimensionalen Raum, also auf einem Blatt Papier. Für alles ist das Tun die Voraussetzung, die Hand nötig, also das Handeln.[84]
Wie geht man in der Schule vor, um das Verständnis mathematischer Operationen zu entwickeln?
Es gibt hier mehrere didaktische Ansätze, wie beispielsweise den von BRUNER. Er untersuchte den Erwerb und die innere Darstellung von Umwelterfahrungen, sowie deren Organisation für die Weiterverwendung. Diese Erfahrungen werden in drei Formen gemacht:
" Zuerst kennt das Kind seine Umwelt hauptsächlich durch die gewohnheitsmäßigen Handlungen, die es braucht, um sich mit ihr auseinanderzusetzen. Mit der Zeit kommt dazu eine Methode der Darstellung in Bildern, die relativ unabhängig vom Handeln ist. Allmählich kommt dann eine neue und wirksame Methode hinzu, die sowohl Handlung wie Bild in die Sprache übersetzt, woraus sich ein drittes Darstellungssystem ergibt. Jeder dieser drei Darstellungsmethoden, die handlungsmäßige (enaktive), die bildhafte (ikonische) und die symbolische (durch Zeichen und Sprache) hat ihre eigene Art, Vorgänge zu repräsentieren. Jede trägt das geistige Leben des Menschen in verschiedenen Altersstufen, und die Wechselwirkung ihrer Anwendungen bleibt ein Hauptmerkmal des intellektuellen Lebens des Erwachsenen."
(Arbeitsberichte:Zentrum für Schulversuche, Schulentwicklung, 1976, I/24 S. 33; "zit. nach Bruner, o. J., S. 21)
Genau diesen drei Stufen entsprechen auch im wesentlichen den von AEBLI beschriebenen Phasen des Aufbaus und des Verinnerlichungsprozesses mathematischer Operationen. Es handelt sich um
* die Phase der Handlungen an konkreten Materialien
* die Phase der bildhaften Darstellung
* die Phase der symbolischen Darstellung und
* die Phase der Automatisierung
Daneben kann hier noch gesondert das Sachrechnen als relevanten und aus Schülersicht meist schwierigsten Bereich genannt werden.[85]
In der Grundschule kann man davon ausgehen, daß eine Einführung einer neuen Rechenart immer handelnd durchgeführt wird. Diese Tatsache wird auch von seitens der Didaktiker immer wieder hervorgehoben und betont. Die Einführung erfolgt über Gegenstände, zum Beispiel über Rechenplättchen oder Rechenstäben[86] aber auch anderen didaktischen Materialien (Rechenkette, Steckwürfel, Montessori Perlen etc.). Das Material soll hier variieren. Zahlen sind ein universelles Kennzeichen. Es gibt x Auto auf der Straße, x Kinder in der Schule, es gibt einen Geburtstagskuchen mit 7 Kerzen, und 8 Kinder möchten ihn essen. Sie brauchen 8 Teller und 8 Servietten. Genau so gut eignen sich Zündhölzer, Strohhalme, Büroklammern, Nüsse, Geldmünzen, usw. In jedem Falle werden durch konkrete Handlungen mathematische Probleme analysiert.
In einem nächsten Schritt gehen wir über zu zeichnerischen Abbildungen. Es werden nun zeichnerische Darstellungen verwendet, um das eigentliche Tun, beispielsweise das Hinzufügen und Wegnehmen, mit Zeichen zu deuten.
Beispiele:

Abbildung 6: Beispiele aus Mathematikbüchern

Abbildung 7: Beispiele aus Mathematikbüchern

Schließlich benennen wir unser Tun. Wir sprechen "plus" und "minus" und "gleich." Vergleicht man diese Sprechweise mit der Handlung, dann ist das ein großer Schritt hin zur Abstraktion. Das Kind muß an den Zeichen erkennen, welche Operation es durchführen muß.
Betrachten wir die Gleichung 5 + 3 = 8. Das Kind muß diese symbolische Darstellung für sich wieder umsetzen in etwas Vorstellbares, Anschauliches. Bei der Handlung geht der Weg von der konkreten Durchführung hin zur Abstraktion. Bei dieser Gleichung ist es genau die umgekehrte Richtung, vom Abstrakten zum Konkreten. Um dies zu bewältigen, müssen die vorherigen Handlungen gut verinnerlicht sein, damit diese Übertragung leicht und beweglich gelingen. Erst im weiteren Abstraktionsprozeß kann allmählich auf diese Übertragungen verzichtet werden. Es erfolgt nur mehr ein Manipulieren mit Symbolen.[87]
Beim Mathematikunterricht muß die Wechselwirkung im Umgang mit Objekten, Material und Sprache kontinuierlich sein. Die Bedeutung der Mathematik kann nicht erfaßt werden, ohne daß Mathematik auf viele reale und mögliche Situationen angewendet wird. Die Sprache wird dazu benutzt, um diese Prozesse zu vermitteln. Beim praktischen Üben von mathematischen Fakten müssen die Aufgaben in Worte gefaßt werden, die das Handeln veranschaulichen.[88]
Erst, wenn diese drei Stufen
1. Das konkrete Handeln mit Gegenständen,
2. die bildliche Darstellung mit graphischen Zeichen und Markierungshilfen,
3. die Darstellung und Umsetzung mathematischer Operationen mit Hilfe von Ziffern und Zeichen (Zifferngleichung); durch sorgfältigen Unterricht erreicht sind,
kommt es zur
4. Automatisierung und Anwendung mathematischer Operationen.
(Milz, 1994, S. 52)
Eine Automatisierung der Operationen sollte erst dann einsetzen, wenn eine entsprechende Anschauungs- und Verständnisgrundlage durch ausreichenden Umgang mit Handlungen und zeichnerischen Darstellungen aufgebaut worden ist. Der Aufbau strukturell adäquater Vorstellungsbilder ist eine wesentliche Voraussetzung für die mathematische Begriffsbildung. So kommt gerade den im Anfangsunterricht eingesetzten Veranschaulichungsmitteln eine sehr wichtige Funktion zu.[89]
Dieser Lernvorgang sollte bei der Einführung aller mathematischer Operationen stattfinden. Jedoch verläuft dieser Abstraktionsprozeß nicht immer ohne Störungen. Die Störmöglichkeiten sollen im folgenden Abschnitt zu dem eben genannten Aufbau und Verinnerlichungsprozeß mathematischer Operationen näher betrachtet werden.

4.2 Die Phase 1: Handlungen an konkreten Materialien


Die Einführung der arithmetischen Operationen beginnt normalerweise, auch unabhängig von der jeweiligen Schulstufe, mit Handlungen an konkreten Material. Ziel ist, durch den Vollzug einer Handlung, in der mathematische Operationen enthalten sind, "Verinnerlichungsansätze"[90] zu bewirken. Plättchen werden zusammengelegt (Addition) oder entfernt (Subtraktion), Handlungen werden mehrmals durchgeführt (Multiplikation), es wird auf-oder verteilt (Division).
Konkrete Mengen werden miteinander verglichen (Eins-zu-eins-Zuordnung, Ergänzung, Subtraktion), aber auch die geometrischen Einführungen bedienen sich der Handlung: Quadrate, Rechtecke und Kreise werden gezeichnet, Spiegelbilder gehen aus der Tätigkeit des Faltens hervor, und Objekte mit geforderten Eigenschaften werden gebaut.[91]
Es sind die anschaulich praktischen Fähigkeiten, die auf dieser Stufe besonders gefordert werden. Das bedeutet, das Kind muß eine Anzahl von Gegenständen mit den Händen und Augen erfassen können, wobei es das zuerst nur mit den Händen tut. Das Nur-Erfassen mit den Augen ist schon ein weiterer Entwicklungsschritt.
Wir machen uns im allgemeinen keinen Begriff davon, wie kompliziert dieser Prozeß eigentlich ist. Das ein Kind zählen lernt, wird als Selbstverständlichkeit angenommen. Ob es etwas mit der Zahl verbindet, ob es eine Vorstellung davon hat, was das Zahlwort bedeutet, diese Frage stellen wir uns sehr oft nicht.[92]
Die fundamentalste Rechenschwäche ist eben die Zählschwäche bzw. die Zahlenbegriffsschwäche. "Grundlage der operativen Gesamtentwicklung ist die elementare Operation des Zählens und der Mächtigkeitsbestimmung von Mengen." (Grissemann, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, 1984, S. 172)
Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Zahlenbegriffs. Bereits vor Schulbeginn besitzen sehr viele Kinder eine Reihe von mathematischen Kenntnissen, insbesondere zu den Zahlen und den Umgang mit ihnen. Für den Lehrer besteht eine wesentliche Aufgabe darin, diese Vorkenntnisse und Erfahrungen der Kinder zu erkennen.
Man kann annehmen, daß das Kind die verschiedenen Zahlbedeutungen einzeln erwirbt, das heißt in dem jeweiligen subjektiven Erfahrungsbereich. Der Erwerb der Zahlwortreihe beginnt schon im Alter von zwei bis drei Jahren und ist in der Regel im Alter von fünf bis sieben Jahren abgeschlossen.[93]
Was passiert, wenn ein Kind eine Menge von 4 Einheiten auszählt?
1. Es müssen die Einzelgegenstände aus dem Ganzen herausgesehen werden, ohne daß dieses Ganze dabei verloren geht. Das Kind zählt, möglicherweise an den Fingern 1 - 2 - 3 - 4, aber die Gesamtheit, die Finger der ganzen Hand, bleibt erhalten. Oder es zählt, zum Beispiel aus einer Menge Nüsse ab, und gruppiert sie und erkennt, daß es vier sind. Es hat dann vier Elemente aus den gesamten Nüssen erkannt.
2. Das Kind muß einzelne Glieder einer Mengengestalt mit Zahlwörtern benennen können. Es erfolgt eine Zuordnung von Bewegung, dem Hinfassen und dem Sprechen. Hier treten sehr oft auffällige Schwächen bei Vorschulkindern und Kindern im ersten Schuljahr auf. Hier stimmt die rhythmische Zuordnung nicht. Das Kind zählt richtig, ordnet aber bewegungsmäßig nicht richtig zu.
3. Es muß jeder Gegenstand der mit einem Zahlwort benannt worden ist, als der jeweilige letzte verstanden und auch seine Stellung angegeben werden.
4. Schließlich muß die zuletzt benannte Zahl oder der zuletzt genannte Gegenstand zu einer neuen Einheit gedacht werden. Das Zahlwort gibt dann die Anzahl der Einheiten an (Kardinalzahl-Prinzip).[94]
Wenn Kinder zu rechnen beginnen, tun sie das eine ganze Weile mit den Fingern. Grundsätzlich ist das Zählen mit den Fingern eine gute Sache, solange sie beim Zählen die Gruppierungen beachten. Hier treten aber gerade Schwierigkeiten auf. Sie bleiben beim Abzählen, zum Beispiel 4 + 3, dann zählen sie 1 - 2 - 3 - 4 und dann noch einmal 1 - 2 - 3, und fangen nochmals von vorne an und zählen 1 - 2 -3 - 4 - 5 - 6 - 7 und kommen so auf das Ergebnis. Für den Erwerb einer Vorstellung, für die nächsthöhere Entwicklungsstufe, wird es damit schwierig. Das Ergebnis ist auch nur schwer als neue Einheit zu erfassen.
Beim Zählprozeß mit den Fingern kommt zur visuellen Wahrnehmung noch die taktil-kinästhetische dazu. Das Kind arbeitet dabei mit zwei Wahrnehmungskanälen und das ist für manches Kind eine Hilfe. Nur sollte das Kind die abgezählten Elemente als Ganzheit betrachten.
Eine Hilfe zum verstehen der Zahleigenschaft einer Menge in ihrer Gesamtheit ist zum Beispiel das goldene Perlenmaterial von MONTESSORI. Das Kind nimmt hier eine Menge in der Gesamtheit war und kann vor allen Dingen die Anzahl der Perlen erkennen, aus denen sich die einzelnen Einheiten zusammensetzen.
Wesentlich ist, daß der Lehrer hilfreiche Maßnahmen für betroffene Kinder findet, damit die Kinder in sinnvoller Weise üben können. Das Ziel im arithmetischen Anfangsunterricht ist, zu erkennen wo wir bei den einzelnen Kindern ansetzen müssen, um eine Grundlage zu schaffen, für den Aufbau und den Verinnerlichungsprozeß mathematischer Operationen.[95]
JOHNSON/MYKLEBUST (1976) listen noch folgende Symptome einer Zählschwäche auf:
1. Die Unfähigkeit, eine Eins-zu-Eins Entsprechung zu erfassen. Hierbei kommt es darauf an, Elemente paarweise zusammenzufügen, zum Beispiel können Kinder mit solchen Schwierigkeiten nicht die Anzahl der Kinder in einem Raum mit der Zahl der Sessel in Zusammenhang bringen.
Beispiel: "Welche Menge hat mehr bzw. weniger Elemente?"

Abbildung 8: Beispiel aus einem Schulbuch für die 1. Schulstufe


Hier ist vor allem auch die Figur-Grund-Unterscheidung am Gelingen einer solchen Aufgabe beteiligt.[96]
2. Symptome einer Zählschwäche zeigen sich auch in der Unfähigkeit, das System der Kardinal- und Ordinalzahlen zu erfassen. Und sie zeigen sich in der Unfähigkeit oder Unsicherheit, die Mengenkonstanz zu erkennen, das bedeutet, das Kinder gleichmächtige Mengen je nach
ihrer räumlichen Anordnung oder Verteilung unterschiedlich wahrnehmen. PIAGET (1975) vermutet, daß Kinder, ehe sie den Zahlenbegriff entwickeln, das Prinzip der Invarianz begreifen müssen.
"Eine Menge oder eine Gruppe von Gegenständen ist nur vorstellbar, wenn ihr Gesamtwert unverändert bleibt, gleich welche Veränderungen in den Verhältnissen der Elemente eintreten mögen......Ebenso ist eine Zahl nur in dem Maße verständlich, wie sie mit sich selbst gleichbleibt, unabhängig von der Disposition der Einheiten, aus denen sie zusammengesetzt ist: das ist die sogenannte Invarianz des Zahlbegriffs."(Piaget, 1975, S. 15 f)
Durch seine Untersuchungen an Kindern, hat er gezeigt, daß die kontinuierlichen Quantitäten nicht von vornehinein als konstant betrachtet werden, sondern die Invarianz allmählich nach einem bestimmten intellektuellen Mechanismus herausgebildet wird. Er unterscheidet drei aufeinanderfolgende Stadien, wobei das letzte Stadium erst mit dem Alter von sechs bis sieben Jahren erreicht wird.
Mit diesem Alter kommen die Kinder in die Grundschule und man kann nicht voraussetzen, daß alle Kinder das Verständnis der Mengenkonstanz entwickelt haben. Wie aber soll
mathematisches Verständnis da sein, wenn die grundlegenden Voraussetzungen dafür fehlen![97]
3. Ein weiterer Störfaktor ist die "mangelnde Einsicht in das dekadische Positionssystem der Zahlendarstellung und in die Operationsdarstellung im Zahlenraum als besondere Bedingung der mangelhaften Beherrschung von Voraussetzungsoperationen."
(Grissemann, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, 1984, S. 173)
Es kommt hierbei auf die Einsicht in das dekadische Positionssystem an, auf den Wert, den eine Ziffer je nach Stellung einnimmt. Immer wieder gibt es Schüler die damit ihre Probleme haben. Für manche Kinder bilden die Zahlen 11 und 12 eine Barriere. Das kann an der Sprechweise liegen, denn wenn es mit drei-zehn, dem höheren Zehner weitergeht, geht es auch mit dem Zählen voran.
Kinder, denen es an der Einsicht in das Stellenwertsystem mangelt, haben möglicherweise nicht lange genug mit geeigneten Materialien hantieren dürfen. Das konkrete Handeln mit diesen Materialien ist hier unumgänglich, zum Beispiel mit Zählstreifen, Hunderterbrettern, Spielgeld, am besten zuerst mit dreidimensionalen Material wie den Mehrsystemblöcken des Zehnersystems oder dem goldenen Perlenmaterial von MONTESSORI.
Möglicherweise sind diese Materialien vorhanden, aber nicht lange genug zum Einsatz gekommen.
Wir befinden uns noch immer auf der Stufe der konkreten Operationen, auf der untersten schulischen Voraussetzung des mathematischen Denkens. Das bedeutet, daß Kinder mit
einer Schwäche im quantitativ-räumlichen Denken nicht früh genug beginnen können, diese Schwächen auszugleichen. [98]
Wenn wir Versäumnisse auch nicht rückgängig machen können, so müssen wir, "sobald wir Teilleistungsstörungen in diesem Bereich feststellen, dem Aufbau beeinträchtigter Funktionen unsere ganze Aufmerksamkeit schenken. Wo immer es die Zeit erlaubt und sich die Gelegenheit dazu ergibt, muß das Kind mit dreidimensionalen Material arbeiten dürfen. Die Grundlage für alles mathematische Denken ist, die visuelle, räumliche, zeitliche Wahrnehmung, das Sprachverständnis und die Erfahrung durch Tun, durch den Umgang mit Gegenständen." (Milz, 1994, S. 59)
4. Ähnlich verhält es sich mit der Beherrschung "der Operationen, die zum Aufbau der neuen
erforderlich sind." (Grissemann, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, 1984,
S. 173)
Wenn ein Kind nicht dazuzählen und nicht abziehen kann, wenn Mengen und Zahlen nicht zerlegt werden können, wenn es nicht weiß, wie man ergänzt oder umtauscht von einer Kategorie in eine andere, dann bestehen in einigen Bereichen vielleicht Drillmechanismen, Splitterfertigkeiten, aber es fehlt die grundlegende Einsicht dahinter. Diese Operationen stehen nicht als bewegliche Elemente zur Verfügung, sondern laufen ohne Verständnis ab und sind nicht übertragbar.
Häufig finden wir bei Rechenversagen als Hauptursache eine mangelhafte Beherrschung von elementaren Operationen aufgrund unterschiedlicher Lücken in den ersten Schuljahren. Krankheit, Wohnortwechsel, vorübergehende psychische Belastung (Todesfall), Schulschwänzen, ungenügende Lernkontrolle und Förderung, Papier-und Buchunterricht ohne Ableitung der Operationen aus dem Handeln, all das können Gründe sein, die den Erwerb der elementaren Rechenoperationen beeinträchtigen.
Schließlich stellen sich Schwierigkeiten ein, die vom Lehrer und den Eltern und auch vom Kind selber voller Resignation als Lernschwäche gedeutet werden.
Diese mißerfolgängstlichen Schüler verschlechtern sehr oft unter Zeitdruck ihre Leistungen. Dabei wäre es ohne weiteres möglich, einem Schüler zeitweise eine Sonderregelung einzuräumen. Man kann ihm entweder mehr Zeit geben, oder er bekommt von jeder Aufgabenart weniger, damit in Ruhe gearbeitet werden kann und der Zeitdruck wegfällt. Vor allem aber sollte auch der Leistungsvergleich vermieden werden. Auf jeden Fall ist es möglich, mit dem nötigen Verständnis, einen Weg zu finden der dem Kind hilft und auch seinen Schwierigkeiten angepaßt ist.[99]
Folgende Aspekte haben auch noch eine wesentliche Bedeutung für den Aufbau der arithmetischen Grundoperationen. Der Handlungsvollzug mit konkreten Materialien bedarf einmal der Fähigkeit zur motorischen Ausführung. Darüber hinaus muß ein Kind zu einer
visuellen Vorwegnahme der Teilschritte in der Lage sein, damit es die Handlungen durchführen kann. Schließlich muß sich das Kind an die bereits vollzogenen Teilschritte des Handlungsablaufes visuell erinnern können. Auch nachdem die manipulierten Gegenstände aus der Hand gelegt wurden, soll der Schüler auf seine Handlungen zurückblicken, sie in seine visuelle Vorstellung zurückholen können.[100]
Schwierigkeiten treten in dieser Phase durch eine Störung in der Rechts-Links-Unterscheidung und eine dadurch bedingte Beeinträchtigung der Erinnerungsbilder von raum-zeitlichen Prozessen auf. Häufig beruhen diese auf frühkindlichen Störungen des motorischen oder taktil-kinästhetischen Bereichs.
Unter taktil-kinästhetischer Wahrnehmung versteht man "das Wahrnehmen mit dem Tastsinn und Registrieren von Bewegungen in Verbindung mit der Entwicklung des Körperschemas und der Orientierung im Raum." (Lorenz, 1992, S. 87)
Handlungen ohne taktil-kinästhetische Wahrnehmung erscheinen nicht möglich, aber eben gerade diese Handlungen stellen die Grundlage für vorgestellte Operationen dar.
Kinder mit solchen Störungen fallen bei Schuleintritt oft durch Schwierigkeiten in der Links-Rechts-Unterscheidung auf und haben dadurch auch Probleme im Mathematikunterricht. Die Ursache dürfte eine Störung der Körperkoordination und des Körperschemas sein, die eine Entwicklung der Raumvorstellungsfähigkeit und des Operierens mit visuell-vorgestellten Bildern behindert. Wenn einfache Raumzuordnungen am eigenen Körper nicht funktionieren, dann ist es unmöglich, sie in erweiterten Dimensionen zu beherrschen. Diese Erfahrungen werden aber hauptsächlich durch taktil-kinästhetische Eindrücke gemacht. Diese Fähigkeit zur Raumvorstellung wird den Kindern in dieser Phase insofern abverlangt, weil sie sich an die durchgeführten Handlungen als raum-zeitlichen Prozeß erinnern und zurückblicken müssen. Das ist ohne eine Strukturierung des vorgestellten Raumes und des zeitlichen Ablaufs nicht möglich.[101]
Eine mangelnde Figur-Grund-Diskrimination erschwert es, einzelne, für die Handlung notwendige Materialien von ähnlichen auszusondern (das rote, dicke Quadrat aus den Geomatplättchen). Eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungskonstanz verhindert ähnliche Figuren voneinander zu unterscheiden (Quadrate von Rechtecken).
Nicht zu unterschätzen sind die Anforderungen der sprachlichen Kompetenz, die sich in feinen Unterschieden des arithmetischen Unterrichts zeigen. Dort werden Beziehungen (nah-fern, kurz-lang), vergleichende und räumlich-zeitliche Bestimmungen (auf, über, an, bei, in vorher, nachher, um, vor, zwischen, etc.) gefördert und ein-oder ausschließende Beziehungen (alle, manche, keiner, alle außer, weder...noch). Sprachverständnisstörungen führen zu einer falschen Ausführung einer Handlung und damit auch die Ausbildung falscher innerer Bilder.[102]
Abschießend kann festgestellt werden, daß in der Phase des konkreten Handelns besonders auf Störungen der visuellen Wahrnehmung und des Sprachverständnisses zu
achten ist.

4.3 Die Phase 2: Die bildhafte Darstellung


Neben den handelnden Umgang mit Materialien, dieser wird jedoch allmählich verdrängt, kommt nun die bildhafte Darstellung hinzu. Hier gewinnt vor allem das Schulbuch als didaktisches Mittel zusehends an Bedeutung. Die Operationen werden nicht mehr selbsttätig ausgeführt, sondern an deren Stelle tritt eine zeichnerische Abbildung der Mengen mit der dazugehörigen Andeutung der jeweils verlangten Operation durch graphische Zeichen (Pfeile, Durchstreichungen).
Beispiele:

Abbildung 9: Bildhafte Darstellung von Operationen)

Angenommen wird dabei, daß die Verminderung der wirklichen, drei-dimensionalen Gegenstände auf zweidimensionale repräsentierte einen weiteren Schritt in Richtung Verinnerlichung bewirkt. Die Darbietung des Sachverhalts und die angedeutete Operation muß sich der Schüler nun vorstellen, muß sie in ein inneres Bild der Handlung übersetzen.
Wesentlich ist auch, daß in dieser Phase neben der zwei-dimensionalen-bildhaften Darstellung eine dazugehörige ziffernmäßige tritt. Die Mengen des Bildes sind durch Zahlen zu charakterisieren, die Operationen werden durch entsprechende Symbole angegeben.[103]
Beispiel:

Abbildung 10: Beispiel aus einem Mathematikbuch


Die bildhafte Darstellung der mathematischen Operationen und die dazugehörende ziffernmäßige Begleitung verlangt von den Kindern neben der motorischen Ausführung des Schreibens, sich trotz der statischen Darstellung der Bilder und der graphischen Zeichen den Operationsaufbau visuell vorzustellen. Die Kinder müssen sich, mit einem "visuo-motorischen
Gedächtnis" an den Vorgang erinnern, der mit der Operation verknüpft war. Zudem müssen die Kinder, die in verschiedenen Zeichnungen und Bildern dargestellten arithmetischen Operationen, als ein visuelles Schema für ähnliche Darstellungern verfügbar haben.
Vor dem inneren Auge des Kindes muß nun zum Beispiel beim Sehen des Plus-oder Minuszeichens der Vorgang des Hinzufügens oder des Wegnehmens ablaufen.
Es wird in dieser methodischen Phase versucht, die konkrete anhaftende Anschauung als Mittel der Aufgabenlösung zu überschreiten. Die dafür notwendige Transformation der statischen optischen Bilder in eine visuelle Vorstellung "bedarf der Ausbildung visueller Schemata." (Lorenz, 1992, S. 96)
Dabei kommt noch eine weitere Anforderung hinzu: Die Ziffern als Symbole für die Zahlen. Dies stellt für den Schüler eine neue Schwierigkeit dar, denn die Ziffern sind willkürlich und undurchschaubar, es liegen ihnen keine vom Schüler erkennbare Logik zugrunde. Die Symbole müssen als Konventionen gelernt werden.
Die Grammatik, der die Zeichen unterliegen, ergibt sich aber nicht aus den Handlungen oder der visuellen Anordnung der Gegenstände, sie ist von diesen abgehoben. Dies zeigt sich an Beispielen von Grundschulbüchern (Abbildung 11), in denen

Abbildung 11: Bild aus einem Schulbuch. Weshalb gilt hier nicht entsprechend der ikonischen Darstellung auch für die symbolische Schreibweise: 4 + 3 = 43?

viele Kinder den Fehler des Ziffernzusammenziehens (5 + 3 = 53) nur dadurch entgehen, da sie das Zeichen 53 nicht kennen und somit auch nicht verwenden. Aber bereits in der 2. Klasse kann man auf Fehler dieser Art treffen.[104]

4.3.1 Mögliche Störbereiche


Mögliche Störungen können bereits bei der Analyse der bildlichen Darstellung auftreten. Der Schüler muß, will er den Zeichnungen einen Sinn entnehmen, auch hier über die Fähigkeit der Figur-Grund-Wahrnehmung verfügen (Abbildung 12). Er muß versteckte, eingebettete Figuren und Gegenstände erkennen und auch isolieren können. Diese Fähigkeit ist notwendig, bevor der Schüler ungeordneten Mengen von Zahlen und bildlichen Darstellungen eine Struktur aufprägen kann. Sie müssen sich auf einen Teil des Gesamtbildes konzentrieren, müssen es isoliert betrachten.
Beispiel:

Abbildung 12: Bild aus einem Mathematikbuch


Eine weitere mögliche Störung liegt im Bereich der Wahrnehmungskonstanz. Durch die zunehmende ikonische Darstellung (Abbildung 13), wird von den Kindern verlangt, daß sie
Rechtecke von Parallelogrammen und Quadraten, Kreise von Ellipsen unterscheiden, auch wenn sie in verschiedenen Lagen zueinander stehen.
Beispiele:

Abbildung 13: Bild aus einem Schulbuch

Die Arbeitsanweisung, wie auch die Tätigkeit selbst ist vornehmlich visueller Art, indem ähnliche Figuren zusammengefaßt, unterschiedliche hingegen abgetrennt und ausgesondert werden. Hier entfällt die Hilfe durch Erfahrungen taktil-kinästhetische Art, so daß die Kinder bei Störungen dieser Fähigkeit solche Aufgaben nicht bearbeiten können.[105]
In dieser Phase kommt als Anforderung noch das zwei-dimensionale Sehen hinzu. Diese Fähigkeit ist für das Interpretieren flächig dargestellter Figuren und Sachverhalte notwendig.
Das zwei-dimensionale Sehen bzw. das Interpretieren zwei-dimensional dargestellter Figuren enthält gesonderte Probleme.
"Die Fähigkeit, zweidimensionale, auf Papier dargestellte Symbole und Bilder richtig zu erkennen, entwickelt sich bei Kindern, nachdem sie gelernt haben, dreidimensionale Gegenstände und ihre Beziehungen zueinander wahrzunehmen."
(Lorenz, 1992, S 101, "zit. nach Reinhartz/Reinhartz, 1974, S. 16")
Diese Erkenntnisleistung ist keineswegs selbstverständlich, sondern unterliegt ausgebildeten Vereinbarungen, die im Mathematikunterricht erst gelernt werden müssen. Kinder erkennen zwar die Darstellung eines Würfels, würden ihn aber selbst nicht so zeichnen. Für andere Figuren gibt es nicht immer eine strenge Übereinkunft, wie sie zu interpretieren, zu sehen sind.[106]
Ein weiterer Störbereich kann im Bereich der Intermodalität liegen. Unter intermodaler
Wahrnehmung "wird die Verknüpfung von Empfindungen verschiedener Sinneskanäle zu
einer neuen, umfassenderen Empfindung verstanden." (Lorenz, 1992, S. 109)
Erst durch die Koordination verschiedener Eindrücke entstehen wirklichkeitsnahe Wahrnehmungen, die eine Basis für Begriffe bilden. Informationen werden in den seltensten Fällen einkanalig, etwa nur auditiv oder visuell aufgenommen, sondern der sprachliche Begriff und das visuelle Bild werden gleichzeitig abgespeichert. Eine Störung in diesem Bereich verhindert die Übersetzung von einer Sinnesmodalität in eine andere. Auch mathematische Aufgabenstellungen erfordern eine Intermodalität, eine Übersetzung sprachlicher Begriffe in visuelle Bilder oder von bildlichen Vorstellungen in verbale, zum Beispiel arithmetische Formen. Die Bewirkung eines vorstellungsmäßigen Bildes durch eine sprachliche Äußerung ist bei der Bearbeitung mathematischer Probleme nicht nur hilfreich, sondern sehr oft auch notwendig, und dies nicht nur bei Text-und Sachaufgaben, sondern auch beim schlichten Lösen arithmetischer Operationen.[107]
Auf dieser Stufe geht es im wesentlichen um die Darstellung der konkret vollzogenen Handlung in Form einer zeichnerischen Abbildung und um die bildliche Darstellung im Zusammenhang mit graphischen Zeichen und Symbolen. Alles das, was auf der ersten Stufe des Verinnerlichungsprozesses mathematischer Operationen konkret stattfand, muß nun vorgestellt werden. Wo dieser Transfer nicht gelingt oder wo schon im konkreten Handeln Beeinträchtigungen vorlagen, gibt es jetzt Schwierigkeiten. Hauptursache könnte eine beeinträchtigte visuelle Wahrnehmungsverarbeitung sein. Denn, was nicht richtig verarbeitet wurde, kann auch nicht richtig gespeichert werden. Es gibt immer wieder Kinder, die in diesem Bereich Schwierigkeiten haben, die nicht auf Anhieb wissen, was sie mit Symbolen für plus oder minus anfangen sollen. Diese Schwäche wirkt sich auch auf die nächste Stufe aus.[108]

4.4 Die Phase 3: Symbolische Darstellung


Wurde zuvor den Mengenbildern die Zahleigenschaft in Form von Ziffern zugeordnet und die konkrete Handlung durch ein Symbol (+ ; -) angedeutet, so wird das konkrete nun gänzlich abgestreift, und es wird nur noch die mathematische Struktur einer Handlung beachtet. Die Ziffern und ihre Verbindung in Gleichungen werden zur strukturellen, logischen Bedeutungsträgern.[109] "Übrig bleiben soll eine logisch-unanschauliche Struktur im Denken, die ihre Kraft dadurch erfährt, daß sie "leichtläufig, beweglich und leicht übertragbar" sei."
(Lorenz, 1992, S. 112, "zit. nach Grissemann/Weber, 1982, S. 43)
Die Betonung der ziffernmäßigen Darstellung und das Zurücktreten der visuellen Bedeutung heißt nun keineswegs, daß die kindliche Anschauung ausgeschaltet wird, vielmehr findet eine Verschiebung des Schwergewichtes statt. Der Schüler ist immer noch angehalten, visuelle Vorstellungen der Operationen an anschaulichen Handlungen zu bilden. Dieses konkrete Handeln soll allerdings nur noch begleitend erfolgen.[110]

4.4.1 Mögliche Störbereiche


Dem Kind gelingt die operative Abstraktion nicht, es bleibt in seiner Vorstellung immer noch an der konkreten Manipulation von Gegenständen und Dingen hängen. Diese Schwäche zeigt sich im Unterricht dann, wenn das Kind auch am Ende des ersten Schuljahres noch Gegenstände zum Ausführen der Handlungen benötigt, oder es offen oder verdeckt mit den Fingern rechnet. Der Schüler ist nicht in der Lage, die dafür notwendigen visuellen Bilder zu entwickeln.[111]
Weiters gibt es individuelle Unterschiede beim Bestimmen räumlicher Beziehungen und beim Operieren mit ihnen. Diese Schwierigkeiten können auch mit den Besonderheiten des bildlichen Gedächtnisses zusammenhängen. Schüler die im Unterricht erfolgreich räumliche Relationen erfassen, haben meist keine Probleme, räumliche Bilder zu entwickeln und sie vor allem auch im Gedächtnis zu behalten. Sie "sehen" dieses Vorstellungsbild und können damit in Gedanken operieren, ohne auf Gegenstände zurückzugreifen zu müssen. Sie können die geschaffenen Bilder festhalten und umformen.
Diejenigen Schüler, die jedoch große Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer Vorstellung haben, müssen auf die anschaulichen Handlungen zurückgreifen, die ihnen helfen, die entstandene Vorstellung zu fixieren und sie im Gedächtnis wiederzubeleben.[112]
Die Ursachen dieser Verständnisprobleme können darin liegen, daß der Unterbau der Basisfähigkeiten (Zählen, Mächtigkeitsbestimmungen) nicht fest genug gegründet war. Somit ist keine Sicherheit vorhanden. Es kann aber auch eine allgemeine Schwäche zu abstrahieren vorliegen. Das Kind bleibt dem Konkreten verhaftet und braucht weiterhin den Umgang mit wirklichen Gegenständen, und seien es die Finger. Und schließlich kann auch hier, die mangelnde Einsicht in das dekadische Positionssystem der Zahlendarstellung (vgl. S. 53/3.)den Denkprozeß behindern.[113]

4.5 Die Phase 4: Automatisierung


Als letzter Schritt wird die Automatisierung im Zeichenbereich angestrebt, die allgemein durch die Unterrichtsphase der Übung realisiert wird. Dies scheint notwendig, um eine Entlastung des kindlichen Kurzzeit-Gedächtnisses zu erreichen. Die späteren, komplexen Aufgaben verlangen eine solche Automatisierung der einzelnen Teilschritte, aus denen sie aufgebaut sind. Es werden beispielsweise der Zahlenraum bis 20 für die Addition und Subtraktion automatisiert, genau so wie das Kleine 1 . 1. Es handelt sich hier um ein festverankertes Wissen, das neben der geforderten Geschwindigkeit auch fehlerfrei ablaufen soll. Denn bei Aufgaben in einem größeren Zahlenraum (1000) können die Rechnungen nicht mehr auf anschauliche Repräsentanten, auf Teilschritte oder Zahlenzerlegungen zurückgeführt werden, weil der Schüler sonst bei der Gesamtberechnung überlastet ist. Solche Schüler scheitern sehr oft bei Aufgaben an der zur Verfügung stehenden Zeit und begehen mehr Fehler. Die Lösung der Aufgabe 8 + 7 oder 6 . 4 sollte "gespeichert" sein und nicht erst berechnet werden müssen.
Aber mit diesem Automatisieren ist keineswegs ein mechanisches Einschleifen gemeint, das ohne Sinnbezug herstellbar ist. Gemeint ist hier, daß die nun automatisierten Handlungen bzw. kognitiven Operationen auf frühere, durchschaubare Zusammenhänge bedeutungsvoll übertragen werden können, auf die in Problemsituationen zurückgegriffen werden kann. Ansonsten gelingt keine Anwendung.[114]
Das Vorhandensein dieser Fähigkeiten bewirkt beim Erwachsenen, der das Kleine 1 . 1 beherrscht, daß es ihm unwahrscheinlich ist, auch nur Teile davon zu vergessen. Treten solche Störungen auf, ist es unmöglich komplexere Formen arithmetischer Aufgaben zu lösen.
Im Grundschulbereich kann man immer wieder auf Kinder treffen, die Aufgaben "bildlos", ohne Anschauungsbeziehung erfolgreich lösen, in dem sie mit Hilfe von Kompensationsstrategien (Auswendiglernen) ihren Mitschülern durchaus ebenbürtig sind. Doch fallen in der Regel, spätestens in der 3. Schulstufe (Zahlenraum 1000), Schüler mit Rechenstörungen gerade wegen ihrer geringen Beherrschung der automatisierten Algorithmen und des Faktenwissens gegenüber Mitschülern ab. Sie müssen jeden einzelnen Zahlensatz isoliert auswendig lernen und können nicht auf räumlich vorgestellte Strukturen als Orientierungshilfe zurückgreifen.[115]
Auch bei den schriftlichen Rechenverfahren werden solche Automatismen verlangt. Diese beziehen sich auf Algorithmen, die es möglich machen auch langwierige Operationen durchzuführen, deren Lösung nicht auswendig gewußt wird und die auch nicht im "Arbeitsspeicher" ausgeführt werden können. Es handelt sich hier um die Ausführung einer Ausführungssequenz, die sich auf den Zeichenbereich bezieht und nicht mehr notwendig mit einer entsprechenden Handlung, einer Manipulation konkreter oder vorgestellter Objekte gekoppelt ist.
Verlangt wird hier die Fähigkeit visuelle Eindrücke in ihrer seriellen Abfolge zu analysieren und abzuspeichern, denn die Reihenfolge ist nicht umkehrbar oder austauschbar. Ferner wird eine ungestörte Raumorientierung verlangt, da sonst aufgrund eines verdrehten Vorstellungsbildes die Operation in umgekehrter und somit falscher Reihenfolge ausgeführt wird.[116]

4.5.1 Mögliche Störbereiche


Mögliche Störbereiche innerhalb dieser Phase können auftreten durch einen Mangel der Assoziationsfähigkeit, des Langzeitgedächtnisses, des auditiven Kurzzeit-Gedächtnisses und der kognitiven Stützfunktionen wie Ausdauer, Konzentration.
In dieser Phase wird das Kind durch Defizite in seinen Stützfunktionen beeinträchtigt, falls eine Festigung, also der Übergang in das Langzeitgedächtnis nicht gelingt. Bei schwerwiegenden Störungen des Gedächtnisses, die meist einen neurogenen Ursprung haben, ist die Prognose für das Lernen insgesamt, nicht nur für den arithmetischen Bereich, ungünstig. Das kindliche Wissen kann nur sehr schwer erweitert werden, Sachverhalte und Zusammenhänge müssen jeweils neu abgeleitet werden.
Im Unterricht fallen diese Kinder sehr oft dadurch auf, daß sie am Ende der ersten Klasse den Zahlenraum bis 10 noch nicht automatisiert haben, Zehnerergänzungen jeweils neu berechnen und komplementäre Zahlen (1-9, 2-8, 3-7) nicht kennen. Der Zehnerübergang als erste Hürde, die die Automatisierung der Zahlzerlegung im 10-er Raum verlangt, bereitet ihnen Schwierigkeiten. Im zweiten Schuljahr versagen sie beim 1 . 1 oder produzieren Assoziationsfehler (4 . 4 = 14). Sie müssen bei Zahlenraumerweiterung die basalen Rechnungen (30 + 40, 300 + 400) langwierig durchführen, da sie die Analogien nicht verstanden haben. Außerdem scheitern sie an der Rechnung im Zehnerbereich (3 + 4 ).[117]
Ein weiterer Bereich von Rechenstörungen sei hier noch erwähnt. Es handelt sich um Teilleistungsschwächen im Erkennen der Raumlage (vgl. 3.1.4) und der Raumbeziehungen. Störungen der Raumlage sind auch im Bereich des Deutschunterrichts bekannt. Es handelt sich hier um Lese-Rechtschreibschwächen. Sie sind charakterisiert durch Verdrehungen und Vertauschungen wie zum Beispiel bei 6 und 9, 3 und E, b und d, g und b.
Störungen der Raumbeziehungen zeigen sich im Rechnen vor allem beim Zahlenlesen und Schreiben zweistelliger Zahlen. Hinzu kommt noch die der Schreibrichtung entgegengesetzte Sprechweise. Wir sprechen die Zahl 42 von rechts nach links, wir schreiben sie aber von links nach rechts. Die Lage im Raum und die Beziehung zu benachbarten Zahlen ist auch bedeutsam beim Schreiben mehrstelliger Zahlen, beim schriftlichen Addieren und Subtrahieren, wie überhaupt beim schriftlichen Rechnen. Zeichen wie größer > und kleiner <, mal x und geteilt :, wie vereint und geschnitten und Fließdiagramme, können Kinder mit Teilleistungsschwächen im Bereich der Raumwahrnehmung erheblich verwirren. Aber auch so einfache Dinge, wie das Abschreiben von der Tafel oder einem Buch, kann den Kindern schwerfallen. Sie verlieren die Stelle und haben Schwierigkeiten sie wiederzufinden. Daran können auch graphomotorische Probleme oder Beeinträchtigungen des visuellen Apparates schuld sein.[118]
Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, daß einige Autoren (Lorenz/Radatz, 1993; Lorenz, 1992) die Nebenphase des Sachrechnens behandeln. Das Sachrechnen kann hier insofern angeführt werden, da es sich um die Anwendung der gelernten Begriffe handelt und parallel zu jeder der angeführten Phase verläuft. Die kognitiven Anforderungen sind andere (vgl.3.3). Zum einen muß der Schüler über eine genügende Leseleistung verfügen, da ansonsten die Sinnentnahme nicht möglich ist, zum anderen wird die Übersetzung sprachlicher Beschreibungen in Vorstellungsbilder verlangt. Außerdem stellen Textaufgaben insofern eine Schwierigkeit dar, da im Gegensatz zu schlichten Rechenaufgaben die Entscheidung über die auszuführende Operation verlangt wird.

4.6 Zusammenfassung


Nicht alle Rechenschwächen gleichen sich. Der Lehrer sollte die Fähigkeiten, aber auch die Art der Störung seiner Schüler kennen um gezielte Maßnahmen ergreifen zu können. Dazu können Leistungstests, die Auskunft über die Rechen-wie auch Denkfähigkeit geben, verwendet werden werden, aber auch, eine genaue Beobachtung der Schüler und ihrer Denkprozesse ist not wendig um sich ein Bild von der Art der Rechenschwäche zu machen.
Folgende Defekte mit unterschiedlichen Schweregrad können vorkommen:[119]
1. Die Unfähigkeit, eine Eins-zu-Eins Entsprechung zu erfassen, zum Beispiel kann nicht angegeben werden, wieviele Gabeln man für ein Essen von vier Personen aufdecken muß.
2. Die Unfähigkeit, sinnvoll zu zählen. Obwohl Zahlen nach der Reihe mechanisch aufgesagt werden können, besteht kein Zusammenhang zwischen dem Symbol und der Menge.
3. Die Unfähigkeit, die auditiven und die visuellen Symbole zu assoziieren. Es besteht die Fähigkeit, mündlich zu zählen, aber die Zahlen können visuell nicht identifiziert werden.
4. Die Unfähigkeit, das System der Kardinal-und Ordinalzahlen zu erfassen.
5. Die Unfähigkeit, sich eine Gruppe von Dingen aus einer Anhäufung von Gegenständen bildlich vorzustellen. Jeder einzelne Gegenstand muß für sich gezählt werden.
6. Die Unfähigkeit, sich das Prinzip der Erhaltung einer quantitativen Größe vorzustellen. Manche Kinder können nicht verstehen, daß es immer ein Schilling ist, ob er nun aus zwei Fünfziggroschenstücken, zehn Zehngroschenstücken besteht. oder das ein halbes Kilo Butter dasselbe ist wie zwei viertel Kilo Butter.
7. Die Unfähigkeit, arithmetische Aufgaben zu lösen.
8. Die Unfähigkeit, die mathematischen Zeichen zu verstehen. Häufig ist dies auf eine Wahrnehmungsschwäche zurückzuführen (Unfähigkeit, zwischen Additions- und Multiplikationszeichen zu unterscheiden). Gravierender ist das Versagen, die Bedeutung der Zeichen zu verstehen.
9. Die Unfähigkeit, die Anordnung der Zahlen auf einer Seite zu erfassen. Kinder, die lesen lernen, müssen begreifen, daß die Reihenfolge der Buchstaben innerhalb eines Wortes von Bedeutung ist. Diejenigen, die Rechnen lernen, müssen wissen, daß auch die bestimmte Anordnung von Zahlen einen Sinn hat. Bei visuell-räumlichen Auffassungsstörungen ist häufig auch die Rechenfähigkeit beeinträchtigt.
10. Die Unfähigkeit, eine Reihenfolge von Schritten für die Lösung verschiedener Aufgaben einzuhalten und zu behalten.
11. Die Unfähigkeit , die Grundregeln des Messens zu verstehen.
12. Die Unfähigkeit, Karten und graphische Darstellungen zu lesen.
13. Die Unfähigkeit, die Methoden und Regeln zur Lösung bestimmter Aufgaben auszuwählen. Das Kind mit einer Rechenstörung kann die Wörter lesen und die Aufgabe lösen, wenn man ihm das Prinzip erklärt, addieren, subtrahieren, multiplizieren usw., aber ohne Hilfe kann es nicht entscheiden, welche Rechenart es anzuwenden hat.
Mit den Beeinträchtigungen auf den vier Stufen im Verinnerlichungsprozeß mathematischer Operationen und den aufgelisteten Schwächen von JOHSON/MYKLEBUST sind noch längst nicht alle Störmöglichkeiten erfaßt. Es sollte aber auf die grundlegenden Faktoren zum Aufbau von Rechenfertigkeiten hingewiesen werden, damit die Kenntnis dieser stufenweisen Entwicklung dazu beitragen kann, auf Teilleistungsschwächen aufmerksam zu werden, und rechschwachen Kindern sinnvoll zu helfen. Die hier aufgeführten Störmöglichkeiten im Aufbau des mathematischen Denkens mögen in vielen Fällen genügen, um Anregungen für geeignete Fördermöglichkeiten zu geben. Andernfalls ist eine gründliche diagnostische Abklärung auf Teilleistungsschwächen notwendig.

5 Diagnose von Rechenstörungen


Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Möglichkeiten der Diagnose von Rechenstörungen in der täglichen Unterrichtsarbeit. Eine psychologische Diagnostik mit Hilfe psychometrischer Tests ist für die tägliche Unterrichtsarbeit unrealistisch und meiner Meinung auch nicht Aufgabe des Volksschullehrers. Die Eingrenzung der Ausprägungen einer Teilleistungsschwäche im mathematischen Denken muß in der Regel von außerschulischen Einrichtungen geleistet werden.
Für die tägliche Arbeit mit Kindern ist es von fundamentaler Bedeutung, "im Detail mathematische Kenntnisse der Kinder zu erfassen."
(Nolte, In: Mathematische Unterrichtspraxis Heft 4, S. 21)
Die Lernausgangslage, die Schwächen eines Kindes werden zuerst von der Lehrerin im Mathematikunterricht festgestellt. Viele Vermutungen über die Verursachung der Rechenschwäche eines Schülers werden während des Lehr-Lern-Prozesses gebildet und machen erst dann den gezielten Einsatz diagnostischer Verfahren notwendig.
Das rechtzeitige Erkennen von Rechenschwierigkeiten ist also Aufgabe der Grundschullehrer, weil auch die Eltern die durchaus erkennbaren Hinweise nicht zu deuten mögen, oder sie als Eigenheiten der Kinder interpretieren.

5.1 Möglichkeiten einer informellen Diagnose kognitiver Schwächen und Fähigkeiten


Für Kinder mit Lernschwierigkeiten sollte der Mathematikunterricht nicht begrenzt werden auf das Einüben elementarer Fertigkeiten beim Rechnen. "Bevor man einem Kind in der Klasse mehr Übungsaufgaben "verschreibt" oder mit ihm in Förderstunden den Schulstoff wiederholt, muß die Art der Schwierigkeiten erfaßt werden."
(Schmassmann, In: Grundschule, Heft 6, 1993, S. 33)
Ausgehend von einer Analyse des jeweiligen Rechenversagens, wozu neben der Analyse der Fehler und eine Überprüfung der Lernausgangslage für die jeweilige Klasse auch eine Verhaltensbeobachtung gehört, sollte auch die Lebensgeschichte des Kindes erfragt werden. Sie kann Hinweise auf die körperliche, kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes geben.

5.1.1 Fehleranalyse


Schülerfehlern im Mathematikunterricht liegt sehr oft eine Strategie oder Regelhaftigkeit zugrunde, die nachvollziehbar und auch für den Schüler selbst sinnvoll sind (vgl.2.5). Schülerfehler sind die Bilder individueller Schwierigkeiten; sie zeigen, daß der Schüler bestimmte mathematische Begriffe nicht verstanden hat. Für den Lehrer stellt die Fehleranalyse eine hilfreiche Methode dar, Lernschwierigkeiten zu erkennen und Hinweise auf Hilfsmaßnahmen zu gewinnen.
Beispielsweise möchte ich hier Fehlstrategien beim nichtschriftlichen Subtrahieren anführen. Die Fehler können sehr vielfältig sein, daher werde ich einige häufig beobachtbare Fehllösungen beschreiben.[120]
Nur selten sind nämlich falsche Aufgabenlösungen zufällige Flüchtigkeitsfehler. Vielmehr zeigen sie, daß ein Kind Begriffe und Zusammenhänge mißverstanden und Fehlstrategien
entwickelt hat.[121]
Addition Subtraktion
82 + 7 = 88 96 - 8 = 89

Verrechnen um 1 durch falsches Zählen

82 + 7 / 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88 96 - 8 = 96, 95, 94, 93, 92, 91, 90, 98
62 + 6 = 32 87 - 5 = 73
falsche Leserichtung von Zahlen, gerechnet wurde:

26 + 6 78 - 5
54 + 8= 58 52 - 7 = 55
gerechnet: gerechnet:
54 + 6 = 60, 60 - 2 = 58 52 - 2 = 50; 50 + 5 = 55
68 + 13 = 55 85 - 14 = 99
Addition statt Subtraktion bzw. umgekehrt, auch bei Teiloperationen


27 = 13 + 40
Unzureichendes Verständnis von Gleichungen


78 + 8 =88 80 - 21 = 60
Perseverationsfehler: Dominierende Ziffern Fehlerhafte Subtraktion von Zehner-
wirken nach Einer - Zahlen
76 + 8 = 74 92 - 28 = 76
Die Zehnerüberschreitung wird Es wird nicht die Differenz zwischen den
nicht berücksichtigt. Zahlen bestimmt, sondern zwischen den
Ziffern gleichen Stellenwerts.
Sehr oft ist aber die Fehlstrategie nicht erkennbar. Hier kann "lautes Denken" bei der Aufgabenlösung durch den Schüler sehr hilfreich sein.
Vor allem auch die Beobachtung des Schülers während der Bearbeitung einer mathematischen Aufgabe im Unterricht ist für viele Lehrer ein alltägliches Verfahren um bestimmte Fehltechniken oder fehlerhafte Zwischenlösungen des schriftlich fixierten Lösungsweges zu erkennen und daraufhin dem einzelnen Schüler direkt helfen zu können.
Alle diese Verfahren sind ohne großen Aufwand für den Lehrer durchzuführen und liefern wichtige Hinweise, damit Rechenschwächen erkannt und folglich auch gezielte Fördermaßnahmen getroffen werden können. Bei schwerwiegenden Störungen ist es unbedingt erforderlich genauere Untersuchungen durchzuführen, im Sinne einer Diagnose auf Teilleistungsstörungen. Hier sollte der Lehrer den Mut haben, gegebenenfalls auch außerschulische Hilfe in Betracht zu ziehen. [122]

5.1.2 Überprüfung der Lernausgangslage


Die Lernausgangslage eines Kindes zu überprüfen bedeutet "festzustellen, welche Kenntnisse, Lerninhalte bei ihm als gesichert gelten können, wo es noch im Aneignungsprozeß ist und welche Defizite vorliegen." (Milz, 1994, S. 103)
Zu wissen, was wir als gelernt voraussetzen können ermöglicht es uns, solche Aufgaben anzubieten, die das Kind beim augenblicklichen Stand seines Lernprozesses auch bewältigen kann. Es können hier zumindest bei einigen Kindern sekundäre Lernstörungen aufgrund von Mißerfolgserlebnissen vermieden werden. Die Überprüfung ist nicht als Test gedacht, sondern soll helfen im Sinne einer Förderdiagnostik den verschiedenen Stufen des mathematischen Lernens, besonders auch zu Beginn des Mathematikunterrichts, Beachtung zu schenken.
Die Überprüfung der Lernausgangslage gibt zunächst nur Rückschlüsse auf Defizite in der Aneignung oder der Anwendung mathematischer Inhalte. Neben dem richtigen bzw. falschen Ergebnis ist der Weg, den das Kind wählt, um eine Lösung zu bekommen, ein wichtiges Kriterium der Beobachtung. Ähnlich der Fehleranalyse kann auch hier der Rechenweg durch lautes Sprechen begleitet werden. Es läßt einerseits Schlüsse über falsch gelernte Rechenstrategien zu, andererseits kann es Aufschluß darüber geben, ob allgemeine Schwierigkeiten (Sprachverständnis, Konzentration, Arbeitshaltung) den Rechenvorgang beeinträchtigen. Denn neben Ursachen, die ihren Ursprung in Versäumnissen des Unterrichts haben, können auch andere Gründe, die im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden, zum Tragen kommen, wie soziokulturell-familiäre, sprachliche oder neurotisch-psychogene.[123]
Einige mögliche Bereiche, die Lernausgangslage zu überprüfen:
1. Schuljahr - Zahlenraum 20[124]
1. Erkennen von Eigenschaften von Elementen
Material: logische Blöcke (verschiedenfarbig, verschieden große Dreiecke, Quadrate, Rechtecke, Kreise)
Ziel 1: Das Kind versteht Eigenschaftswörter und kann sie auch richtig anwenden.
Beispiel: "Halte etwas Rotes hoch!"
"Zeige etwas Spitzes!"
Ziel 2: Das Kind kann die Elemente nach Eigenschaften sortieren
Beispiel: "Lege alle roten Figuren auf den Tisch!"
"Bringe mir alle blauen und großen Teile!"
Ziel 3: Das Kind kann die Eigenschaftswörter auf Dinge in seiner Umwelt anwenden.
2. Eins-zu-Eins-Zuordnung
Material: Rechenplättchen, Würfel o. ä. in verschiedenen Farben und Größen
Ziel: Das Kind kann bei einer vorgegebenen, linear angeordneten Menge jedem dieser Elemente ein anderes Element zuordnen.
a) die zuzuordnenden Elemente sind gleich groß;
b) die zuzuordnenden Elemente sollen unterschiedlich groß sein;
Beispiel: LehrerIn legt eine Reihe von 8 Plättchen: "Lege gleichviel Plättchen daneben.
3. Invarianz
Material: wie oben
Ziel 1: Das Kind kann bei Mengen die Begriffe "gleich", "weniger", "mehr" anwenden
a) die Mengen sind ungeordnet
b) die Mengen sind geordnet
Folgende Fragen können gestellt werden:
"Wo sind jetzt mehr Steine? Wo sind es weniger? Oder sind es gleich viele?"
Eine Steigerung der Anforderung kann erreicht werden, wenn nur eine Menge sichtbar ist, oder wenn die Menge um 1 oder 2 Gegenstände verändert wird.
Ziel 2: Das Kind kann bei Mengen, trotz unterschiedlicher räumlicher Anordnung der Elemente, die Elemente als gleich erkennen.
Beispiel: Zwei gleich große Mengen werden linear gelegt. Durch Zusammenschieben oder Auseinanderlegen wird das Erscheinungsbild verändert. Es werden die selben Fragen gestellt wie bei der ersten Aufgabe.
4. Seriation
Material: Mengenkarten von 1 bis 10, eventuell bis 20 in gleicher Darstellungsform, zum Beispiel als Punktmenge, Papier in gleicher Größe wie die Mengenkarten, Stift.
Ziel: Das Kind kann in einer Folge fehlende Mengendarstellungen finden und ergänzen.
Beispiel: LehrerIn legt die Mengenbilder 1, 3, 4, 6, 7, 8, 10 nebeneinander aus. Das Kind erkennt, daß die Mengen 2, 5, 9 fehlen, malt sie auf und legt sie an die richtige Stelle.
5. Teilmengen
Material: Steine, Murmeln, o. ä., 2 gleich große Teller, Tabletts
Ziel 1: Das Kind kann die auf einem Teller liegende Teilmenge zu der auf dem anderen Teller vorgegebenen Gesamtmenge ergänzen.
Beispiel: Lehrerin legt auf ihren Teller 3 Murmeln, auf den des Kindes 1 Murmel.
Impuls: " Lege noch soviel Murmeln auf deinen Teller, daß wir beide gleichviel
haben."
Die gleiche Übung kann mit größeren Mengen im Zahlenraum bis 20, zuerst ohne Zehnerüberschreitung, dann mit Zehnerüberschreitung, durchgeführt werden.
Ziel 2: Das Kind kann die auf einem Teller liegende Gesamtmenge auf die, auf den anderen Teller liegende Restmenge vermindern.
Beispiel: Lehrerin legt auf ihren Teller 2 Murmeln, auf die des Kindes 4. Impuls: "Nimm so viele Murmeln von deinem Teller weg, daß wir beide gleichviel haben."
Auch hier kann der gleiche Vorgang mit größeren Mengen, mit Zehnerüberschreitung, ohne Zehnerüberschreitung, durchgeführt werden.
6. Zählen
Material: Steine, Holzwürfel, o. ä.
Ziel 1: Das Kind kann die Anzahl einer Elementenmenge bestimmen durch Zählen (richtige Zuordnung von Antippen, Element und Begriff).
Beispiel: Lehrerin legt dem Kind eine bestimmte Anzahl von Holzwürfeln (4, 7, 15) vor und läßt sie zählen.
Ziel 2: Das Kind kann eine genannte Menge legen.
Beispiel: Lehrerin fordert das Kind auf, 3, 8, 14, etc. Holzwürfel auf den Tisch zu legen.
Ziel 3. Das Kind kann beim Zählen Ordnungsstrategien anwenden.
Beispiel: Das Kind ordnet die zu zählenden Elemente als Zweiergruppen, als Würfelbild.
7. Ziffern lesen, Ziffern schreiben
Material: Ziffernkarten von 0 bis 10 bzw. 20
Ziel 1: Das Kind kann in ungeordneter Reihenfolge vorgelegt Ziffernkarten lesen.
Beispiel: Lehrerin legt dem Kind die Ziffernkarten in der Reihenfolge 1 - 4 - 3 - 5 - 2 - 0 - 7 - 6 - 9 - 10 vor. Das Kind liest die Ziffern vor . Hier ist besonders auf Verdrehungen zu achten.
Material: Papier mit großen Rechenkästchen, Stift
Ziel 2: Das Kind kann in ungeordneter Reihenfolge diktierte Zahlen schreiben.
Beispiel: Lehrerin diktiert die Zahlen 2 - 5 - 8 - 1 - 4 - 6 - 10 - 3 - 0 - 7 - 9.
Das Kind schreibt die Ziffern. Auch hier ist auf Verdrehungen zu achten.
8: Operationen
Material: Holzwürfel, o. ä., Stift, Papier
Ziel 1: Das Kind kann im Zahlenraum 10 bzw. bis 20
a) eine verbal genannte Aufgabe,
b) eine schriftliche Aufgabe,
als eine Operation mit Material durchführen und das Ergebnis benennen;
als eine Operation mit Material durchführen und Operation bzw. Ergebnis mit Zeichen und Ziffern schreiben;
ohne Hilfsmittel rechnen und aufschreiben;
Beispiel: Die Aufgaben sollten so gestaltet sein, daß zunächst Plusaufgaben im Zahlenraum bis 5, dann bis 10, dann im Zahlenraum bis 20 erst ohne, dann mit Zehnerüberschreitung gegeben werden. Das gleiche gilt für Ergänzungsaufgaben. Von jedem Aufgabentypus sollten 2 bis 3 Aufgaben gestellt werden, das heißt im Bereich der Plusaufgaben:
3 + 1, 2 + 2, 1 + 4, 5 + 2, 4 + 5, 2 + 7
13 + 6, 4 + 9, 6 + 5.
Mögliche Impulse:
"Ich sage dir eine Aufgabe. Lege sie mit Würfeln und sage mit das Ergebnis."
"Ich sage dir eine Aufgabe. Rechne sie im Kopf und sage mir das Ergebnis."
"Ich sage dir eine Aufgabe. Schreibe sie auf und rechne sie aus."
Ziel 2: Das Kind kann einer demonstrierten Operation mit Gegenständen eine rechnerische Operation zuordnen.
a) verbal
b) schriftlich
Lehrerin legt beispielsweise erst 3 Würfel hin, dann einen daneben, zuletzt schiebt sie die Steine zusammen.
Frage: "Wie heißt die Aufgabe zu dem, was ich eben gemacht habe?"
Eine andere Möglichkeit ist, die Handlung dem Kind selbst durchzuführen zu lassen.
"Lege erst 3 Würfel - dann legst du einen dazu. Wieviel Würfel hast du jetzt? Wie heißt die Aufgabe, die du eben gerechnet hast?"
Das Kind sollte die Operation zunächst benennen, später dann (nur noch) mit Ziffern und Zeichen aufschreiben.
9. Anwendung mathematischer Kenntnisse in Rechengeschichten.
Ziel: Das Kind kann die mathematische Aufgabenstellung in einer Geschichte erkennen und die Lösung auf die Geschichte anwenden.
Diese Beispiele lassen sich im Unterricht relativ einfach durchführen. Ich möchte hier auf Möglichkeiten in der Freiarbeit und im Förderunterricht hinweisen. Man kann sich hier einzelne Schüler herausgreifen und mit ihnen einzelne dieser diagnostischen Aufgabenstellungen durchführen. Die Situation sollte für den Schüler nicht eine Testsituation sein, sondern in einer gelösten Atmosphäre stattfinden. Durch die Ergebnisse in den einzelnen Bereichen lassen sich erste Rückschlüsse ziehen, in welchen Bereichen Schwierigkeiten auftreten. Es kann anschließend Fördermaterial sinnvoll eingesetzt werden. Bei Verdacht auf Teilleistungsstörungen im Bereich des mathematischen Denkens sollte eine genauere Diagnose, mit Hilfe genormter Testverfahren, durchgeführt werden.
Bei der folgenden Betrachtung einzelner diagnostischer Testverfahren, auch hier möchte ich mich auf die erste Klasse beziehen, geht es nicht um die Vorstellung einzelner Tests, sonder um grundlegende Möglichkeiten für den Lehrer einzelne Bereiche genauer zu untersuchen. Die Durchführung und die Auswertung solcher Testverfahren sind in der Regel den beiliegenden Begleitheften zu entnehmen.
Für den Bereich der visuellen Wahrnehmung bietet sich der FEW (FROSTIGS Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung) an (vgl. 3.1). Es ist ein Gruppentest, dessen Durchführung und Auswertung schnell zu erlernen ist. Überprüft werden die visuo-motorische Koordination, die Figur-Grund-Diskrimination, die Wahrnehmungskonstanz, die Wahrnehmung der Raumlage, die Wahrnehmung von räumlichen Beziehungen.
Der FEW kann auch für Schüler, die älter als acht Jahre sind angewendet werden, jedoch sollten sie in allen Untertests die höchsten Werte haben. Ist dies nicht der Fall, ist das immer ein Hinweis auf eine Schwäche der visuellen Wahrnehmung.[125]
Sind im Bereich der visuellen Wahrnehmung keine Auffälligkeiten festgestellt worden, kann der Bereich der auditiven Wahrnehmung überprüft werden. Eine einfache Möglichkeit ist, die Flüsterprobe durchzuführen, zuerst mit beiden Ohren und dann mit jedem Ohr einzeln. Als nächster Schritt bietet sich der Bremer Lautdiskriminationstest und der Bremer Artikulationstest an. Beide Tests sind auch schnell und einfach durchzuführen und geben Hinweise im auditiven oder im sprechmotorischen Bereich. Schließlich kann auch ein Audiogramm beim Ohrenarzt Hinweise auf Hörbeeinträchtigungen geben. [126]
Um den Stand der motorischen Entwicklung zu überprüfen empfiehlt sich der KTK (Körperkoordinationstest von KIPHART und SCHILLING, 1974). In diesem Test werden 4 Bereiche untersucht: Das Balancieren, das einbeinige Überhüpfen, das seitliche Hin- und Herspringen und das seitliche Umsetzen von Brettchen.
Das Balancieren zeigt unter anderem, wie differenziert die Körpermittelsenkrechte wahrgenommen wird. Das einbeinige Überhüpfen betrifft Kraft, Raumwahrnehmung und Koordination und kann auf die Ausprägung der Füßigkeit hinweisen. Das seitliche Hin-und Herspringen verlangt das ständige Verlagern der Körpermittelsenkrechten, und das seitliche Umsetzen gibt Anhaltspunkte für die Fähigkeit zur Hintereinanderausführung einzelner Handlungsfolgen. Es zeigt weiter, in welchem Ausmaß das Kind in der Lage ist, die Körpermittellinie zu überkreuzen.[127]
Auch diese Methoden können vom Lehrer zur Feststellung von Teilleistungsschwächen leicht und ohne großen Zeitaufwand durchgeführt werden. Immer wird man sich fragen müssen, wie sind die visuelle und die auditive Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, wie sind die motorischen Reaktionen. Ist das Kind zu serialen Leistungen, also zur Hintereinanderausführung von Denk- und Handlungsabläufen fähig? Und nicht zuletzt wird man sich fragen müssen: Wie ist das seelische Befinden? Die persönlichen Erfahrungen aus Beobachtungen im allgemeinen Unterricht ergänzen und vervollständigen die Beurteilung.[128]

6 Fördermöglichkeiten in einzelnen Bereichen

6.1 Allgemeine Überlegungen


Der traditionelle Mathematikunterricht in der Grundschule besitzt einen strengen curricularen Aufbau. Wer einen Schritt nicht mitgegangen ist, ihn nicht verstanden hat, nicht bewältigt hat, kann den nächsten Schritt nicht mit Erfolg gehen, weil fast alles Vorhergegangene, Grundvoraussetzung für das Folgende ist. Dieser Sachverhalt zeigt sich in den ersten zwei Grundschuljahren am deutlichsten. Wer den Zahlenraum bis 10 nicht ohne Zählen bewältigt, kann auch die Operationen im Zahlenraum bis 100 nicht verstehen, geschweige denn durchführen.[129]
Im herkömmlichen Förderunterricht wird versucht, lernschwachen Schülern den nicht bewältigten Stoff der vorangegangenen Einheiten so nahezubringen, daß ihre Defizite verschwinden und sie erfolgreich mitlernen können. In der Regel findet eine Wiederholung des nicht Verstandenen mit gleichen Medien, gleicher Methode statt. Das hat bei Kindern Erfolg, deren Defizite nicht zu groß sind, die einige Stunden versäumt haben, und bei denen, die in der Kleingruppe überhaupt leichter und besser lernen können. Für wirklich lernschwache Schüler ist diese Form der Förderung wenig erfolgreich[130]
Den Schülern mit ihren sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen kann man auch innerhalb des Klassenunterrichts kaum durch die Verbesserung einzelner Differenzierungstechniken
(z. B. eine feinere Stufung der Schwierigkeiten bei mathematischen Aufgaben) oder durch oberflächliche Motivation (z. B. kopierte Arbeitsblätter zum Ausmalen und Ausschneiden) gerecht werden. [131]
Die Folgerung aus diesen beiden Aspekten ist, daß einerseits Lernbedingungen geschaffen werden müssen die den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen gerecht werden, andererseits müssen LehrerInnen darum bemüht sein, einen Zugang zu der Lerngeschichte und zu den Denkweisen der Kinder zu erhalten. Dies ist nur möglich, wenn die Kinder ihre Lernaktivitäten frei entfalten. Diese freie Entfaltung ist nur möglich im Rahmen eines offenen Unterrichts. Gerade diese Öffnung des Unterrichts erlaubt, auf individuell sehr unterschiedliche Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen angemessen durch eine vielfältige Differenzierung zu reagieren.[132]
Dieses Konzept ist jedoch umfassender und beinhaltet neben der didaktisch-methodischen Offenheit des Unterrichts (Freiarbeit, Wochenplan, selbständig-entdeckendes Lernen), auch die Öffnung der Schule (institutionelle Offenheit für Integration). Nicht zuletzt darf der Lehrer vergessen werden, denn offener Unterricht ist nur dann möglich, wenn auch der Lehrer in seiner Grundeinstellung von diesem Konzept überzeugt ist.
In diesem Kapitel möchte ich mich im wesentlichen auf einen Aspekt, der für rechenschwache Kinder von besonderer Bedeutung ist, beschränken:
* die besondere Bedeutung geometrischer Erfahrungen und Förderungen gerade für Rechenschwache Schüler.
Bei der Entwicklung des Zahlbegriffs, bei der Erweiterung des Zahlenraums, sowie bei der Erarbeitung der Rechenoperationen sollen die Schüler die Schüler begreifen (handelnder Umgang mit vielfältigen Arbeitsmaterialien), sie sollen einsehen (über Darstellungen, Ikonisierung und Veranschaulichungsmittel) und von ihnen wird ferner erwartet, daß sie sich mathematische Beziehungen und Operationen vorstellen können.
Nur fallen gerade die meisten Grundschüler mit Lernschwierigkeiten im Mathematikunterricht auf durch Schwächen, Defizite oder auch Störungen im visuell-geometrischen Bereich.[133]

6.2 Förderung der visuellen Wahrnehmung


Zunächst möchte ich Anregungen vorstellen , die als informelle Diagnose zum Erfassen der Lernausgangslage, zugleich aber Übungen und Fördermaßnahmen sein können.

6.2.1 Möglichkeiten zur Diagnose und zum Fördern des visuellen Wahrnehmens und des Vorstellens


-Visuelles Differenzieren (Figur-Gund-Differenzierung)
Wo ist der Mond in der folgenden Abbildung? Zeichne ihn nach!

Abbildung 14: Diagnose der Figur-Grund-Wahrnehmung


Wie viele Perlen sind in diesen Ketten?

Abbildung 15: Aus Lorenz/Radatz, 1993, S. 105


Hier wird neben der visuellen Wahrnehmung auch noch eine gefestigte Zählstrategie verlangt.
-Bilder betrachten und beschreiben: Hier geht es vor allem um die Wahrnehmung der Raumlage (Links-Rechts-Unterscheidung, oben-unten, gegenüber, vor-hinter).

Abbildung 16: Aus Praxis Grundschule 1/86

-Übungen zur Rechts-Links-Orientierung
Gerade zur Raumdimension rechts- links haben viele Volksschüler noch keine ausreichenden Erfahrungen gesammelt. Die Fähigkeit zur Unterscheidung ist oft bis zum Ende der Grundschulzeit recht unsicher. Eine sichere Unterscheidung ist aber gerade für viele didaktische Modelle und Arbeitsmittel von Bedeutung (Zahlenstrahl, Hundertertafel, Stellenwerttafel). Wie soll sich ein Schüler am Zahlenstrahl zurechtfinden, wenn er unsicher ist, wo links und rechts ist?[134]
Einige Übungsanregungen:
* Rechts-Links-Unterscheidung am eigenen Körper:
-Hebe die rechte Hand, den linken Fuß.
-Zeige mit dem Zeigefinger der linken Hand auf dein rechtes Ohr.
-Hüpfe dreimal auf dem rechten Fuß.
usw.
* Bewegungen und Orientierungen auf Anweisungen:
-Gehe drei Schritte vorwärts, rechts um, vier Schritte vor, links um, drei Schritte zurück. Anschließend kann der Weg auf Karopapier aufgezeichnet werden (visuelles Erinnern!).
* Rechts-links von anderen Gegenständen:
Gut sichtbar für alle Schüler werden verschiedene Körper aufgebaut, zum Beispiel:
Was liegt rechts neben der Kugel? Was liegt links neben dem Quader?
Die Lage der Gegenstände kann verändert werden und die Übung kann wiederholt werden.
-Speichern visueller Informationen/visuelles Gedächtnis
Eine notwendige Fähigkeit gerade für das "Sehen" mathematischer Beziehungen und die gedächtnismäßige Durchführung arithmetischer Grundoperationen ist das visuelle Erinnern der im Unterricht durchgeführten Handlung mit verschiedenen Arbeitsmaterialien und die darauf abgestimmten Darstellungen an der Tafel oder im Schulbuch.
Kinder mit Schwächen in diesem Bereich spielen ungern Memory, sie vermeiden das Zusammensetzen komplexer Puzzle, es fällt ihnen schwer ihr Zimmer "im Kopf" zu beschreiben, sie verlieren sich auf einer Schulbuchseite und finden nicht wieder zurück.
Folgende Übungen verbinden diagnostische Aspekte und Fördermöglichkeiten.[135]
* Man zeigt dem Schüler eine geometrische Figur und läßt sie in Ruhe betrachten. Nach kurzer Zeit wird eine Menge mit verwandten Figuren gezeigt, aus denen die Schüler die erste wiedererkennen sollen.

Abbildung 17: Aus Lorenz/Radatz, 1993, S. 107


In diesen Bereich fallen auch alle Memory-Spiele.
-Räumliche Vorstellungsübungen (Kopfgeometrie)
Störungen im Umfeld der Raumwahrnehmung, Raumorientierung und Raumvorstellung, wirken sich vor allem im Rechnen aus und beeinträchtigen auch die Entwicklung des Denkens.
Die Kinder sollten Lagebeziehungen zwischen und an Gegenständen sowie geometrische Grundformen an Gegenständen erkennen. Ferner sollten sie sich diese Gegenstände vorstellen und beschreiben können.[136]
-Übungen zur Raumorientierung
* Die Kinder schließen die Augen. "Was hängt rechts an der Wand in unserem Klassenzimmer? Was steht vorne links in der Ecke?"...
* "Ich sehe etwas, was du nicht siehst und das ist rund (und hoch)...."
* Wir suchen im Kopf nach geometrischen Grundformen in unserem Klassenzimmer: "Augen zu! Wo gibt es in unserem Klassenzimmer quadratische (runde, eckige, ...) Formen?"
* Die Lehrerin zeigt zum Beispiel einen Quader und läßt die Schüler die Lage von Ecken beschreiben. "Die Ecke ist oben vorn rechts,...."
Dies stellt nur eine kleine Auswahl der möglichen Übungen dar. Weitere Anregungen finden sich RADATZ/RICKMEYER, 1991, S. 146 ff und LORENZ/RADATZ, 1993, S. 108 f.
-Bestimmen/Zählen nicht sichtbarer Elemente

Abbildung 18: Aus Lorenz/Radatz, 1993, S. 108


-Nachbauen von Würfelvorlagen

Abbildung 19: Bauen von Würfelbildern in Zusammenhang mit der operativen Durchforschung der Zahl 7

-Übungen zur Auge-Hand-Koordination
Zur Förderung der Auge-Hand-Koordination sind alle Spielsituationen von Bedeutung, die ein Zusammenwirken von Augenbewegung und Handbewegung erfordern. Eigentlich gibt es kaum eine Tätigkeit ohne diese Wahrnehmungsleistung. Schon zum Aufnehmen eines Spielgegenstandes wird diese Fähigkeit benötigt. Das Auge fixiert den Gegenstand, die Hand wird mit Hilfe des Auges hingeführt.
Grundsätzlich eignen sich alle Ballspiele zur Förderung dieser Fähigkeit.
* Statische Ziele treffen: Zielwerfen in einen Eimer. Der Ball wird aufgenommen, das Ziel wird von den Augen anvisiert und die Hand wirft den Ball in die entsprechende Richtung.
* Bewegliche Ziele treffen: Hierbei muß der Gegenstand mit den Augen verfolgt und die Hand dem bewegten Gegenstand angepaßt werden. Luftballons eignen sich für die Übung sehr gut, da sie relativ langsam fliegen und so genügend Zeit bleibt für die Koordinationsleistung.[137]
-Übungen zur Formkonstanzbetrachtung
Die Beschäftigung mit der Wahrnehmungskonstanz dient dazu, Größe, Farben und Formen zu Unterscheiden.
* Aus einem Sack gleiche Sachen herausfinden
* Bildpaare finden, die denselben Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen.
Sehr viele Anregungen und Angebote auf dieser Ebene sind in Arbeitsheften von Marianne FROSTIG zu finden.[138]
Beispiele Aus dem Marianne FROSTIG Programm:

Abbildung 20: Aus Marianne FROSTIG, 1972, S. 15: Alle Dreiecke sind einzukreisen.

Abbildung 21: Aus Marianne FROSTIG, 1972. S. 76: Entsprechende Zahlen sind einzutragen.

Die beschriebenen Möglichkeiten zur Förderung und Diagnose von Schwächen in der visuellen Wahrnehmung stellt nur eine Auswahl dar. Zahlreiche weitere Fördermöglichkeiten werden in RADATZ/RICKMEYER, 1991, S. 128 ff und in LORENZ/RADATZ, 1993, S. 83 ff angeboten.
Zahlreich weitere Anregungen für die Vorschule und Grundschule geben folgende Programme:[139]
* Förderprogramm von Marianne FROSTIG
Es werden in diesem Programm Spiel-und Übungsanregungen sowie Arbeitsblättter zu folgenden Fähigkeiten angeboten.
-visuo-motorische Kordination,
-Figur-Grund-Diskrimination,
-Wahrnehmungskonstanz,
-Wahrnehmung der Raumlage,
-Wahrnehmung von räumlichen Beziehungen.
* Optisches Differenzierung-und Konzentrationstraining (Müller 1982)
Dieses Programm besteht aus 256 Kopiervorlagen und einem Informationshandbuch dazu. Angeboten werden zahlreiche Übungen zum Anmalen, Ausschneiden, Ankreuzen, Kleben,...
Folgende Bereiche werden gefördert:
-geometrische Lagebeziehungen,
-Qualitätsbegriffe,
-die Mengenerfassung,
-die visuelle Differenzierung,
-die Figur-Grund-Wahrnehmung, u. a.
In sehr vielen Bereichen des Denkens, nicht nur im mathematischen Denken, spielt die visuelle Anforderung eine sehr große Rolle. Daher ist die Förderung der visuellen Wahrnehmung ein zentraler Faktor im gesamten kognitiven Fähigkeitsbereich.

6.3 Körperarbeit als Fördermöglichkeit rechenschwacher Kinder


In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt in der Darstellung, wie die Entwicklung des Raumes mit Hilfe der Arbeit am und mit dem Körper zu fördern ist.
Auch die drei Dimensionen des euklidischen Raumes sind angesprochen: vertikal, horizontal, Vorne-hinten. Erfahrungen mit Haltung, Gleichgewicht und Körperschema stehen im Mittelpunkt. Der Raum wird am und mit Hilfe des eigenen Körpers erlebt. Alle uns umgebenden Objekte werden in Beziehung zu unserem Körper gesehen und die Orientierung im Raum wird bezüglich unseres Körpers bestimmt. Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß ein klares, genaues und vollständiges Bild des Körpers und seiner Orientierung im Raum erworben wird.[140]
Übungen zur Orientierung am eigenen Körper
* Wo sitzt die Fliege?
Man steht dazu mit geschlossenen Augen im Raum und benennt diejenigen Stellen an denen man vom Partner berührt wird.
* Spiegelbilder
Spiegelgleiche Bewegungen. Zwei Partner stehen einander gegenüber. Ein Partner beginnt, sich langsam zu bewegen, der andere macht ihm diese Bewegungen spiegelgleich nach. Es erfordert schon eine gewisse Abstraktionsleistung, denn es muß recht und links vom Gegenüber auf die eigene Person übertragen werden.
Übungen zur Größeneinschätzung
* Raum ausmessen
Wie oft passe ich mit meinem Körper in die Zimmerlänge?
Mit wievielen Personen kann man eine vorgegebene Strecke oder eine vorgegebenen Raum auslegen?
Es geht hier um Begriffe länger-kürzer, größer-kleiner.
* Messen mit Körperteilen
Wie oft paßt meine Handfläche, mein Fuß in eine vorher festgelegte Strecke?
Hier wird auch der Aufbau einer Größenrelation gefördert (Messen mit willkürlichen Maßeinheiten).
Übungen zur Raumerfahrung
* Entdeckungsreise
Den Raum mit geschlossenen Augen erkunden. Die unterschiedlichen Formen, Kanten, Rundungen, die Länge, die Breite wahrnehmen. Dieses Ertasten des Raumes mit geschlossenen Augen vermittelt über die Haut, die Tastorgane und die
Kinästhesie, eine vertiefte Erfahrung.
* Plätze wechseln
Den Raum mit geöffneten Augen wahrnehmen, auf sich wirken lassen. Was verändert sich, wenn ich einen anderen Standort einnehme. Die Unterschiede sollen verbalisiert werden.
Raumlinien
* Senkrechte, waagrechte, schräge Linien im Raum zeigen
Diese Raumlinien sollen körperlich erfahren werden, zum Beispiel eine schiefe Ebene hinunterrollen; Sprossenwand hochklettern (Senkrechte); den Körper waagrecht zur Wand auf den Boden legen .
Einen Ball in den verschiedenen Richtungen rollen oder werfen.
* Diagonale
Die Diagonale im Raum durchschreiten, sie als Laufsteg benutzen.
Eine Reifen diagonal durch den Raum rollen und ihm nachlaufen.
Übungen zur Raumlage
Hier werden vor allem die Begriffe vor, hinter, neben, über, unter, körperlich erfahren.
* Kinderkette
Mehrere Kinder bilden eine Kette und gehen oder laufen durch den Raum. Sie gehen über etwas, unter etwas hindurch, u. ä. m.
Hier werden vor allem Begriffe wie unter, über, oben, unten benötigt.
* Fortbewegungsarten
Eine Parcours in verschiedenen Körperhaltungen überqueren. Als Frosch, als Spinne. Einmal gehe ich vorwärts ein mal gehe ich rückwärts.[141]
Alle diese Übungen können ergänzend aber auch zur gezielten Förderung der Raumanschauung eingesetzt werden. Vor allen Dingen sind diese Übungsformen sehr motivierend. Da ein enger Zusammenhang zwischen Rechenoperationen und räumlichen Vorstellungs-und Begriffsvermögen besteht, ist diese Arbeit am "Raumerleben" für Kinder mit Rechenstörungen von grundlegender Bedeutung.[142]

7 Zusammenfassung


Die vorliegende Arbeit ging von dem Problem aus, daß es in der Grundschule immer wieder Kinder gibt, die erhebliche Schwierigkeiten im Mathematikunterricht haben.
Deshalb erscheint es wichtig, als Lehrer und Lehrerin jene Faktoren zu kennen, die das Lernen arithmetischer Inhalte wesentlich beeinflussen. Der Grundschullehrer hat Informationen über den einzelnen Schüler auch aus jenen Bereichen die weit weg sind von Zahlen und Zahlenoperationen. Er sieht seine Schüler im Umgang mit Größen, wie Längen, Flächen, Raummaßen und Gewichten.
Ergänzt der Lehrer seine Beobachtungen noch durch gezielte diagnostische Verfahren, hat er eine sehr gute Grundlage ein Föderprogramm zusammenzustellen. Jedoch bedarf es auch hier des nötigen Wissens über die Zusammenhänge und Voraussetzungen für mathematisches Denken, da ansonsten die Bemühungen wenig fruchten. Vor allem auf die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung möchte ich nochmals hinweisen, da dieser Bereich einer der wichtigsten im Bereich des mathematischen Denkens ist. Aber auch andere Bereiche, in dieser Arbeit nicht angesprochen, wie die Bedeutung des sozialen Umfeldes, der Motivation, haben eine Bedeutung für das Erlernen mathematischer Fähigkeiten. Und nicht zuletzt haben auch die verschiedenen Anschauungsmittel, wie der Zahlenstrahl, die Mehr-System-Blöcke, wesentlichen Einfluß auf den Erfolg der Schüler im Mathematikunterricht.
Ich möchte auch hier noch anführen, daß sich meine praktischen Erfahrungen mit rechenschwachen Schülern im wesentlichen auf zwei Schüler beschränken, die von mir außerhalb der Schule betreut werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind jedoch ist jedoch noch nicht so weit fortgeschritten, daß eine ausführliche Behandlung im Rahmen dieser Arbeit möglich ist.

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WINGERT, Ortwin: Zentrum für Schulversuche des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Hrsg. Arbeitsberichte I/24 Klagenfurt 1976


[1] vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 18
[2]vgl. Lorenz/Radatz, S. 18 f
[3]vgl. Lorenz, 1992, S. 16
[4]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 18
[5]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 19; Lorenz, 1992, S. 17
[6]vgl. Lorenz, 1992, S. 18 ff
[7]vgl. Lorenz, 1992, S. 20 f
[8]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 20 f
[9]vgl. Lorenz, 1992, S. 22 f
[10]vgl. Weinschenk, 1975, S. 125 ff
[11]vgl. Lorenz, 1992, S. 23 ff; Lorenz/Radatz, 1993, S. 21 f
[12]vgl. Lorenz/Radatz, S. 22 f
[13]vgl. Johnson/Myklebust, 1976, S. 24
[14]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 22 f; Lorenz, 1992, S. 25 ff
[15]Ergänzung: Lorenz, 1992, S. 26
[16]vgl. Lorenz, 1992, S. 27 f; Lorenz/Radatz, 1993, S. 22 f
[17]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 24
[18]vgl. Lorenz, 1992, S. 29
[19]Lorenz/Radatz, 1993, S. 24 f
[20]vgl. ebda, S. 24 f
[21]vgl. Radatz/Schipper, 1983, S. 212
[22]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 26 f
[23]vgl. Lorenz, 1992, S. 33
[24]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 27; Lorenz, 1992, S. 33 f
[25]vgl. Lorenz, 1992, S. 34 ff
[26]vgl. Lorenz, 1992, S. 27
[27]vgl. Lorenz, 1992, S. 36
[28]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 28
[29]vgl. Schmitz, In: Grundschule 1993, Heft 6, S. 23
[30]vgl. Milz, 1994, S. 10 f
[31]vgl. Milz, 1994, S. 11 f
[32]vgl. Ayres, 1992, S. 16 ff
[33]vgl. Milz, 1994, S. 11
[34]vgl. Ayres, 1992, S. 61 ff
[35]vgl. Milz, 1994, S. 11 f
[36]vgl. Ayres, 1979, S. 148 f
[37]vgl. Milz, 1994, S. 11 ff; Kephart, 1977, S. 124 ff
[38]vgl. Hendrik Radatz, In: Grundschule. 1993, Heft 6. S. 10
[39]vgl. Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 128 f; Wendt, In: Grundschule, 1993, Heft 6, S. 21 f
[40]vgl. Frostig/Müller, 1981, S. 58 ff
[41]vgl. Kephart, 1977, S. 33 ff; Milz, 1994, S. 18 f
[42]vgl. Milz, 1994, S. 19 f
[43]vgl. Milz, 1994, S. 20 f; Kephart, 19977, S. 33 ff
[44]vgl. Frostig/Maslow, 1978, S. 265
[45]vgl. Milz, 1994, S. 20 f; Kephart, 1977, S. 33 ff
[46]vgl. Grissemann/Weber, 1990. S. 95; Kephart, 1977, S. 37
[47]eigene Anmerkung
[48]vgl. Milz, 1994, S. 21 ff
[49]vgl. Milz, 1994, S. 24
[50]vgl. Frostig/Maslow, 1978, S. 265 ff
[51]vgl. Milz, 1994, S. 24 f
[52]vgl. Kephart, 1977, S. 110 f; Milz, 1994, S. 25
[53]vgl. Kephart, 1977, S. 111 ff
[54]vgl. Milz, 1994, S. 25 ff
[55]vgl. Kephart, 1977, S. 115
[56]vgl. Kephart, 1977, S. 117 f
[57]vgl. Lorenz, 1984, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, S. 82
[58]vgl. Milz, 1994, S. 31
[59]vgl. Ayres, 1992, S. 163 f
[60]vgl. Kephart, 1977, S. 138 ff; Milz, 1994, S. 31 f
[61]vgl. Frostig/Müller, 1981, S. 83 f
[62]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 109
[63]vgl. Kephart, 1977, S. 124; Milz, 1994, S. 33
[64]eigene Ergänzung
[65]vgl. Frostig/Müller, 1981, S. 84
[66]Lorenz, 1987, S. 64
[67]vgl. Milz, 1994, S. 34 f
[68]vgl. Milz, 1994, S. 41 f
[69]Kephart, 1977, S. 147 f
[70]vgl. Kephart, 1977, S. 148 f
[71]vgl. Milz, 1994, S. 43
[72]vgl. Kephart, 1977, S. 150 f
[73]vgl. Milz, 1994, S. 44
[74]vgl. Milz, 1994, S. 44 f
[75]vgl. Kephart, 1977, S. 152
[76]vgl. Lorenz, 1984, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, S. 85 ff
[77]vgl. Mückenhoff, 1980, S. 21 ff
[78]vgl. Milz, 1994, S. 48 f; Ayres, 1992, S. 170 ff
[79]vgl. Mückenhoff, 1980, S. 35 ff
[80]vgl. Mückenhoff, 1980, S. 35 ff
[81]vgl. Milz, 1994, S. 50; Oerter/Montada, 1982, S. 376 ff
[82]vgl. Schmitz/Scharlau, 1985, S. 23 ff
[83]vgl. Milz, 1994, S. 50 f
[84]vgl. Milz, 1994, S. 51
[85]vgl. Lorenz, 1992, S. 85
[86]vgl. Radatz/Schipper, 1983, S. 53 ff
[87]vgl. Milz, 1994, S. 52
[88]vgl Frostig/Maslow, 1978, s. 250
[89]vgl. Bönig, In: Grundschule 1993, Heft 6, S. 31
[90]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 30, "zit. nach aebli, 1976, o. S. a.
[91]vgl. Lorenz, 1992, S. 86
[92]vgl. Milz, 1994, S. 53 f
[93]vgl. Radatz/Schipper, 1983, S. 48 ff
[94]vgl. Milz, 1994, S. 54; Radatz/Schipper, 1983, S. 50 f
[95]vgl. Milz, 1994, S. 55 ff
[96]vgl. Johnson/Myklebust, 1976, S.301; Milz, 1994, S. 56
[97]vgl. Piaget/Szeminska, 1975, S. 15 ff
[98]vgl. Milz, 1994, S. 58 f
[99]vgl. Grissemann, In: Lernschwierigkeiten: Forschung und Praxis, 1984, S. 173 f; Milz, 1994, S. 59 f
[100]vgl. Lorenz, 1992, S. 86 f
[101]vgl. Lorenz, 1992, S. 87
[102]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 30 f
[103]vgl. Lorenz, 1992, S. 96
[104]vgl. Lorenz, 1992, S. 57 ff
[105]vgl Lorenz, 1992, S. 100 f; Lorenz/Radatz, 1993, S. 31 f
[106]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 31
[107]vgl. Lorenz, 1992, S. 110
[108]vgl. Milz, 1994, S. 61
[109]vgl. Milz, 1994, S. 61
[110]vgl. Lorenz, 1992, S. 112 f
[111]vgl. Lorenz, 1992, S. 113
[112]vgl. Lorenz, 1992, S. 113 ff
[113]vgl. Milz, 1994, S. 61 f
[114]vgl. Lorenz, 1992, S. 118; Milz, 1994, S. 62 ff
[115]vgl. Lorenz, 1992, S. 120
[116]vgl. Lorenz, 1992, S. 120
[117]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 33 f
[118]vgl. Milz, 1994, S. 62 ff
[119]vgl. Johnson/Myklebust, 1976, S. 301 f
[120]vgl. Radatz/Schipper, 1983, S. 210 ff
[121]vgl. Radatz/SChipper, 1983, S. 77
[122]vgl. Radatz/Schipper, 1983, S. 213 f
[123]vgl. Milz, 1994, S. 103 ff
[124]vgl. Milz, 1994, S. 104 ff
[125]vgl. Milz, In: Teilleistungsschwächen bei Kindern und Jugendlichen, 1989, S. 164
[126]vgl. Milz, In: Teilleistungsschwächen bei Kindern und Jugendlichen, 1989, S. 166
[127]vgl. Milz, In: Teilleistungsschwächen bei Kindern und Jugendlichen, 1989, S. 166 ff
[128]vgl. Milz, In: Teilleistungsschwächen bei Kindern und Jugendlichen, 1989, S. 172 f
[129]vgl. Guder, In: Grundschule, Heft 6, 1993, S. 12 f
[130]vgl. Guder, In: Grundschule, Heft 6, 1993, S. 12 f
[131]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S.81
[132]vgl. Schadewaldt, In: Grundschule, Heft 6, 1993, S. 19
[133]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 104 f
[134]vgl. Lorenz/Radatz, 1993, S. 109
[135]vgl. Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 131
[136]vgl. Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 144 f
[137]vgl. Milz, 1994, S. 146 ff
[138]vgl. Frostig, 1972, S. 1 ff
[139]vgl. Radatz/Rickmeyer, 1991, S. 140
[140]vgl. Milz, 1994, S. 127 ff
[141]vgl. Milz, 1994, S. 131 ff
[142]vgl. Milz, 1994, S. 139