#!/usr/bin/perl print qq§Content-Type: text/html §;




"Hat Dich der Pazifismus und Marxismus schon so verseucht, das du zu feige bist, zu kämpfen? Willst Du weiter träumen und genießen, während Spießer, Judentum und Kapitalismus dem deutschen Volke den Untergang bereiten? Nein und abermals nein! Auch Du willst deinem Leben einen heiligen Sinn, einen stolzen Inhalt geben, auch du willst kämpfen und opfern für dein Volk und deine Zukunft! ... Wenn die Väter die Schwerter zerschlagen, müssen die Söhne neue schmieden! ... Erkämpft euch die Zukunft unter dem Banner Adolf Hitlers! Geht hinein in die Front des heiligen Befreiungskampfes!" (Aus einem Werbeflugblatt für die Hitlerjugend um 1929)
Die Themen:

1 Einleitung

Im folgenden Referat wird die Hitlerjugend während des Krieges, also ab 1939, beschrieben und erläutert. Der Bund deutscher Mädel wird dabei, des Umfanges - nicht der Bedeutung wegen, außer Acht gelassen. Ergänzt wird das Referat durch die Erlebnisse des Zeitzeugen Werner Fehlenberg ab dessen Eintritt in die Hitlerjugend 1943. Auch wenn diese sich nicht nur auf die Hitlerjugend beziehen, sind sie im gegebenen Kontext nicht nur höchst interessant, sondern zeigen auch einen kleinen Einblick in das damalige Leben eines Jugendlichen, wie es in aktueller Literatur kaum zu finden ist. Dies mag daran liegen, daß derartige Literatur hauptsächlich als autobiografische Werke vorliegt, die vom Autor selbst genutzt wurden, um das Thema psychisch zu verarbeiten[1]. Eine Motivation, die den Kreis der Autoren schon von vornherein einschränkt. Bei der betroffenen Person war dies nicht der Fall. Sie äußerte sich zu dem Thema, nachdem sie, dieses Berichtes wegen, darum gebeten wurde.

2 Der Platz der HJ im Leben der Jungen

Prinzipiell war die Hitlerjugend derart organisiert, daß sie das Leben eines Jugendlichen vollkommen in Beschlag nehmen konnte. Die vollständige zeitliche Verplanung nahm oft solche Ausmaße an, daß alle anderen Pflichten, sowohl privater, familiärer Art als auch schulischer Art von den Jugendlichen vernachlässigt wurden, was dann auch oft zu den entsprechenden Problemen und Konflikten führte. Die Hitlerjugend hatte sich anscheinend in Ihrem Stellenwert der Schule übergeordnet. Allerdings lag es bei den Schülern und HJ-Mitgliedern, dieser Gewichtung Handlungen folgen zu lassen.

2.1 Dienstpflicht

Mit Beginn des zweiten Weltkrieges wird eine Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitlerjugend erlassen. Diese Durchführungsverordnung führte die Dienstpflicht für die Hitlerjugend ein. Alle Jugendlichen vom 10. bis zum 18. Lebensjahr waren davon betroffen. Wie groß der Zwang für einen einzelnen Schüler, sich an der Hitlerjugend zu beteiligen tatsächlich war kann jedoch nicht verallgemeinernd gesagt werden. Es hing von mehreren verschiedenen Faktoren ab. Schließlich folgten nicht automatisch Subventionen auf ein Fehlen in der Hitlerjugend. Diese mußten erst organisiert und durchgeführt werden. Das heißt also somit auch, daß es hier kein einheitliches Muster gab. Ein wesentlicher Faktor war hier sicherlich, wieviel Wert das Elternhaus auf eine regelmäßige Teilnahme bei der HJ legte. Auch der psychische Druck, den andere HJ-Mitglieder hier auf einen Hitlerjungen ausüben konnten darf nicht unterschätzt werden.
Entscheidend war auch, mit welcher Begeisterung die einzelne Person, also der Jugendliche selbst, bei der Sache war. Während z.B. in Literatur von Margarete Hannsmann von ihrem Freund als einem begeisterten Hitlerjungen zu lesen ist, der den wegen der Hitlerjugend fehlenden Schlaf in der Schule nachholte[2], legte der damals 15jährige Werner Fehlenberg, für sich den Schwerpunkt eher auf seine Lehre und schwänzte die Hitlerjugend manchmal. Die Konsequenzen daraus waren derart, daß sein Gruppenführer seinen Eltern einen Besuch abstattete, um mit ihnen über die Unpünktlichkeit und das Fehlen ihres Sohnes zu reden, daß er manchmal "so nebenher" von seinem Lehrer in der Schule auf sein Fehlen angesprochen wurde und daß er von einem anderen Lehrling, der die HJ sehr ernst nahm als Bolschewist beschimpft wurde. Besonders für einen Jugendlichen kann solcher psychische Druck sehr belastend wirken. Trotzdem hielten sich die Konsequenzen aber somit in erträglichen Grenzen.
Das heißt natürlich nicht, daß es ein jedem selbst überlassen war, zur Hitlerjugend zu gehen, oder nicht. Tatsächlich war es aber so, daß das Leben eines Hitlerjungen nicht automatisch durch die HJ vollständig ausgefüllt war. Dazu brauchte es ein entsprechendes Maß an Eigeninitiative.

2.2 Schule

Angesichts des schier allgegenwärtigen Einflusses der Organisation Hitlerjugend auf das Leben der Jungen erstaunt es, daß die Schule nicht der Hitlerjugend unterstand. Das heißt aber nicht, daß in der Schule nicht versucht wurde, entsprechenden Einfluß auf die Jugendlichen auszuüben. Wie es in fast allen Berufen der Fall war, so wurden auch Lehrer mit entsprechendem Parteibuch natürlich bevorzugt eingestellt. Auch wurden die Inhalte des Lehrplanes an die nationalsozialistische Philosophie angepaßt.
Des weiteren gab es an jeder Schule einen "Vertrauenslehrer für wehrgeistige Erziehung". Dieser Lehrer mußte mit einem "Standortoffizier für Schulfragen" zusammenarbeiten und diesem regelmäßig vierteljährlich Bericht erstatten über die Wehrgeistige Erziehung, die den Kindern in der Schule zukam.
Allgemein wurde aber, bedingt durch die Nationalsozialistische Ideologie der geistigen Bildung eine nur geringe Bedeutung beigemessen. Hitler schieb hierzu:
"Der völkische Staat hat ... seine gesamte Erziehungsarbeit nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlußkraft verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung.
Der Völkische Staat muß dabei von der Voraussetzung ausgehen, daß ein zwar wissenschaftlich wenig gebildeter, aber körperlich gesunder Mensch mit gutem, festem Charakter, erfüllt von Entschlußfreudigkeit und Willenskraft für die Volksgemeinschaft wertvoller ist als ein geistreicher Schwächling."[3]
Dementsprechend spielte die Schule mit der Zeit eine "immer kläglichere Rolle". Schülern wie Lehrern war klar, daß die meisten Jungen noch vor erreichen des Abiturs für den Krieg eingezogen werden würden. Dementsprechend demotiviert wurde auch oft der Unterricht gehalten.[4]

2.2.1 Eliteschulen

Anders ging es natürlich in den damaligen Eliteschulen, den "Adolf Hitler Schulen" (AHS) und den "nationalpolitischen Erziehungsanstalten" ("Napola") zu. Hier sollte die geistige politische Führung der Zukunft (AHS) und der Nachwuchs für Reichswehr, SA sowie andere militärisch orientierte Organisationen (Napola) erzogen werden. Entsprechend der Vorstellung Hitlers wurde hier in erster Linie auf Körperliche Ausbildung (Drill), und Übernahme der Nationalsozialistischen Ideologie sowie auf die Ausbildung eines "starken" Charakters (Gehorsam, Treue, u.ä.) Wert gelegt.
Besonders in den nationalpolitischen Erziehungsanstalten waren die Erziehungsmethoden dermaßen streng und mit Drill verbunden, daß sich z.B. die heutige Bundeswehr an Härte nicht damit messen kann. Die Hitlerjugend als Organisation hatte auf diese Internate aber kaum Einfluß. Abgesehen von der Tatsache, daß wegen der Beitrittspflicht zur HJ die Napola-Schüler auch Mitglieder der HJ waren, bestanden hier keine wesentlichen Verknüpfungen, weshalb das Thema hier auch nicht weiter behandelt wird.[5]
Anders in den parteigebundenen Adolf Hitler Schulen, deren beste Absolventen dazu bestimmt waren, später Führungspositionen in der NSDAP zu übernehmen (hier wird die auf die Spitze getriebene Verplanung des Lebens der Jugendlichen deutlich sichtbar). Die AHS unterstanden der Hitlerjugend; sie wurden als Einheiten der HJ geführt und für die Schulaufsicht war ein Gauleiter der HJ zuständig. Im Anschluß an eine erfolgreiche Ausbildung in einer AHS war für die besten Schüler eine anschließende Ausbildung in einer hohen Schule der NSDAP geplant. Diese Schulen wurden aber nie errichtet; der Krieg verhinderte dies.

2.3 Kinderlandverschickung

Im zweiten Kriegsjahr, 1940, wurde die sogenannte Kinderlandverschickung eingeführt. Kinder aus bombardierungsgefährdeten Städten wurden in ländlichen Regionen in Lagern untergebracht. Diese Lager sollten jeweils geleitet werden von einem Lehrer und einem HJ-Führer. Der Lehrer war für den Unterricht, der HJ-Führer für die gesamte restliche Gestaltung zuständig. Manchmal nahmen ganze Schulen inklusive Lehrer an einer solchen Kinderlandverschickung teil. Schon 1942 gab es 2000 Lager mit ca. 100000 Kindern und Jugendlichen.
In der Praxis wurde dieses Modell aber nicht immer beibehalten. Bei einer Kinderlandverschickung von 30 Solinger Kindern z.B. wurden diese in verschiedenen politisch konformen Familien untergebracht. Während der insgesamt sechs Wochen dauernden Durchführung gab es nur eine Veranstaltung, deren Besuch außerdem nicht vorgeschrieben war. Es handelte sich dabei um eine öffentliche Feier mit Folkloretänzen und einer Rede des Bürgermeisters zum Anlaß der Kinderlandverschickung.
Ein Betroffener berichtete später auf die Frage, womit die Jugendlichen denn die Zeit verbracht hätten, daß sie sich die meiste Zeit mit "Unfug" vertrieben hätten. So gab es z.B. die Möglichkeit, sich gegen Vorlage eines entsprechenden Papiers Anisschnaps und ähnliche Luxusartikel für die Versendung an Frontsoldaten aushändigen zu lassen. Ein beachtlicher Teil der Zeit wurde also von den Jugendlichen mit "Schnaps trinken" verbracht.[6]

3 pädagogische Inhalte und Organisation der HJ

Schon vor Kriegsbeginn wurden die Jugendlichen in der Hitlerjugend nicht nur auf die Lebensbedingungen während des Krieges sondern auch (mit einer Intensität, die nach Ausbruch des Krieges noch gesteigert wurde) auf ein späteres Leben als Soldat vorbereitet. Die Erziehung der Kinder und Jugendlichen war ganz und gar darauf ausgerichtet, in erster Linie nicht nur körperlich gesunde, sondern für heutige Verhältnisse geradezu gedrillte Personen zu erhalten, die sich für einen Späteren Einsatz als Soldat eigneten. Die geistige Ausbildung war im Gegensatz hierzu nahezu unwichtig.[7]
Die gesamte Struktur der Hitlerjugend war militärähnlich. Die Führer in der HJ wurden nicht, wie das beispielsweise bei den Bünden der Fall war, wegen ihres Charismas oder wegen besonderen Fähigkeiten anerkannt, sondern schlichtweg aufgrund ihres höheren Ranges. Aktionen wurden von oben nach unten über den Befehlsweg organisiert. Ein "guter" Charakter zeichnete sich vor allem durch Attribute wie Gehorsam, Treue und Härte aus. Schon im Jungvolk schworen die Jugendlichen dem Führer Treue. Das damalige Idealbild von einem guten Charakter kommt klar zum Ausdruck in den "Schwertworten der Hitlerjugend", die unter anderem auch bei der "Pimpfenprobe", die einen berechtigte, das begehrte Fahrtenmesser zu tragen, aufgesagt wurden: "Hitlerjungen sind hart, schweigsam und treu. Hitlerjungen sind Kameraden. Der Hitlerjungen höchstes ist die Ehre."[8] Diese Anschauung wurde sowohl von den Jugendlichen als auch von den z.B. als Eltern betroffenen Erwachsenen akzeptiert und aufgenommen. Niemand kam auf die Idee, ein solches Weltbild und Selbstverständnis in Frage zu stellen. - Die meisten Menschen, die die NSDAP wählten und ihr so an die Macht verhalfen, hatten die Erwartung, daß "etwas getan" werden mußte. Da kaum ein Durchschnittsbürger die wirtschaftlichen und politischen Mißstände genügend durchschaute und verstand um eine vernünftige Handlungsweise zur Beseitigung derselben zu erkennen und zu vertreten, wurden allgemein große Hoffnungen in "den Führer" gesetzt, in den "starken Mann", der ein einfaches Patentrezept zur Beseitigung aller Mißstände hatte.
Von diesem Patentrezept - dem Nationalsozialismus - gelang es Hitler mit seinen herausragenden rhetorischen Fähigkeiten immer wieder, seine Zuhörer in mitreißenden Reden zu überzeugen. Die Macht lag hier aber in erster Linie in seiner packenden Art, Reden zu halten und in seiner rhetorischen Gewandtheit und nicht in der Schlüssigkeit seiner Argumente (was nicht heißt, daß er keine hatte). Denn tatsächlich wurde niemand jemals durch Hitler über die tatsächlichen Ursachen und Zusammenhänge der wirtschaftlichen Krise in Deutschland aufgeklärt. Ob Hitler selbst diese Zusammenhänge verstand sei dahingestellt; es machte auch keinen Unterschied, denn das wichtigste an der miserablen Situation der Deutschen damals war für ihn, daß er sie für seine Zwecke ausnutzen konnte.
Die gesamte nationalsozialistische Philosophie, in der all das teils extrem radikale und menschenverachtende Handeln (und handeln lassen) der Partei begründet lag, hatte, und das wurde auch offen und mit viel Energie propagiert, ihren Ursprung in den Aussagen und der Weltvorstellung Hitlers[9]. Auf diese Weise berief sich auch der Allmachtsanspruch, den die Partei für sich beanspruchte nicht in erster Linie auf den Nationalsozialismus, sondern direkt auf Hitler, den ,Allmächtigen Führer` selbst. Nicht Hitler hatte Recht, weil er sich auf den Nationalsozialismus berief, sondern der Nationalsozialismus war recht, weil er sich auf Hitler berief.
Zu dem Führer wurde in Ehrfurcht aufgeschaut. Und jeder der mit dem Führer war, hatte teil an der "heiligen" (ein Wort das Hitler selbst gerne im Zusammenhang mit seinen Zielen gebrauchte) Macht und dem "heiligen" Kampf der Nazis (da der Kampf "heilig war, rechtfertigte auch der Zweck immer die Mittel). Diese Teilhabe an der Macht war um so größer, desto höher der politische Rang einer jeweiligen Person war.
Da das gesamte Machtgefüge von der Parteispitze bis zum Jungvolk auf Befehlsebene organisiert war, und Handlungsanweisungen und -pläne, die von oben vorgegeben wurden, für gewöhnlich strikt eingehalten wurden, konnte jeder, der für die Partei handelte für sich beanspruchen, quasi im Namen des Führers zu handeln, was denn auch getan wurde - desto weiter oben in der Hierarchie, desto mehr[10].
Aus einer Rückschau der HJ selbst stammen folgende Zeilen, die das militante Selbstverständnis und die bewußte Arbeit dieser Organisation für den Krieg zeigen:
"Alle Arbeit [der HJ] hatte nunmehr der Kriegführung zu dienen. Es kam nicht mehr darauf an, neue Ideen zu verwirklichen und die Planung auf immer weitere Aufgaben zu erstrecken, sondern es galt allein, den Stand der Arbeit zu halten und den Erfordernissen des Krieges gerecht zu werden. Der Krieg diktierte, was in der Jugendarbeit zu geschehen hatte."[11]
Sobald die Hitlerjungen das erforderliche Alter erreicht hatten, wurden sie zur Wehrmacht eingezogen und an die Front kommandiert. Dies war auch ganz in ihrem Sinne. Viele Hitlerjungen wollten in den Krieg und manch einer beantragte den "Notreifevermerk", einen Abitursersatz, um vorzeitig aus der Schule entlassen zu werden.[12]

3.1 Wehrertüchtigung

Um die soldatische Ausbildung der Jugendlichen möglichst perfekt durchführen zu können, verfügte die HJ über eigene "Wehrertüchtigungslager".
Die Wehrertüchtigungslager wurden von einem Hitlerjugendführer geführt. Sie waren so angelegt, daß die Wege von den, in der Regel "einfach und hart" gehaltenen, Unterkünften (oft wurden auch Unterkünfte des Reichsarbeitsdienstes verwendet) zu den jeweiligen Trainingsstätten möglichst kurz waren. Sportplatz, Schießplatz und teilweise auch Schwimmgelegenheiten standen hier zur Verfügung. Die Ausbildung verlief nicht so streng, wie in einer Kaserne, hatte aber militärische Inhalte und wurde auch von den Militärs als eine Art militärische Vorausbildung anerkannt: "Für den Dienst in der Rekrutenzeit ergeben sich durch die jugendgemäße Ausbildung im Wehrertüchtigungslager naturgemäß Entlastungen..."[13]
Als Ausbilder waren in den Wehrertüchtigungslagern meist genesende Unteroffiziere mit Fronterfahrung, aber auch Angehörige der Waffen-SS tätig. Hitlerjugend und Wehrmacht waren dort eng miteinander verzahnt.
Trainiert und gelehrt wurden außer Geländeübungen nach militärischen Schwerpunkten auch Sport, Schießdienst und weltanschauliche Schulung. Auch verschiedene Sonderausbildungen waren möglich, dazu gab es spezielle Ausbilder von Luftwaffe, Marine, vom Flugmelde- und Nachrichtendienst und mehr (natürlich waren derartige Angebote nur begrenzt vorhanden).
Der Grundsatz der Organisation auf Befehlsebene wurde natürlich auch und erst recht in den Wehrertüchtigungslagern praktiziert. Nicht nur auf direkter Ebene, was das Ausführen und die Gestaltung der verschiedenen Übungen anging, sondern auch auf der Metaebene, also in Bezug auf die Art der Übungen und den gesamten organisatorischen Ablauf. Hier gab es einen von "oben" vorgeschriebenen Dienstplan, der peinlich genau eingehalten wurde. Ausnahmen durften nur gemacht werden, wenn entweder die Wetterlage das Ausführen verhinderte (weil z.B. die Schwimmgelegenheit zugefroren war) oder die Ausbildungsmöglichkeiten einfach nicht vorhanden waren (weil z.B. keine Schwimmgelegenheit vorhanden war).
Auch hatte natürlich jedes Lager eine eigene "Lagerordnung" und einen Lagerwart, der für die Einhaltung der Lagerordnung zu sorgen hatte. Durch die Lagerordnung wurde in erster Linie der sogenannte "Innendienst" geregelt, d.h. Stubendienst, Schrankordnung, Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Verhalten beim gemeinsamen Mittagessen und so weiter. Zustände, die durchaus mit der heutigen Bundeswehr vergleichbar sind. Bei Verstößen wurde entsprechend hart durchgegriffen
Zu Abschluß des Trainings im Wehrertüchtigungslager konnten die Jugendlichen den "Kriegsausbildungsschein", in dem die Gelände- und die Schießfähigkeit beurteilt wurden, erwerben; ein Ziel, das in der Regel auch alle Teilnehmer erreichten. Außerdem gab es noch die Möglichkeit, Leistungsscheine und solche, die besondere (natürlich militärische) Fähigkeiten testieren, zu erlangen.

4 Einsatz der Hitlerjugend im zivilem Bereich

Häufig wurden Hitlerjungen zu landwirtschaftlichen Tätigkeiten eingesetzt. Teils in kurzfristigen Ernteeinsätzen, teils aber auch in ganzjährigen Praktika, welche die Eignung des Jugendlichen für landwirtschaftliche Tätigkeiten ermitteln sollten.
Allgemein wurde die Bedeutung und der Stellenwert der Landwirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland sehr hoch eingeschätzt. So berichtete die damals 17jährige Bauerntochter Erika Fehlenberg, daß sie aufgrund ihrer Tätigkeit am Hof Ihres Vaters nicht zu BDM-Aktionen herangezogen wurde.[14]
Weitere herausragende Tätigkeiten waren das Durchführen von Sammelaktionen, Botengängen und Kurierdiensten, besonders dann, wenn z.B. wegen eines Bombenangriffes das Telefonnetz nicht funktionierte, was von den Jugendlichen auch genutzt wurde, um sich einen Zuverdienst zu erwerben[15]. Außerdem wurden sie eingesetzt zur Mithilfe beim Roten Kreuz, bei der Post und bei anderen Behörden. Nach Bombenangriffen halfen Jugendliche aus der HJ, verschüttete Keller freizuschaufeln um die Eingeschlossenen zu bergen, und die Verletzten zu versorgen.
Die Arbeitskraft der wegen des Krieges fehlenden Männer wurde also so gut es ging durch die der Hitlerjugend ersetzt. Auf diese Weise trug die Hitlerjugend gegenüber der zivilen Bevölkerung sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene einen wesentlichen Teil dazu bei, den Krieg durchzustehen.

5 Einsatz der Hitlerjugend im militärischen Bereich

Mit zunehmendem Verlauf des Krieges wurden Jugendliche aus der Hitlerjugend zunehmend am Kriegsgeschehen beteiligt. Die Aufgabengebiete, die sie übernahmen wurden ständig erweitert. Je schlechter es im Krieg um Deutschland stand, desto mehr Schranken fielen, desto mehr, und desto gefährlichere Aufgaben bekamen sie zugeteilt. Sie wurden als Flakhelfer eingesetzt, arbeiteten in Schnellkommandos, als Nachrichtenhelfer und Meldegänger. Sie bedienten Suchscheinwerfer und später auch Flak-Geschütze.
Gegen Ende des Krieges, als die Front näher rückte und schließlich die Frontlinie innerhalb der Heimat verlief, hoben sie Schützengräben aus und errichteten Panzersperren. Zuletzt wurden sogar Hitlerjungen rekrutiert, auch wenn sie die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatten.

5.1 12. Panzerdivision Hitlerjugend

So wurde 1943 der Entschluß gefaßt, eine Hitlerjugend-Division innerhalb der Waffen-SS aufzustellen: Die 12. Panzerdivision Hitlerjugend. Bei der Ausbildung der Jungen dieser Division wurde mehr Wert auf Begeisterung und Fanatismus als auf militärischen Drill gelegt. Zwischen Vorgesetzten und Rekruten wurde ein betont kameradschaftliches Verhältnis gepflegt. Auch wurde Baldur von Schirachs Grundsatz "Jugend durch Jugend geführt" hier weitgehend eingehalten.
Ein Nachteil der Ausbildung war wegen dieses Grundsatzes und wegen der Opfer, die der Krieg forderte, daß es oft an erfahrenen Führern für die Ausbildung der Jugendliche fehlte. Trotzdem erwies sich das neue Ausbildungskonzept als Erfolgsrezept: "Beim ersten Einsatz schossen die Hitlerjungen 28 kanadische Panzer ab, bei lediglich sechs eigenen Verlusten"[16]

5.2 Erlebnisse eines Zeitzeugen

1943 wurde Werner Fehlenberg mit 15 Jahren in die Hitlerjugend aufgenommen, er machte gerade eine Lehre als Schlosser bei den Stadtwerken. Er ging nur unregelmäßig zur HJ und wurde deshalb regelmäßig auf der Arbeit von einem anderen Lehrling als Bolschewist beschimpft.
1944 wurde er für 6 Wochen eingezogen in ein Wehrertüchtigungslager. Die Ausbildung dort enthielt Tarnunterricht und Feldübungen, Kartenlesen, Geländebeschreibungen. Der Dienst war auch für HJ-Verhältnisse ungewohnt militärisch organisiert. Dienst war sieben Tage in der Woche. Den ersten Sonntag, als früh morgens zum Appell gerufen wurde, schrie er aus dem Fenster "Leck mich am Arsch" und legte sich wieder ins Bett. Kurz danach mußten sich alle in einer Reihe aufstellen: "Wer war das?" Von den anderen Kameraden verriet ihn niemand. Als dann gedroht wurde, einfach alle Jugendlichen für den Ausruf zu bestrafen meldete er sich und wurde zum Lagerleiter gebracht. "Schleifen Sie den mal ordentlich" war dessen Anordnung. Später gab es dann keine Zwischenfälle mehr.
Nach Beendigung der Wehrertüchtigung kam er wieder zurück nach Solingen: Schlosserlehre, Berufsschule und HJ.
Einige Zeit später im selben Jahr bekam er einen Brief nach Hause: "Melden zum Schanzen". Der zu dieser Zeit 16jährige Werner Fehlenberg wurde zusammen mit anderen Jugendlichen in seinem Alter in einem alten Gebäude untergebracht und mußte Schützen- und Panzergräben ausheben.
Der Einsatz dauerte mehrere Wochen, gearbeitet wurde sieben Tage die Woche jeweils von 8 bis 18 Uhr. Sie wurden regelmäßig von Tieffliegern beschossen, deshalb bekamen sie etwa eine Woche nach Beginn des Einsatzes Unterstützung durch ein Flak-Geschütz. Als dann während eines Angriffes auf die Jungen ein Tiefflieger abgeschossen wurde und der Pilot sich mit dem Schleudersitz retten konnte stürmten sie mit Spaten, Schaufel und Hacke auf die Landestelle des Piloten zu um Rache an ihm zu nehmen und ihn zu lynchen. Männer der Wehrmacht kamen ihnen zuvor: Der Mann wurde verhört und dann erschossen. Im Anschluß daran ging seine Lehre weiter "als wenn nichts gewesen wäre".
Am 5. November 1944 wurde Solingen bombardiert. Werner hatte sich inzwischen zum Schnellkommando[17] gemeldet, wodurch er sich ein wenig Geld nebenher verdiente. Obwohl er gerade keinen Dienst hatte, machte sich zusammen mit einem Freund auf den Weg, bei seiner Lehrstelle nach dem Rechten zu schauen. Mehrere Spreng-. und Brandbomben hatten eingeschlagen und Teile des Gebäudes brannten. Werner ging in die Werkstatt, die auch schon teilweise brannte und brachte Werkzeug nach draußen, bis das Feuer die große Acetylengasflasche erreicht hatte, die dann wenig später explodierte. Werkzeug war zu der Zeit sehr knapp und wertvoll.
Am ersten Januar 1945 wurde Solingen erneut bombardiert. Auch das eigene Haus wurde beschädigt; die Fenster wurden zerstört, Türen herausgerissen und der Putz kam von der Decke. Am gleichen Tag wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Werner war zu dieser Zeit 16 Jahre alt. Sein Vater wollte den Stellungsbefehl auf einen späteren Zeitpunkt verschieben lassen, der Junge hätte ihm beim Wiederinstandsetzen des Hauses helfen sollen. Werner wollte aber nicht. Er war froh, mal von zu Hause weg zu kommen.
Zusammen mit anderen Jugendlichen fuhr er dann in einem Sonderzug zur polnischen Grenze, wo er eine vormilitärische Ausbildung erhielt. Sein Sprachfehler - er stotterte manchmal - fiel dort unangenehm auf. So was paßte nicht zu einem Deutschen. Er versuchte diesen Makel auszugleichen durch besonders zackiges Auftreten, was ihm auch gelang: Während der ersten Woche im Lager wurde Werner von seinen Kameraden als Gruppenführer vorgeschlagen.
In der dritten Woche machten die Jungen Schießübungen - mit "holländischen Gewehren". Dann mußte das Lager geräumt werden, weil russische Panzer anrückten.
Werner hatte in dem Lager einen Freund gefunden: Johann. Johann war Holländer und soweit es sich einrichten ließ verbrachten die beiden ihre Zeit zusammen.
Nach der Räumung wurden die Jungen nach Forst Eulow verlegt, wo sie Schützengräben aushoben und danach nach Cottbus. Das am Stadtrand gelegene Gebäude in Cottbus war mit den ca. 100 Jungen hoffnungslos überfüllt. Die Jugendlichen schliefen auf den Gängen und wer mal "mußte", ging dazu nachts vors Haus.
In der Nacht war Fliegeralarm "Alles Raus!". In nächster Nähe schlug eine Bombe in die Erde, explodierte aber nicht sofort. Werner schmiß sich flach auf die Erde. Die Druckwelle der Explosion drückte ihn gegen den Boden, dann lief er in den Bombentrichter um sich zu schützen. In dem Trichter lag schon ein anderer Junge. Der Junge konnte sich kaum bewegen und hatte eine blutende Wunde am Kopf; er stammelte etwas wie "Hilf mir". Werner sah, daß der Junge sterben würde. Als der Angriff vorüber war suchte er nach seinem Freund Johann. Er fand ihn tot im angrenzenden Wald.
Im Rahmen eines Rückzuges werden die Jugendlichen nach Fürstenwalde verlegt. Sie müssen die Strecke zu Fuß laufen und alles nötige muß getragen werden. Viele weigern sich zunächst, die Waffen zu tragen, nach kurzer Zeit hat sich dann aber aller Widerstand gelegt. Werner trägt eine Panzerfaust.
In Fürstenwalde wurden die Toten begraben, dann ging es mit dem Zug in ein Lager südlich von Osnabrück - nahe an der Westfront. Das Lager bestand aus mehreren Baracken. Es war eingezäunt und der einzige Ein- und Ausgang war ein bewachtes Tor. Die Jugendlichen konnten ein- und ausgehen, mußten aber dazu die richtige Parole wissen. Als Fliegeralarm war mußten die Jugendlichen in den Wald flüchten. Als Werner das Lager wieder betrat, wollte der Feldmeister ihn erschießen, weil er die Parole vergessen hatte. Ein Vorgesetzter verhinderte die Erschießung rechtzeitig.
Schließlich wurde das Lager aufgelöst. Werner wurde vor die Entscheidung gestellt, ob er nach Wittenberge zu den Pionieren oder Nach Hamburg zur SS verlegt wird. Er wollte nicht an die Front und entschied sich für die SS. Schließlich wurde er als für die SS nicht tauglich befunden und landete doch bei den Pionieren an der Westfront.
Er erhielt eine militärische Ausbildung im Schnelldurchgang: Sprengen, Mienen, provisorische Brücken bauen. Dann mußte er bei Wittenberge gegen amerikanische Panzer an die Front. Die Amerikaner waren in der absoluten Übermacht. Werners Spieß griff im Alleingang amerikanische Panzer an und bekam ein Bein abgefahren. Dann zogen sie sich nach Osten über die Elbe zurück und gruben sich Unterstände in den Elbdamm. Ununterbrochen wurden sie dort mit Granaten beschossen.
Werner wurde dann mit seiner Einheit südlich nach Havelberg verlegt. Dort sah er, wie der Bürgermeister und ein Arzt aus dem Ort exekutiert wurden. Sie mußten sich auf einen Misthaufen stellen und wurden dann erschossen. Die beiden hatten deutsche Panzersperren entfernt. Jedem war klar, das Deutschland den Krieg verloren hatte. Während sie noch an der "Westfront" mit den Amerikanern kämpften, waren die Russen im Osten mittlerweile keine zehn Kilometer mehr entfernt. Die SS-Leute zogen sich Wehrmachtskleider an. Ein Verpflegungslager wurde gesprengt. Werner deckte sich vorher noch schnell mit Schnaps, Wurst und einem Paar passenden Stiefeln der SS ein. Eine Brücke über die Elbe wurde gesprengt. Wenig später hörte er den Feldwebel rufen: "Rette sich wer kann!". Die meisten Menschen suchten in Wassergräben Deckung, versuchten durch den Graben zum Fluß zu gelangen um den Russen zu entkommen. Alle hatten angst vor den Russen und wollten irgendwie über die Elbe zu den Amerikanern gelangen. Werner lief übers freie Feld im Zickzack auf die Elbe zu. Mehrere Granaten schlugen in unmittelbarer Nähe ein. Hinter sich hörte er die Schreie einer Gruppe Frauen. Wahrscheinlich waren sie im Graben von Granaten getroffen worden. Am Elbufer haben mehrere Männer mit einem Boot auf ihn gewartet. Mit ihnen zusammen setzte er über zu den Amerikanern wo er dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft genommen wurde.


[1] Vgl. Margarete Hannsmann: "Der helle Tag bricht an" S. 247
[2] Margarete Hannsmann: "Der helle Tag bricht an" S. 55
[3] Adolf Hitler: "Mein Kampf" S. 452
[4] Vgl. Erich Loest: "Durch die Erde ein Riß" S. 51
[5] Eine genauere Beschreibung und weitere Literaturverweise hierzu finden sich in Schubert-Weller: "Hitlerjugend" S. 208, ff
[6] Informationen aus persönlichem Gespräch mit Werner Fehlenberg.
[7] Vgl. Hitler "Mein Kampf" S. 452
[8] Beschreibung der Pimpfenprobe in Erich Loest: "Durch die Erde ein Riß", S.17
[9] Teilweise hat Hitler selbst Standpunkte und Anschauungen von anderen Personen übernommen; so war z.B. schon vorher ein latenter Antisemitismus in der Bevölkerung vorhanden. Das ist in diesem Zusammenhang allerdings unwesentlich.
[10] Vgl. "Die Nazis" Folge 2, eine BBC-Reportage.
[11] Das Junge Deutschland 37 (1934), H. 1, S.41
[12] Siehe auch Erich Loest: "Durch die Erde ein Riß", S.49
[13] Das Junge Deutschland 37 (1934), H.3, S.69
[14] Informationen aus persönlichem Gespräch.
[15] Informationen aus persönlichem Gespräch mit Werner Fehlenberg.
[16] in Schubert-Weller: "Hitlerjugend" S. 211
[17] Das Schnellkommando war nach Bombenangriffen für die Schadensbegrenzung an öffentlichen Einrichtungen und für Botengänge, bei ausgefallenem Telefonnetz zuständig