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Gliederungsübersicht:
Einleitung

1 Rekonstruktion: Der Sinn der Geschichte und seine praktische Verwirklichung

1.1 Die Frage nach dem Sinn der Geschichte und die Hypothese des Glaubens
1.2 Die praktische Verwirklichung des Sinns und ihre Grenze

2 Theorie und Praxis im Zusammenhang der Geschichte

2.1 Fragen an die Theorie-Praxis-Dialektik
2.2 Zusammenfassung und Schlußbemerkung: Orientierungs- und Handlungswissen

Literaturverzeichnis

Einleitung
Die Rezeptionslage des Themas "Heilsgeschichte" innerhalb der Theologie läßt vermuten, daß die Diskussion um diese Frage etwas verebbt ist[1]. Dennoch könnte es abgesehen davon, daß die faktische Diskussionslage dem Stellenwert eines Themas nicht immer entspricht, bei E. Schillebeeckx einen weiteren Grund geben, die Frage noch einmal aufzugreifen: als Zusammenhang, in den sich die Problematik des Verhältnisses von Theorie und Praxis einordnen läßt - ein Verhältnis, das auch in der Theologie zum Dauerproblem geworden sein dürfte[2].
Unsere Überlegungen nehmen dabei den Weg vom Allgemeinen zum Konkreten: Zunächst wird der Ansatz von E. Schillebeeckx bezüglich der Frage nach dem Sinn der Geschichte und der Rolle des christlichen Glaubens dargestellt (1.1) und die Rolle der praktischen Umsetzung dieses Sinns erörtert (1.2). In einem zweiten Schritt wird dann die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis im Zusammenhang der Geschichte noch einmal aufgegriffen und problematisiert (2.1). Die Arbeit schließt mit einigen kritischen Fragen und einem Vorschlag für einen Beschreibungsansatz der Funktion von Theorie in der Theologie (2.2) - der allerdings in dem hier gesteckten Rahmen eine Andeutung bleiben muß.

1 Rekonstruktion: Der Sinn der Geschichte und seine praktische Verwirklichung

1.1 Die Frage nach dem Sinn der Geschichte und die Hypothese des Glaubens

Nach Schillebeeckx ist die Frage nach dem universalen Sinn der Geschichte zwingend mit der Frage nach der Wirklichkeit gegeben. Aber ebenso zwingend ist im Bereich der theoretischen Vernunft keine schlüssige Antwort möglich, z.B. im Sinne einer Universalgeschichte.
"Die Frage nach universalem Sinn ist nicht nur von menschlichem Denken, sondern auch von der geschichtlichen Wirklichkeit selbst her als Frage rational genauso unvermeidlich wie unlösbar"[3].
Schillebeeckx behauptet damit keineswegs die totale Sinnlosigkeit der Geschichte, aber ihre Ambiguität in der Mischung von Sinn und Unsinn, Freude und Leid, die sich nicht universalhistorisch strukturieren läßt, ohne daß man einen Großteil als "Abfall"[4] ausscheiden muß.
Jedoch wendet sich Schillebeeckx nicht nur gegen diesen "hegelianischen Einheitstyp" von Geschichte, sondern ebenso gegen den sich nahelegenden Gegentyp der "pluralistischen Geschichte"[5]. In beiden gibt es schließlich keine reale Geschichte mehr: der "Einheitstyp" verkürzt sie durch eine selektive Schematisierung, der "pluralistische Typ" zersplittert sie in die Zusammenhanglosigkeit einer Sammlung von Einzelteilen. Sowohl "Logik" als auch "reine Faktizität" zerstören reale Geschichte[6].
Dennoch bleibt diese Frage unausweichlich. Denn der Sinn jedes historischen Geschehens wäre erst von einem Gesamtsinn her verständlich. Da nun theoretisch dieser Sinn nicht gefunden werden kann, begibt sich Schillebeeckx für die Beantwortung der Frage auf die Ebene der Praxis:
Von den verschiedenen, positiven wie negativen Erfahrungen, die wir machen, spielen die eine besondere Rolle, die Schillebeeckx "negative Kontrasterfahrungen" nennt. Sie verhindern theoretisch ein geschlossenes System der Geschichte, bewirken aber praktisch Empörung und Anstoß zur Änderung der Verhältnisse. Diese Empörung über die faktische Geschichte mit Unsinn und Leiden und die Weigerung, sich damit abzufinden, sowie andererseits fragmentarische Erfahrungen einer menschlicheren Welt sind eine allen Menschen gemeinsame Erfahrungsbasis, vorgängig zu allen Glaubensbekenntnissen, und für Schillebeeckx deswegen auch "die Basis einer Solidarität aller mit allen"[7].
Für Christen ist jedoch die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht auf die Kraft einer menschlichen Empörung beschränkt: Sie glauben, daß Jesus von Nazaret mit seinem Leben, Sterben und seiner Auferstehung[8] eine neue Lesart unserer Geschichte angeboten und das Reich Gottes in seinem Lebensweg antizipiert hat. Wiederum zeigt sich hier die nicht theoretische, sondern praktische Vermittlung von Sinn und damit die Notwendigkeit, daß die Christen vor allem in einer befreienden Praxis dem Beispiel Jesu folgen; denn die Vermittlung zwischen dem historischen Jesus und der Gegenwart bildet die Lebenspraxis:
"Das rechtgläubige Bekenntnis ist nur der Ausdruck wahrhaft christlichen Lebens als 'memoria Jesu'. Getrennt von der Praxis konform dem Reich Gottes ist das christliche Bekenntnis ungefährlich und von vornherein 'unglaubwürdig'"[9].
Schillebeeckx sieht eine Vergleichbarkeit der Behauptung, daß das Heilshandeln Gottes in der Geschichte in Jesus sichtbar geworden sei, zu wissenschaftlichen Hypothesen. Zwar ist dieser Glaubenssatz nicht eindeutig überprüfbar wie naturwissenschaftliche, experimentell zumindest falsifizierbare Sätze. Aber damit er rational nachvollzogen werden kann, muß es dennoch Verbindungen zur menschlichen Erfahrung eben: "Es muß eine Methode geben, mit der festgestellt werden kann, ob die Hypothese eine Stütze in unserer Erfahrung findet und ob sie darin für alle Zukunft eröffnet"[10].
Gott als die höchste, umfassende Wirklichkeit müßte sich demnach in unserer gesamten Wirklichkeit finden und somit die Hypothese des Theologen an der historischen Erfahrung bewahrheiten lassen.
"Es müssen also 'in der Welt' Stellen vorhanden sein, an denen das religiöse Reden von Gott sinnvoll und auch für andere verständlich entsteht, gleichsam 'aufweisbar', wenn auch nicht beweisbar: Die anderen müssen auch in die Richtung schauen, die man als an Gott glaubender Mensch aufzeigt"[11].
Diese zwar nicht beweisbare, aber erfahrbare Basis des Sprechen von Gottes Handeln in der Geschichte findet sich in den sogenannten "disclosure"-Erfahrungen. Dabei handelt es sich um historische Erfahrungen, die erst in der Interpretation zu disclosure-Erfahrungen werden, d.h. Erfahrungen, in denen sich das Handeln Gottes "aufschließt"[12]. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, als könnten wir die Erfahrung "an sich" von ihren interpretativen Elementen isolieren. Eben weil eine solche Trennung nicht möglich ist, weil wir Erfahrungen nie als bloße, uninterpretierte Wahrnehmung haben, wird "derselbe"[13] Sachverhalt möglicherweise nur für einige Menschen zur "disclosure"-Erfahrung:
"Der Zugangsweg ... gabelt sich dort, wo in dieser Wahrnehmung für manche eine 'disclosure' stattfindet und wir in der säkularen Besonderheit von Mensch und Welt eine Bresche und eine Tiefendimension wahrnehmen, in denen wir die Spuren ihres 'Von-Gott-Seins' erfahren"[14].
Der Grund dafür, daß solche Erfahrungen nicht eindeutig gemacht oder interpretiert und damit "bewiesen" werden können, liegt letztlich an der Art des göttlichen Handelns. Schillebeeckx betont, daß das Handeln Gottes transzendent ist, d.h. in historischen Kategorien nicht meßbar; gleichzeitig ist es immanent, sonst gäbe es überhaupt keinen Zusammenhang Gottes mit der Welt, aber "diese Immanenz ist kein Glied im Ganzen der weltlich-historischen Faktoren"[15]. Die Heilsgeschichte kann also zur Profangeschichte nicht hinzuaddiert werden, denn beide beziehen sich auf dasselbe "profane" Geschehen, aber auf verschiedenen, nicht aufeinander reduzierbaren Ebenen.
Heils- und Profangeschichte sind "koextensiv", d.h. es gibt keinen "ausgesparten Bereich" der Heilsgeschichte[16]. Sie existiert auch nicht nur innerhalb der Religionen, sondern das Heilshandeln Gottes ist die Profangeschichte, aber unter einem bestimmten Aspekt: dem des Glaubens[17]. So sprechen Glaube und historische Wissenschaft über dieselbe Wirklichkeit, aber sie tun es in verschiedenen Sprachen; eine "dritte Sprache", die beide umgreifen könnte, gibt es dabei nicht[18]. Aufgrund dieser doppelten Möglichkeit der historisch-wissenschaftlichen wie gläubigen Wirklichkeitsinterpretation kann Schillebeeckx Religion als "ein Reden 'in der zweiten Ordnung'"[19] bezeichnen.
Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß der Sinn der Geschichte mit dem Erscheinen Jesu endgültig und für alle sichtbar offenbar und damit auch ihr Ziel eindeutig geworden wäre. Die Geschichte bleibt weiterhin offen, denn
"der universale Horizont, in dem Frage und Antwort nach Jesus von Nazaret für alle zugänglich werden, ist die sehr konkrete Frage nach dem Humanum, eine Frage, auf die mit keiner absoluten Lehre (auch nicht des Christentums) dadurch geantwortet werden kann, daß man vorausgreift (sie läßt sich nur auf dem Weg suchender und in hohem Maße empirischer Initiativen beantworten. Aber ob dies dem Menschen gelingen wird, ist nirgends in unserer Geschichte eingeschrieben)"[20].
Ebenso bedeutet es nicht, daß nur die christliche Interpretation eine Perspektive auf den Sinn der Geschichte hin eröffnet: Der Terminus "Offenbarungsgeschichte" scheint bei Schillebeeckx nicht allein auf das Christentum bezogen zu sein, sondern ihm zufolge sind
"Religionen als Bewegungen entstanden, in denen die interpretative Erfahrung hinsichtlich des Heils gemacht wird, das Gott fortwährend in dieser Welt vollbringt. ... Heilsgeschichte ist also nicht dasselbe wie Offenbarungsgeschichte; in dieser letzteren kommt die Heilsgeschichte zu einer bewußten und artikulierten Glaubeserfahrung [sic]"[21]
- somit in den Religionen insgesamt, nicht nur im Christentum.
Aufgrund der Spannung zwischen diesem (nicht nur "propädeutischen") Eigenwert anderer Religionen[22] einerseits und der Universalität Jesu, die Schillebeeckx nicht aufgibt, andererseits ist die befreiende Praxis - im Unterschied zu den differierenden Glaubensinhalten - sogar der zentrale Inhalt christlicher Mission:
"Statt des früheren Gegensatzes: 'das Licht' des Christentums gegenüber der 'Finsternis' der heidnischen Religionen, wird man sich heute des Konflikts zwischen 'Reich Gottes' und dem, was die Bibel 'diese Welt nennt' [sic], bewußt, das heißt der von Gott gut erschaffenen Welt, in die Menschen Unrecht und Sünde gebracht haben. Hier liegt der Ansatz für alle Missionierung. Die aktive Präsenz der christlichen Kirche an der Front dieser Konflikte ist die primäre missionarische Tat. Man zeigt das Evangelium mit Hilfe seiner befreienden Früchte für den Menschen"[23].

1.2 Die praktische Verwirklichung des Sinns und ihre Grenze
Angesichts der Unmöglichkeit, den Sinn der Geschichte theoretisch zu finden, und des Vorbilds der befreienden Praxis Jesu sind die Christen aufgerufen, an einer praktischen Sinngebung der Geschichte mitzuarbeiten.
In diesem Zusammenhang greift Schillebeeckx Grundgedanken der "Kritischen Theorie" auf, insbesondere in ihrer Entfaltung durch Jürgen Habermas[24]:
In seiner programmatischen Frankfurter Antrittsrede "Erkenntnis und Interesse" (1965) hat Habermas darauf hingewiesen, daß eine Handlungsorientierung gerade von reiner Theorie (wie sie noch Husserl angenommen hatte) außerhalb der antiken Kosmologien und der Ontologie nicht mehr gegeben sei. Denn eine solche Beziehung könne nur angenommen werden, wenn Praxis sich als Einfügung in die erkannten objektiven Weltzusammenhänge verstehe. Dem setzt Habermas sein Konzept der "erkenntnisleitenden Interessen" entgegen. Diese Interessen stehen ihm zufolge immer im Hintergrund theoretischer Beschäftigung, werden jedoch zumeist objektivistisch verschleiert. Ihre Aufdeckung entlarvt nicht nur den objektivistischen Schein, sondern ermöglicht auch die "Einsicht, daß die Wahrheit von Aussagen in letzter Instanz an die Intention des wahren Lebens gebunden ist"[25]. Diese Einsicht greift Schillebeeckx in unserem Zusammenhang auf, wenn er formuliert, daß universale Wahrheit nur heißen kann, daß sie für alle Menschen gilt, "so daß Wahrheit nicht nur eine primäre Beziehung zur Wirklichkeit einschließt, sondern auch eine Beziehung zu Subjekten. Wahrheit ist auch auf universalen Konsens hingeordnet"[26].
Das wichtigste Erkenntnisinteresse richtet sich dabei Habermas zufolge auf Emanzipation. Nur über dieses emanzipatorische Erkenntnisinteresse, das im Rahmen der Gesellschaft eine ähnliche Funktion einnehmen soll wie die Psychoanalyse für das Individuum, können die Herrschafts- und Gewaltstrukturen aufgedeckt und der Mensch zum Subjekt der Geschichte werden[27].
Dabei versteht sich die Kritische Theorie als rein negativ, d.h. ihr Ziel ist diese Befreiung des Menschen und der Gesellschaft aus Macht- und Unmündigkeitsverhältnissen; die Frage, worin nun das positive Ziel der so befreiten menschlichen Geschichte bestehe, will sie nicht beantworten. Hier übt Schillebeeckx in einer doppelten Weise Kritik[28]:
Zum einen gibt er zu bedenken, daß ein solches radikales "Nein" seinerseits zu neuen Formen der Entfremdung führen kann[29]. Deswegen ist für ihn ein "positiver Sinnhorizont"[30] unerläßlich, wenn auch dessen Thematisierung, wie wir oben sahen, irreduzibel plural ist.
Der christliche Glaube spricht im Blick auf das Ziel einer solchen Praxis zwar von einem definitiven, eschatologischen Heil. Aber dieses Heil ist jetzt nur gegeben in der Verheißung, die einzelne, fragmentarische Heilserfahrungen darstellen. Deshalb ist die "einzige glaubwürdige Exegese oder Interpretation" dieser eschatologischen Hoffnung die Praxis der Glaubenden, die sie zu realisieren versuchen[31]. Diese Realisierung kann sich dabei nicht auf eine durch den Glauben positiv vorgegebene Gestalt dieses "Endsinnes" stützen: "Was dieser Endsinn genau bedeutet, ist uns nicht mitgeteilt worden, es sei denn in negativen, evozierenden Symbolen: ein Reich ohne Tränen, ohne Elend oder Entfremdung."[32].
An diesem Punkt setzt die zweite kritische Bemerkung von Schillebeeckx gegenüber der Kritsichen Theorie ein: Diese ist insofern unvollständig, als ihre Utopie einer durch das emanzipatorische Erkenntnisinteresse befreiten Gesellschaft sich rein menschlicher Mittel bedient - für Schillebeeckx ein überschätzender "Optimismus der Vernunft"[33]. Stattdessen bleibt vielmehr bei allen Bemühungen um eine menschlichere Welt ein Rest an Leiden, der nicht überwindbar ist und nicht nur alle Geschichtstheorien, sondern auch alle rein auf den Menschen gebauten Utopien verunmöglicht:
"Übel und Leiden sind der dunkle Fleck in unserer Geschichte, den kein Mensch lösbar erhellen kann und den wir ebensowenig mit einer Theodizee versöhnen oder jemals mit Gesellschaftskritk und daraus hervorgehender Praxis auswischen können (wie nötig diese auch sind)"[34].
Befreiende Praxis ist also nötig und (im Gegensatz zu theoretisch-universalhistorischen Sinnentwürfen) sinnvoll, aber nicht ausreichend, denn eine solche Praxis ist stets nur fragmentarisch. Das Leid und das Unrecht sind nicht allein durch menschliche Praxis vollständig aufhebbar, spätestens der Tod jedes Menschen zerreißt wieder den mühsam gesponnenen "Faden der Geschichte"[35]. Die Behauptung, menschliche Praxis allein genüge zur Verwirklichung dieser Utopie, hat für Schillebeeckx deshalb den Status einer kritisch zu hinterfragende Ideologie: "Daß ein weltlicher Faktor Herr und Meister menschlichen Gesamtheils sein will, ist daher der Beginn der Tyrannei"[36]. Gegenüber den rein innerweltichen Sinn-Utopien wird der christliche Gottesglaube dadurch zur kritischen Instanz[37].
An dieser Grenze menschlicher Möglichkeiten bietet sich ein Ansatzpunkt für die Frage nach dem Heil von Gott her: "Allein absolute Freiheit, die zugleich schöpferische Liebe ist, scheint imstande zu sein, universale Versöhnung zu bewirken"[38].
Ebenso gibt es nur im Rahmen des christlichen Glaubens die Möglichkeit, auch tatsächlich sinnlosen, absurden Situationen noch Sinn abzugewinnen durch den "mystischen Widerstand des Kreuzesopfers"[39]. Antizipiert ist dies in der Leidensgeschichte Jesu:
"Geschichtlich besiegt werden, leiden, erhält in dieser Lebensgeschichte eine eigene kognitive, aber theoretisch nicht einzuordnende Bedeutung und Kraft für die Menschheit bei ihrem langen Weg auf der Suche nach Wahrheit und Gutheit, nach Gerechtigkeit und Sinn"[40].
Nur in der Orientierung an der Lebenspraxis Jesu, und damit an dem, was Schillebeeckx die "pathische Praxis"[41] nennt, hat auch das Leiden unter den ungerechten Verhältnissen noch befreienden Wert. (Das bedeutet freilich nicht, daß Leiden an sich etwas Gutes sei, sondern es handelt sich immer um das Leiden solidarisch mit den Leidenden.)
Solche negativen Kontrasterfahrungen haben nach Schillebeeckx einen kritischen Erkenntniswert gegenüber den beiden Grundformen rein technischen Herrschaftswissens und rein kontemplativ-spielerischer Erkenntnis[42]. Gleichzeitig verbindet die Erfahrung des Leidens die beiden Erkenntnisformen, und vielleicht nur sie, indem sie Elemente beider enthält: als "Widerfahrnis" ist sie kontemplativer Erkenntnis ähnlich, durch den in ihr enthaltenen Veränderungsimpuls der technisch-praktischen. Dabei wird in solchen negativen Kontrasterfahrungen Schillebeeckx zufolge gerade in seinem Fehlen Sinn - wenn auch vage - miterlebt[43]. Aber erst der Glaube an Jesus macht es möglich, Leid und Heil derart zusammen zu denken und zu bejahen.
Es dürfte deutlich geworden sein, daß Schillebeeckx davon ausgeht, daß das "Humanum", das eigentlich alle Menschen vorgängig zu Glaubensbekenntnissen suchen und das im Prinzip auch nicht an eine Religion gekoppelt ist, faktisch ohne den Glauben an Gott und die daraus resultierende Kraft des Leidens völlig utopisch zu werden droht:
"Der an Gott glaubende Mensch sieht im Glauben an das Recht des Gerechten und Guten vor allem Unrecht eine Erfahrung des Meta-Humanen (denn Menschen können es in ihrer Geschichte offensichtlich nicht aufbringen): eine Erfahrung der absoluten Gegenwart der reinen Positivität Gottes bei dem historischen Gemisch von Sinn und Unsinn, welches das Phänomen 'Mensch' und seine Geschichte heißt"[44].
Diese Sonderrolle der "pathischen Praxis"[45 ] ist auch bedeutsam für die Lösung der Theorie-Praxis-Problematik, die Schillebeeckx anbietet.

2 Theorie und Praxis im Zusammenhang der Geschichte

2.1 Fragen an die Theorie-Praxis-Dialektik
"Die eigentliche hermeneutische Grundfrage der Theologie ist daher nicht so sehr die Frage nach dem Verhältnis zwischen Vergangenheit (Schrift, Tradition) und Gegenwart, sondern zwischen Theorie und Praxis"[46].
Die Frage nach Theorie und Praxis, so überraschend sie hier im Zusammenhang der Frage nach dem Sinn der Geschichte auftaucht, ist, wie das Zitat noch einmal ausdrücklich zu belegen versucht, keine von außen an die Schillebeeckxsche Theorie herangetragene Problemstellung. Vielmehr handelt es sich um eine Spannung, die sein gesamtes Werk durchzieht und ihn auch im Rahmen der theologischen Landschaft in eine gewisse Kontroverse stellt: Während er seinem Anliegen nach die Praxisferne traditioneller Theologie überwindet[47], wird ihm andererseits z.B. von Metz eine "idealistische" Konzeption von Christologie und damit auch ein "undialektisches Verhältnis von Theorie und Praxis" vorgeworfen[48].
Dabei ist unverkennbar, daß Schillebeeckx dieses Thema selbst nicht rein "theoretisch" behandelt in dem Sinn, daß er immer eine nüchtern abgewogene Darstellung brächte. Oft haben seine Texte einen appellativen Unterton. Das sollte m.E. jedoch nicht zu einer Abschwächung der Thesen des Autors verführen[49].
Zumindest für unseren Zusammenhang der Geschichtsbetrachtung kann man mit einigem Recht von einem "Primat der Praxis"[50] sprechen. Die Spannung zwischen Theorie und Praxis wird in aller Schärfe ersichtlich aus dem Gedanken, daß der Sinn der Geschichte theoretisch nicht zu erheben ist, weil der Unsinn und das Leid sich nicht ausmerzen oder in einen umfassenden Sinn integrieren lassen, einerseits, und der Aufforderung zu einer praktischen Verwirklichung eben dieses Sinnes andererseits.
Hier ist allerdings eine erste Nachfrage zum Begriffspaar "Theorie - Praxis" notwendig, denn an einer einschlägigen Stelle spricht Schillebeeckx durchaus nicht von "Theorie" und "Praxis", sondern von "theoretischer" und "praktischer" Vernunft[51]. Im weiteren drängt sich jedoch m.E. der Verdacht auf, daß auch hier, wie es der sonstige Sprachgebrauch nahelegt, Theorie und (reflektierte) Praxis gemeint sind, daß Schillebeeckx "theoretische Vernunft" mit "Theorie" gleichsetzt (gar "theoretisch" mit "rational"?[52]). Wohl stellt er die klassische Frage der praktischen Vernunft: "Was sollen wir tun?", aber die Antwort darauf stammt zumindest ihrem Anspruch nach nicht aus den (doch wohl theoretisch zu nennenden) Überlegungen einer kantischen "praktischen Vernunft", sondern zunächst aus der Praxis selbst, deren Reflexion den zweiten Schritt darstellt und die wieder in die Praxis zurückführt[53]. Angesichts der Beteuerungen, daß der Geschichte theoretisch kein Sinn abzuringen sei, stellt sich dann jedoch die Frage, ob eine Praxis, die von einem solchen Sinn ausgeht, "emanzipatorisch" und befreiend genannt werden kann, oder ob es sich nicht eher um ein nur schwer begründbares trotziges "Dennoch" handelt.
Allerdings ist auch die "praktische Lösung" des Problems von Unsinn und Leid in der Geschichte nur eine vorläufige. Schillebeeckx´ Kritik an der Utopie der "Kritischen Theorie" zeigt unverkennbar, daß auch in der befreienden menschlichen Praxis der endgültige Sinn der Geschichte nur fragmentarisch verwirklicht wird - genauer: daß überhaupt nur immerhin fragmentarisch Sinn verwirklicht werden kann, weil der endgültige, der Gesamtsinn, an dem aller geschichtliche Sinn partizipiert, keiner rein menschlichen Verwirklichung zugänglich und nur als Verheißung sichtbar geworden ist: in Jesus Christus, und zwar sowohl in seiner Lebenspraxis als auch in seinem Leiden und Sterben (und seiner Bestätigung durch Gott in seiner Auferweckung, die erst die Besonderheit dieses Sterbens offenbart und es aus der reinen Negativität des Scheiterns heraushebt[54]). Letztlich steht somit auch die praktische Verwirklichung von Sinn unter dem eschatologischen Vorbehalt[55].
Schillebeeckx geht jedoch noch weiter. Der Primat der Praxis zeigt sich nicht nur darin, daß er Theologie "das Selbstbewußtsein einer christlichen Praxis" und "die kritische Theorie der gläubigen Praxis"[56] nennt, so daß die Theorie das zweite, nachträglich reflektierende, systematisierende und zuarbeitende Moment ist, er nennt auch ausdrücklich die Orthopraxie ein "Kriterium"[57] für die Orthodoxie: Die "kritische Einheit von Theorie und Praxis"[58] geht so weit, daß man ohne Berücksichtigung der Praxis gar nicht abschließend über die Rechtgläubigkeit einer Theologie sprechen kann, so daß die Praxis nicht nur am Anfang, sondern wiederum auch überprüfend am Ende des Prozesses steht:
"Das christliche orthopraktische oder rechttätige Handeln ist deshalb nicht die Konsequenz einer schon vorher gegebenen gemeinsamen Glaubenseinheit, sondern die Art und Weise, wie sich eine solche gemeinsame Überzeugung und Einheit konkret realisiert. Die Art und Weise tatkräftiger Realisierung ist auch die Möglichkeit, sich bewußt Gewißheit über die Rechtgläubigkeit zu verschaffen"[59].
Der Grund hierfür liegt in dem nach Schillebeeckx unvermeidlichen Pluralismus, der sich bei dem Versuch einer rein theoretischen Glaubensinterpretation einstellt. Das Kriterium der Orthopraxis soll eine aus diesem Pluralismus resultierende Willkür verhindern:
"In einem gewissen Sinn kann man von einer rein theoretischen Theologie nie sagen, ob sie im wahren Sinn des Wortes orthdox, "orthos", rechtgläubig ist. Denn wir wissen aus der Sprachanalyse, daß das Sprachspiel den Sinn der Worte, die wir gebrauchen, mitbestimmt. Dieser Kontext umfaßt immer auch außerlinguistische Elemente: nämlich das menschliche Verhalten"[60].
Dabei will Schillebeeckx nicht behaupten, der Wahrheitswert einer Theorie ließe sich an einer konsequenten oder inkonsequenten Praxis ablesen. Treffend bemerkt er: "Dann würde zum Beispiel die hartnäckige Treue, mit der manche der Nazi-Ideologie gefolgt sind, die Wahrheit des Nationalsozialismus beweisen!"[61]. Nicht als Kriterium für den Inhalt des Glaubens dient demnach die Orthpraxis, sondern als Bestätigung der diesem Inhalt zugrundeliegenden Hoffnung[62]. Meines Erachtens provoziert eine solche "Kriteriologie" jedoch die Frage, ob der Inhalt des Glaubens nicht zu stark zugunsten von Hoffnung und allgemeiner solidarischer Praxis relativiert wird[63].

2.2 Zusammenfassung und Schlußbemerkung: Orientierungs- und Handlungswissen
Vier kritische Fragen ergeben sich aus den Überlegungen des letzten Kapitels:

1. Ist die Konzeption eines Geschichtssinnes auf der Basis der "praktischen Vernunft" tatsächlich mehr als ein reines "Dennoch der Hoffnung", das zwar angesichts der Antizipation von Sinn durch das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Hoffnung auf einen letzten, von Gott geschaffenen Sinn hegen kann, aber weiterhin der Widersprüchlichkeit der Geschichte ausgesetzt bleibt und aufgrund dieser Unmöglichkeit, die Geschichte zu interpretieren, der befreienden Praxis nicht wirklich eine Richtung geben kann?

2. Kann tatsächlich das Verhältnis von Theorie und Praxis derart beschrieben werden, daß es bei der Praxis seinen Ausgangspunkt nimmt, auf die die Theorie reflektiert, um wiederum zur Praxis zurückzuführen, indem diese das Kriterium für die Berechtigung theoretisch formulierter Hoffnung bildet?

3. Aus der 2. Frage ergeben sich für mich die Anschlußbedenken, ob damit nicht Theorie zu einem "Durchgangsstadium" ohne jeglichen Eigenwert verkommt, das letztlich auch der Praxis nicht mehr zu dienen vermag. Der Wert der Theorie wird m.E. insbesondere durch die untergeordnete Rolle des Glaubensinhalts gegenüber Hoffnung und kritischer Praxis in der Theologie von Schillebeeckx in Frage gestellt. Die von Schillebeeckx selbst behauptete "kritische Einheit von Theorie und Praxis" erscheint damit als problematisch.
Um die Aufgabe der Theorie in der Theorie-Praxis-Dialektik adäquater zu beschreiben, böte sich m.E. die Einführung einer weiteren Differenzierung an: der von "Orientierungswissen" und "Handlungswissen".
Dabei dürfen nicht "Praxis" und "Handlungswissen" sowie "Orientierungswissen" und "Theorie" gleichgesetzt werden. Vielmehr bewegen sich beide Wissensformen auf der Ebene der Theorie. Aber während "Handlungswissen" eine Form von Theorie bezeichnet, die der von Schillebeeckx beschriebenen nahekommen könnte: konkrete Handlungsanweisungen zu geben und Praxis zu reflektieren, bezeichnet "Orientierungswissen" eine Komplementärfunktion, die in etwa umreißen könnte, was der Theorie in der Konzeption von Schillebeeckx fehlt[64]:
"Orientierungswissen aber gründet auf einem Zurücktreten von konkreten Handlungszwängen und Sinnzusammenhängen im Denken. Es zielt also auf eine Ordnung im Denken, nicht primär auf eine Methode des Handelns"[65].
Es handelt sich also um die Suche nach Orientierung und Zusammenhang. Theologie (denn um diese Form der Theorie geht es Schillebeeckx doch wohl vorrangig) in beiderlei Formen zu betreiben oder zumindest zuzulassen, als Suche nach Handlungs- wie Orientierungswissen, schiene mir eine bessere Gewähr für ein wirklich reziprokes Verhältnis von Theorie und Praxis zu liefern, das einen relativen Eigenwert der Theorie nicht verneint - auch zugunsten einer Praxis, die erst dadurch ein ernstzunehmendes Korrektiv erhält, daß die Theorie nicht immer unmittelbar an sie zurückgebunden ist.

4. Eine letzte kritische Bemerkung betrifft die Frage, ob nicht auch der Praxisbegriff bei Schillebeeckx als verengt betrachtet werden muß. Zwar kann er sich bei seiner weitgehenden Identifizierung von Praxis mit politisch-ethischem Handeln durchaus auf Aristoteles berufen[66]. Dennoch könnte es zwei Anhaltspunkte dafür geben, daß der Schillebeeckxsche Praxisbegriff einer Verkürzung unterliegt:
Zum einen ist sein Ideal einer verändernden Praxis stark zukunftsgerichtet. Es darf vermutet werden, daß der Sinn des praktischen Handelns zwar auch in sich selbst zu suchen ist, in erster Linie jedoch im Erreichen eines nicht mit dem Handeln selbst zusammenfallenden Ziels (was die aristotelische Definition von "Praxis" im Gegensatz zu "Poiesis" ausmacht[67]) - auch wenn dieses Ziel durch menschliche Praxis allein nicht erreichbar ist und so auf eine eschatologische Vollendung durch Gott verweist[68].
Zum anderen scheint Schillebeeckx nicht nur die Theologie, sondern auch den Glauben und seine grundlegenden Vollzüge (Gebet, Liturgie) auf die Seite der Theorie zu verorten[69]. Damit soll keineswegs suggeriert werden, Schillebeeckx werte besipielsweise das Gebet ab; das ist sicher nicht der Fall[70]. Es stellt sich jedoch die Frage, ob einer solchen Zuordnung von Glaubensvollzügen zur Seite der Theorie nicht tatsächlich eine tendenzielle Verkürzung des Praxisbegriffs auf die Ebene des "Machens" (der "Poiesis") zugrundeliegt. Eine positive Rolle von Gebet und Liturgie wird im Zusammenhang der Frage nach dem praktisch anzustrebenden Sinn der Geschichte nicht deutlich[71]. Dies ist umso bedauerlicher, als vielleicht gerade solche praktischen (nicht poietischen) Vollzüge des Glaubens im Rahmen der Theologie von Schillebeeckx zu einer Neuformulierung der Theorie-Praxis-Dialektik beitragen könnten, die statt einer Abgrenzung stärker eine mögliche fruchtbare Verbindung der beiden Spannungspole akzentuiert.

Literaturverzeichnis:
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TREML, Alfred K.: Einführung in die Allgemeine Pädagogik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1987.


[1] Als Indiz für diese Vermutung könnte z.B. das Fehlen des Stichworts "Heilsgeschichte" im "Wörterbuch des Christentums" dienen, sowie die knappen, ausnahmslos auf ältere Literatur zurückgreifenden Literaturangaben unter "Geschichte". Vgl. Burkhardt, Johannes: Art. "Geschichte". In: Drehsen, Volker u.a. (Hgg.): Wörterbuch des Christentums, München 1995 (Sonderausgabe der 1. Auflage 1988), 406f., 407; ähnlich auch im LThK (die wenigen dort angegebenen neueren Titel sind in St. Georgen nicht vorhanden). Vgl. Koch, Kurt: Art. "Heilsgeschichte. III. Systematisch-theologisch". In: Kasper, Walter (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 4, Freiburg, Basel, Wien, Rom 31995, 1341ff., 1343.
[2] Vgl. z.B. die Erörterung des Themas im Zusammenhang der "Praktischen Theologie" bei Ebeling; vgl. ders., Studium der Theologie. Eine enzyklopädische Orientierung, Tübingen 21977 (Uni-Taschenbücher; 446), 113-123.
[3] Schillebeeckx, Edward: Menschen. Die Geschichte von Gott, Freiburg, Basel, Wien 1990, 221. Damit wendet er sich gegen Pannenberg, dessen These, der universale Bedeutungszusammenhang falle mit der Wahrheit zusammen (vgl. Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frakfurt/Main 1973, 219), Schillebeeckx nicht abstreitet, wohl aber einen solchen Zusammenfall für unmöglich erklärt, und zwar, wie wir oben sahen, nicht nur aufgrund menschlicher Beschränktheit, sondern auch aufgrund der Inkonsistenz der Wirklichkeit selbst.
[4] Schillebeeckx, Menschen, 222.
[5] Vgl. Schillebeeckx, Edward: Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden, Freiburg 1992 (dt. Erstauflage 1975), 542ff. Die Unterscheidung übernimmt Schillebeeckx von Ricoeur.
[6] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 543f.
[7] Schillebeeckx, Menschen, 28. Er geht sogar soweit, in dieser allen Menschen gemeinsamen und sie verbindenden Erfahrung der Empörung das zu sehen, was man "theologia naturalis" zu nennen pflegte; vgl. ebd.
[8] Zur Frage nach der Heilsbedeutung des Todes Jesu bei Schillebeeckx vgl. Becker, William M.: The Historical Jesus in the Face of his Death. His comprehension of its salvific meaning in the writings of Edward Schillebeeckx and Hans Urs von Balthasar (internal, historical, and systematic perspectives), Rom 1994.
[9] Schillebeeckx, Edward: Christus und die Christen. Die Geschichte einer neuen Lebenspraxis, Freiburg, Basel, Wien 1977, 621.
[10] Schillebeeckx, Jesus, 548.
[11] Schillebeeckx, Menschen, 117.
[12] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 556f.
[13] Den es in dieser analytischen Trennung von unserer Interpretation gerade nicht gibt.
[14] Schillebeeckx, Jesus, 558; vgl. auch Schillebeeckx, Edward: Die Auferstehung Jesu als Grund der Erlösung. Zwischenbericht über die Prolegomena zu einer Christologie, Freiburg, Basel, Wien 1979 (Quaestiones disputatae 78), 20-25, wo deutlich wird, daß Gibellini den Jüngelschen Begriff der "Erfahrung mit der Erfahrung" in diesem Zusammenhang durchaus treffend verwendet: Gibellini, Rosino: Handbuch der Theologie im 20. Jahrhundert, Regensburg 1995, 321.
[15] Schillebeeckx, Jesus, 556.
[16] Hier wendet sich Schillebeeckx ausrücklich gegen Cullmann. Vgl. Schillebeeckx, Christus, 728f.
[17] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 562. Schillebeeckx unterscheidet dabei die Ebenen von Wirklichkeit und unserem Bewußtsein: Zwar darf dieses Heil nicht mit unserem Bewußtsein und unserer Annahme seiner identifiziert werden; aber als Angebot ist es gleichzeitig auch nicht völlig unabhängig von seiner Annahme oder Ablehnung durch uns. Vgl. Schillebeeckx, Menschen, 34f.
[18] Das Zueinander dieser beiden Sprechweisen von der einen Wirklichkeit erweist sich als das enstscheidende Problem, dem Schillebeeckx sich in seinem großangelegten christologischen Versuch stellt: Die "überwältigende Gottesimmanenz" (Jesus, 564) Jesu ist ein auch historisch sichtbares, aber im Glauben zu interpretierendes Ereignis. Dabei sind "eschatologische Präsenz Gottes in Jesus und höchst menschliches Wirklichkeitsverständnis ... korrelativ" (ebd.) Auch im Bezug auf Jesus Christus gibt es keine "dritte Sprache", in der wir über ihn sowohl historisch als auch im Glauben reden könnten: Das Zueinander dieser beiden "Total-Aspekte" bestimmt das christologische Problem.
[19] Schillebeeckx, Menschen, 117. An dieser Stelle dürfte auch deutlich werden, daß ein Verständnis des Begriffes "2. Ordnung" im Sinne einer Relativierung (so z.B. Löser. Vgl. ders.: Rez.: "Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden". In: ThPh 51 (1976) 257-266, 258) inadäquat ist (zu Schillebeeckx´ Replik vgl. ders., Auferstehung, 111-116) - obwohl man an anderer Stelle (Schillebeeckx, Menschen, 35) bei flüchtigem Lesen den Eindruck haben könnte. Aber das widerspräche zudem ganz dem üblichen wissenschaftlichen Gebrauch des Begriffs "2. Ordnung" (vgl. z.B. Luhmann, Niklas: Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? Opladen 31990).
[20] Schillebeeckx, Jesus, 552.
[21] Schillebeeckx, Menschen, 35.
[22] Vgl. z.B. die abwägende Beschäftigung mit buddhistischer Frömmigkeit im Unterschied zur christlichen: Schillebeeckx, Menschen, 227-231.
[23] Schillebeeckx, Menschen, 233. Nur in der Praxis, die das "wahre Humanum realisiert", findet sich ein allgemeiner Konsens: "Wenn man anfängt zu formulieren, was dieses Humanum bedeuten soll, gerät man sofort in den Pluralismus. Was man auf der Ebene der Theorie nicht schaffen kann, schafft man doch auf der Ebene der Praxis" Iwashima, Tadahiko: Menschheitsgeschichte und Heilserfahrung. Die Theologie von Edward Schillebeeckx als methodisch reflektierte Soteriologie, Düsseldorf 1982 (Themen und Thesen der Theologie), 139.
[24] Vgl. Schillebeeckx, Edward: Glaubensinterpretation. Beiträge zu einer hermeneutischen und kritischen Theologie, Mainz 1971, 113.
[25] Habermas, Jürgen: Erkenntnis und Interesse. In: Ders., Technik und Wissenschaft als >Ideologie<, Frankfurt/Main 1968, 146-168, 167.
[26] Schillebeeckx, Menschen, 221.
[27] Vgl. Iwashima, Menschheitsgeschichte, 143-149.
[28] Es wird hier nicht die gesamte kritische Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie wiedergegeben - das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen -, sondern nur, was für unseren Zusammenhang unmittelbar relevant ist. Zu Kritik von Schillebeeckx an der Kritischen Theorie insgesamt und seiner abwägenden Aufnahme vgl. Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 138-171 und Iwashima, Menschheitsgeschichte, 149-158.
[29] Vgl. Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 142; Iwashima, Menschheitsgeschichte, 150.
[30] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 142.
[31] Vgl. Schillebeeckx, Edward: Einige hermeneutische Überlegungen zur Eschatologie. In: Concilium 5 (1969) 18-25, 24. Zum "Zirkel von irdischem Heil und eschatologischem Heil" vgl. auch Iwashima, Menschheitsgeschichte, 359f.
[32] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 168; Hervorhebung im Original. Die Unsicherheit des Gelingens ist sehr deutlich formuliert, wenn es einige Sätze weiter heißt, "daß es nicht unmöglich ist, der ambivalenten Geschichte einen Sinn zu geben, und daß deshalb dieser Versuch nie aufgegeben werden darf, auch wenn man als Theologe nicht imstande ist, je ein Prinzip - theoretisch oder praktisch - aufzustellen, aufgrund dessen sich das Ganze der Geschichte umfassen ließe". Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 169; Hervorhebung im Original. Zur empirischen Ausrichtung dieser Suche vgl. Schillebeeckx, Jesus, 552.
[33] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 164.
[34] Schillebeeckx, Jesus, 550.
[35] vgl. Schillebeeckx, Christus, 622.
[36] Schillebeeckx, Jesus, 554; vgl. auch Schillebeeckx, Menschen, 135.
[37] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 546.
[38] Schillebeeckx, Jesus, 554.
[39] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 162. Vgl. auch das Beispiel in Schillebeeckx, Menschen, 130-133.
[40] Schillebeeckx, Menschen, 224.
[41] Z.B. Schillebeeckx, Menschen, 227.
[42] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 551.
[43] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 551f.
[44] Schillebeeckx, Menschen, 132f.; Hervorhebung von mir.
[45] Z.B. Schillebeeckx, Menschen, 227.
[46] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 71.
[47] Vgl. z.B. Iwashima, Menschheitsgeschichte, 152.
[48] Metz, Johann Baptist: Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie, Mainz 1977, 49.
[49] Ein solcher Abschwächungsversuch würde immerhin implizieren, daß wir uns anmaßen, den Autor besser zu verstehen, als er sich selbst bei Abfassung des Textes verstand. Und abgesehen davon erscheint jedenfalls im hier gesteckten engen Rahmen eine Beschränkung auf die Textintention dringend erforderlich. Außer im Fall eindeutiger scharfer Polemik wäre die Annahme unbegründet, die Autorenintention falle nicht mit jener zusammen - und auch dann ist diese uns noch unerreichbar.
[50] Vgl. Schillebeeckx, Menschen, 226.
[51] Vgl. Schillebeeckx, Menschen, 222.
[52] "Dieser sogenannte Überschuß an Leiden, Unrecht und Sinnlosigkeit entzieht sich dem Logos der theoretischen Vernunft. Er läßt sich theoretisch nicht einordnen, rational nicht sinnvoll deuten. Ein theoretisches Reden vom endgültigen, totalen Sinn der Geschichte ist daher nicht sinnvoll." Schillebeeckx, Menschen, 222; Hervorhebung im Original.
[53] Daß es sich um die Praxis selbst, und nicht die praktische Vernunft handelt, die quasi den Platz einer theoretischen Geschichtssynthese und -sinngebung einnimmt, wird deutlich z.B. in Schillebeeckx, Jesus, 550. Zum Vergleich vgl. die Darstellung des klassischen Begriffs von "praktischer Vernunft" bei Kant in: Coreth, Emerich/Schöndorf, Harald: Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, Stuttgart, Berlin, Köln 21990 (Grundkurs Philosophie 8), 131. Bei Schillebeeckx ist die Praxis sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel aller Überlegungen und Erfahrungen: vgl. den "Zirkel der Praxis": Iwashima, Menschheitsgeschichte, 161.
[54] Vgl. Schillebeeckx, Jesus, 575f. Schillebeeckx betont in diesem Zusammenhang den negativen Charakter des Sterbens Jesu und äußert sich zumindest nicht explizit über eine erlösende Funktion desselben. Zur Problematik dieser Konzeption, die zwar die "negativen Kontrasterfahrungen" ernstnimmt, aber andererseits die Besonderheit Jesu einebnet und letztlich zu der Frage führt, warum nun tatsächlich der Tod Jesu und seine Auferweckung einen neuen Blick auf die Geschichte eröffnet haben, wenn nicht nur als "gutes Beispiel", wie auch zu dem Problem, daß bei Schillebeeckx die negative Kontrasterfahrung und damit auch Leben und Botschaft Jesu nicht auf eigene Schuld, sondern auf unschuldiges, zu überwindendes Leiden gerichtet sind, vgl. Becker, The Historical Jesus, 209-217. Der Frage kann hier nicht nachgegangen werden.
[55] Angesichts dessen scheint es etwas verwunderlich, daß Schillebeeckx die menschliche Praxis derart in den Vordergrund rückt, wenn ohne den größeren Zusammenhang des Heils von Gott her auch diese letztlich ohnmächtig ist.
[56] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 159.
[57] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 68. Vgl. auch Iwashima, Menschheitsgeschichte, 360f.
[58] Schillebeeckx, Menschen, 226f.
[59] Schillebeeckx, Glaubensinterpretation, 73; Hervorhebungen im Original. Vgl. auch sein Beispiel des Theologen van Buren, Glaubensinterpretation, 74.
[60] ebd; Hervorhebung im Original.
[61] Schillebeeckx, Menschen, 226.
[62] Vgl. ebd.
[63] Auf dieser Linie liegt insbesondere auch die oben schon erwähnte untergeordnete Rolle, die der Glaubensinhalt nach Schillebeeckx für die Mission spielt.
[64] Die Frage nach dem theoretischen Status seiner eigenen Theologie würde zu weit führen und soll hier ausgeklammert bleiben.
[65] Treml, Alfred K.: Einführung in die Allgemeine Pädagogik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1987, 11; Hervorhebungen im Original.
[66] "We may simply say that '' is Aristotle´s term for man´s free activity in the realm of political life". Lobkowicz, Nicholas: Theory and Practice. History of a Concept from Aristotle to Marx, London 1967, 11.
[67] Zur Unterscheidung von "Praxis" als einem Handeln, das seinen Sinn in sich selbst trägt, und "Poiesis" als einem auf ein außerhalb seiner selbst liegendes Ziel gerichtetem Handeln vgl. Ehlen, Peter: Art. "Praxis". In: Brugger, Walter (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, Freiburg, Basel, Wien 211992, 304. Zu Abgrenzungsproblemen bei Aristoteles (z.B. im Hinblick auf Politik als "Praxis") vgl. Lobkowicz, Theory and Practice, 9-15. Zur Verwendung der aristotelischen Begriffe bei Habermas vgl. Dietz, Simone: Lebenswelt und System. Widerstreitende Ansätze in der Gesellschaftstheorie von Jürgen Habermas, Würzburg 1993 (Epistemata: Reihe Philosophie; Bd. 130), 73-78.
[68] Vgl. Schillebeeckx, Eschatologie.
[69] Vgl. Schillebeeckx, Menschen, 134.
[70] Eine hohe Wertschätzung des Gebetes kann man u.a. Menschen, 98-104 entnehmen.
[71] Vgl. wiederum die prägnante "Schlußfolgerung", in der zwar neben theoretischer (Glaube) und praktischer Vermittlung (Weltveränderung) die "geschichtliche Vermittlung" steht, die den Blick auf Tod und Auferstehung Jesu richtet; jedoch fallen hier nur die Begriffe "Erinnerung" und "Hoffnung", womit Gebet und Liturgie m.E. in ihrem Eigenwert nicht ausreichend beschrieben sind. Ob diese Schwierigkeiten etwas mit der Rezeption der Habermasschen Kritischen Theorie zu tun haben, muß Spekulation bleiben. Die Verkürzung des Praxisbegriffs kann dabei Habermas m.E. nicht angelastet werden, der zwar nicht "Praxis" und "Poiesis", aber neben Theorie und Parxis im weiteren Sinn auch Praxis im engeren Sinn von "Technik" unterscheidet (Vgl. die "Einleitung zur Neuausgabe" in: Habermas, Jürgen: Theorie und Praxis, Frankfurt/Main 41971, 9-47; Dietz, Lebenswelt und System, 73f.). Jedoch läßt sich die Frage stellen, ob der Rückgriff auf den frühen Habermas zumindest dazu beigetragen hat, daß Schillebeeckx den Eigenwert von Gebet, Liturgie und anderen Grundvollzügen des Glaubens nicht explizit macht. Unter Umständen könnte die Frage heute auch ohne einen Verzicht auf Habermas-Rezeption neu angegangen werden, wenn man den von Habermas später stärker herausgearbeiteten Lebensweltbegriff berücksichtigte und den Glauben mit seinen Grundvollzügen als "Lebenswelt-Ressource" betrachtete (vgl. z.B. Habermas, Jürgen: Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frankfurt/Main 1988, 87-104; Dietz, Lebenswelt und System, 90-98). Ob dies jedoch tatsächlich möglich ist, muß hier offenbleiben.