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Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1 Aufdeckung des Erkenntnisinteresses bei Nietzsche

1.1 Bemerkungen zum Interpretationshorizont
1.2 Fundamentale Erkenntniskritik durch Reduktion der Erkenntnis bei Nietzsche

2 Erkenntnisleitendes Interesse bei Habermas

2.1 Kritik an Nietzsche als Ausgangspunkt
2.2 Positive Wendung der Kritik an Nietzsche: Erkenntnisleitende Interessen

3 Welche interpretatorische Perspektive benutzt Habermas?

Literaturverzeichnis

Einleitung
Die Vorlage einer weiteren Arbeit über Friedrich Nietzsche mag an sich nicht ungewöhnlich erscheinen im Rahmen der "Nietzsche-Renaissance", die momentan beobachtbar ist[1] im Zusammenhang mit einer schwindenden Belastung durch die katastrophalen interpretatorischen Mißbräuche des Nationalsozialismus und der inzwischen vollständigen Kritischen Edition seines Werkes duch Colli und Montinari. Ungewöhnlich wohl eher die engere Themenauswahl: Nicht eine zentrale und deutlich bis in die heutige philosophische Diskussion hineinwirkende, sich durch sein Werk durchziehende Fragestellung wie beispielsweise seine bahnbrechende Religionskritik, sondern ausgerechnet Jürgen Habermas und sein "erkenntnisleitendes Interesse"[2] als Betrachtungsfolie. Somit eine Arbeit, die unter die spöttische Kategorie Kaufmanns: "Untersuchung über 'Nietzsche und X' oder über 'Nietzsche als Y'"[3] fällt. Die Relevanz einer solchen scheinbar rein theoretischen (im negativen Wortsinn) Betrachtung leuchtet nicht unmittelbar ein.
Damit hat, wie sogleich zu sehen sein wird, die zugrundeliegende Frage sich selbst eingeholt. Zunächst einmal muß allerdings geklärt werden, auf welcher allgemeinsten Basis die Konzepte von Nietzsche und Habermas überhaupt vergleichbar sind, können doch Verbindungslinien gezogen und Differenzen herausgearbeitet werden nur dann, wenn überhaupt basale Vergleichbarkeit gegeben ist.
Als diese allgemeinste Basis, die nicht mehr als den Hintergrund für die konkrete Fragestellung bildet, kann hier die Vernunft- und Moralkritik[4] der beiden Philosophen angesetzt werden, die bei beiden eine zentrale Stellung einnimmt, wenn auch in verschiedenen Ausformungen: bei Nietzsche radikal, auf Destruktion der Geltung von Vernunft und Moral angelegt, bei Habermas stärker gesellschaftlich gerichtet, gegen ein naives Verständnis, mit den positiven Wendungen von Konsenstheorie der Wahrheit und Diskursethik. Einen Ausschnitt aus dieser groß angelegten Kritik bildet, explizit bei Habermas, implizit bei Nietzsche, die Aufdeckung des Zusammenhangs von Erkenntnis und Interesse. Beide stellen - wie hier vorwegnehmend zusammengefaßt werden darf - den Zusammenhang heraus, ziehen dann aber geradezu diametral entgegengesetzte Folgerungen: Für Nietzsche bedeutet die Entdeckung des Zusammenhangs von Erkenntnis und Interesse die Aufgabe aller Möglichkeit wahrer Erkenntnis; bei Habermas hingegen werden die erkenntnisleitenden Interessen zu "Bedingungen möglicher Objektivität"[5]. Es stehen sich somit, wenn man der Einfachheit halber die beiden Ansätze in ihrer interpretatorischen Differenz etikettieren wollte, eine positive und eine negative Deutung desselben Befundes gegenüber, dessen, daß Erkenntnis nicht einfachhin objektive Wesenserkenntnis sein kann, die ein Ansichsein erkennt, unabhängig vom Erkennenden und seinen (unbewußten) Prämissen.
Um die Frage nach der Relevanz zu beantworten, kann man darauf verweisen, daß die Frage nach Erkenntnis und Interesse einen Aspekt der Frage nach Theorie und Praxis bildet, die nun allerdings einige Relevanz für sich in Anspruch nehmen kann[6] (womit die Selbsteinholung der Fragestellung offensichtlich wäre).
Die Wahl der beiden Philosophen verliert so den Verdacht der Beliebigkeit, insbesondere wenn man die Blickrichtung umdreht und von Habermas ausgeht und Nietzsche hinzuzieht als eine Folie, auf der das Habermassche Konzept der erkenntnisleitenden Interessen noch einmal andere Aspekte erscheinen läßt[7].
Der Gang des Textes läßt sich nach diesen Vorüberlegungen unschwer erkennen: Zunächst bewegt er sich einigermaßen linear über eine Darstellung der Aufdeckung des Zusammenhangs von Erkenntnis und Interesse bei Nietzsche mit seinen Folgen (Kapitel 1) zu den komplementären Überlegungen bei Habermas (Kapitel 2), dessen Kritik an Nietzsches Konzept die Schnittstelle zwischen beiden Teilen bildet - wenn sie auch inhaltlich gleichzeitig zum zweiten Teil gerechnet werden muß -. Erst am Ende wird diese Linie aufgebogen in dem Versuch, die vorangegangene Darstellung noch einmal zu umgreifen und Verbindungslinien herzustellen, die den oben angedeuteten neuen Blick auf die erkenntnisleitenden Interessen bei Habermas ermöglichen sollen (Kapitel 3).

1 Aufdeckung des Erkenntnisinteresses bei Nietzsche

1.1 Bemerkungen zum Interpretationshorizont
In der unüberschaubaren Fülle der Literatur zu Nietzsches Werk stellt sich der erste Dissens schon ein im Blick auf die Frage, unter welcher Rücksicht das Gesamt seiner Werke zu analysieren sei: Während beispielsweise Lutz-Bachmann "die Tugend einer exakten Philologie, ... ein genaues Studium seines Gesamtwerks ... und schließlich seine systematische Auslegung auf dem Hintergrund der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts"[8] fordert, formuliert die Gegenposition u.a. Jürgen Habermas, wenn er einer Nietzsche-Interpretation voranschickt:
"Die Annahme, daß es tunlich sei, die Aphorismen in ihrer Gesamtheit als System aufzufassen, war immer fraglich. Das Fragment ist nicht zufällig die literarische Form eines Denkens, das sich dem Systemzwang zu entwinden sucht"[9].
Für die mittlere Position entscheidet sich z.B. Karl Löwith, wenn er wiederum Nietzsches Philosophie kennzeichnet:
"Nietzsches Philosophie ist weder ein einheitlich geschlossenes System noch eine Mannigfaltigkeit von auseinanderfallenden Aphorismen, sondern ein System in Aphorismen"[10].
Die Entscheidung dieser konkreten Frage ist hier weniger relevant, da Nietzsches Philosophie nicht in ihrem Zusammenhang dargestellt werden soll. Aber Löwith erläutert seine soeben zitierte Aussage wie folgt:
"Das Eigentümliche ihrer philosophischen Form kennzeichnet zugleich ihren Inhalt. Der systematische Charakter seiner Philosophie geht aus der bestimmten Art und Weise hervor, wie Nietzsche sein philosophisches Experiment ansetzt, aushält und durchführt, der aphoristische aus dem Experimentieren als solchem"[11].
Die Frage nach der Form des Ansatzes hat somit Bedeutung für einen inhaltlichen Zugang: In einem ersten Annäherungsversuch kann man angesichts der o.g. Problematik wohl Kaufmann zustimmen, wenn er dem Konzept die Bezeichnung "existentieller Experimentalismus" gibt[12].
Im weiteren Verlauf werden insbesondere die Habermasschen Interpretationsprämissen in die Darstellung eingehen, damit die Anschlußmöglichkeiten an sein eigenes System deutlich werden. Wo man, metaphorisch gesprochen, stehen muß, um den Habermasschen Blick zu haben, bzw. welches die spezifische Interpretationsperspektive ist, soll im dritten Teil gefragt werden.

1.2 Fundamentale Erkenntniskritik durch Reduktion der Erkenntnis bei Nietzsche
Der Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse kann als der Angelpunkt von Nietzsches Vernunft- und Moralkritik betrachtet werden: Für Erkenntnisse wie Handlungsnormen weist er Habermas zufolge nach, daß ihrer scheinbaren Objektivität und zeitlosen Gültigkeit konkrete Interessen, Motive und Einstellungen zugrunde liegen, die - im Falle der Moral - außermoralischen Ursprungs sind und - im Falle der Erkenntnis - den Bedarf an Wahrheit erklären, aber nicht ihre Möglichkeit.
Dabei ändert Nietzsche die Grundfrage der Metaphysik, indem er nicht mehr nach dem "Was" fragt, sondern nach "Wer". Mit dieser Frage gelangt er hinter das Gegebene zu dem, was "dahinter steckt", was, wer den Antrieb zu einer Frage, einer Erkenntnis gibt: welches Interesse sich dahinter verbirgt.
"Die Frage "Wer?" bedeutet nach Nietzsche: etwas sei gegeben, welche Kräfte bemächtigen sich seiner, wessen Willen ist es untertan? Wer drückt sich aus, manifestiert sich, ja verbirgt sich in ihm?"[13].
Diese Darstellung Deleuzes führt vor Augen, was eingangs mit der "negativen Deutung des Zusammenhanges von Erkenntnis und Interesse" bezeichnet wurde: Nietzsche verdächtigt jegliche Erkenntnis, daß hinter ihr noch etwas steckt, was sie nicht preisgeben will; daß man getäuscht werden soll über die scheinbare Objektivität und Wahrheit einer Erkenntnis, die aber nur jemandem nützt.
Dabei darf man Nietzsche nicht vereinfachend so verstehen, daß jeder nur das sieht und für moralisch gut hält, was ihm nützt: Wenn das "Herrenrecht" bestimmt, was gut und böse ist, haben auch die Sklaven sich danach zu richten[14].
Wenn man von einem weiteren Ausgangspunkt her sich dem Problem nähern will, kann man Nietzsches Kritik an Kant hinzuziehen: Nietzsche wendet sich gegen den Versuch Kants, die Vernunft mit ihren eigenen Mitteln zu kritisieren. Kant hat dafür keine geeignete Methode vorlegen können, so daß seine Kritik nicht an die Basis geht, sondern versteckterweise eine fundamentale Zustimmung zum Gegenstand der Kritik enthält: Kant kritisiert nur die falsche Vernunft, Moral und Religion, aber "die Kritik hat nichts getan, solange sie sich nicht auf die Wahrheit selbst, auf die wahre Erkenntnis, die wahre Moral, die wahre Religion erstreckt"[15].
Nietzsche ist der Meinung, diese Methode gefunden zu haben, die interne Vernunftkritik ermöglicht, indem er von der transzendentalen auf die genealogische Betrachtungsweise umstellt. Ries unterscheidet dabei im näheren drei Vorgehensweisen:
"1. die psychologische bzw. physiologische Reduktion der "moralischen" Phänomene, 2. ihre historisch-genealogische Relativierung und 3. die "Einordnung" der Moral in die "Perspektiven-Optik" des Lebens"[16].
Unter den ersten Punkt ließe sich die direkte Verbindung von Erkenntnis und Interesse rechnen, beispielsweise in der Moral, die durch Herrschaftsinteressen bestimmt ist:
"Mein Hauptsatz: es gibt keine moralischen Phänomene, sondern nur eine moralische Interpretation dieser Phänomene. Diese Interpretation selbst ist außermoralischen Ursprungs"[17].
Die historisch-genealogische Relativierung kommt dort zum Zug, wo Nietzsche die angebliche Überzeitlichkeit der Werte kritisiert und ihren historischen Ursprung herausarbeitet[18].
Die radikalste Kritik jedoch findet sich unter dem Stichwort "Perspektivismus":
"Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen ... Das >Subjekt< ist nichts Gegebenes, sondern etwas Hinzu-Erdichtetes. ... Die Welt ... hat keinen Sinn hinter sich, sondern unzählige Sinne. - >Perspektivismus<"[19].
Damit ist die Radikalisierung der Kritik Kants zu ihrem Ziel gelangt: Es gibt nicht falsche Erkenntnis und Moral, die kritisiert werden müssen, sondern Moral und Erkenntnis selbst sind eine Täuschung. Mit der Aufdeckung der Erkenntnisinteressen muß der Begriff der Wahrheit selbst aufgegeben werden[20]. Nietzsche formuliert pointiert, "daß jeder Glaube, jedes Für-wahr-Halten notwendig falsch ist, weil es eine wahre Welt nicht gibt"[21]; es bleiben Deutungen übrig, aber kein Text.
Das führt in der Konsequenz zu einer radikalen Ablehnung der Möglichkeit echter Erkenntnis:
Nietzsche formuliert die Frage Kants "Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?" um in "Warum ist der Glaube an die synthetischen Urteile apriori nötig?"[22], welche Funktion hat Erkenntnis? Im Sinne seiner Reduktion sieht Nietzsche den Intellekt als ein Instrument der Selbstbehauptung und die Erkenntnis als ein Mittel der Naturbeherrschung. Die Wahrheit sind sprachliche Konventionen, "Illusionen, von denen man vergessen hat, daß sie welche sind"[23]. Wahrheit wird vollständig auf Lebensdienlichkeit zurückgeführt, die aufgedeckten Erkenntnisinteressen werden empirisch/empiristisch als Triebe gedeutet.
Die gesamte Wahrheitsfiktion läßt sich nur aufrecht erhalten und erfüllt ihren Zweck, wenn sie nicht durchschaut wird, in dem Moment, wo die Philosophie die Aufklärung über ihr eigenes Erkenntnisinteresse leistet, wird die "Sinngebung des Sinnlosen"[24] durch die Fiktion einer objektiven Wahrheit und objektiver Werte verunmöglicht[25].
Nach Rohrmoser ist dies eine entscheidende Aussage von Nietzsches "Gott ist tot":
"Wenn Nietzsche ... [davon ausgeht], daß es diesen Gott nicht mehr gibt, dann bedeutet das: es gibt kein Sein, und es gibt keine Wahrheit. Dann haben Sein und Wahrheit keinen Grund, und es gibt daher keinen Grund für eine mögliche Einheit von Wahrheit und Sein"[26].
Aber nicht nur Gott, das Sein, die Wahrheit und die Aussagen der Moral sind Täuschungen, schärfer: Fälschungen, auch die Einheit des Subjekts zerbricht aus dieser Perspektive:
">Subjekt< ist die Fiktion, als ob viele gleiche Zustände an uns die Wirkung des Substrats wären: aber wir haben erst die >Gleichheit< dieser Zustände geschaffen"[27].
Letzter Schritt dieser Kette von Aufhebungen ist die "Selbstverleugnung der Reflexion"[28]: Die Reflexion auf den selbsterzeugten Schein kann nach ihm wiederum keine echte Reflexion sein: "Wir wissen, daß die Zerstörung einer Illusion noch keine Wahrheit ergibt, sondern nur ein Stück Unwissenheit mehr"[29].
Damit bringt Nietzsche einen fundamental neuen Aspekt in die Philosophie der Aufklärung ein: "Er verzichtet auf eine erneute Revision des Vernunftbegriffs und verabschiedet die Dialektik der Aufklärung"[30]. An diesem sich ergebenden Paradox der totalen Vernunftkritik setzt die Kritik Habermas´ an, die versucht, in der Zusammenführung zweier Stränge des Nietzscheschen Gedankengangs einen Ausweg zu finden.

2 Erkenntnisleitendes Interesse bei Habermas

2.1 Kritik an Nietzsche als Ausgangspunkt
Eine mit den Mitteln der Reflexion ausgeführte Verweigerung der Reflexion ist paradox. Aber das ist nicht die einzige kritische Bemerkung, die Habermas zu Nietzsches Aufdeckung der Erkenntnisinteressen zu machen hat.
Er hält es des weiteren für nicht nötig, wie Nietzsche die Erkenntnisinteressen empiristisch zu deuten: als Triebe. Für Habermas haben sie vielmehr einen transzendentalen Status als der Erfahrung vorgängige Bedingungen für Erfahrung. Mit dieser Sicht gibt Habermas die negative Deutung der erkenntnisleitenden Interessen zugunsten einer positiven auf - es wird im weiteren noch zu sehen sein, was Habermas inhaltlich als "erkenntnisleitendes Interesse" bestimmt.
Es gibt allerdings noch einen weiteren Punkt im Konzept Nietzsches, den Habermas einbezieht, weil er seiner Meinung nach in enger Verbindung mit dem eben genannten steht:
Trotz seiner Kritik am Positivismus kann sich Nietzsche nach Habermas nicht vom positivistischen Wissenschaftsideal freimachen: Wissenschaft ist nur über Erfahrungstatsachen möglich. Dazu kommt ein ontologischer Wahrheitsbegriff, dessen Verneinung nur noch in die Beliebigkeit führen kann. Nach Habermas haben zwar die von Nietzsche verworfenen transzendentalen Regeln, die bei Kant den Stellenwert synthetischer Urteile a priori erhalten,
"wenn sie unter dem erkenntnisleitenden Interesse der Selbstbehauptung eines kontingenten Gattungssubjektes entstanden sein sollten, den Status von ... >Fiktionen< ... - aber offenbar haben sie doch den Status von gattungsgeschichtlich >bewährten< Fiktionen"[31].
Somit ist die im Rahmen dieser Vorgaben konstruierte Realität "kontingent", aber nicht "beliebig"[32]. In Nietzsches verengtem Begriff von Wahrheit oder wahrer Erkenntnis und Wissenschaft ist für eine solche Konzeption kein Platz: Beides zusammengenommen macht es nicht nur für ihn unmöglich, eine Wissenschaft, hinter der sich Interessen finden lassen, noch als solche zu bezeichnen, er gerät auch in eine Aporie, wenn er andererseits feststellt, daß das Leben Vorrang vor der Wissenschaft haben solle[33] und der Anspruch derselben, durch Erkenntnis auch zum Handeln zu orientieren, ebenso nötig wie unerfüllt sei.
Noch einmal auf den Punkt gebracht:
Nietzsche kritisiert einerseits den Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse und fordert andererseits die Relevanz wissenschaftlicher Theorien für das Leben[34].
Nach Habermas läßt sich diese Aporie vermeiden, indem man von erweiterten Begriffen ausgeht: Wenn die Aufdeckung erkenntnisleitender Interessen nicht zur Ablehnung der Vernunft führt, sondern zur Konstitution eines transzendentalen Rahmens, innnerhalb dessen wahre Erkenntnis möglich ist, somit auch Wissenschaft nicht in positivistischer Verengung verstanden wird, können nach Habermas beide Probleme, die Aufdeckung der Erkenntnisinteressen und die Abkopplung der Wissenschaft vom Leben, einander ergänzen und gegenseitig einer positiven Lösung zuführen.
2.2 Positive Wendung der Kritik an Nietzsche: erkenntnisleitende Interessen
Im prinzipiellen Befund stimmt Habermas mit Nietzsche überein: Die Idee der Möglichkeit einer Erkenntnis von erkenntnisunabhängigen Gegenständen muß aufgegeben werden, die objektivistische Auffassung, die "theoretische Aussagen naiv auf Sachverhalte bezieht"[35], ist angesichts der hinter dem Erkenntnisgeschehen liegenden Interessen nicht haltbar. Ebenso stimmt er Nietzsche darin zu, daß die Handlungsorientierung von Theorie verloren gegangen ist, während noch Husserl den objektivistischen Wissenschaftsbegriff abgelehnt, aber für die Phänomenologie Praxisrelevanz gerade als reiner Theorie postuliert hatte. Nach Habermas existierte der Zusammenhang zwischen Theorie und Leben nur, solange es die traditionellen Kosmologien gab: In ihnen wurde die Erkenntnis der Ordnung des Kosmos zur Erkenntnis der anzustrebenden Ordnung der Menschen, weil diese in der Angleichung an die größere Ordnung des Seins bestand[36]. Gerade in der klassischen Philosophie begegnen wir somit der Verschleierung des Zusammenhangs von Erkenntnis und Interesse, und "daß das Interesse verdrängt wird, gehört noch zu diesem Interesse selber"[37] - auch ein Gedankengang, der uns von der Habermasschen Darstellung Nietzsches her vertraut ist. Der Objektivismus zeigt sich nur in einer anderen Form, der der Ontologie. Aber
"sobald die Aussagen relativ zu dem vorgängig mitgesetzten Bezugssystem verstanden werde, zerfällt der objektivistische Schein und gibt den Blick auf ein erkenntnisleitendes Interesse frei"[38].

Bevor die "Grundtypen" erkenntnisleitenden Interesses bei Habermas vorgestellt werden, muß seine Position noch etwas präzisiert werden: Habermas legitimiert mit diesem Ansatz keineswegs Ideologien, die Tatsachen nur insoweit zur Kenntnis nehmen, als sie in den vorgefertigten Rahmen passen, seien sie nun individueller oder kollektiver Art. Er betont ausdrücklich, daß es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Wissenschaften sei, "der Subjektivität des Meinens"[39] vorzubeugen. Die erkenntnisleitenden Interessen, von denen er positiv spricht und deren Verschleierung er den Wissenschaften wie einer objektivistischen Philosophie vorwirft, liegen wesentlich tiefer und werden von ihm in Entgegensetzung zu den o.g. verfälschenden Partikularinteressen als "Bedingungen möglicher Objektivität"[40] bezeichnet, womit auch deutlich wird, daß sie nicht an einzelne Menschen gebunden werden können, sondern wesentlich abstrakter aufzufassen sind.
Im einzelnen nennt Habermas drei grundlegende erkenntnisleitende Interessen:
1. das technische Erkenntnisinteresse für die empirisch-analytischen Wissenschaften,
2. das praktische Erkenntnisinteresse für die historisch-hermeneutischen Wissenschaften,
3. das emanzipatorische Erkenntnisinteresse für die kritisch orientierten Wissenschaften (zu denen er auch die Philosophie zählt)[41].
Besondere Bedeutung kommt hierbei dem emanzipatorischen Erkenntnisinteresse zu. Die Selbstreflexion, die in diesen Bereich gehört, ist nach Habermas die einzige Möglichkeit der Aufdeckung der erkenntnisleitenden Interessen. Ihre Grenze ist unüberschreitbar, aber über Reflexion angebbar. Wenn Erkenntnis um der Erkenntnis willen geschieht, kommt sie mit dem darunter liegenden Interesse zur Deckung[42].
Somit sieht sich Habermas zumindest zum Teil auf derselben Basis mit Nietzsche, wenn er formuliert: "Die Leistungen des transzendentalen Subjekts haben ihre Basis in der Naturgeschichte der Menschengattung"[43] (1. These), während er im weiteren sich genötigt sieht, Nietzsches Blick auf die Erkenntnis zwar zuzustimmen, ihr aber einen weiteren Aspekt hinzuzufügen: "Erkennen ist im gleichen Maße Instrument der Selbsterhaltung, wie es bloße Selbsterhaltung transzendiert"[44] (2. These), um schließlich gegen Nietzsche festen Boden zu gewinnen im Bereich des emanzipatorischen Erkenntnisinteresses[45].
Damit hat das Konzept der Vernunftkritik doch wieder eine massive Basis gewonnen: Zwar ist Erkenntnis im Sinne einer Abbildtheorie unmöglich, aber die erkenntnisleitenden Interessen können positiv gedeutet werden als Rahmen, in dem sich gültige Erkenntnis abspielen kann, und die Selbstreflexion kann, da sie über ihre Einheit mit dem emanzipatorischen Erkenntnisinteresse in gewisser Weise einen "Außenstandpunkt" erhält, die Maße dieses Rahmens sogar bestimmen - das einzige, was uns noch sicher gegeben ist[46], aber nicht wenig.
Habermas setzt an das Ende des Gedankengangs "die Einsicht, daß die Wahrheit von Aussagen in letzter Instanz an die Intention des wahren Lebens gebunden ist"[47] - woran deutlich wird, wie weit sich seine Vernunftkritik "versöhnend" vorwagt und damit nicht nur die Inkonsequenz Nietzsches, sondern auch seine Radikalität auflöst.

3 Welche interpretatorische Perspektive benutzt Habermas?

Habermas stellt die problematische Rezeptionslage des Nietzscheschen Werkes dar:
"Die implizite Form einer nicht nur unsystematisch vorgetragenen, sondern der Argumentation vorsätzlich entrückten Philosophie, die allein der Zucht der aphoristischen Triftigkeit gehorcht, bietet der Interpretation einen ungewöhnlichen Spielraum. Er hat die Interpreten nur zu oft eingeladen, Nietzsche als Projektionswand der eigenen Philosophie zu benützen"[48].
Man kann Habermas fragen, ob er nicht seinerseits Nietzsche so stark aus seiner eigenen Perspektive liest, daß dieser de facto nur die Folie für die Entfaltung des Habermasschen Konzeptes der erkenntnisleitenden Interessen bildet.
Diese Frage ergibt sich schon, wenn man die Habermassche Deutung des Gesamtwerkes als antisystemischer Aphoristik mit seiner Auseinandersetzung mit diesem Werk vergleicht, in der sich durchaus ein stringentes System erkennen läßt - die Aporie, in die Nietzsche seiner Meinung nach gerät, wird von Habermas nicht in einen Zusammenhang mit etwaigen Unstimmigkeiten in Nietzsches Konzept gestellt, sondern sie ergibt sich aus seinen Prämissen: Eine totale Vernunftkritik kann nicht mit den Mitteln der Vernunft selbst durchgeführt werden, eine Abschwächung der Kritik andererseits ist nach einer Aufdeckung der Erkenntnisinteressen unmöglich, wenn man einen ontologischen Wahrheitsbegriff zugrunde legt, und die Forderung nach der Praxisrelevanz von Wissenschaft ist angesichts eines verdeckt positivistischen Wissenschaftsbegriffes nicht einlösbar. Es erstaunt, daß eine solch offensichtlich unproblematische Interpretation möglich sein soll, wenn auf der anderen Seite die Vorgabe anderer Interpretationen, den Aphorismen liege ein System zugrunde, fraglich ist[49].
Auf dem Hintergrund dieser schon genannten Interpretationsschwierigkeiten gibt es des weiteren keinen Grund anzunehmen, daß die Habermassche Rezeption in der divergenten Interpretationslandschaft einen Sonderstatus einzunehmen hätte: Beispielsweise kann Vaihinger, wie oben erwähnt, seine Deutung, daß die Aufdeckung der Fiktionalität von Wahrheit ihrer Nützlichkeit keinen Abbruch tue, gut belegen - eine Deutung, von der man anzunehmen geneigt ist, daß Habermas sie unter Umständen schon ablehnt, damit die prinzipielle Kompatibilität zwischen Nietzsches und seinem Ansatz sichergestellt ist.
Daß die Habermassche Interpretation einerseits Kompatibilität mit seinem eigenen System zu verzeichnen hat und andererseits die Lösung der bei Nietzsche aufgezeigten Aporie Habermas vorbehält - eine Lösung, die immerhin Thema des bis zum Erscheinen der "Theorie des kommunikativen Handelns" mitunter als sein Hauptwerk eingestuften Buches "Erkenntnis und Interesse"[50] ist, ist selbstverständlich kein zwingendes Argument gegen diese seine Interpretation, aber in einer problematischen Legitimationslage doch eine Bemerkung wert.
Wie oben schon angedeutet, verliert Habermas kein Wort darüber, daß seine "Entparadoxierung" Nietzsches auch zu dessen "Zähmung" führt: Es bleibt m. E. von der radikalen, den Bruch mit der Neuzeit herbeiführenden Kritik Nietzsches eine sehr viel leisere Philosophie- und Gesellschaftskritik übrig, wenn man die Habermassche positive Wendung akzeptiert. Die Radikalität, die Habermas gerade in der Aphoristik Nietzsches zu finden meinte, geht bei Systematisierung und Weiterführung des Ansatzes verloren.
Mit alledem soll nicht die Legitimität des interpretatorischen Konzeptes von Habermas in Frage gestellt werden[51] (höchstens die Berechtigung seiner Kritik der anderen Interpretationen[52]). Die Frage könnte höchstens lauten, welchen Zweck Habermas mit dieser Neuinterpretation Nietzsches verbindet: Sie kann wohl kaum als eine Deutung angesehen werden, die größeren Erklärungswert im Blick auf das widersprüchlich erscheinende Werk für sich in Anspruch nehmen kann, zumindest läßt sich m. E. keine weiterführende oder zwischen konträren Ansätzen vermittelnde Stellung erkennen.
Andererseits ist auch nicht unstrittig, daß sie legitimerweise als Fundierung oder historische Exemplifizierung der Thesen von Habermas selbst in Bezug auf "Erkenntnis und Interesse" zu dienen in der Lage sei: Nach Lobkowicz sind es genau diese Perspektiven, die erst zu einer solchen Interpretation führen, so daß die Bezugnahme auf sie als Begründung in einen klassischen circulus vitiosus führen würde[53]; bezüglich der philosophiegeschichtlichen Betrachtungen in "Erkenntnis und Interesse" merkt er insgesamt an, daß "Habermas mehr oder minder ausdrücklich zugesteht, daß keiner der nach den leitenden Gesichtspunkten befragten Philosophen dasjenige selbst bestätigt, was er ihnen nahelegt"[54].
Somit liefert Habermas eine (weitere) interessante Perspektive auf den erkenntnistheoretischen Ansatz Friedrich Nietzsches, kann aber eine darüber hinausgehende Bedeutung desselben im Blick auf eine Integration der divergenten Interpretationslandschaft oder der historisch gerichteten Begründung seines eigenen erkenntnistheoretischen Konzeptes nicht plausibel machen.

Literaturverzeichnis:
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KAUFMANN, Walter, Nietzsche: Philosoph - Psychologe - Antichrist (aus dem Amerikanischen von J. Salaquarda), Darmstadt 1982.
LOBKOWICZ, Nikolaus, Erkenntnis und Objektivität, in: Philosophische Rundschau, 16. Jg. 1969, 249-273.
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SCHMIDT, Alfred, Zur Frage der Dialektik in Nietzsches Erkenntnistheorie, in:
Horkheimer, Max (Hg.), Zeugnisse. Theodor W. Adorno zum 60. Geburtstag, Frankfurt/Main 1963, 115-132.
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DE VRIES, Josef, Rezension "Erkenntnis und Interesse", in: Theologie und Philosophie, 45/1970, 568-571.


[1] Vgl. z.B. Ries, Wiebrecht, Nietzsche zur Einführung, Hamburg 41990, 7 (im weiteren zitiert: Ries, Nietzsche); Lutz-Bachmann, Matthias, Einführung in Leben und Werk Friedrich Nietzsches, in: Ders. (Hg.), Über Friedrich Nietzsche. Eine Einführung in seine Philosophie, Frankfurt/Main 1985, 9-25, 9; Kaufmann, Walter, Nietzsche: Philosoph, Psychologe, Antichrist (aus dem Amerikanischen von J. Salaquarda), Darmstadt 1982, XXIV (im weiteren zitiert: Kaufmann, Nietzsche).
[2] Zur Habermasschen Verwendung des Begriffs "Interesse" vgl. Lobkowicz, Nikolaus, Erkenntnis und Objektivität, in: Philosophische Rundschau, 16. Jg. 1969, 249-273, 261.
[3] Kaufmann, Nietzsche, XXIII.
[4] Im folgenden wird manchmal nur einer der beiden Aspekte auftauchen. Die Übertragung auf den jeweils anderen ist aber in unserem Zusammenhang problemlos.
[5] Habermas, Jürgen, Erkenntnis und Interesse, in: ders., Technik und Wissenschaft als >Ideologie<, Frankfurt/Main 1968, 146-148, 160 (im weiteren zitiert: Habermas, Erkenntnis).
[6] Bis hinein in solch praktische Fragen wie die geplante Hochschulreform.
[7] Womit mitnichten gesagt sein soll, daß Nietzsche "nur" die Folie sei, auf der das Konzept von Habermas entfaltet wird. Meines Erachtens stellt sich die Dynamik der beiden Ansätze in ihrem Zueinander wesentlich interessanter dar, als es das einfache Bild der Folie zunächst suggerieren könnte.
[8] Lutz-Bachmann, Einführung in Leben und Werk, 10. Hervorhebung von mir, V.H.
[9] Habermas, Jürgen, Zu Nietzsches Erkenntnistheorie (ein Nachwort), in: ders., Kultur und Kritik. Verstreute Aufsätze, Frankfurt/Main 1973, 239-263, 243 (im weiteren zitiert: Habermas, Nietzsche).
[10] Löwith, Karl, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen, Stuttgart 1956, 15.
[11] Ebd.
[12] Vgl. Kaufmann, Nietzsche, 104; Salaquarda, Jörg, Nietzsches Kritik an der Transzendentalphilosophie, in: Lutz-Bachmann (Hg.), Über Friedrich Nietzsche, 27-62, 28; ähnlich auch: Schmidt, Alfred, Zur Frage der Dialektik in Nietzsches Erkenntnistheorie, in: Horkheimer, Max (Hg.), Zeugnisse. Theodor W. Adorno zum 60. Geburtstag, Frankfurt/Main 1963, 115-132, 123.
[13] Deleuze, Gilles, Nietzsche und die Philosophie (aus dem Französischen von B. Schwibs), Hamburg 1991, 85 (im weiteren zitiert: Deleuze, Nietzsche).
[14] Vgl. Nietzsche, Friedrich, Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1980, II, 67f. und Deleuze, Nietzsche, 82f.
[15] Deleuze, Nietzsche, 99.
[16] Ries, Nietzsche, 103.
[17] Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), XII, 149.
[18] Vgl. z.B. Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), II, 253f; V, 249f.
[19] Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), XII, 315; Hervorhebung im Original.
[20] Vgl. Habermas, Nietzsche, 256.
[21] Nietzsche, Erkenntnistheoretische Schriften, 1968, 196, zitiert nach: Habermas, Nietzsche, 258; Hervorhebung im Original.
[22] "Es ist endlich an der Zeit, die Kantische Frage: 'wie sind synthetische Urteile a priori möglich'? durch eine andre Frage zu ersetzen 'warum ist der Glaube an solche Urtheile nöthig'? - nämlich zu begreifen, daß zum Zweck der Erhaltung von Wesen unsrer Art solche Urtheile als wahr geglaubt werden müssen; weshalb sie natürlich noch falsche Urtheile sein können!" Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), V,25; Hervorhebungen im Original. Vgl. auch Habermas, Nietzsche, 254.
[23] Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), III, 374f.
[24] Ries, Nietzsche, 116.
[25] So nach Habermas. Anders Vaihinger, Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus. Mit einem Anhang über Kant und Nietzsche, Leipzig 5/61920, 771-790: "Nietzsche und seine Lehre vom bewußtgewollten Schein (der "Wille zum Schein")", z.B. 786: Die "aus der aufgeregten Zeit der "Götzendämmerung" und des "Antichrist" stammende Opposition gegen den Mißbrauch der Fiktionen darf man nicht mißverstehen: das notwendige Komplement hierzu bietet die durch viele andere Stellen schon bezeugte Einsicht in die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Fiktionen".
[26] Rohrmoser, Günter, Emanzipation und Freiheit, München 1970, 249.
[27] Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), XII, 465; Hervorhebungen im Original.
[28] Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt/Main 1968, 353 (im weiteren - zur Unterscheidung von dem gleichnamigen Aufsatz - zitiert: Habermas, Erkenntnis und Interesse).
[29] Nietzsche, Friedrich, Werke in drei Bänden. Hg. von Karl Schlechta, Bd. III, München,1956, 446; Hervorhebung im Original.
[30] Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt/Main 41993, 106f. (im weiteren zitiert: Habermas, Diskurs). Zunächst versucht Nietzsche, den Mythos bzw. die Kunst an die entstandene Leerstelle zu setzen (so z.B. in "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik: "Nur als ästhetisches Phänomen [ist] das Dasein der Welt gerechtfertigt". Nietzsche, Werke (Hg. Colli und Montinari), I, 17; Hervorhebung im Original). Von diesem Versuch hat er sich allerdings nach Habermas an späterer Stelle wieder distanziert; vgl. Habermas, Diskurs, 120.
[31] Habermas, Nietzsche, 258. Habermas bezeichnet diesen Ausweg als "transzendental-logisch bestimmten Pragmatismus", Habermas, Nietzsche, 260.
[32] Vgl. Habermas, Nietzsche, 259.
[33] "Nietzsche analysiert in seiner Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtung über "Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" die Folgenlosigkeit einer vom Handeln abgekoppelten, in die Sphäre der Innerlichkeit abgeschobenen Bildungstradition". Habermas, Diskurs, 105f.
[34] "Er kann sich dem Anspruch des positivistischen Wissenschaftsbegriffs nicht entziehen und sich gleichwohl des anspruchsvolleren Begriffs einer Theorie, die für das Leben Bedeutung hat, nicht entschlagen." Habermas, Erkenntnis und Interesse, 358; Hervorhebungen im Original.
[35] Habermas, Erkenntnis, 155 - Die folgenden Ausführungen lehnen sich an diesen programmatischen Text an.
[36] Vgl. Habermas, Erkenntnis, 153.
[37] Habermas, Erkenntnis, 154.
[38] Habermas, Erkenntnis, 155.
[39] Habermas, Erkenntnis, 160.
[40] Ebd.
[41] Vgl. Habermas, Erkenntnis, 155. Zur späteren leichten Abwandlung dieser These durch Habermas durch die Einführung eines nur abgeleiteten Status für das emanzipatorische Erkenntnisinteresse vgl. Gmünder, Ulrich, Kritische Theorie: Horkheimer, Adorno, Marcuse, Habermas, Stuttgart 1985 (Sammlung Metzler: M 220), 128. In unserem Zusammenhang spielt diese Umstellung allerdings keine Rolle.
[42] Vgl. Habermas, Erkenntnis, 164.
[43] Habermas, Erkenntnis, 161.
[44] Habermas, Erkenntnis, 162.
[45] Zu kritischen Anfragen an die Konzeption des "emanzipatorischen Erkenntnisinteresses" und seine Funktion vgl. Lobkowicz, Interesse und Objektivität, 270ff.
[46] Vgl. Lobkowicz, Interesse und Objektivität, 251.
[47] Habermas, Erkenntnis, 167.
[48] Habermas, Nietzsche, 239f.
[49] Vgl. Habermas, Nietzsche, 243.
[50] Vgl. Reese-Schäfer, Walter, Jürgen Habermas, Frankfurt/Main 1991 (Reihe Campus Einführungen), 10.
[51] Wenn man auch versucht sein könnte, de Vries zuzustimmen, wenn er im Blick auf die geschichtlichen Darstellungen in "Erkenntnis und Interesse" anmerkt: "[Es] soll nicht gesagt sein, daß die behaupteten Zusammenhänge überhaupt nicht bestehen; aber mit einer Überbelichtung wird man rechnen müssen." de Vries, Josef, Rezension "Erkenntnis und Interesse", in: Theologie und Philosophie, 45/1970, 568-571, 570.
[52] Vgl. Habermas, Nietzsche, 240.
[53] Vgl. Lobkowicz, Interesse und Objektivität, 252f.
[54] Lobkowicz, Interesse und Objektivität, 255.