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Gliederungsübersicht:
1 Die Relevanz der Fragestellung

2 Die Deutung der Geschichte

2.1 Der Blick zurück: Hominisationsprozeß und "primitive Gesellschaften"
2.2 Die Wendung der Geschichte durch das Evangelium
2.3 Der Blick nach vorn: Deutung der Gegenwart und apokalyptische Zukunftsperspektive

3 Zum geschichtlichen Denken René Girards

Literaturverzeichnis

1 Die Relevanz der Fragestellung
Die Theorie René Girards kann wohl mit einigem Recht als exotisch bezeichnet werden. Nicht nur tut man sich schwer mit einer disziplinären Einordnung: Girard rezipiert Literatur ebenso wie Mythen, biblische und historische Texte, bewegt sich in Ethnologie, Anthropologie, Literaturwissenschaft, Philosophie und Theologie, ohne daß er eindeutig einer Disziplin primär zuzuordnen wäre, oder gar einer denkerischen Richtung. Er bezieht auch mit seinem theoretischen Anspruch einen schon endgültig aufgegeben geglaubten Posten: Auch wenn man sich streiten mag, ob die Zeit der großen, universellen Systeme wirklich endgültig vorbei sei[1], bewegt man sich doch alles andere als im breiten wissenschaftlichen Fahrwasser, wenn man, wie Girard es tut, für sich in Anspruch nimmt, eine universelle Religionstheorie zu entwerfen[2] - noch dazu eine, die dem (biblischen) Christentum eine exponierte Stellung zuweist. Und das gerade nicht mit theologischen Mitteln, sondern im Dialog mit den genannten diversen Disziplinen und unter Verzicht auf theologische Basissätze.
Girards ausgesprochen "anti-relativistische"[3] Religionstheorie weist eine weitere Besonderheit auf: Sie betrachtet Religion nicht als marginalen, sondern zentralen Bereich von Gesellschaft - zumindest bis vor kurzem eine recht ungewöhnliche These[4]. Eine religionstheoretische oder im weiteren Sinne soziologische Fragestellung böte sich somit an. Wieso dann ausgerechnet die historische Perspektive?
Die Beantwortung dieser Frage hat eine zweifache Stoßrichtung: Die Kritik an der Theorie Girards ist nicht immer erleuchtet. Neben tendenziell ideologischen Mißverständnissen finden sich dabei auch Kritik, die mit einer "geschichtslosen" Lesart der Theorie zusammenhängt. In der plumpen Form wird Girard die Verteidigung blutiger Opfer vorgeworfen: Wie es war im Anfang mit Mimesis, Sündenbock, Gewalt und Religion, so sei es heute noch, und so, prophezeie Girard, müsse es bleiben, denn so sei Gesellschaft entstanden und nur so bleibe sie stabil[5]. Meistens ist die Kritik allerdings etwas differenzierter: Eine universelle - und noch dazu prognosefähige - Religionstheorie sei nur um den Preis unzulässiger Vereinfachung zu haben, und die könne man schon auf den ersten Blick erkennen, wenn Girard Geschichte, Gegenwart und Zukunft mit einer Handvoll Begriffe beschreiben zu können glaube[6].
Diese Form der Kritik geht so lange am Gegenstand vorbei, wie sie die Girardschen Termini "mechanisch" gebraucht, ohne die Elastizität, mit der Girard selbst sie verwendet. Gegen den genannten Vorwurf wehrt er sich ausdrücklich:
"Es ist schwer, gegen den kulturellen Platonismus anzukämpfen, der in der Vorstellung lebt, die Formen der menschlichen Einrichtungen bestünden seit Ewigkeit. Wenn ich eine einzige rituelle Matrix zugrunde lege, vernachlässige ich nicht die Spezifität der Einrichtungen, vielmehr verfolge ich die Entwicklung ihrer Differenzierung von Beginn an. Man muß wieder den gemeinsamen Stamm und die sukzessiven Verzweigungen finden, die uns vom Ursprung zu der scheinbar irreduziblen Verschiedenheit der Kulturformen übergehen lassen"[7].
Dabei streitet er gleichzeitig eine gewisse Reduktion gar nicht ab, betont aber deren perspektiveröffnenden Charakter:
"Wer etwas gegen den monistischen Charakter meiner These hat, möge bedenken: Wissenschaftliche Forschung ist entweder reduzierend oder sie ist nichts"[8].
Eine Betrachtung der Geschichte, wie sie sich mit den Mitteln der Theorie Girards darstellt, könnte also einer allzu mechanischen Verwendung ebendieser Theorie vorbeugen. Und ein zweites Interesse leitet die Fragestellung dieser Arbeit: Es ist schon von der Prognosefähigkeit der Theorie Girards gesprochen worden. So bietet sich die historische Fragestellung auch an als Streiflicht auf das Girardsche "apokalyptische Geschichtsverständnis"[9]. Wenn man sich Löwiths Verwendung des Begriffs "Geschichtsphilosophie" anschließt, die er in "Weltgeschichte und Heilsgeschehen" verwendet, kann man mit einiger Vorsicht von einer Girardschen "Geschichtsphilosophie" sprechen:
"In der folgenden Untersuchung bezeichnet der Ausdruck 'Philosophie der Geschichte' die systematische Ausdeutung der Weltgeschichte am Leitfaden eines Prinzips, durch welche historische Geschehnisse und Folgen in Zusammenhang gebracht und so auf einen letzten Sinn bezogen werden"[10].
Und wiederum kann man sich an Löwith halten bei einer prinzipiellen Kategorisierung der Girardschen Geschichtsphilosophie: "Es scheint, als ob die beiden großen Konzeptionen der Antike und des Christentums, zyklische Bewegung und eschatologische Ausrichtung, die grundsätzlichen Möglichkeiten des Geschichtsverständnisses erschöpft hätten"[11]. Auch Girard macht hierin keine Ausnahme: Schon die Gliederung dieser Arbeit läßt ein lineares Geschichtsverständnis deutlich werden - wenn man auch versucht sein könnte, von "Stadien" der Geschichte zu sprechen, also keine auch nur einigermaßen gleichmäßige Entwicklung anzunehmen. Girard selbst formuliert angesichts des Auftretens Jesu: "Die zyklische Geschichte ist beendigt, denn ihre Triebfeder kommt zum Vorschein"[12].
Die unvermeidliche, aber begreiflicherweise sehr kurz gehaltene Einführung in die Grundtermini der Theorie ist in den ersten Teil eingebunden. Der Blick auf die Botschaft Jesu und ihre historische Interpretation ist bewußt einseitig, unter Absehung von exegetischen oder dogmatischen Fragen, auf die "sukzessiven Verzweigungen" der Theorie gerichtet. Das dritte Kapitel, das der Interpretation von Gegenwart und Zukunft gewidmet ist, versucht auch aufzuzeigen, daß Girards apokalyptischer Blick mit dem Verschwinden der direkten atomaren Bedrohung keineswegs gegenstandslos geworden ist[13], sondern eine stringente Folge der theoretischen Gesamtanlage.
Das Hauptinteresse jedes Kapitels soll auf dabei auf der historischen Beobachtung der Grundmatrix liegen.

2 Die Deutung der Geschichte

2.1 Der Blick zurück: Hominisationsprozeß und "primitive Gesellschaften"
Die Mimesis, die Nachahmung in dem Sinn, wie Girard sie verwendet, bildet sowohl vormenschlich als auch in den sogenannten "primitiven Gesellschaften" eine zentrale Kategorie. Dabei handelt es sich prinzipiell um eine Begierde, die nicht, der landläufigen Vorstellung entsprechend, einfachhin auf ein Objekt gerichtet ist, sondern mimetische Begierde ist immer durch ein "Modell" vermittelt: Etwas ist begehrenswert, weil ein anderer es begehrt, dessen Begehren maßgeblich erscheint.
Zunächst stellt sie sich - schon bei den Tieren - als Aneignungsmimesis dar: Das Begehren richtet sich, über das Modell vermittelt, auf ein vorhandenes Objekt (Futter, Weibchen, Revier etc.) Dabei kann es zu Gewalttätigkeit kommen, normalerweise werden die entstehenden Rivalitäten jedoch durch die Hierarchie gelöst, die in der Gruppe besteht: Es ist eindeutig, wer das entsprechende Objekt im Zweifelsfall besitzen darf.
Nun kommt es zu einer Form der Mimesis, bei der das Objekt immer weiter in den Hintergrund tritt, schließlich ganz verschwindet, und die Mimesis selbst immer mehr die zentrale Rolle einnimmt: Die Rivalität der beiden Begehrenden ist das zentrale Element dieser sogenannten "Gegenspielermimesis".
Girard geht davon aus, daß diese sich immer weiter verschärfende mimetische Begierde, die schließlich die "dominance patterns" tierischer Gesellschaft zerstörte, den Übergang vom Tier zum Menschen markiert[14].
Dabei führt die gesteigerte Gegenspielermimesis zu einem "Kampf aller gegen alle" und droht die Gesellschaft zu zerstören. Dieser Zustand, der wesentlich durch den Verlust gesellschaftlicher Ordnung geprägt ist, heißt in der Theorie GIrards die "mimetische Krise". Girard zitiert ein Beispiel von Jules Henry:
"Diese Gruppe, die - physisch und psychologisch gesehen - sehr wohl fähig war, der Härten der natürlichen Umgebung Herr zu werden, war zugleich unfähig, den immanenten Kräften, die ihre Kultur auseinanderrissen, zu widerstehen; da sie über kein regulierendes Verfahren zur Beherrschung dieser Kräfte verfügte, beging sie einen wahren gesellschaftlichen Selbstmord"[15].
Die aufgestaute, chaotische Gewalttätigkeit dieses "Kampfes aller gegen alle" kann sich jedoch schließlich auf eigenartige Weise entladen: in der spezifischen Form der Gewalt aller gegen einen, die Girard als "Sündenbockmechanismus"[16] bezeichnet. Dabei wird der eine, das Opfer, gegen das die Gewalt sich richtet, in der Regel kollektiv ermordet. Der Sündenbockmechanismus ist - zunächst in seiner hier beschriebenen spontanen Form - somit der Ausweg einer Gemeinschaft aus der Gefahr einer ubiquitären mimetischen Krise. Das Opfer eines solchen Sündenbockmechanismus ist zunächst relativ beliebig. Es gibt allerdings sogenannte "Opferzeichen", die dazu führen, daß die Wahrscheinlichkeit steigt, daß eine bestimmte Person zum Sündenbock wird: Das kann eine Form von gesellschaftlicher Auffälligkeit sein[17] wie auch einfach physische Anomalien[18].
An dieser Stelle soll noch einmal hervorgehoben werden, daß - was die Sprache u.U. suggeriert - all diese Prozesse selbstverständlich nicht von einer Gemeinschaft vorsätzlich gesteuert werden oder ihnen auch nur bewußt sind[19].
Hier begegnet uns die Ambivalenz des Sakralen als Heiligem und Verfluchten zugleich (vgl. die berühmt gewordene Formulierung vom Heiligen als "mysterium fascinosum et tremendum"[20]): der verfluchte Sündenbock, der getötet oder zumindest vertrieben wird, stellt ganz offensichtlich den so dringend benötigten Frieden in der Gemeinschaft wieder her: in der Aggression gegen einen gemeinsamen Feind wird die Gewalt kanalisiert und die Einheit der Gesellschaft wieder hergestellt. So muß der Sündenbock aus der Perspektive der Verfolger im Nachhinein ebenso als der Friedensbringer erscheinen, wie er vorher die Ursache allen Übels war.
Diese friedensstiftende Funktion des Sündenbockmechanismus ist es, die dazu führt, daß die Gemeinschaft um ihres Überlebens und ihrer inneren Ordnung willen von Zeit zu Zeit den Vorgang von mimetischer Krise und Sündenbockmechanismus wiederholt. Damit jedoch das Geschehen nicht aus dem Ruder laufen kann, findet ein Ritualisierungsprozeß statt: Die Opferung eines Sündenbocks wird somit ein kultisches Geschehen, während Mythen, wie Girard nachweist, die sakrifizielle Ursprungskrise aus der Perspektive der Verfolger (und damit entstellt) festhalten und unter Umständen auch direkt die rituelle Opferung legitimieren[21].
So stellt also das rituelle Opfer "den Versuch dar, all die versöhnenden Effekte der einmütigen Gewalt durch die Substitution eines Ersatzopfers an Stelle des ursprünglichen Sündenbocks wieder zu erneuern"[22].
Es muß somit im weiteren von einer Doppelbedeutung des Begriffs "Sündenbock" ausgegangen werden: Zunächst einmal benutzt Girard diesen Begriff für den psychologischen Vorgang der spontanen Opferung (wie im oben beschriebenen und verdeckt in vielen Mythen erzählten "Gründungsmord"). An dieser Stelle kann man von einem "Sündenbockmechanismus" sprechen. Davon zu unterscheiden ist der Sündenbock einer rituellen Opferung, in der seine Funktion wenigstens zum Teil der Gruppe bekannt ist[23]. Hier spricht man im Blick auf den Vorgang besser von einem "Sündenbockritus". Man darf nicht den Fehler begehen, allzu schnell das spontane und das ritualisierte Opfer gleichzusetzen. Girard zeigt durchaus wichtige Unterschiede zwischen beiden auf: Das rituelle Opfer hat eine Stellvertretungsfunktion gegenüber möglichen wirklichen Opfern in der Gesellschaft. Im Gegensatz zum spontanen Ursprungsopfer wird beim rituellen Opfer der Vorgang genau festgelegt, um Ausbrüche aus dem strengen Schema zu vermeiden. Das rituelle Opfer hat auch "keine wiederherstellende, sondern eine vorbeugende Rolle"[24], ist also in gewissem Sinne "schwächer" als die Ursprungsgewalt. Der "Gründungsmord und seine ritualisierte Wiederholung sich der gemeinsame Aufgangspunkt aller Religionen und Gesellschaften: "Das Religiöse ist nichts anderes als diese ungeheure Anstrengung, den Frieden aufrechtzuerhalten. Das Sakrale ist die Gewalt"[25].
Girard bezeichnet eben diesen Vorgang als die "rituelle Matrix"[26], die er als gemeinsamen Ursprung der verschiedenen, scheinbar irreduziblen Religionen annimmt, ohne damit diese Verschiedenheit einebnen zu wollen.
Wie oben angedeutet, hängt das Ausbrechen der mimetischen Krise mit einer fundamentalen gesellschaftlichen Entdifferenzierung zusammen, die gewalttätige Rivalität erst ermöglicht. Deshalb leben alle "primitiven Gesellschaften", d.h. solche ohne Rechtsprechung, mit einer großen Zahl von Tabus und Verboten. Diese Verbote dürfen nicht von ihrem Objekt her interpretiert werden, sondern sie entspringen der Angst vor mimetischer Rivalität und sind insofern strukturell ähnlich, auch wenn sie scheinar ganz Verschiedenes zum Inhalt haben. Sie regeln die gesellschaftliche Differenzierung, die die gewalttätige Seite der Mimesis unterdrückt: Zwischen Menschen verschiedener gesellschaftlicher Position kann es nicht zu einer "internen" Mimesis bleiben, sondern sie bleibt "extern": "Solange soziale Unterschiede oder andere Differenzierungen die mimetische Begierde kanalisieren, ist die konflikthafte Dimension der mimetischen Begierde eingedämmt"[27].
Die "Gründungsgewalttat", die eine strukturierte Gesellschaft entstehen läßt auf der Basis wiederholbarer und wiederholter Ableitung mimetischer Gewalttätigkeit in den Ritus, ist auch die Grundlage für eine weitere Entwicklung der menschlichen Gesellschaft: "Sämtliche Institutionen [haben] in der Reproduktion einer Gründungsgewalttat ihren Ursprung"[28].
Allerdings gehen mit dem Entstehen von Institutionen, insbesondere der Gerichtsbarkeit, die eine andere Möglichkeit bietet, aus den katastrophalen Rückkopplungen der Blutrache auszubrechen, die "religionsproduktiven Tendenzen"[29] zurück, mehr noch, die Verbindung von Heiligem und Gewalt verliert an Bedeutung und verschwindet schließlich:
"All dies liegt im weiteren Kontext einer Gesellschaft, die seit Jahrhunderten imstande ist, überall da, wo sich ihre Gerichtsbarkeit erstreckt, nämlich nach und nach auf dem ganzen Planeten, die Hervorbringung von Mythen und Ritualen, die sakrale Überkleidung der Gewalttätigkeitsphänomene zunächst zu hemmen un dann ganz zu verhindern"[30].

2.2 Die Wendung der Geschichte durch das Evangelium
"Als eine Geschichte der Welt ist die Geschichte nach Christus nicht qualitativ verschieden von der vor Christus, und zwar sowohl von einem rein empirischen als auch vom christlichen Standpunkt aus beurteilt"[31]. So Karl Löwith, der hier stellvertretend für eine heute weit verbreitete Auffassung steht:
Aus der Sicht üblicher ethnologischer, philosophischer oder soziologischer Forschung dürfte dies die vielleicht überraschendste Wendung der Theorie Girards sein: Daß die Geschichte Girards zufolge nicht nur einen fundamentalen Bruch hat, nach dem alles anders ist[32] - wenn dies auch zunächst schnell wieder verdeckt wird, aber dennoch nicht ungeschehen zu machen ist -, so anders, daß Girard sagen kann: "Die zyklische Geschichte ist beendigt, denn ihre Triebfeder kommt zum Vorschein"[33], sondern daß diese Wendung der Geschichte auch noch ausgerechtnet durch das Auftreten Jesu von Nazaret eintritt, bzw. durch die Kunde davon: die Evangelien. Nach Girard ist die Zeit Jesu selbst zunächst einmal die Zeit einer sakrifiziellen Krise, die von wechselseitiger Gewalttätigkeit geprägt ist[34]. In diese Zeit der permanenten Rivalität bricht die Botschaft der Bergpredigt, die dazu auffordert, den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt radikal zu durchbrechen. Diese neue Sicht der Evangelien hängt wiederum mit der Krisenzeit zusammen, die sich sozusagen an einer einmaligen Kippstelle befindet: Die Möglichkeit tut sich auf, jetzt entweder wieder in Gewalttätigkeit zurückzufallen oder erstmals wirklich die Gewaltlosigkeit zu wählen. Diese Möglichkeit meint auch die Rede der Evangelien von der "Stunde" Jesu.
Dabei ist es wichtig zu betonen, daß zunächst die Verkündigung der Botschaft vom Reich Gottes diese Möglichkeit eröffnet, nicht der Tod Jesu, der damit nicht als ein notwendiges Geschehen interpretiert werden kann: "Die Ereignisse, die auf die Predigt vom Gottesreich folgen, hängen gänzlich davon ab, wie die Zuhörer Jesu diese aufnehmen."[35] Nach Girard gehören sowohl die apokalyptischen Aussagen der Evangelien, die nicht in den Kontext der Gewaltlosigkeit zu passen scheinen (und eine spätere sakrifizielle Deutung der Evangelien sicher begünstigt haben) wie auch der Tod Jesu erst in den Zusammenhang seiner Ablehnung.
Es ist wichtig, hier festzuhalten, daß im Rahmen von Girards Theorie keinesfalls Gott als derjenige gesehen werden kann, der das Opfer seines Sohnes bräuchte oder verlangte, um sich mit den Menschen zu versöhnen. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, daß dies ein Rückfall in die Logik der sakrifiziellen Religionen wäre, die ihre verdeckte Gewalt über einen gewalttätigen Gott legitimieren.
Stattdessen wird Jesus auf eine andere Art zum "Opfer" und zum "Sündenbock": Indem er sich in die Reihe der vielen unschuldigen Opfer einreihen läßt, die den Menschen als Sündenböcke und damit als Sammelpunkte ihrer mimetischen Gewalttätigkeit gedient haben: "Die konsequente Ausführung seiner Sendung liefert Christus einem Tod aus, den er keineswegs begehrt, dem er sich aber auch nicht entziehen kann, ohne gleich unter das Gesetz dieser Welt und unter die Logik der Sündenböcke zu fallen"[36].
Damit ist jedoch gerade nicht gesagt, daß Jesus sich - wie Ödipus - schließlich dem Sündenbockmechanismus unterwirft, seine fiktive Schuld und seine Opferung anerkennt und damit das sakrifizielle System, das er überwinden wollte, ein weiteres Mal stabilisiert. Im Gegenteil: "Nicht um das sakrifizielle Spiel zu spielen, liefert er sich als Opfer aus. Er tut dies, um dem Spiel ein Ende zu bereiten"[37]. Hier befindet sich der zunächst marginal wirkende, aber entscheidende Unterschied zwischen den Mythen und den Evangelien: Nur in den Evangelien wird absolut eindeutig der "Sündenbock" von aller ihm angelasteten Schuld freigesprochen und stattdessen gezeigt, was wirklich geschieht: Wie sich die Menge gegen einen Unschuldigen zusammenrottet, um auf dessen Kosten ihre Krise zu bewältigen. Damit ist der Mechanismus erkannt[38].
Allerdings scheint diese Botschaft die Menschen überfordert zu haben, bzw. die Mechanismen der Mimesis und der Verschiebung der Gewalt auf ein kollektives Opfer funktionierten noch zu gut, so daß die sich entwickelnde christliche Tradition sehr schnell hinter die Botschaft Jesu zurückfiel. Girard beobachtet schon für den Hebräerbrief[39] das Einbrechen des Gedankens, Jesus sei ein Sühneopfer im Sinne der Stellvertretung für die Sünden der Menschen vor Gott gewesen[40]. Im Laufe der weltweiten Ausbreitung des Christentums entsteht dann eine ausgesprochen sakrifizielle Deutung des Christentums, die sich teilweise bis in die moderne Theologie durchzieht und Jesus als den sieht, der einem offensichtlich eines enormen Opfers bedürftigen oder zumindest es fordernden Gott liefert, was die Menschen wegen der Größe ihrer Schuld nicht zu leisten vermögen.
Girard führt diesen Umstand auf mehrere Einflüsse zurück: Zunächst gibt es durchaus Texte in den Evangelien, die sich auf den ersten Blick sehr gut so auslegen lassen[41]: Girard bezeichnet sie "als solche, die diesseits der evangelischen Wahrheit liegen, aber" - und damit versucht er den Grund für diese scheinbare Inkonsistenz der Botschaft Jesu zu geben - "den meisten Zuhörern noch als einzige zugänglich sind"[42].
Girard behauptet also keineswegs, daß sich der gesamte Text sofort mit seiner Deutung als ein konsistentes Ganzes erschließen würde (auch wenn bei manchen seiner Aussagen der Eindruck eines solchen Anspruchs entstehen könnte, er sage "einfach nur, was im Text steht, aber noch niemand gelesen hat"[43]), sondern er weist darauf hin, daß die Evangelien in einer Zeit entstanden sind, "wo die Entsakralisierungsarbeit ganz offensichtlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Darum müssen die Evangelienredaktoren notgedrungen zu Ausdrücken Zuflucht nehmen, die noch durch Gewalttätigkeit gezeichnet sind, während sie doch deren volle, gänzliche Zerstörung ankündigen"[44]. Und einen weiteren, wohl bedeutenderen Umstand macht Girard für die aufkommende und sich über Jahrhunderte - mehr oder weniger bis in unsere Tage - hartnäckig haltende sakrifizielle Deutung verantwortlich: die Heidenmission. In diesem Zusammenhang kommt Girard auf die "propädeutische Funktion des Alten Testaments"[45] zu sprechen: Das Alte Testament ist ein "Mischtext"[46], in dem sich (wie teilweise auch in der antiken Tragödie) die Gewaltmechanismen und ihre Aufdeckung nebeneinander befinden.
Ein wichtiger Schritt zur Aufdeckung ist beispielsweise die Schuldfrage, die im AT schon bei Kain und Abel auftaucht und ganz eindeutig beantwortet wird, während sie in der ansonsten sehr ähnlichen Erzählung von Romulus und Remus keine Rolle spielt. Auch die Josefsgeschichte ist eine Erzählung, die eindeutig den Sündenbock Josef von aller Schuld freispricht, während die Brüder, die sich gegen ihn solidarisieren, als Schuldige dargestellt werden. Wir finden also schon im AT immer wieder den für die Aufdeckung des Sündenbockmechanismus notwendigen und in den Evangelien - insbesondere den Passionserzählungen - exemplarisch zu beobachtenden Perspektivenwechsel von der Sicht der Verfolger zu der der Opfer. Andererseits ist der Text jedoch auch mit mythischen Elementen durchsetzt, sehr deutlich sichtbar an gewalttätigen Gottesvorstellungen[47].
Bei aller Ambivalenz dieses Textes ist es jedoch eine Basis, auf der die Botschaft Jesu überhaupt erst annähernd verständlich wurde, während die Völker, zu denen die Botschaft im Lauf der Zeit unter dem Verständnis ihrer nicht immer günstigen Umständen getragen wurde, nur ihre Mythen als Verstehenshintergrund hatten - Klaus Schatz spricht von einer "Re-Archaisierung" des Christentums im Übergang von der Antike zum frühen Mittelalter[48], Girard konkretisiert diese Aussage mit dem Begriff der "sakrifiziellen Deutung", also der "Re-Sakrifizierung". "Die sakrifizielle Deutung besteht im Grunde nur in einer leichten, doch entscheidenden Regression zu alttestamentlichen Auffassungen"[49].
Diese sakrifizielle Deutung ist eine fatale Verdrehung des Evangeliums, allerdings nach Girard voraussehbar und "in gewissem Sinn notwendig"[50].

2.3 Der Blick nach vorn: Deutung der Gegenwart und apokalyptische Zukunftsperspektive
Die im ersten Kapitel als konstitutiv beschriebenen Grundmuster menschlicher Begierde gelten heute wie zu Beginn der menschlichen Gesellschaft. Aber genauso gilt, daß nicht "im Prinzip alles gleich geblieben" ist - das monistische Erklärungsprinzip darf nicht unflexibel angewandt werden, soll es nicht seinen Erklärungswert verlieren. Insofern ist vor der Frage, wie sich die Deutung des Christentums heute darstellt und welche Prognosen Girard mit seiner Theorie wagt, vorher zu klären, in welcher Form wir heute die Grundstrukturen von Mimesis und Sündenbockmechanismus antreffen.
Zunächst: Wir unterdrücken den mimetischen Konflikt genauso wie die primitiven Gesellschaften, "aber in paradoxer Form"[51], weil wir Nachahmung verachten, statt sie zu fürchten. Dadurch wird ihre Wirksamkeit jedoch keineswegs geschwächt, im Gegenteil: Die Mimesis ist heute noch verstärkt und ergreift Bereiche, die früher vor ihr geschützt waren. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man zweierlei bedenkt: Zum einen führt die wachsende hierachische Entdifferenzierung der Gesellschaft und die Auflösung unüberbrückbarer Hindernisse zwischen den Menschen, wie sie früher aufgrund von Stand, Geschlecht, Alter oder Beruf bestanden, dazu, daß die Reihe möglicher Konkurrenten sich vervielfacht[52]. Anhand der Entwicklung der Literatur läßt sich aufzeigen, daß erst in neuester Zeit (literarisch gesehen bei Dostojewski) die Mimesis nicht "exogam" bleibt, sondern "endogam" wird: Selbst innerhalb der Familien sind die Differenzen so weit verwischt, daß es zu mimetischen Rivalitäten kommt. Es läuft unserem häufig naiven Gleichheitsideal zuwider, ist aber im Rahmen seiner Theorie nur folgerichtig, wenn Girard betont:
"Nicht die Unterschiede, sondern deren Verlust bewirken die wahnwitzige Rivalität, den Kampf bis aufs Messer, den sich Angehörige der gleichen Familie, der gleichen Gesellschaft liefern"[53].
Diese gesteigerten Rivalitäten werden zum zweiten auch dadurch noch verstärkt, daß durch die genannte Entdifferenzierung dem Einzelnen nicht nur mehr Rivalen, sondern auch mehr Möglichkeiten offenstehen, er andererseits jedoch auch viel weniger einfach besitzt, ohne es "erobern" zu müssen: Die meisten Menschen können prinzipiell sehr viel Verschiedenes machen, und sie werden dementsprechen weitaus stärker dafür verantwortlich gemacht, was sie leisten[54].
Zeit der Sündenböcke? Eine solche Gesellschaft wie die eben beschriebene bedürfte doch mehr denn je eines versöhnenden, entschuldigenden Rituals. Nun kommt jedoch eine Entwicklung hinzu, die sich nach Girard mit dem Beginn der Institutionen immer weiter durchsetzt: Nach der Bildung der Institutionen, die zunächst wie die Religion die Eindämmung der mimetischen Gewalt zum Ziel hatten (am deutlichsten sichtbar an der Gerichtsbarkeit), überwiegt immer stärker der Nützlichkeitsaspekt ebendieser Institutionen, und die sakrale Komponente verschwindet langsam. Ebenso bilden sich aber auch ab einem bestimmten Stadium der gesellschaftlichen Entwicklung keine Mythen mehr - was mit der Bildung von Institutionen zusammenhängen dürfte. Diese Entwicklung verstärkt ersichtlichermaßen die oben angesprochene Problematik, denn in einem langsamen Prozeß wird die mimetische Gewalt immer schlechter beherrschbar, der Gründungsmechanismus funktioniert heute "viel weniger gut als früher"[55]. Das liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil auch daran, daß die Aufdeckung dieses Mechanismus weder heute zum ersten Mal geschieht noch seit der Zeit der Evangelien völlig vergessen ist: "Man muß deshalb denken, daß der Weg, der zu dem Entzifferungstypus führt, zu dem wir fähig sind, sehr weit zurückgeht und keineswegs unvereinbar ist mit der Praxis der Gewalttätigkeit, vielleicht sogar einer in dem Maß angewachsenen und vervielfachten Gewalttätigkeit, als der Umstand, immer klarer als solche erkannt zu werden, ihre 'unbewußte' mimetische Polatisationsmacht und ihre Versöhnungskraft schwächt"[56]. Aus dieser Perspektive kann man den Nationalsozialismus als einen verzweifelten Versuch betrachten, sowohl wieder eine Religion und einen Mythos zu schaffen, als auch ein ganzes Volk zum Sündenbock zu machen und durch die Aufhäufung millionenfacher Opfer sich doch noch einmal der Wirkung des Sündenbockmechanismus zu bedienen. Letztlich muß jedoch auch dieser Versuch als fehlgeschlagen bezeichnet werden, und vielleicht hat er gerade dazu beigetragen, daß sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, welche Kräfte in der Menschheit wirksam ist[57].
Girard begeht nicht den Fehler, seine eigene Theorie und ihre Wirkungsgeschichte in seiner Interpretation außer acht zu lassen: sie hat gerade hier ihren Platz als ein weiterer Faktor, der über kurz oder lang dazu führen wird, daß der Sündenbockmechanismus endgültig seine friedensstiftende Wirkung nicht mehr entfalten kann, lebt er doch von der Verdeckung. Denn die Möglichkeit, über den Opfermechanismus Sakrales zu produzieren, geht verloren, wenn der Mechanismus aufgedeckt wird und bekannt ist. Daß man nüchtern eine daraus folgende massive Instabilität der Gesellschaft wahrnehmen und auch für die nähere Zukunft prognostizieren muß, heißt noch lange nicht und hieße vor allem Girard gründlich mißverstehen, man bedauere eben diese Tatsache des Funktionsverlustes dieser bequemen Möglichkeit, die Gewalttätigkeit der Menschen im Zusammenleben zu kanalisieren.
Eine andere mögliche Konsequenz deutet sich schon aus dem letzten Kapitel an und wird sichtbar, wenn Girard unser Zeitalter als "apokalyptisch" bezeichnet[58]: Wir haben erstmals die Möglichkeit, die gesamte Menschheit zu vernichten - er spielt in seinem Buch "das Ende der Gewalt" v.a. auf die atomare Bedrohung an, aber ganz gleich, wie man diese Gefahr derzeit einschätzt, an der globalen Bedrohung, um nicht zu sagen, Selbstbedrohung der Menschheit durch die Zerstörung unseres eigenen Lebensraumes wird wohl kaum jemand zweifeln. So kann Girard sagen: "Ich glaube, wir erleben eine wirklich unerhörte Mutation, die radikalste, welche die Menschheit je durchgemacht hat"[59].
In hoffnungslosen Pessimismus verfällt er jedoch angesichts dieser Lage nicht, im Gegenteil: Die Aufdeckung des Sündenbockmechanismus, die ein weiteres ungehindertes Funktionieren verunmöglicht, bietet die Chance, die sakrifizielle Deutung des Christentums endgültig aufzugeben. Genau das sieht Girard auch schon dort, wo andere den Untergang des Christentums prophezeien: Seiner Meinung nach geht nicht das Christentum selbst unter, sondern seine sakrifizielle Deutung. Die Zukunft bringt somit die Wiederbegegnung mit dem Sinn der Bibel[60].

3 Zum geschichtlichen Denken René Girards
Im Gang durch die Geschichte dürfte deutlich geworden sein, daß die Tatsache, daß Girard seine Theorie auf relativ wenigen Elemente, nicht zu einer Negation geschichtlicher Differenzen führt. So kann beispielsweise die Kritik von Kearney, der eine "absolute discontinuity"[61] zwischen vorchristlicher Geschichte und dem Auftreten Jesu von Nazaret konstatiert, als unbegründet zurückgewiesen werden.
Ein Ansatzpunkt für eine weitere Auseinandersetzung könnte die Frage sein, ob, wie Herzog anmahnt, "das geschichtsphilosophische Anliegen, die Totalität der Geschichte aus einem einzigen Ereignis-Typ, dem 'Gründungsgeschehen', genetisch herzuleiten ... sich als problematisch erweisen"[62] könnte.
Damit gerät eine prinzipielle Frage in den Blick, die sich im Anschluß an diese Arbeit stellt, deren Beantwortung jedoch offenbleiben muß:
Einer eigehenderen Prüfung bedürfte, ob mit dem Nachweis der Flexibilität der begrifflichen Matrix Girards schon die Kritik entkräftet ist, seine Theorie sein, obwohl von einigem Erklärungswert, dem von Girard selbst an sie herangetragenen Anspruch eines umfassenden Systems nicht gewachsen[63].
Unabhängig von der Einschätzung dieser Fragen kann abschließend festgestellt werden, daß die Theorie Girards einen Blick auf die Geschichte erlaubt, der nicht nur neue historische Zusammenhänge erschließt, sondern auch in der Lage ist, zu einer Deutung der Gegenwart beizutragen, so daß er als durchaus fruchtbar zu bezeichnen ist.

Literaturverzeichnis:
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Fischer, Hans Rudi (Hg.): Das Ende der großen Entwürfe, Frankfurt/M 1992.

Girard, René: Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Aus dem Französischen von A. Berz, Freiburg 1983.
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Girard, René: Things Hidden Since the Foundation of the World: Research undertaken in collaboration with J.-M. Oughourlian and G. Lefort, translated by S. Baun/M. Metteer, London 1987.
Girard, René: Hiob - Ein Weg aus der Gewalt. Aus dem Französischen von E. Mainberger-Ruh, Zürich 1990.
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Golsan, Richard J.: René Girard and Myth: An Introduction, New York, London 1993.
Herziger, Richard/Stein, Hannes: Endzeit-Propheten oder Die Offensive der Anti-Westler, Reinbek bei Hamburg 1995.
Herzog, Markwart: Religionstheorie und Theologie René Girards. In: Kerygma und Dogma 38 (1992) 105-137.
Höhn, Hans-Joachim, GegenMythen. Religionsproduktive Tendenzen der Gegenwart, Freiburg, Wien 1994 (Quaestiones disputatae 154).
Livingston, Paisley: Demystification and History in Girard and Durkheim. In: Dumouchel, P. (Hg.), Violence and Truth: On the work of René Girard, Stanford 1988, 113-???.
Löwith, Karl, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, Stuttgart 21953.
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Palaver, Wolfgang: Einführung in die Theorie René Girards. Vorlesungsmanuskript, Innsbruck 21994.

Palaver, Wolfgang: Order out of Chaos in the Theories of Carl Schmitt and René Girard. In: Synthesis. An interdisciplinary Journal, Vol. 1 No. 1 (Spring 1995), 87-106.
Pollack, Detlef, Zur Diskussion des Säkularisierungstheorems, in Dialog der Religionen 5 (1995) 114-121.

Schatz, Klaus: Von der spätantiken Reichskirche zur abendländischen Christenheit. Die Germanen- und Slawenmission im Frühmittelalter, Hochschule St. Georgen, Frankfurt am Main, WS 1992/93.
Schwager, Raymund: Eine neue Interpretation der Geschichte im Licht des Christentums. In: Stimmen der Zeit 197 (1979), 784-788.
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Schwager, Raymund: Theologie - Geschichte - Wissenschaft. In: ZkTh 109 (1987) 257-275.


[1] Vgl. Fischer (Hg.), Das Ende der großen Entwürfe.
[2] Vgl. Palaver, Einführung in die Theorie René Girards, 13.
[3] Vgl. Girard, Mimetische Theorie und Theologie, 16.
[4] Vgl. die anhaltende Debatte um die Säkularisierungsthese; vgl. Pollack, Zur Diskussion des Säkularisierungstheorems. Als "provozierend" bezeichnet auch Herzog diesen Anspruch: Religionstheorie und Theologie René Girards, 105.
[5] Vgl. z.B. Herziger, Richard/Stein, Hannes, Endzeit-Propheten.
[6] Vgl. die Kritik von Smart am Fehlen östlicher Religionen, die zu einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust der Theorie geführt haben soll: vgl. Herzog, Religionstheorie und Theologie René Girards, 121; vgl. auch Herzog, Religionstheorie und Theologie René Girards, 130ff. In diesen Zusammenhang einordnen könnte man auch die Kritik der "overschematization of desire" von Greer, die Golsan referiert (Golsan, René Girard and Myth, 115f.).
[7] Girard, Das Ende der Gewalt 63. Schwager merkt an: "Die Anthropologie Girards [hat] selber einen geschichtlichen Charakter, denn sie versteht ihre Aussagen über die universale Wirksamkeit der Nachahmung und über die allgemeine Tendenz zu Rivalität und Gewalt nicht als Wesensaussagen von einer unveränderlichen Natur, sondern als eine aus sehr vielen empirischen Fakten gewonnene und an ihnen bewährte Hypothese" (Schwager, Theologie - Geschichte - Wissenschaft, 270).
[8] Girard, Das Ende der Gewalt 49.
[9] Vgl. Palaver, Order out of Chaos 101.
[10] Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 11. Inwiefern seine Theorie nun als geschichtsphilosophisch oder -theologisch oder prinzipiell wie sie korrekterweise zu bezeichnen sei, soll mit dieser Verwendung des Begriffes "Geschichtsphilosophie" im weiteren Sinn hier ausgeklammert bleiben.
[11] Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 26.
[12] Girard, Das Ende der Gewalt 213.
[13] So Golsan, René Girard and Myth, 104.
[14] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 95ff. Auf die Diskussion um Hominisation, Erbsünde und Freiheit soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. z.B. Palaver, Einführung in die Theorie René Girards, 107-111.
[15] Girard, Das Heilige und die Gewalt, 85, vgl. auch Palaver, Einführung in die Theorie René Girards, 61.
[16] Zum Begriff s.u.
[17] Typische Beispiele an dieser Stelle wären Piggy in Goldings "Herr der Fliegen", Hauke Haien in Storms "Schimmelreiter", in mittelalterlichen Verfolgungstexten bspw. die Juden, sowie nach Girard auch Hiob (vgl. Girard, Hiob, 22f.). Zu diesen Beispielen muß angemerkt werden, daß es sich selbstverständlich nicht um Gründungsmorde handelt. Dennoch sind sie geeignet, den psychologischen Mechanismus der spontanen Gewalt einer Gruppe gegen einen Sündenbock zu verdeutlichen, da wir uns nicht eingehender mit Girards Mytheninterpretation beschäftigen, an dieser Stelle besser als die aus der Perspektive der Gewalttätigen und somit verzerrt geschriebenen Gründungsmythen.
[18] Das Opfer im Sündenbockmechanismus muß jedoch ein Teil der Gemeinschaft sein. Ein Fremder oder ein Tier als Opfer ebenso wie die "Erhebung" des Opfers zum Gott nach der Tötung gehören schon zu Mechanismen, die sich mit der Ritualisierung einstellen und im Sinn einer (zweiten) Stellvertretung Gewalt innerhalb der Gemeinschaft verhindern, indem sie sie nach außerhalb kanalisieren. Vgl. Girard, Das Heilige und die Gewalt, 394ff.
[19] Ebenso spielt die Frage nach Schuld keine Rolle, vgl. z.B. Girard, Das Heilige und die Gewalt, 13.
[20] Vgl. Otto, Rudolf, Das Heilige, 71f.
[21] Für ein rituelles Opfer gelten etwas andere Kriterien als für das oben beschriebene spontane. Dieser an sich nicht unwichtige Unterschied soll allerdings hier außer acht gelassen werden. weil er für unseren Gedankengang nicht unmittelbar von Bedeutung ist. Vgl. dazu Girard, Das Heilige und die Gewalt, 394-401.
[22] Girard, Mimetische Theorie und Theologie, 24.
[23] Klassisches Beispiel für einen solchen "Sündenbockritus" ist das in Lev 16 beschriebene Ritual für den Versöhnungstag.
[24] Girard, Das Heilige und die Gewalt, 152.
[25] Girard, Das Ende der Gewalt, 43. Schwager zufolge ist diese Konzeption der Entstehung von Gesellschaft eine ernsthafte Alternative zu den Konzepten eines Gesellschaftsvertrags, die von einem als utopisch zu bezeichnenden "natürlichen Geselligkeitstrieb" des Menschen ausgehen. Vgl. Schwager, Geschichtsphilosophie und Erlösungslehre, 19f.
[26] Girard, Das Ende der Gewalt, 63.
[27] Palaver, Einführung in die Theorie René Girards, 31.
[28] Girard, Das Ende der Gewalt, 81; Hervorhebung von mir.
[29] Die interessante Anschlußfrage nach Vergleichbarkeiten mit den "religionsproduktiven Tendenzen der Gegenwart" (Höhn, GegenMythen) muß in unserem Zusammenhang unbeantwortet bleiben.
[30] Girard, Das Ende der Gewalt, 131.
[31] Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 174.
[32] Wenn auch Kearneys Behauptung einer "absolute discontinuity" (Zit nach: Golsan, René Girard and Myth, 120) sicher unzutreffend ist, wie im Lauf der Untersuchungen immer deutlicher werden wird - zumal Girard annimmt, daß es schon vor Jesus Schritte in die richtige Richtung gegeben hat, wie z.B. im AT (s.o.).
[33] Girard, Das Ende der Gewalt, 213, Hervorhebung im Original.
[34] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 207.
[35] Girard, Das Ende der Gewalt, 210.
[36] Girard, Mimetische Theorie und Theologie, 25.
[37] Girard, Mimetische Theorie und Theologie, 25. Aus stärker theologischer Perspektive formuliert Schwager dasselbe: vgl. Schwager, Geschichtsphilosophie und Erlösungslehre, 22.
[38] Für ein rituelles Opfer gelten etwas andere Kriterien als für das oben beschriebene spontane. Dieser an sich nicht unwichtige Unterschied soll allerdings hier außer acht gelassen werden. weil er für unseren Gedankengang nicht unmittelbar von Bedeutung ist. Vgl. dazu Girard, Das Heilige und die Gewalt, 394-401.
[39] Girard hat inzwischen einiges von seiner Kritik am Hebräerbrief zurückgenommen, aber m.E. betrifft das die Kritik an der Anwendung des Opferbegriffs auf die Passion Jesu, nicht die, daß der Hebräerbrief den Tod Jesu als Gottes Willen hinstellt. Vgl. Girard, Mimetische Theorie und Theologie, 29.
[40] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 238f.
[41] Bspw. die Gleichnisse vom Sämann und von den Talenten: "Um sich seinen Zuhörern verständlich zu machen, muß Jesus bis zu einem gewissen Punkt ihre Sprache sprechen und noch unausrottbaren Vorurteilen Rechnung tragen. Bei der Idee, die sie sich von der Gottheit machen, können sie die Wahrheit nur dann erfassen, wenn man sie in Mythen einkleidet; und dies tut denn auch Jesus in den beiden von uns angeführten Gleichnissen" (Girard, Das Ende der Gewalt, 196).
[42] Girard, Das Ende der Gewalt, 196.
[43] Vgl. z.B. Girard, Das Ende der Gewalt, 183, 188f.
[44] Girard, Das Ende der Gewalt, 198.
[45] Vgl. Girard, Things Hidden Since the Foundation of the World, 253 bzw. die redaktionelle Zwischenüberschrift in "Das Ende der Gewalt", 263.
[46] Schwager, Eine neue Interpretation der Geschichte, 788.
[47] Vgl. z.B. im Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies, Gen 3, und Girard, Das Ende der Gewalt, 288ff.
[48] Vgl. Schatz, Von der spätantiken Reichskirche zur abendländischen Christenheit, 4.
[49] Girard, Das Ende der Gewalt, 235.
[50] Girard, Das Ende der Gewalt, 232.
[51] Girard, Das Ende der Gewalt, 29.
[52] Vgl. Girard, Das Heilige und die Gewalt, 78.
[53] Girard, Das Heilige und die Gewalt, 78.
[54] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 94.
[55] Girard, Das Ende der Gewalt, 44.
[56] Girard, Das Ende der Gewalt, 132.
[57] Zu einem nicht unwesentlichen Teil geht die Entwicklung auch auf das Konto der Aufklärung, nach Schwager v.a. der Problematik der aufklärerischen Geschichtsphilosophie: vgl. Schwager, Geschichtsphilosophie und Erlösungslehre, 22.
[58] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 272.
[59] Girard, Das Ende der Gewalt, 139. Vg. auch Schwager, Geschichtsphilosophie und Erlösungslehre, 20f., 23.
[60] Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 290.
[61] Zit nach: Golsan, René Girard and Myth, 120.
[62] Herzog, Religionstheorie und Theologie René Girards, 130 (Hervorhebung von mir). Kritik am Monismus Girards findet sich auch bei Domenach, Voyage to the End of the Science of Man.
[63] Zu diesem Anspruch vgl. auch Schwager, Eine neue Interpretation der Geschichte.