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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
1.1 Was ist "Jugendsprache"?
1.2 Was ist ein "neues Wort"?
3. Einflüsse auf die Sprache

2.1 Die Medien

2.2 Song-Texte
2.3 Politiker und Prominente
2.4 Werbung
2.5 Fachsprachen

4. Warum entwickelt die Jugend eine eigene Sprache?

5. Schlußfolgerung
Verwendete Literatur

1. EINLEITUNG
Der Titel des Seminars, zu dem diese Arbeit entstand, hieß: "Spiele und Experimente mit Sprache"; das legte ja schon einmal nahe, sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen, wo sie am spielerischsten und experimentellsten ist. Und das ist ja wohl ganz klar dort, wo neue Begriffe geboren werden.
Wie gelangen überhaupt neue Worte, Phrasen und Ausdrücke in unsere Sprache? Das war die Grundfrage, die ich mir ganz zu Beginn der Hausarbeit stellte.
Bei der Recherche wurde mir schnell klar, daß, wollte man diese Frage ausgiebig beantworten und nicht nur an der Oberfläche kratzen, man ohne weiteres mehrere hundert Seiten füllen könnte.
Ich würde mich also spezialisieren müssen. Und das fiel nicht schwer. Denn ich hatte mich bei der Materialsichtung immer mit dem größten Vergnügen dort festgelesen, wo es um "Jugendsprache" oder "Jugendjargon" ging.
Deshalb versucht diese Arbeit nun zu erklären, welchen Einfluß die Jugendsprache in Deutschland auf die gesprochene und geschriebene Sprache ausübt. Und wie neue Begriffe aus der Jugendsprache in die Gemeinsprache kommen.
Vielen Dank an Claus Peter Müller-Thurau für den Kaffee und das nette Gespräch.2. GRUNDLAGEN

2.1 Was ist"Jugendsprache"?
Im Laufe dieser Arbeit werde ich immer wieder auf den Begriff "Jugendsprache" zurückgreifen. Unter "Jugendsprache" verstehe ich eine Umgangssprache, die ihren Ursprung bei deutschsprachigen Jugendlichen hat.
Zu diesen Jugendlichen zähle ich die weite Spanne von Zwölf- bis 25-jährigen. Basierend auf meiner eigenen Erfahrung verwenden diese am häufigsten Worte und Floskeln, die in der Literatur als "Sponti-Sprüche", "Jugendjargon" oder "Jugendsprache" bezeichnet werden.
Diese Sprache wird Erwachsenen gegenüber sehr sparsam verwendet[1], hauptsächlich benutzen die Jugendlichen diese Sprache, wenn sie mit einer Gruppe Gleichaltriger zusammen sind, ihr Sprachstil ist also "stark gruppenorientiert"[2].
Annette Last erkennt: "[...] es gibt nicht die Jugendsprache, es gibt genauso viele jugendliche Sprechweisen, wie es jugendliche Gruppen gibt."[3]
Dennoch stelle ich fest, daß es eine ganze Reihe von Formulierungen gibt, die in ganz Deutschland bekannt sind. Wie sie bekannt werden, sogar so bekannt, daß sie jedermann - jugendlich oder nicht - geläufig sind und von jedermann verwendet werden: das soll im weiteren erörtert werden.

2.2 Was ist ein neues Wort, ein neuer Ausdruck, ein neuer Begriff?
Neue Begriffe, die in unsere Gemeinsprache Einzug halten, sind in den seltensten Fällen völlig neue Worte. Von Industrie und Werbung werden zum Beispiel neue Produktnamen geboren, um hervorzuheben wie einzigartig ein Produkt ist.[4]
Im weiteren Zusammenhang werde ich "Wort", "Ausdruck" und "Begriff" weitgehend synonym verwenden. In der Regel wird bei der Schöpfung eines neues Wortes oder Begriffs auf bekannte Worte zurückgegriffen, denen dann eine neue Bedeutung beigemessen wird. Ich möchte mich in dieser Arbeit nicht nur auf Worte, sondern auch mit ganzen Ausdrücken befassen. Denn bei der Jugendsprache haben wir es meistens mit Sätzen oder Phrasen zu tun.
Magdalena Matussek definiert ein "neues" Wort sehr treffend[5]:
"Ganz allgemein läßt sich Wortneubildung als ein Verfahren bezeichnen, mit dessen Hilfe aus bekannten Lexemen[6] und Morphemen[7] nach bestimmten Wortbildungsregeln neue komplexe Sprachzeichen gebildet werden. Dabei handelt es sich bei gemeinsprachlichen Wortneubildungen um ein Phänomen der parole und das heißt, um die Produktion neuer Textbedeutung. [...] Aus der Kombination bekannter Sprachzeichen wird neue (Text-) Bedeutung geschaffen."
Ein Beispiel:
"Ich glaub`, mein Hamster bohnert" bedeutet soviel wie "ich bin sehr überrascht/verwundert". Dabei ist es vollkommen unwichtig, ob ich einen Hamster besitze oder ob das Tierchen auch tatsächlich eine Bohnermaschine fachgerecht bedienen kann. Würde ein Hamster so etwas tun, wären wir darüber allerdings zutiefst verwundert: genauso verwundert wie derjenige, der diesen Satz gesagt hat. Aus der neuen Kombination der fast unmöglich in einen vernünftigen Sinnzusammenhang zu bringenden Begriffe "Hamster" und "bohnern" entsteht so eine neue Bedeutung.

3. EINFLÜSSE AUF DIE SPRACHE
Welchen Einflüssen ist die Sprache ausgesetzt? Im Folgenden soll ein Überblick gegeben werden, wer oder was die Gemeinsprache prägt. Anschließend will ich versuchen, die Auswirkungen dieser Komponenten auf die Jugendsprache zu skizzieren. Letztendlich will ich erklären, wie sich die Sprache der Jugendlichen wiederum auf die Gemeinsprache auswirkt.

3.1 Die Medien
Presse, Hörfunk und Fernsehen wirken als Multiplikatoren. Man kann sagen, daß das Volk hier den Medien doch aufs Maul schaut, bestimmte Begriffe an- und übernimmt, die ihnen von den Medien serviert werden. Wolf Schneider spricht von dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und der Deutschen Presse-Agentur als den "wichtigsten Sprachformern unserer Tage"[8].
Jugendliche lesen weniger den "Spiegel". Trotzdem bezeichnet die Sprachforscherin Annette Last "die Medien [...] in heutiger Zeit" als "das wichtigste Transportmittel zur Verbreitung aktueller Trends und damit auch von jugendsprachlicher oder für jugendsprachlich erklärter Ausdrucksweise, die auf diesem Wege nahezu alle Jugendlichen erreicht."[9]
Annette Last nennt die für Jugendliche relevanten Medien beim Namen:
"Printmedien:
Werner-Comics, Bravo, Mickey Mouse, Bravo Girl, Metal Hammer.
Fernsehsendungen:
Alf, Lindenstraße, Actionfilme, Horrorfilme."[10]
Mittlerweile wird gerade die Computersprache und alle Begriffe, die das Internet mit sich bringt, für junge Menschen populär (Beispiel: "Surfen", "Einloggen," "Downloaden" ...). Die Gemeinsprache ist aber auch direkt und nicht mittelbar über den "Umweg" über die Jugendsprache betroffen: Schließlich ist "Multimedia" von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 1995 erklärt worden.

3.2 Song-Texte
Auch Teile aus Liedertexten werden, nicht zuletzt wegen der starken Penetration durch Fernsehen und Hörfunk, gerne neue Formulierungen entliehen, die sich schnell in unsere Gemeinsprache eingliedern. Seit Mike Krügers Gassenhauer weiß sicherlich jeder, wie knifflig es sein kann, "den Nippel durch die Lasche" zu "ziehen".
Jugendliche hören viel Musik. Daher entgehen ihnen raffinierte Texte mit neuen Wortschöpfungen natürlich nicht. Warum gerade Jugendliche gerne neue Wortschöpfungen benutzen, will ich etwas später noch verdeutlichen (vgl. Punkt 3).
Als Beispiel nennt Claus Peter Müller-Thurau[11] in seinem Lexikon zur Jugendsprache die Formulierung "da fliegt mir doch das Blech weg" aus dem Lied "Das Blech" der deutschen Pop-Gruppe SPLIFF. Auch von SPLIFF stammt der Begriff "lull und lall", der Betrunkenheit beschreibt: Im Song "Carbonara" heißt es: "Amaretto ist ein geiles Zeug // Ich bin schon lull und lall."
Torfrock erfand mit "Preßlufthammer-B-B-B-Bernhard" das lautmalerische "Raddaddazong", das illustriert, wie man einen Balkon mithilfe eines Preßlufthammers vom Gebäude abtrennen kann.
Häufig entstehen solche Worte aus der Not, einen passenden Reim zu finden. Um eine bestimmte Situation zu kommentieren, wird dann gerne der gesamte Vers zitiert. ("Raddaddazong! Raddaddazong! Weg ist der Balkon - dong.")

3.3 Politiker und Prominente
Wenn Politiker und andere Prominente etwas sagen, vielleicht sogar ein neues Wort "erfinden", wird das über die Medien weiter verbreitet. Denn Wolf Schneider erkennt, daß der "Jargon der Politiker" einen wichtigen Einfluß auf die Schreibe der Journalisten hat[12].
Viele Menschen hören die Worte der Prominenten und bewerten sie natürlich. Zu passenden Gelegenheiten wird dann gerne eine solche Floskel verwendet; 1. um sich über sie lustig zu machen und damit 2. über die Person, die diese Floskel geprägt hat.
Eine ungeschickte Formulierung kann natürlich (wiederum durch den Katalysator Medien) zum "Unwort des Jahres" erkoren werden. (1993: "kollektiver Freizeitpark", eine Formulierung von Helmut Kohl; 1994: "Peanuts", aus einem Kommentar von Hilmar Kopper, 1995: "Diätenanpassung", aus Gesetzesentwürfen des deutschen Bundestages)

3.4 Werbung
Um Aufmerksamkeit zu erregen, spielt der Werbetexter gerne mit Wörtern und Buchstabenkombinationen. Neu geschaffene Worte werden über Plakatwände, über TV- und Hörfunk-Spots, Anzeigen und alle Arten des Media-Mixes der Bevölkerung bzw. dem Konsumenten bekanntgemacht.

Ein vielzitiertes Beispiel für ein neu geschaffenes (Kunst-) Wort aus der Feder eines Werbetexters ist "unkaputtbar." Mit "unkaputtbar" hat Coca-Cola seinerzeit die 1,5-Liter-Plastikpfandflasche eingeführt. War der Terminus erst einmal plakatiert, meldeten sich die ersten deutschen Sprachhüter zu Wort[13]. Sie kritisierten, daß hier ein neuer Begriff wie selbstverständlich riesengroß an Plakatwänden prangten und sahen die deutsche Sprache gefährdet. "Unkaputtbar" wurde als Unverfrorenheit und Angriff auf gutes Deutsch in den Medien intensiv diskutiert - und wurde so noch weiter verbreitet, als die Werbekampagne selbst es wohl geschafft hätte.
Jugendliche konsumieren die Werbebotschaften mindestens so intensiv wie Erwachsene: Die Zeitschrift "Psychologie heute" stellte in der Juni-Ausgabe von 1992 fest, daß schon Kinder "wandelnde Markenspeicher" seien. Und schon 1984 hat das Institut für Jugendforschung herausgefunden, daß Markenbindung bereits vor dem 16. Lebensjahr entsteht.[14]

3.5 Fachsprachen
Fast jeder Beruf hat sein eigenes Fachvokabular. Angestrebt wird dadurch, sich im Arbeitsalltag nicht mißzuverstehen. Spricht aber jemand, der nicht "vom Fach" ist, mit einem Fachmann, und verwendet dieser eben seine Fachsprache, kann es leicht sein, daß ersterer nur, wie man so schön sagt, Bahnhof versteht.
Je nachdem wie relevant eine bestimmte Vokabel für die Allgemeinheit ist, findet sie auch ihren Weg in die Gemeinsprache - oder eben nicht.
Zu den Fachsprachen zählen sowohl die wissenschaftliche Sprache der Juristen, Germanisten, Mediziner und so weiter, als auch die Sprache der Handwerker oder der Jäger. Der Begriff ,Jägerlatein` macht sehr deutlich, daß die Vokabeln hier von Nicht-Jägern oft als Fremdsprache empfunden werden.

Jugendsprache könnte man ebenso in die Kategorie der Fachsprachen einordnen. Schließlich handelt es sich bei Jugendlichen oder Schülern in einer Clique (wie zum Beispiel auch bei einer Gruppe Juristen) um Fachleute auf einem bestimmten Gebiet. In diesem Falle sind es Fachleute für alle Themen, die für ihr Lebensalter gerade wichtig ist: Abnabelung vom Elternhaus, erste Liebe, Sex, Schule usw.
So schreibt Wolf Schneider auf Seite 135 seines Buches "Deutsch für Kenner": "Eine Menge läßt sich auch gegen jede Sondersprache geltend machen [...]: Denn sie erschwert oder durchkreuzt die Verständigung zwischen die Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft; insofern ist die Sprache der Jugend nicht besser als die der Chemiker oder der Sonntagsjäger."

4. WARUM ENTWICKELT DIE JUGEND EINE EIGENE SPRACHE?
Warum werden in der Jugendszene neue Ausdrücke geboren, alten Worten neue Bedeutungen verliehen, oder altbekannte Wörter neu miteinander kombiniert? Die Antwort bringt uns einen großen Schritt weiter, wie solche Worte aus "Quellentiefe"[15] in den Wortschatz der Gemeinsprache finden.
Claus Peter Müller-Thuraus Ansatz, das Phänomen Jugendsprache zu erklären, ist durch seine psychologische Herangehensweise von der vorliegenden Literatur am ausgereiftesten - daher werde ich seine Beoachtungen hier genauer erläutern. In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt Claus Peter Müller-Thurau das "Lebensgefühl" junger Menschen.[16]
C. P. Müller-Thurau ist Diplom-Psychologe. Er begegnet den "Eigenarten" Jugendlicher (Jugendsprache zähle ich hier dazu) mit Verständnis und Respekt.
Und er erläuterte mir in einem Interview, warum Sprache und Gefühl eng miteinander zusammenhängen. Herr Müller-Thurau hegt eine Abneigung gegen Autoren wie Walter Jens, der einmal von Jugendsprache gesagt habe, sie sei dreist, unmoralisch und verderbt.
Mit seiner psychologischen Betrachtung entlarvt Herr Müller-Thurau die Kurzsichtigkeit solcher Aussagen und belegt, warum Jugendsprache ist wie sie ist.
Urfunktion der Sprache sei die Katharsis, die Selbstreinigung. "Geteiltes Leid ist halbes Leid," sagt der Volksmund.
"Gemeinsam beschwatzter Frust ist besser zu ertragen," sagt Müller-Thurau. Jugendliche haben eine Menge von diesem Frust: Sie sind sich nicht klar darüber, wohin sie gehören. Auf der einen Seite sind sie sind nicht mehr Kind, auf der anderen sie sind auch noch nicht erwachsen.
Schon aus dieser, wie C. P. Müller-Thurau es betitelt, "Negativ-Definition" sind Pubertät und Jugend eine problematische Lebensphase. Also suchen sich Jugendliche zum Frustabbau eine Gemeinschaft/Clique/Gruppe, die Verständnis für sie aufbringt.
Sprache ist Spielmaterial für die Jugendlichen[17]. Also nichts Heiliges, was man nicht verändern darf.
Im Gegenteil, junge Menschen experimentieren mit der Worten und Begriffen gerne herum, um sich eine "Sprachnische" zu schaffen, eine Art "Geheimsprache", die nur von einer kleinen Gemeinschaft oder Gruppe verstanden wird.
Ein Grund, weshalb Wolf Schneider in der Jugendsprache eine "hochmütige Ausgrenzung" anderer Generationen sieht. [18]
Jugendsprache, also eine Sprache, die Gleichaltrige in einer Gruppe teilen - hat, so C. P. Müller-Thurau, zwei wichtige psychologische Funktionen: Erstens ist sie "Sozialer Wetterschutz nach außen"(hermetische Abgrenzung von z.B. der Erwachsenenwelt), zweitens gibt sie "Nestwärme nach innen". Denn wer die Sprache spricht, teilt ein gemeinsames Lebensgefühl. So werden auch in Zukunft "die Kids sich ihre Sprachverstecke ausbauen", sagt Herr Müller-Thurau voraus.
Müller-Thurau teilt nicht die Meinung Hermann Ehmanns, der sich auf Sigmund Freud bezieht und vermutet, mit ihrer Sprache wollten Jugendliche nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen.[19]
In der Gruppe bestehen viele Ausdrücke und Formulierungen, die nur Mitglieder verstehen können.[20] Peter Schlobinski übrigens nennt solche Worte (die häufig auch Lautmalerien sind) "gruppenspezifische Kommunikationspartikel".[21]
"Um die Sprache des zwischenmenschlichen Umgangs geht es aber, um Worte, bei denen der Sprecher selbst etwas empfindet und bei denen andere mitempfinden können [...]."[22]
Wenn jemand etwas sagt, was dem Gefühl eines anderen entspricht , etwas mit einer treffenden Formulierung auf den Punkt bringt und dem oder den anderen im wahrsten Sinne des Wortes ,aus der Seele spricht`, wird der Zuhörer diese Formulierung seinerseits selbst weiterverwenden. Je mehr Menschen sich durch einen neu kreierten Begriff aus der Seele gesprochen fühlen, desto schneller ist natürlich seine Verbreitung.
(Herr Müller-Thurau machte es mir es am Beispiel "ätzend" deutlich: "Sehen Sie, wenn ,schlecht` nicht mehr ausreicht, um etwas zu beschreiben, und jemand sagt: ,Das ist ja ätzend!` und ich denke `Ja! Ätzend! Genau so ist es!` Da spüre ich eine richtige Erleichterung, wenn ich es sage. Also benutze ich die Formulierung weiter.")
Gruppenmitglieder, die häufiger als andere "mal einen guten Spruch bringen" (C. P. Müller-Thurau), steigen schnell im Ansehen der anderen. Das hat er beobachten können. Wer die Sachen auf den Punkt bringt, den anderen mit seiner Wortneuschöpfung aus der Seele spricht, ist also bei den Jugendlichen "hip" (angesehen)!
Warum kommt Jugendsprache immer wieder ins Gerede? Sie ist oft viel zu unverblümt. Viele Worte aus der Kategorie "tabu" werden absichtlich herausgenommen: Fäkalismen ("Scheiße") zum Beispiel oder Begriffe der Wortwelt des Sex ("Da läuft mir ja die Vorfreude am Bein runter.") Aber: "Unanständig wird`s erst im Kopf," bewertet C.P. Müller-Thurau, wer Jugendsprache sofort als unmoralisch und verderbt verurteilt.
Er erkennt eine "verkopfte Gesellschaft", in der eine emotionslose Sprache als Schutzschild benutzt wird. Jugendsprache komme aus dem Bauch, sagt C.P. Müller-Thurau. Darauf begründet sich der Konflikt zwischen Jugendjargon und der Alltagssprache. Und wegen dieses Konflikts fließen auch nur ganz allmählich Worte aus der Jugendsprache in die Gemeinsprache ein: viele könnten nämlich "nur schwer akzeptieren [...], daß die sprachliche ,Schlamperei von gestern die Regel von heute sein soll - und die ,Sprachverhunzung` von heute eventuell morgen im Duden steht."[23]

5. SCHLUßFOLGERUNG UND BEWERTUNG
Ich fasse zusammen:
Jugendton oder Jugendsprache stehen in starker Wechselwirkung mit den Medien.
Jugendsprache wird in kleinen Gruppen und Gemeinschaften gesprochen. Innerhalb dieser kleinen Einheit werden laufend neue Ausdrücke geschaffen. Diese Ausdrücke werden, wenn sie den anderen Gruppenmitgliedern als treffend erscheinen - z.B. um ein Gefühl auszudrücken - wieder und wieder verwendet.
Dazu hat Peter Schlobinski[24] beobachtet, daß Begriffe in der Gruppe immer wieder aufgegriffen, nachgeahmt und zitiert werden. Dabei können es von außen in die Gruppe hineingetragene Begriffe sein (durch Medien) oder solche, die in der Gruppe selbst geprägt wurden. Dazu erläutert Peter Schlobinski die zwei Formen, wie etwas nachgeahmt werden kann. Er unterscheidet zwischen der mimetischen[25] Zitation und verfremdeten Zitation. Seine Beispiele: "Preßlufthammer-B-B-Bernhard" wird von der von ihm beoachachteten Gruppe nachgeahmt und gesungen (mimetische Zitation), während bei "Stille Nacht, Heilige Nacht" der Text zur bekannten Medodie verändert und einer bestimmten Situation angepasst wird (verfremdete Zitation).
Erst einmal wird also ein neuer Begriff von einer kleine Personenzahl benutzt, die wissen, was er bedeutet. Gruppenmitglieder tragen diesen Begriff in andere Gruppen. Wird er auch hier für besonders treffend befunden, wird er wiederum weiterverwendet: Ein Schneeballprinzip wird in Gang gesetzt!
Früher oder später bekommt ein Medienvertreter seinerseits Kenntnis von diesem Begriff und seiner Bedeutung. Er verwendet ihn und macht ihn so noch einem breiteren Publikum bekannt. So wird der neue Ausdruck wiederum in viele andere Gruppen (junger Leute) gebracht. Ist er treffend genug, eine Situation oder ein Gefühl zu beschreiben, wird er wieder angenommen und so weiter.
Wenn dieser Vorgang sich häufig genug wiederholt, die Medien die ,Umschlagsgeschwindigkeit` noch beschleunigen (also als Katalysator fungieren, wie es Wolf Schneider und Magdalena Matussek bescheinigen), kann es sein, daß der Begriff tatsächlich bald Teil der Gemeinsprache ist.
In der Regel ist Jugendsprache eine gesprochene Sprache.
Liest man dennoch einmal einen neuen jugendsprachlichen Begriff, dann ist es wohl doch meist an einer Häuserwand oder hingekritzelt in einer öffentlichen Toilette. Allerdings kann man feststellen, daß Publikationen in Jugendsprache tatsächlich nachgefragt werden: Der Eichborn-Verlag hat mit Erfolg in Jugendsprache "übersetzte" Märchen herausgebracht ("Total Tote Hose - 12 bockstarke Märchen"[26], "Haste Töne?! - Eichborns unerhörter Opernführer"[27] u.v.a.). Von Jugendsprachforschern wie Susanne Wachau oder Annette Last wird das Geschäft mit der Jugendsprache eher mißbilligt - sie fordern zwar nicht, wie manche andere Sprachwissenschaftler (Walter Jens, s.o.), die gesellschaftliche Ächtung der Jugendsprache, verachten aber ihrerseits die Vermarktung aus wirtschaftlichem Zwecknutzen.
Den Jugendlichen gefallen die Bücher. Ich kenne zwar keine genauen Abverkaufszahlen, aber kann mir nicht vorstellen, daß nur Erwachsene diese Bücher voll jugendlichen Sprachwitzes gekauft haben sollen.
Selbst wenn: Daß diese Bücher auf dem Markt sind, bescheinigt doch ein reges Interesse an Jugendsprache. Und damit an der Freude an neuen Wortschöpfungen und Ausdrücken.
Ich selbst teile die Auffassung von C. P. Müller-Thurau, W.E. Süskind und vielen anderen Sprachforschern, daß Sprache eben nichts Statisches ist, sondern sich ständig wandelt. Das sollten wir akzeptieren und uns über die jugendliche Sprachschmiede freuen, die da mit viel Spaß am Spielerischen aus "Quellentiefe" die Sprache erfrischt.
Deshalb möchte ich mit den Worten Friedrich Schillers schließen:
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."[28]

VERWENDETE LITERATUR
CLAUS, UTA/KUTSCHERA, ROLF: Haste Töne?! - Eichborns unerhörter Opernführer, Eichborn, Frankfurt/Main, 1990
CLAUS, UTE/KUTSCHERA, ROLF: Total tote Hose - 12 bockstarke Märchen, Eichborn, Frankrurt a.M., 1. Auflage 11/1986
EHMANN, HERRMANN: Affengeil - Ein Lexikon der Jugendsprache, Beck`sche Reihe, München 1992, Originalausgabe.
KUTSCHKE, JOACHIM: Neue Generation - sprachlos - Über den Verlust der Sprachkompetenz bei Jugendlichen in: Frankfurter Rundschau vom 28. Juli 1994
LAST, ANNETTE: "Heiße Dosen" und "Schlammziegen" - ist das Jugendsprache? in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Förderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989
MATUSSEK, MAGDALENA: Wortneubildung im Text in: Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft Bd. 7, Helmut Buske, Hamburg 1994
MÜLLER-THURAU, CLAUS PETER: Laß uns mal `ne Schnecke angraben - Sprache und Sprüche der Jugendszene, Econ, Hamburg 1983, 3. Auflage
MÜLLER-THURAU, CLAUS PETER: Lexikon der Jugendsprache, Econ, Düsseldorf und Wien1985, 2. Auflage
o.V. "Frisch und kühl - Kunstwörter erobern die Wirtschaft: Firmen setzen auf Produktnamen aus dem Computer" in: Der Spiegel 32/1993 vom 9. August 1993, S. 156/157
o.V. "Scheußlich, aber erlaubt" in: WirtschaftsWoche Nr. 20 vom 13. Mai 1994, S. 84 ff.
SCHLOBINSKI, PETER: "Frau Meier hat Aids, Herr Tropfmann hat Herpes, was wollen Sie einsetzen?" - Exemplarische Analyse eines Sprechstils in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Förderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989
SCHNEIDER, WOLF: Deutsch für Kenner - Die neue Stilkunde, Gruner + Jahr, Hamburg 1987, Auflage 9 8 7
SCHNEIDER, WOLF: Lingua Blablativa - Wie Journalisten mit der Sprache umgehen in: Spiegel special 1/1995
SCHÜLER-MEDIA-ANALYSE 92 (Ost und West), Hrg. Institut für Jugendforschung, Markt- und Meinungsforschungs GmbH, München 1992
SCHWITALLA, JOHANNES: Die Vergegenwärtigung einer Gegenwelt - Sprachliche Formen der sozialen Abgrenzung einer Jugendgruppe in Vogelstang in: Kommunikation in der Stadt/Teil 1 - exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim, Hrg. Werner Kallmeyer, Berlin, New York 1994
SÜSKIND, W.E.: Vom Abc zum Sprachkunstwerk - Eine deutsche Sprachlehre für Erwachsene, Hamburg, 2. Auflage 1956
UNTERSTÖGER, HERMANN: Ein Fall von Anpassung? - Das Unwort des Jahres in: Süddeutsche Zeitung vom 24. Januar 1996
WACHAU, SUSANNE: "... nicht so verschlüsselt und verschleimt!" - Über Einstellungen gegenüber Jugendsprache in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Förderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989


[1] WACHAU, SUSANNE: "... nicht so verschlüsselt und verschleimt!" - über Einstellungen gegenüber Jugendsprache in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Färderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989, S. 69
[2] LAST, ANNETTE: "Heiße Dosen" und "Schlammziegen" - ist das Jugendsprache? in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Färderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989, S. 47
[3] ebd.
[4] vgl. Artikel "Frisch und kühl - Kunstwärter erobern die Wirtschaft: Firmen setzen auf Produktnamen aus dem Computer" in: Der Spiegel 32/1993 vom 9. August 1993, S. 156/157
[5] MATUSSEK, MAGDALENA : Wortneubildung im Text in: Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft Bd. 7, Helmut Buske, Hamburg 1994, S. 33
[6] ebd., S. 10: "Lexeme enthalten primär lexikalische Informationen (Haus, schän, verschänenern)"
[7] ebd., S. 10: Morpheme sind "Träger grammatischer Informationen [...] Anweisungen an den Härer oder Leser, wie er die in den Lexemen enthaltene lexikalische Information zu einem sinnvollen Text verknüpfen soll."
[8] SCHNEIDER, WOLF: Deutsch für Kenner - Die neue Stilkunde, Gruner + Jahr, Hamburg 1987, Auflage 9 8 7,
Seite 14
[9] LAST, ANNETTE: "Heiße Dosen" und "Schlammziegen" - ist das Jugendsprache? in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Färderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989, S. 64
[10] ebd.
[11] MüLLER-THURAU, CLAUS PETER: Lexikon der Jugendsprache, Econ, Düsseldorf und Wien1985, 2. Auflage [siehe unter "Blech" bzw. "lull und lall"]
[12] SCHNEIDER, WOLF: Lingua Blablativa - Wie Journalisten mit der Sprache umgehen in: Spiegel special 1/1995, S. 115
[13] z.B. Ulrich Morasch in der WirtschaftsWoche Nr. 20 vom 13. Mai 1994, S. 84 ff.
[14] Schüler-Media-Analyse 92 (Ost und West), Hrg. Institut für Jugendforschung, Markt- und Meinungsforschungs- GmbH, München 1992
[15] W.E. SüSKIND versteht in seinem Buch "Vom Abc zum Sprachkunstwerk - Eine deutsche Sprachlehre für Erwachsene"[Hamburg, 2. Auflage 1956, S. 212 ff] die Mundart, vom Volk gesprochen wird und mit ihren Neuschäpfungen "befruchtend aufs Schriftdeutsch einwirkt". Insofern durchaus vergleichbar mit der Sprache der Jugend!
[16] MüLLER-THURAU, CLAUS PETER: Laß uns mal `ne Schnecke angraben - Sprache und Sprüche der Jugendszene, Econ, Hamburg 1983, 3. Auflage, S. 9, S.19
[17] ebd. S. 13
[18] SCHNEIDER, WOLF: Deutsch für Kenner - Die neue Stilkunde, Gruner + Jahr, Hamburg 1987,
Auflage 9 8 7,S. 135
[19] EHMANN, HERRMANN: Affengeil - Ein Lexikon der Jugendsprache, Beck`sche Reihe, München 1992, Originalausgabe, S. 10
[20] Beispiele dafür finden sich bei SCHWITALLA, JOHANNES: Die Vergegenwärtigung einer Gegenwelt - Sprachliche Formen der sozialen Abgrenzung einer Jugendgruppe in Vogelstang in: Kommunikation in der Stadt/Teil 1 - exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim, Hrg. Werner Kallmeyer, Berlin, New York 1994, S. 493/494
[21] SCHLOBINSKI, PETER: "Frau Meier hat Aids, Herr Tropfmann hat Herpes, was wollen Sie einsetzen?" - Exemplarische Analyse eines Sprechstils in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Färderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989, S. 15
[22] MüLLER-THUARU, CLAUS PETER: Laß uns mal `ne Schnecke angraben - Sprache und Sprüche der Jugendszene, Econ, Hamburg 1983, 3. Auflage, S. 19
[23] MüLLER-THURAU, CLAUS PETER: Laß uns mal `ne Schnecke angraben - Sprache und Sprüche der Jugendszene, Econ, Hamburg 1983, 3. Auflage, S. 11/12
[24] SCHLOBINSKI, PETER: "Frau Meier hat Aids, Herr Tropfmann hat Herpes, was wollen Sie einsetzen?" - Exemplarische Analyse eines Sprechstils in: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, Bd. 41, Thema "Jugendsprache", Hrg. Verein zur Färderung der Sprachwissenschaft in Forschung und Ausbildung e.V., Osnabrück, 1989, S. 13 ff.
[25] nachahmende, Anm. d. Verf.
[26] CLAUS, UTE/KUTSCHERA, ROLF: Total tote Hose - 12 bockstarke Märchen, Eichborn, Frankrurt a.M., 1. Auflage 11/1986
[27] CLAUS, UTA/KUTSCHERA, ROLF: Haste Täne?! - Eichborns unerhärter Opernführer, Eichborn, Frankfurt a.M., 1990
[28] MüLLER-THURAU, CLAUS PETER: Laß uns mal `ne Schnecke angraben - Sprache und Sprüche der Jugendszene, Econ, Hamburg 1983, 3. Auflage, S. 14