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TW-Proseminar II
Gegenspieler und Intriganten
Sommersemester 1992
Kursleiterin: Dr. E. Kun
Gegenspieler in
Georg Büchners >>Dantons Tod<<
(Seminararbeit)
1. September 1992
Bearbeiter: Alexander Huber
M.A.: EL (NDL, TW)
Email: alhuber@cip.fak14.uni-muenchen.de
WWW: http://www.fak14.uni-muenchen.de/~alhuber/
Das dem Drama ureigene, seit seiner Entstehung erprobte Gegenspielermotiv tritt in der Theaterliteratur auf vielfache Art in rivalisierenden Personen oder Gruppen, aber auch, meist gleichzeitig, im Wechselspiel in einer Person oder Gruppe verankert auf. Georg Büchners Geschichtsdrama der Französischen Revolution >>Dantons Tod<< (1835) verbindet beide Aspekte auf komplexe Weise.
Diese Arbeit versucht die Gestaltung des Gegenspielermotivs, die ,,Reste der klassizistischen >>Held-Gegenspieler-Konstellation<<``,[+] sowie den Bruch, den Büchners nachklassizistisches Erstlingswerk in der Darstellung des Gegenspielermotivs in Hinblick auf die Beeinflußbarkeit des Geschehens durch das Individuum vollzieht, darzustellen.
In diesem Einleitungskapitel werden zunächst einige theoretische Grundlagen zum Autor, seinem Werk und seiner Zeit gelegt, die anschließend auf den näheren Kontext der Konzeption und des Stoffs von >>Dantons Tod<< hinführen, bevor schließlich im Hauptteil das Gegenspielermotiv des Stücks detailierter entfaltet wird.
Da bereits an anderer Stelle auf Büchners Leben und Werk eingegangen wurde (für eine tabellarische Übersicht zu Leben und Werk Georg Büchners siehe auch Anhang B (S. [*]ff.) S. 1, Abschnitte 1. und 2., und vor allem [11] MAYER (1979)), beschränkt sich die Darstellung hier auf Ansatzpunkte, die später eine teilweise biographisch-historische Analyse erlauben sollen.
Büchner beschäftigt sich schon während seiner Schulzeit am Gymnasium in Darmstadt mit der Französischen Revolution. Bereits dort läßt er in seiner Rede über den ,,Helden-Tod der 400 Pforzheimer`` und seiner Rezension ,,Über den Selbstmord`` Interesse an Themen wie ,,Heldentod`` und Todesnähe erkennen. Diese Themen beeinflußten später in abgewandelter Form auch die Entstehungsgeschichte von >>Dantons Tod<<.
Als er 1833 sein Studium der Medizin, das er 1831 in Straßburg begonnen hatte, mit den Nebenfächern Geschichte und Philosophie ergänzt, in Gießen fortsetzt, ist sein politisches Engagement schon voll entbrannt. Er nimmt verstärkt an Veranstaltungen der radikal-politischen Freiheitsbewegung teil und begründet 1834 seine geheime >>Gesellschaft für Menschenrechte<<. In diesem konspirativen Geheimbund entwickelt sich die Revolutionsabsicht gegen die drückend reaktionären gesellschaftlichen Verhältnisse im Großherzogtum Hessen.
Während sich die Gruppe für die Revolution rüstet, liefert Büchner mit der sozialistischen Kampfschrift >>Hessischer Landbote<< den theoretischen Unterbau, mit dem die Bauern gegen die Machthabenden aufgewiegelt werden sollen:
In der Erkenntnis der materiellen Grundlagen des Daseins berühren sich Drama [i.e. >>Dantons Tod<<] und Flugschrift [i.e. >>Hessischer Landbote<<] aufs engste. Diese Gemeinsamkeit der Argumentationsbasis belegt nicht nur den nahtlosen Anschluß der literarischen Produktion Büchners an die politische Praxis, sondern auch den ungebrochenen Verlauf seiner Biographie. Die agitatorische Wirkabsicht des >>Hessischen Landboten<< setzt bei der ungleichen Verteilung der Güter an und möchte das latente Einspruchspotential der Bauern mobilisieren. Ganz entsprechend sind lange Strecken des Dramas vom Verweis auf das materielle Elend und den gerade unter der Oberfläche gärenden Fanatismus [...] der Pariser Bürger getragen.[+]
Zur Revolution kommt es jedoch nicht: der Geheimbund wird von einem Vertrauten verraten, mehrere Mitglieder werden festgenommen. Um sich der Verhaftung zu entziehen, flüchtet Büchner aus Gießen nach Darmstadt ins Elternhaus. Dort ,,verschrieb er sich dem Studium der Geschichte, was ihm gleichbedeutend war mit dem Studium der Geschichte der menschlichen Freiheit, mit dem Studium der Französischen Revolution.``:[+]
Büchner leitet die Bestimmung der Freiheit nicht aus einer Idee, sondern aus seinem Begriff des Lebens ab; er verknüpft im Verlauf seiner Entwicklung die Freiheit unmittelbar mit den materiellen und sozialen Lebensverhältnissen. Unter diesem Gesichtspunkt wurde Büchner zum glühenden Anhänger der Französischen Revolution, die er als Akt der politischen Befreiung sowohl des Individuums [...] als auch der Gesellschaft als einer Nation [...] auffaßte.[+]
Vor diesem Hintergrund und nach zwei Vorladungen als Zeuge in Prozessen gegen Mitglieder seines Geheimbundes in ständiger Angst vor Verhaftung, ,,tut [der Revolutionär] das Naheliegende und schreibt ein Revolutionsstück``,[+] i.e. >>Dantons Tod<< im Frühjahr 1835.
Die von Büchner vielfach formulierte Ablehnung der >>Idealdichter<<, i.e. der Dichter des Idealismus, allen voran Schiller, läßt >>Dantons Tod<< ,,[i]nnerhalb der deutschen Dramatik seiner Zeit [...] [als] eine einzigartige dichterische Leistung``[+] erscheinen.
Für die Bühne blieb das Stück dennoch tabu: ,,kein deutsches Hoftheater hätte ein Stück zur Aufführung bringen dürfen, in dem zur Revolution aufgerufen wurde.``[+] Obwohl eine genaue Lektüre des Texts einen unmittelbaren Revolutionsaufruf nur indirekt erkennen läßt, besteht vor dem schon beschriebenen Entstehungshintergrund an der Absicht Büchners die Zuschauer ,,zu revolutionären Absichten zu bewegen, zumindest jedoch zu einer positiv zustimmenden Haltung``[+] anzuregen, kein Zweifel.
Stärker jedoch wirkte noch, daß das ,,Menschenbild, das in Dantons Tod entworfen wird, [...] in allen wichtigen Punkten eklatant den Forderungen [widerspricht], welche das zeitgenössische Publikum an seine dramatischen Helden erhob: an die Stelle der Bestätigung seines Selbst durch die Geschichte setzt Büchner seine Auflösung, an die der je besonderen einmaligen Persönlichkeit die immer gleiche physische Natur des Menschen.``[+] In Verbindung mit der ,,an die Dramen der Sturm-und-Drang-Periode erinnernde offene Form``[+] und einer völlig neuen, anti-idealistischen Geschichtskonzeption, die sich von bisher verwendeten Ansätzen distanziert, war >>Dantons Tod<< für die Bühne der Zeit unbrauchbar:
Geschichte ist bei Büchner nicht mehr, wie im Drama des Klassizismus, in eine transzendentale Ordnung eingebunden, noch erscheint sie als grandioses Kräftespiel der Leidenschaften, als schicksalhafter Zusammenprall des Einzelwillens mit abstrakten Gesetzmäßigkeiten. Zentralproblem des Dramas ist die Geschichte selbst: die Zwanghaftigkeit ihres Ablaufs, und damit notwendig verbunden, ihre Auswirkung auf den Menschen.[+]Diese Erkenntnis der Zwanghaftigkeit der Geschichte, die er durch das Studium der Geschichte der Französischen Revolution gewann und selbst >>Fatalismus der Geschichte<< nannte, weckte in Büchner die Ablehnung des Idealismus.
Dies führt uns jedoch bereits zum näheren Kontext der Konzeption und des historischen Stoffs von >>Dantons Tod<<.
Büchners Geschichtsdrama zeichnet einen zweiwöchigen Ausschnitt aus der entfremdeten Spätphase der Französischen Revolution vom 24. März bis 5. April 1794 nach. Büchner versucht getreu seiner später formulierten Vorstellungen über die Aufgabe des Dramatikers kein durchschaubares, und somit leicht als Propagandastück ablehnbares Tendenzstück zu schreiben, sondern mit einem getreuen Bild der Umstände der Revolution, Zustimmung zu Reformen bei seinen Lesern bzw. Zuschauern zu finden.
Exzerptions- und Montageverfahren
Büchner lehnt sich zu diesem Zweck eng an historische Quellen zur Französischen Revolution an.[+] Sein oft angewandtes Verfahren der Adaption und Collage läßt ihn einzelne Worte aber auch ganze Reden Robespierres oder Dantons wörtlich in das Drama übernehmen: ,,etwa ein Sechstel des Textes [...] [ist] aus den genannten historischen Quellen montiert [...].``[+] Mit diesem Exzerptions- und Montageverfahren (,,Versatzstücktechnik``) erreicht Büchner zweierlei:[+]
Einmal stellt er durch das Wort- bzw. Satzsignal [i.e. die Anspielung auf die dem Publikum durchaus vertrauten Quellen] [...] den Anschluß der jeweiligen Szene an das >>große<< historische Geschehen her. Zum anderen verschafft er seiner Eigenschöpfung dadurch eine >>Beglaubigung<<, die [...] auf den impliziten Realitätsanspruch des Texts abzielt.Der große Einfluß der Quellen auf die Entstehung von >>Dantons Tod<< spiegelt sich auch in zwei Tendenzen der Quellen:
Im Studium der Geschichte der Französischen Revolution suchte Büchner nach der Zerschlagung seiner Gießener ,Gesellschaft für Menschenrechte` (1834) moralische Unterstützung für seine eigenen Revolutionspläne. Doch er findet im Gegenteil eine skeptische Geschichtsauffassung, die die heldischen Vorbilder als ,,Paradegäule und Ecksteher der Weltgeschichte``[+] erscheinen ließ, und einer Absage an individuelles Heldentum[+] und an den Glauben an die Veränderbarkeit des unaufhaltsamen Fortgangs der Geschichte, gleichkam:
So wählt er [i.e. Büchner] unter allen großen Gestalten der Revolution wohl die einzige, die sich nicht zum Helden eignet -- Georges Danton. An dessen Beispiel zeichnet er seinen eigenen, inneren Entwicklungsgang, die Gießener Krisis [i.e. Krise nach der Auflösung seiner , Gesellschaft`] nach. Aus diesem inneren Grund ist Dantons Tod autobiographisch [...].[+]Die Einsicht in die Unveränderbarkeit der Geschichte selbst durch Revolution, drückt sich in einer amoralischen Lebensweise und schließlich im nihilistischen Wunsch nach Vergänglichkeit aus. Büchner entwickelt beide Züge während des gesamten Stücks an der Figur des Danton.
Das Resultat ist Dantons Amoralität und pessimistische Passivität, die in engem Zusammenhang mit einem Postulat aus Nietzsches Moralkritik steht, die der Büchners ähnelt: >>Die Erkenntnis tötet das Handeln, zum Handeln gehört das Umschleiertsein durch die Illusion.<<[+]
Die politischen Ziele der Französischen Revolution (für eine tabellarische Übersicht zur Französischen Revolution siehe auch Anhang B (S. [*]ff.) S. 2, Abschnitt 3.2) sind zu Beginn der Spielhandlung von >>Dantons Tod<< (24. März 1794) bereits erreicht. Im Mittelpunkt steht nun die Verwirklichung der >>sozialen Revolution<<, i.e. der gerechten Güterverteilung und allgemeinen Verbesserung der katastrophalen Lebensumstände der Massen.
Dantons große Auftritte in der Revolution, der Sturm auf den Königspalast, die >>Septembermorde<< an den Adligen von Paris und die dadurch bestärkt erreichte Niederschlagung der dem König Ludwig XVI. zu Hilfe eilenden Preußen und Österreicher (1792), hatten viel zum Gelingen der politischen Revolution beigetragen. ,,Er also hatte genug getan, um der Dankbarkeit Frankreichs sicher zu sein. Danton und seine Freunde strebten jetzt, nachdem sich das Blutvergießen des Septembers so glänzend gerechtfertigt hatte [i.e. mit dem Resultat der Absetzung der Monarchie], Versöhnung an, innerpolitischen Frieden durch Mäßigung ihrer Forderungen.``[+]
Doch obwohl die Vollendung der politischen Revolution fast zwei Jahre zurückliegt, haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht merklich verbessert. Büchner zeigt in >>Dantons Tod<< ,,den Zeitpunkt, wo alle bourgeoisen Fraktionen besiegt sind und mit der vollendeten Herrschaft Robespierres das Prinzip der Egalität und die Herrschaft des Volkes durchgesetzt sind.``[+] Robespierre hält an der Fortsetzung der Revolution fest, während die ,,leidenden Massen`` mit großen Erwartungen auf Besserungen hoffen. Seit 1793 gibt es um Robespierre und seine linke Hand St. Just den ,,1793-Kult``, der sie zu >>Märtyrern<< um die soziale Freiheit macht und bei den Massen hohes Ansehen genießen läßt.
So stellen sich der Stand der Revolution und die Ausgangspositionen der beiden Kontrahenten zu Beginn des Stücks dar.
Die ganze Revolution hat sich schon in Liberalisten und Absolutisten getheilt und muß von der ungebildeten [i.e. nicht bourgeoisen[+]] und armen Klasse aufgefressen werden.[+]Der zentrale Konfliktpunkt, der die Revolutionäre in verschiedene Lager teilt, ist die Auseinandersetzung, ob die Revolution, die dabei ist sich in ihr Gegenteil, eine selbstmörderische Diktatur, zu verkehren,[+] beendet und die Republik des status quo reorganisiert werden soll, oder ob die Revolution bis zur Vollendung der >>sozialen Revolution<<, der absoluten materiellen Gleichheit, mit allen Mitteln weitergeführt werden soll. Zur ,,Diskussion`` dieser Frage nimmt Büchner aus den verschiedenen Strömungen der Revolution drei, nach Voraussetzungen und Zielen unterscheidbare ,,Gruppen``, nämlich Danton und seine Mitstreiter, Robespierre und die Jakobiner, und das Volk, und stellt sie einander gegenüber.
Zur Vereinfachung der Argumentation erscheint es sinnvoll, die grundsätzlichen Positionen der rivalisierenden Gruppen abzuklären, um ein differenzierteres Bild der Auseinandersetzung zwischen den Gegenspielern und Intriganten zu erhalten:
Standpunkte:
Dantons >>Konsolidierungspolitik<< war auf den Kompromiß und Vergleich mit den bürgerlichen Oberschichten und den rivalisierenden Gruppen der Revolutionäre ausgerichtet. Dies drückt sich im politischen Programm und Gesellschaftsmodell der Dantonisten aus, das in I,1 von Hérault formuliert wird:
Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt. - Die Revolution muß aufhören und die Republik muß anfangen. - In unsern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle sind Narren, es hat keiner das Recht, einem anderen seine eigene Narrheit aufzudringen.
Ziele:
Ziel ist die schnelle Beendigung des Blutvergießens und der Aufbau einer
,laisser-faire`-Gesellschaft, deren Ökonomie auf dem
Privateigentum autonomer Individuen aufgebaut ist, und deren Moralbegriff
den priv. Lebensbereich nicht überschreitet.[+]
Standpunkte:
Robespierre setzt gegen die Interessen der bürgerlichen Oberschichten, die seiner Auffassung nach Danton vertrat, die Interessen des Volkes, das eben diese ausbeutenden Oberschichten bekämpfte und somit hinter Robespierre und der Fortsetzung der Revolution stand.
In der Konfrontationsszene I,6 formuliert Robespierre seinen Standpunkt und faßt die Gründe für die Fortsetzung der Revolution, die er später in den Konventsreden wiederholen wird, zusammen:
Die soziale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster muß bestraft werden, die Tugend muß durch den Schrecken herrschen.
Ziele:
Das von Robespierre vertretene Gesellschaftssystem setzt den Moralbegriff
auf der politischen Ebene an und hält an der kollektiven Regulierung
gesellschaftlicher Prozesse fest.[+] Sein Wirtschaftsmodell ist die traditionelle
``moral economy''. Ein Nullpunkt darf in der Revolution erst dann gesetzt
werden, wenn die Chancengleichheit für alle gewährleistet ist.
Standpunkte:
Für die Massen steht die schnelle materielle Sanierung im Vordergrund, die Mittel zu diesem Zweck sind dabei zweitrangig. Der Haß auf die Bourgeoisie und Revolutionsgewinnler wird in der zentralen Rede eines Bürgers in I,2 deutlich:
Ja, ein Messer, aber nicht für die arme Hure! [...] Ihr Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch unserer Weiber und Töchter kaufen. [...] [I]hr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände. Ergo, ihr arbeitet, und sie tun nichts; ergo, ihr habt's erworben, und sie haben's gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlenen Eigentum ein paar Heller wiederhaben wollt, müßt ihr huren und betteln; ergo, sie sind Spitzbuben, und man muß sie totschlagen¡
Ziele:
Nach der politischen Mitbestimmung muß die ,soziale Revolution`\ folgen. Diese kann jedoch nur nach Ausrottung der Ausbeuter gelingen, wenn also die erwirtschafteten Güter zu gerechten Anteilen verteilt werden und die Kapitalanhäufung der Bourgeoisie, die zu erneuter Abhängigkeit und Verarmung führt, gestoppt wird.
Die ,,Auseinandersetzung`` der Gegenspieler vollzieht sich in diesem sehr handlungsarmen Stück vornehmlich in den langen Dialogen der Charaktere innerhalb ihrer Gruppen, in denen die Oppositionen zu anderen Strömungen deutlich werden. So treten die herausragenden Gegenspieler nur in wenigen Szenen auf, und Robespierre und Danton stehen sich nur einmal während des gesamten Stücks in I,6 gegenüber. Die Gespräche innerhalb der jeweiligen Gruppen stehen in der Mehrzahl der Szenen im Zentrum der Darstellung und bilden dabei die jeweiligen Positionen der Gruppen ab.
Szenisch stehen Danton und die Dantonisten im Vordergrund, die in über der Hälfte der Szenen anwesend sind. Ihre Privatsphäre steht im Mittelpunkt des Stücks, nur in den, erst in den letzten beiden Akten häufigeren, Auftritten und Öffnungen nach außen entstehen die Kontaktpunkte in offener Diskussion mit den Gegenspielern und dem Volk. Umgekehrt wird die Privatsphäre der Robespierristen größtenteils ausgespart, sie treten hauptsächlich in der Öffentlichkeit auf und stehen daher vor allem in Kontakt zu Volk bzw. Publikum.
Der Konflikt
,,Danton selbst ist zwar Exponent seines Lagers, im Drama hat er allerdings jeden Impuls zum politischen Handeln verloren``,[+] er hat seine politischen Aktivitäten bereits vor Beginn der Spielhandlung eingestellt. Eben diese Inaktivität nicht nur in politischer Hinsicht kontrastiert ihn deutlich von Robespierre, der den Dantonisten vor allem zwei Vorwürfe macht, die das Zentrum des Konflikts der Gegenspieler im Stück darstellen:
Die Inaktivität und Amoralität Dantons ist in der im Fatalismus-Gedanken wurzelnden Konzeption der Danton-Figur begründet. Dantons zynische Einsicht in die eigene Lasterhaftigkeit, i.e. sein asoziales Verhalten, ist bereits im ersten Akt voll entwickelt. Die Szenen I,1 und I,5 in denen sich Danton im Bordell aufhält umrahmen bezeichnenderweise die Szenen I,2, in der die Not des Volks beschrieben wird, und I,3, in der Robespierre den Stand der Revolution und den politischen Konflikt thematisiert. Danton flüchtet sich in eine gänzlich auf Sinnenfreude und in I,5 auf eine Glücksutopie bauende Haltung, die die Sinnlosigkeit allen Handelns verdeutlicht und in scharfen Kontrast zur Geschäftigkeit Robespierres tritt:
Dantons Trägheit resultiert unmittelbar aus der Erfahrung der Sinnlosigkeit allen Seins, die jedes Handeln politischer oder anderer Art jedes Sinnes beraubt. Dadurch wird Danton zum Gegenspieler jeder Perspektive, die von vorneherein der Absurdität überführt ist und daher auch a priori Ideologie und tendenziell terroristisch ist: Was Danton im Innersten lähmt und ihn zum Scheitern verurteilte, der Blick in die Absurdität der Existenz, das steht in geheimer Relation zum blinden Aktivismus der ,Erlösung` bei seinem Gegenspieler. Demgegenüber ist Robespierre in seinem Glauben an eine Perspektive notwendig verbohrt: Robespierre präsentiert sich uns als unbeirrbarer nach festen Prinzipien und Überzeugungen Handelnder, ein Mann eifernder Tugendlehre und erbarmungsloser revolutionärer Tat - ein Doktrinär, mit sich selbst im Reinen und seiner Ziele und Motive gleichermaßen sicher.[+]Robespierres Vorwurf der Lasterhaftigkeit (,,Das Laster ist das Kainszeichen der Aristokratie`` (I,3)) an Danton ist deswegen so zentral und bedeutsam, da sich darin die von den Massen unterstützte Tugendlehre Robespierres ausdrückt, gegen die die Dantonisten verstoßen:
Deshalb sehen Robespierre und das Volk die Lasterhaftigkeit der Dantonisten als Bild der Infektion ihrer bürgerlichen Revolution mit dem Ancien Régime,[+] die durch die Vernichtung der Krankheitsträger, i.e. Dantonisten, geheilt werden muß.
Dantons Freunde, die sich der Radikalität Robespierres bewußter sind als Danton, sehen daß das Unheil unausweichlich ist, wenn Danton seine Inaktivität fortsetzt. Es gelingt ihnen Danton zu überreden, in die entscheidende Konfrontation mit Robespierre in I,6 zu gehen. Doch Danton erkennt bald, daß er einen erbarmungslosen Gegenspieler hat, der seinen Argumenten unzugänglich ist. Dennoch sieht Danton aber die Notwendigkeit und den Sinn des Handelns nicht, er hat sich mit der Tatsache, daß er verloren ist zu Beginn des zweiten Akts bereits abgefunden.
Sein leitmotivisch verwendetes ,,Sie werden's nicht wagen¡`, das er noch kurz vor seiner Verhaftung gebraucht (II,5), baut zwar noch auf dem Ruhm seines Namens aus der politischen Revolution auf, letztlich dient es ihm jedoch nur der Beschwichtigung seiner Mitstreiter, die vor der nahenden Katastrophe warnen, und der Rechtfertigung seiner eigenen Inaktivität vor seinem Gewissen. In seiner Inaktivität verharrend, wird Danton, nach der von Robespierre und St. Just in II,7 verschärft formulierten Forderung der Ausschaltung der Dantonisten, mit seinen Gefährten verhaftet.
ad 2. >>Mäßigung vs. Terror<<
In Szene III,10, die in überspitzter Geschwindigkeit die Abwendung des Volks von Danton zeigt, wird der Grund, den das Volk und Robespierre für Dantons Politik der Mäßigung sehen, deutlich. Die Dantonisten sind die Revolutionsgewinnler, die den Glauben an die Revolution verloren haben und durch ihre Mäßigung gegenüber den Oberschichten Verrat am Volk begehen, um sich so ein Leben als Müßiggänger leisten zu können.
Vor dem Revolutionstribunal soll dies in den Verhören Dantons vor Publikum zum Vorschein gebracht werden. Vor dem Hintergrund der negativen Charakterzeichnungen aller am Prozeß gegen Danton beteiligten Personen, erscheint Danton jedoch im Gegenteil zum ersten Mal im Stück als Identifikationsfigur als Abhebung zur terreur gegen ihn. Zumindest in seinen Reden vor dem Tribunal, legt er seine auf den Fatalismus fixierte Inaktivität ab. Die Absicht, die Büchner damit verfolgt, ist die Maschinerie zu entlarven, die in der entfremdeten und scheinheiligen Spätphase der Französischen Revolution tonangebend und schließlich auch für das Scheitern der Revolution verantwortlich war. Die Verteidigungsreden Dantons laufen auf dieselbe Erkenntnis hinaus:
Die Tragik Dantons liegt im Drama in der Eingleisigkeit seiner an sich richtigen Erkenntnis begründet, daß die terreur nicht das geeignete Mittel zur materiellen Sanierung des Volkes darstellt. Insofern gelangt er tatsächlich am nächsten zu einer politischen Aussage, wenn er am dritten Verhandlungstag vor dem Revolutionstribunal den Zuhörern entgegenschreit: >>Ihr wollt Brot, und sie werfen euch Köpfe hin! Ihr durstet, und sie machen euch das Blut von den Stufen der Guillotine lecken!<<[+]Doch er wird damit gleichzeitig ,,unbewußt und vielleicht wider Willen, zum Sprecher der Revolutionsnutznießer und Konterrevolutionäre``,[+] deren Verhängnis Robespierre und die Massen zu besiegeln gewillt sind.
Mit geringerwerdender Chance auf Rettung vor dem Tod, nimmt die Todessehnsucht und der Nihilismus bei den Dantonisten zu. ,,Danton stirbt, >>ohne den Teufelskreis der Verzweiflung durchbrochen zu haben<< [...]. Verzweiflung bedeutet für ihn: der radikale Zweifel an einem früher anerkannten Geschichts- und Weltbild.``[+]
Danton weiß, daß die ganze Anstrengung der Revolution umsonst ist. Sein Leidensprozeß löst sich schließlich in reinen Metaphysikdiskussionen um die Unzulänglichkeit der Schöpfung, die ein leidfreies Leben nicht zuläßt (III,1), und dem Nichts als seinem ,,Asyl`` (III,4) und den ,,zu gebärende[n] Weltgott`` (IV,5) auf. ,,Das politische Handeln oder Nichthandeln der beiden Protagonisten bleibt für den Fortgang der Geschichte folgenlos [...]. [...] [D]ie Geschichte [geht] über den einzelnen hinweg [...] und [vernichtet] ihn in seinem individuellen Selbst [...], indem sie ihn als ihr Instrument handeln läßt.`` Danton beschreibt seine Erkenntnis in II,5: ,,Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst¡`
Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung zwischen den Dantonisten und Robespierre ist die zwischen dem bürgerlichen Prinzip des Egoismus und Individualismus, das Ausdruck des Privateigentums ist, und dem Prinzip der Egalität, der Brüderlichkeit und des Mutualismus -- genau die Auseinandersetzung [wie Büchner wußte], die in [der politischen Phase] der Französischen Revolution den Kampf zwischen [...] allen Oberschichten [und dem Volk] bestimmte.[+]Büchners Dramaturgie weist also die Dantonisten und Robespierristen den zwei großen Lagern der Revolution zu, erstere dem der Ausbeuter, letztere dem der Ausgebeuteten:
Büchner rechnet die Dantonisten dem Flügel der Bourgeoisie zu. Seine Aussage ,,Ich kann doch aus einem Danton und den Banditen der Revolution nicht Tugendhelden machen``[+] unterstreicht Büchners Intention als Dramatiker, aber auch als Revolutionär.
Das Stück wurde daher im Verlauf seiner Rezeptionsgeschichte mehr und mehr
als Kampfansage Büchners an die Gegner einer auf absolute materielle
Gleichheit zielenden Revolution verstanden, weshalb auch die jüngere
Rezeption im Titel >>Dantons Tod<< die Betonung verstärkt auf >>Tod<<
gelegt hat, daß es also nicht um die Person Danton gehe, sondern um seine
Vernichtung.[+]
Robespierre und das Volk stehen dagegen auf einer Seite. Robespierre versteht es, die zu Beginn ziellose Wut der Massen zu seinen Zwecken politisch zu instrumentalisieren, indem er sie hinter sich und seine Pläne bringt. Die im Stück dominante Charakterisierung des Volks, die Manipulierbarkeit (I,2 (Massen), III,9, III,10 (Zuhörer im und vor dem Revolutionstribunal)), ist bedingt durch die Nichtbefriedigung der elementarsten materiellen Bedürfnisse gepaart mit ständiger Erniedrigung, und seinem Dauerzustand der Würdelosigkeit, die das ursprüngliche Motiv zum Aufruhr waren.
Solange das Volk leidet ist Genuß jedoch Verrat an seinem Leiden. Danton begeht vor allem deswegen Verrat am Volk, weil die Ausgangsposition der Menschen noch nicht gleich ist, was aber nach Robespierre und dem Volk die Voraussetzung für eine Beendigung der Revolution und einen Neubeginn wäre.
- soll jemals die Revolution auf durchgreifende Art durchgeführt werden, so kann und darf das bloß durch die große Masse des Volks geschehen [...].[+]
Neben der bereits beschriebenen Besonderheit der Einmaligkeit des Zusammentreffens der beiden Rivalen Danton und Robespierre in I,6, gibt es eine zweite Besonderheit, nämlich daß Robespierre nach II,7, also bereits bei Hälfte des Dramas, abgeht und nicht wieder auftritt. Somit tritt in den ersten beiden Akten ein Danton auf, der durch seine Willenslähmung nicht als wirklicher Gegenspieler erscheint, und in den letzten beiden Akten zumindest in den Reden vor dem Revolutionstribunal ein Gegenspieler Danton aber nicht mehr sein Rivale Robespierre. Letzterer Umstand ist mit für den besonderen Stellenwert der Nebenfiguren auf beiden Seiten im Drama verantwortlich. Ihnen kommt auf seiten der Dantonisten durchgehend und auf seiten der Robespierristen in den letzten beiden Akten große Bedeutung zu.
Der Kreis der Nebenfiguren um Danton, vor allem seine engsten Vertrauten Camille, Lacroix und Hérault, tritt hauptsächlich in der Formulierung der Positionen der Dantonisten hervor und in der Beschwörung Dantons, der seine Aktivitäten bereits eingestellt hat, doch noch zu handeln und sich zu wehren. Camille stellt als rechte Hand Dantons und als Jugendfreund Robespierres zwar ein Verbindungsglied zwischen den beiden Lagern dar, er wird in seiner Haltung des Erbarmens jedoch im zweiten Teil durch die Grausamkeit von Robespierres Vertreter St. Just scharf kontrastiert. Die Dantonisten, die stets zu Danton halten, werden schließlich nach ihrer Verhaftung vor Ende von Akt II mit Danton in die Sinnlosigkeitsproblematik hineingezogen, die sie in den Philosophiegesprächen im dritten und vierten Akt entwickeln (III,1 mit anderen Nebenfiguren: Atheismus, III,7 und IV,5) und deren Tenor die Ablehnung einer Gottesfigur, oder sonstiger zur Sinnstiftung herangezogener Wertesysteme ist: ,,Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott.`` (IV,5).
Auf seiten der Robespierristen setzt der Stellvertreter Robespierres, St. Just, die Opposition im Hintergrund gegen die Dantonisten fort. St. Just ist ein skrupelloser Vertreter der Staatsraison und entpuppt sich durch seine menschenverachtende Rede in II,7 und im dritten Akt wie Barère als blutleerer, besessener Fanatiker ohne Selbstzweifel. Er wird somit zum verschärften Ersatz und sogar Kontrast für die Gegenspielerschaft Robespierres, bei dem sich Selbstzweifel zeigen. St. Just sorgt für die unfaire Verfahrensweise beim Prozeß gegen die Dantonisten und weist seine Vertrauten Barère, Collot und Billaud an kurzen Prozeß zu machen, als Danton in den Konventsreden zu erfolgreich zu werden droht. St. Just wird also mit den Vorsitzenden der Ausschüsse und Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses zu Intriganten gegen die festgesetzten Dantonisten mit dem Ziel ihrer Ausschaltung.
Büchner, der die terreur entschieden ablehnte und diese Haltung auch in seinen Quellen fand, zielt, auch wenn er die politischen Positionen ablehnt, auf eine Sympathiesteuerung zugunsten der Dantonisten gegen die Darstellung der terreur:
Im Gegensatz zur Gruppe der Dantonisten, deren Mitglieder als mehr oder minder klare Identifikationsangebote angelegt sind, [...] [ist es] [i]m Hinblick auf Büchners Beurteilung der terreur [...] nicht ohne Bedeutung, daß keiner der Anhänger Robespierres und St. Justs die Sympathie des Zuschauers erweckt [...].[+]
Die Arbeit hat versucht zu zeigen, wie Büchner das Gegenspielermotiv in >>Dantons Tod<< entfaltet und variiert. Es dient im Stück vor allem der Klärung des Scheiterns der Revolution von 1789 durch die Analyse der objektiven Bedingungen der Revolution und Umstände der Zeit, und der Konzentration auf die Darstellung des subjektiven Erlebens der Figuren.[+]
Der Ideenkonflikt, den die Robespierristen und Dantonisten in >>Dantons Tod<< austragen, ist der Mehrzahl der Bevölkerung entfremdet und für sie rein akademischer Art. Die einfachen Notwendigkeiten materieller Bedürfnisbefriedigung des Volks, spielen sowohl für Danton wie auch für Robespierre, die beide der ,,leidenden Masse`` nicht angehören, nicht die entscheidende Rolle. Im Mittelpunkt steht für beide die Behauptung eines kompromißlosen Standpunktes, einer Idee ohne ein dafür vorhandenes Fundament, i.e. ohne die Einsicht der Massen in den Konflikt. ,,Programme gerinnen zur Parole, an Stelle des Handelns tritt mehr und mehr die Pose. Revolution, die nicht mehr weiter weiß, spielt Theater.``[+] Die von Büchner postulierte Unmöglichkeit der Beherrschung einmal in Gang gesetzter Prozesse ist auch der Grund für das letztendliche Scheitern beider Gruppen.
ANHANG A
Im Anschluß an das Referat erfolgte eine ausschnitthafte Videovorführung einer s/w-Filmfassung von 1964 und einer Aufzeichnung des Stücks aus dem Hamburger Schauspielhaus von 1986. Dem Kurs wurde die Konfrontationsszene des Stücks zwischen Danton und Robespierre (I,6) aus beiden Fassungen, sowie die Szene I,1 der Dantonisten im Palais Royal in der Bühnenfassung vorgeführt.
Obwohl die beiden Inszenierungen des Stücks nur etwa 20 Jahre auseinanderliegen, können daran die Entwicklungen, die sich in der Darstellung der Gegenspieler vollzogen haben, aufgezeigt werden. Als wesentliches Fazit der Vorführung und ihrer Besprechung kann festgehalten werden:
Die frühere Filmfassung stellt Danton, wie bereits erwähnt ganz entgegen der Absicht Büchners, als ,,Heldenopfer`` eines besessenen, uneinsichtigen ,,Schurken`` Robespierre dar. Ein jüngerer Darsteller des Danton stand dabei einem wesentlich älteren Darsteller des Robespierre gegenüber.
In Abgrenzung zur stark negativen Charakterzeichnung eines verbitterten, radikalen Robespierre, erscheint Danton als vernünftiger und weitsichtiger Held, der für seine Überzeugungen schließlich den ,,Heldentod`` stirbt.
Der Ausschnitt aus der Filmfassung unterstrich die intendierte Charakterzeichnung vor allem durch die Licht- und Dunkelzeichnung beim Schnitt von Danton zu Robespierre. Die Darstellung Robespierres im Schatten und Dantons im Licht unterstützt die beabsichtigte Symathiesteuerung beim Publikum zugunsten Dantons.
Die Darstellung des Monologs von Robespierre nach dem Abgang Dantons, läßt
zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel an der Absicht Robespierres entstehen,
Danton nur aus eigenem Kalkül und nicht primär aus Gründen der Fortführung
der Revolution aus dem Weg zu räumen.
In Szene I,1 der späteren Bühnenfassung wird das Milieu der Bordelle des Palais Royal, in dem Danton und die Dantonisten verkehren, als verrucht aber gleichzeitig von den ,,niederen Problemen der Außenwelt`` abgegrenzt dargestellt. Die Dekadenz der rauchverhangenen Atmosphäre des Zimmers assoziiert beim Zuschauer die verschwenderische Lebensweise und Lasterhaftigkeit der Aristokratie. Der dargestellte Lebensgenuß tritt so in scharfen Kontrast zur sich direkt anschließenden Szene I,2 auf der Straße, die das Leiden des Volks in der Verknüpfung zur Prostitution in I,1 darstellt.
In der Konfrontationszene (I,6) steht ein vergleichsweise älterer Danton einem immer noch wesentlich älteren Robespierre gegenüber. Der nihilistische Zug steht bei Danton hier im Vordergrund. Die Sympathielenkung ist nun, wenn auch nicht völlig so doch fast, umgekehrt.
Ein egoistisch denkender, betrunkener und lasterhafter Danton begegnet einem auf das Gemeinwohl bedachten, pflichtbewußt tugendhaften und im Vergleich zu Danton positiv erscheinenden Robespierre.
Im angeschlossenen Monolog erfahren die Beweggründe Robespierres sich für die Vernichtung Dantons auszusprechen eine in der Filmfassung nicht vorhandene Motivation. Robespierre, der geschäftig am Schreibtisch arbeitet, stellt das Scheitern der Revolution durch den Revolutionsgewinnler Danton, dem Gemeinwohl der Massen gegenüber und trifft nach Abwägung die Entscheidung zugunsten der Revolution und des Volks.
ANHANG B
Auf den letzten vier Seiten des Anhangs ist das handout, das der Verfasser in der Sitzung des Referats am 17. 06. 1992 im Kurs verteilt hat, und auf das im Text mehrfach verwiesen wurde, mit einigen wenigen Ergänzungen abgezogen.
Gegenspieler
in
Georg Büchners Dantons Tod
(1835)
Referent: Alexander Huber
Bedeutendster deutscher Dramatiker zwischen Romantik und Realismus, der die klassizistische Formtradition durchbricht und naturalistische und expressionistische Elemente in seinem Werk vorwegnimmt.
2. Hauptwerke Büchners:
Dantons Tod (Drama, entst. 1834/35, ersch. 1835,
Urauff. 1902 in Berlin)
Lenz (Novellenfragment, entst. 1836, ersch. 1842)
Leonce und Lena (Komödie, entst. 1836, ersch. 1842,
Urauff. 1885 in München)
Wojzeck (Dramenfragment, entst. 1836, ersch. 1879,
Urauff. 1913 in München)
3. Kontext:
3.1 Zum Stück
Historisches Drama in vier Akten über die Ereignisse in der
Französischen Revolution (1789-95) vom 24. 03. - 05. 04. 1794. Kein
polit. Tendenzstück, da Büchner sich eng an hist. Gegebenheiten und
polit. Äußerungen hält.
Hilfen zum Verständnis des Stücks:
Im Zeitraum der Spielhandung, geht es nach der polit. Revolution um die Verwirklichung der sozialen Revolution, i.e. der Verteilung der Güter der Wohlhabenden und allgemein der Verbesserung der Lebensumstände.
4. Gegenspieler und Intriganten:
Politische Grundkonstellation: ,,Die ganze Revolution hat sich
schon in Liberalisten und Absolutisten getheilt und muß von der
ungebildeten und armen Klasse aufgefressen werden.``
4.1 Die Parteien
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