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Institut
für Bau- und Kunstgeschichte Universität Hannover Prof.
Dr.-Ing. Cord Meckseper
Bau-/ Stadtbaugeschichte I
WS 1998/99
Was Kennzeichnet die
Architektur Karl Friedrich Schinkels ?
Karl Friedrich Schinkel 1781-1841 orientiert sich
als Architekt an der drei Säulen Ordnung der Griechischen Baukunst. Seit um 1820 war er an der Herausgabe eines
neuen Lehrbuches beteiligt, welches das Gent´sche „Elementarbuch“ ersetzen
sollte. In dem neuen Lehrbuch verfaßte er die Abschnitte A-C. Im ersten
Abschnitt schrieb er eine sehr detaillierte Abhandlung der
Architekturgeschichte im Altertum. Der Abschnitt B behandelt die architektonischen
Glieder, zunächst noch grundsätzlich und ohne Bezug auf die verschiedenen
Ordnungen. Im Abschnitt C wird die vitruvianische Lehre den Säulenordnungen
architekturkonograpisch und formal sehr ausführlich erörtert. „Die Säulenordung der Griechischen Baukunst
sind ihre ästhetische Grundlage“. Verliert der Baukünstler ihre Gesetze
aus den Augen, „so verschwindet mit ihnen
die ganze Heimat in der Kunst und er sieht sich verlassen und hilflos in einer
unwegsamen Wüste“. Man könnte so die Empfindung Schinkels wiedergeben als
er sich vor die Aufgabe gestellt sah, der königlichen Wache eine monumentale
Gestalt zu geben. Da für Schinkel die klassische drei Säulen Ordnung immer
noch ein wichtiges „Charakterisierungsmittel“ war, müßten sich seine Hauptwerke
nach der nachromantischen Zeit entsprechend gruppieren lassen. Sparsamkeit war
in Preußen eine angestammte Tugend, sie entsprach dem anspruchslosen Wesen des Königs. Eine von Schinkels
großartigen Gaben bestand darin, daß er sich mit dieser Situation
identifizierte. Seine Bauwerke sehen niemals aus als ob sie infolge unzureichender
Mittel die Absichten des Bauherrn und des Architekten nur unvollkommen verwirklichten.
Sie lassen nicht ahnen daß ihrem Architekten oft enge Grenzen gezogen waren,
daß er fast immer seine ganze Kraft einsetzen mußte, um das Vollkommene im
Rahmen des Möglichen zu verwirklichen. Die Neue Wache in Berlin, sein erster
repräsentativer und zugleich populärster Bau bietet sich als das anschaulichste
Beispiel des dorischen „Ernstes“ an. Schinkel löste die ihm vom König
übertragene Aufgabe, indem er der Wache die Gestalt eines wuchtigen festungsartigen
Gebäudes mit vier Ecktürmen gab. Dadurch konnte sich der schlichte Bau gegen
die benachbarten Prachtbauten, der Universität und das Zeughaus behaupten.
Vorangegangen waren Entwürfe zu Säulenhallen, ein Pfeilerbau mit antikisirenden
siegestrophäen sowie eine Rundbogenhalle mit einem Gemische von antiken,
mittelalterlichen u. ägyptischen Stilelementen, welche allesamt dem König
nicht gefielen. Durch den Eingriff des Königs in den Entwurfsprozess und
eine Neuplazierung der Neuen Wache änderte sich die Planung noch einmal
radikal. Dadurch konnte Schinkel die Angleichung an die Nachbarbauten aufgeben
und mußte nun sehen, daß die Wache trotzt ihrer geringen Größe sich zwischen
den Nachbarbauten behaupten konnte. Vor die Vorderfront setzte er einen
Portikus mit sechs dorischen Säulen. Dem römischen Vorbild wiederspricht
allerdings die Öffnung durch einen griechischdorischen Portikus. Damit wurde
aber die Dorik des Brandenburger Tors wieder aufgenommen und der Straße eine
würdevolle Schauseite geboten. Auf die Rückseite setzte er einen steinernen
Portikus mit Giebel, der die gleichen Dimensionen und Proportionen hat wie der
auf der Vorderseite. Statt der kannelierten Säulen sind es jetzt glatte
Pfeiler. Der dorische Stil wurde hier also auf sein Minimum reduziert. Die
Überzeugung, daß sich Vorder- und Rückseite eines Bauwerks entsprechen sollen
findet man auch bei Palladio wieder. Damit zeigt Schinkel, daß palladische
Konzepte auch im Klassizismus noch ihre Gültigkeit haben. Der noch praktisch
unerfahrene Schinkel arbeitete auffallend materialbewußt. Die beiden Fassaden
und die Ecktürme sind aus Sandstein, die Seitenwände zwischen dem Sockel und
dem Gesims sind aus kostengründen aus Backstein. Um hier an die Stelle der
Übertünchung auch etwas Wahres und Echtes zu setzen, sah Schinkel vom Putz ab
und entschloß sich dazu, die Flanken in Sichtbackstein stehen zu lassen.
Schinkel machte noch weitere genaue Angaben zur Ausführung der Fassaden.
Zwischen den großen Nachbargebäuden konnte sich die Wache nur durch eine eigene
Monumentalität behaupten. Nach der Auffassung Schinkles hat aber Monumentalität
nichts mit großen Dimensionen zu tun, sondern mit künstlerischer und
handwerklicher Qualität. Das dorische Element wurde im Klassizismus bei vielen
weiteren Bauten, z.B. Torhäusern (Potsdamer Tor, Schinkel, 1823) sofern sie
eine Ordnung bekommen sollten angewandt. Sie war auch keinesfalls ein Privileg
von Monarchie und Adel.
In Gentz´Elementarbuch steht, daß sich die jonische
Ordnung überall da empfehle, „wo
Heiterkeit und Ruhe, Gefälligkeit und Eleganz herrschen soll“. Schinkel
umschrieb den Charakter der jonischen Ordnung mit dem Wort „Anmut“. Gentz hatte sie in seinem Buch
für Schauspielhäuser empfohlen „Sie
schickt sich zu Schauspielhäusern, wo sie in all ihrer Pracht erscheinen kann“. So kam es das Schinkel sein Berliner
Schauspielhaus als anmutige Schöpfung betrachtet wissen wollte. Noch während
der Bauarbeiten an der Neuen Wache brannte das von Langhans errichtete
Schauspielhaus bis auf die Grundmauern ab. Kurz danach wurde der Neubau
beschlossen und Schinkel bekam nach einigen Schwierigkeiten die Oberbauleitung
vom König zugeteilt. Für Schinkel war klar, daß der Bau seine Funktion nicht
nur rein Praktisch erfüllen, sondern seine äußere Erscheinung auch darstellen
mußte. Dies entspricht dem von Schinkel früher formulierten „Ideal der Zweckmäßigkeit“ in der
Baukunst. Dadurch, das Schinkel die Ruinen des alten Schauspielhauses
mitverwenden mußte hatte er eine nicht ganz freie Hand bei seinen Entwurfsarbeiten.
Das entscheidende am neuen Theater war, das er es um 90° drehte. Auch die sechs
stehengebliebenen jonischen Säulen mußte Schinkel wiederverwenden, was ihm
wohl leicht viel, da sie zur „Anmut“ des neuen beitragen konnten. In der Mitte
des neuen Hauses setzte Schinkel das eigentliche Theater, links davon, also
links von der Freitreppe, den Konzertsaal mit dem dazugehörigen Festlokal und
auf der rechten Seite die Garderobe, Schauspielzimmer Direktionszimmer und
die Säle. Was fehlt ist ein dem Saal vorgelagertes Vestibül mit darüberliegendem
Foyer. Dies war in Frankreich und Italien seit der Mitte des 18. Jahrhunderts
in allen Theatern üblich gewesen. Da
Schinkel von all dem wußte, mußte es
andere Gründe gehabt haben weshalb er es nicht baute. Der Grund lag in den
Grundmauern des Langhans-Baues. Es war einfach kein Platz mehr vorhanden. So
schob er die Zugänge für das Publikum und die Theaterkasse in den Sockel
unter den Zuschauerraum und bestimmte einen kleinen Restraum zu Foyer und
Konditorei. Das Festlokal, welches auch unabhängig vom Theater nutzbar sein sollte wurde mit zehn dorischen Freisäulen
griechischer Art geschmückt. Der Zuschauerraum war eine Kombination aus Rang-
und Logentheater. Die gesamte Innenausstattung wurde von Schinkel selbst entworfen.
Dabei hatte er versucht sich dem Griechischen so viel als möglich zu nähern.
Die große Freitreppe hatte keine weitere Funktion als den großen Säulen als
Unterbau zu dienen. Die Besucher mußten sich den Weg unter der Treppe oder an
den Seiten des Risaltis suchen. Was ähnlich einer Palladio-Villa ein
monumentaler Eingang zu sein schien, war keiner. Die Architektur der Fassade
ist möglichst streng nach griechischer Art durchgeführt, um mit dem Portikus,
der schon gegeben, in Übereinstimmung zu kommen. Deshalb vermied Schinkel
konsequent halbrunde, breite oder runde Fenster. „Anmut, Heiterkeit und Ruhe, Gefälligkeit und Eleganz“ versuchte
Schinkel noch mehrere Male mit der jonischen Ordnung zum Ausdruck zu bringen.
So zählt auch das „Museum“ mit seiner unvergleichlichen jonischen Säulenhalle
zu den Bauten mit jonischer Ordnung. Auf die Vorgeschichte, die ziemlich
verworren ist möchte ich nicht weiter eingehen. Der Standort für das neue
Museum sollte an der Nordseite des Lustgartens gegenüber vom Schloß gesetzt
werden. Das Museum war ein breites rechteckiges Gebäude mit zwei Innenhöfen, welches
durch einen 23 Meter hohen Kuppelbau, die Rotunde, getrennt wurde.
Bemerkenswert ist der von korintischen Säulen eingefaßte Kuppelraum in der
Mitte, mit dem wohl der Monotonie entgegengewirkt werden sollte. Für die
Rotunde diente im das Pantheon in Rom als Vorbild. In dem Runden Saal sollten
sich später die Hauptwerke präsentieren können. Ferner mußte ein Museum Säle
verschiedener Form und Größe haben, weil nicht alle Kunstwerke in den
gleichen Sälen in Wirkung gesetzt werden konnten. Die dem Schloß zugewandte
Vorderfront bestand aus 18 jonischen Säulen. Hinter ihnen verbarg sich die
schmale Vorhalle und der innere Treppenaufgang zur Wandelhalle. Schinkel
stellte griechische und römische Bauteile auf engem Raum nebeneinander und
verband sie zu einem harmonischen Ganzen. Schinkels Museum war eine so
individuelle Ausprägung seiner Gattung und zugleich eine so spezielle Lösung
einer konkreten Bauaufgabe, daß mit einer Weiterentwicklung kaum zu rechnen
war. Für die letzte klassische Ordnung, der korinthischen, soll die
Friedrich-Werdersche Kirche als Beispiel dienen. Die korinthische Ordnung umschreibt
das „prächtige, reiche und zierliche“.
Wieder hielt er sich an Gentz, welcher die Ordnung für fürstliche Prachtbauten
und Tempel, d.h. Gotteshäusern vorbehalten hatte. Allerdings setzt er die
korinthische Ordnung, die reich geschmückte Corinthia eher selten ein. Die Friedrich-Werdersche Kirche sollte im frühen
Planungsstadium ein korinthischer Tempel werden. Bei seinem Entwurf handelte
es sich um eine Saalkirche, die äußerlich als korinthischer Pseudoperipteros
erscheinen sollte, d.h. sie hatte an den Seitenwänden je 14 Halbsäulen, welche
ursprünglich aus Sichtbackstein erbaut werden sollte. Was für einen
korinthischen Tempel eher ungewöhnlich gewesen wäre. Aber leider blieb die Angelegenheit ersteinmal liegen und
Schinkel konnte seine ursprüngliche Absicht einen Tempel als Gotteshaus zu
erproben, nie verwirklichen. Beim zweiten Anlauf entwarf er eine
Wandfpeilerkirche mit halbrunden Chor. Darauf folgten noch zwei weiter
Entwürfe. Auf Wunsch des Königs oder des Kronprinzen mußte Schinkel die
Entwürfe nochmals transponieren und zwar ins Gotische, das er auch als eine Art
der „Ordnung“ ansah. Nachdem die verschiedenen Entwurfsstadien von der
deutsch-französischen Doppelkirche über den korinthischen Tempel bis zur
neugotischen Zweiturmkirche durchlaufen waren, wurde die Werdersche Kirche in Sichtbackstein 1824-30 errichtet.
Sie stellt eine Verschmelzung von antiken und mittelalterlichen Bauvorstellungen
dar.
Mit seinen Hauptwerken schöpft er alle Möglichkeiten
aus, die ihm sein Zeitalter und die Geschichte bereithalten und transzendiert
sie zugleich. Was er gebaut und über Architektur gedacht hat, steht heute immer
noch zur Diskussion. Sein persönlicher Stil war zwar nicht einheitlich, so wie
es die Stilgeschichte verlangt, aber durchgängig von dem Willen geprägt, eine
neue Architektur aus dem Geiste der Klassik zu erfinden.