Investitionen - Infrastrukturinvestitionen im besonderen sowie Investitionen in den Menschen

 

Seminararbeit von Jens Albert vorgelegt bei Prof. Dr. Harald Enke Fachhochschule Nürtingen Sommersemester 1998      Note 1,0

 

 

1 Allgemeines

Thema dieser Seminararbeit sind Investitionen in die Infrastruktur, oder allgemein die Verwendung von Geld- oder Sachkapital für die Erneuerung oder den Ersatz von Einrichtungen, die für die Wirtschaft eine Basisfunktion inne haben.

Nach einleitenden Definitionen und Klassifikationen werden für Infrastrukturinvestitionen Merkmale und Bedeutung aufgezeigt, wobei der Schwerpunkt sowohl auf Investitionen in die materielle Infrastruktur als auch auf Investitionen in den Menschen liegt.

In der heutigen, von zunehmendem Wettbewerb und fortschreitender Internationalisierung der Wirtschaftsprozesse gekennzeichneten Zeit erwägen viele Unternehmen Produktion, Forschung und Entwicklung in das Ausland zu verlagern. Was spricht dagegen? Ein wohl unbestrittener Standortvorteil gegenüber vielen Staaten in Osteuropa, Asien oder Südamerika ist aktuell in der langfristig gewachsenen, modernen und leistungsfähigen Infrastruktur zu sehen. Diese Infrastruktur besteht nicht nur aus Verkehrs-, Kommunikations- und Energieversorgungsnetz, sondern umfaßt auch das Rechtssystem und ganz besonders alle Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung der Bevölkerung. Um nicht auf diesem Stand stehen zu bleiben, was einem Rückschritt gleich käme, bedarf es ständig neuer Anstrengungen in Form von Investitionen, wobei Staat und Unternehmen, bezüglich Investitionen in das Humankapital aber jeder Einzelne gefordert sind.

 

2 Investitionen

2.1 Begriff der Investition

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff der Investition für die Verwendung von Finanzmitteln zur Anschaffung von Produktionsmitteln verwand.

Das Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft definiert den Vorgang der Investition aus volkswirtschaftlicher Sicht als Konsumverzicht in der gegenwärtigen Periode, „um in künftigen Perioden Güter verbrauchen zu können. Investitieren bedeutet daher Verwendung von Gütern zur Erhaltung, Erweiterung oder Verbesserung des Produktionsapparats einer Volkswirtschaft.“(Albers, S.246f.) Dieser Produktionsapparat umfaßt neben dem Sachkapital im engeren Sinne, wie Maschinen, Gebäuden und Verkehrswegen, auch das „Humankapital, das institutionelle Kapital sowie konsumorientierte öffentliche und private Anlagen bzw. Anlagegüter.“(Enke, S.1)

Ähnlich erklärt Streit (Vgl. S.196) die Investition als Aufwand von Produktionsfaktoren (Kapital, Boden, Arbeit und technisches Wissen) um in Zukunft Einkommen zu erzielen. Anlaß dafür ist die Aufnahme oder Erweiterung des Produktionsprozesses, Ersatz für bereits bestehende Anlagen oder das Bestreben den Produktionsablauf effektiver zu gestalten.

Investitionen stellen demnach immer die Verwendung knapper Ressourcen - z.B. Geld oder Arbeitskraft - dar. Sie verbessern/erneuern die Ausstattung der Wirtschaft mit langfristig nutzbaren Gütern, zu denen auch Bildung oder Kulturgüter zählen. Die Rendite, des für die Investition aktuell erforderlichen Konsumverzichts, besteht in künftigem Einkommen, welches dann, zumindest teilweise, konsumiert werden kann. Charakteristisch ist auch, daß der Investor seine Investitionsentscheidung in Unkenntnis ob des Investitionserfolges treffen muß.

 

2.2 Arten der Investitionen

In Anlehnung an die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird bei Investitionen in Brutto-, Ersatz- und Nettoinvestitionen unterschieden. Die Bruttoinvestitionen, sie existieren in Form von Bruttoanlage- und Vorratsinvestitionen, sind definiert als Summe aus Ersatz- und Nettoinvestitionen, wobei die Ersatz- bzw. Reinvestitionen wertmäßig mit den in der betrachteten Periode vorgenommenen Abschreibungen übereinstimmen und die Nettoinvestitionen der Ausweitung des Produktionsapparates und Veränderungen in den Lagerbeständen entsprechen.(Vgl. Albers, S.247)

Sinnvoll ist auch die Einteilung verschiedener Investitionsarten anhand des Investitions-objektes (Vgl. Meyer, S.45), wobei folgende Gruppen entstehen:

Sachinvestitionen - z.B. Maschinen, Fabrikhallen, Kommunikationsnetze, Vorräte,

Finanzinvestitionen - z.B. Kauf von Aktien, festverzinslichen Wertpapieren,

Immaterielle Investitionen - z.B. Kosten der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern.

Betrachtet man wie Streit (Vgl. S.196) hingegen den eigentlichen Zweck der Investition so gelangt man zur Einteilung in:

Gründungsinvestitionen, die vor der Aufnahme der Geschäftstätigkeit erforderlich sind,

 Ersatzinvestitionen, welche dem Austausch abgenutzter Anlagen dienen,

Erweiterungsinvestitionen, um beispielsweise in Konjunkturphasen eine größere Nachfrage befriedigen zu können,

und in Rationalisierungsinvestitionen, welche zur Steigerung der Arbeitsproduktivität getätigt werden.

Darüber hinaus vorstellbar ist jede Kombination der letzten drei Varianten, z.B. eine auf Grund von Verschleiß zu ersetzende Maschine wird durch ein leistungsfähigeres Modell ausgetauscht, was sowohl als Ersatz- als auch als Rationalisierungsinvestition betrachtet werden kann. Ein weiteres Investitionsmotiv kann in neuen Gesetzen, wie Auflagen des Umweltschutzes,  bestehen.

Von der Frage - Welcher Art sind die Effekte der Investition? - gelangt Enke (S.16) zu folgenden Klassen der Investitionen:

„- solche, die ausschließlich produktiv sind,

- solche, die zugleich produktiv und konsumtiv sind,

- und solche, die ausschließlich konsumtiv sind.“

Diese Einteilung basiert auf einem Definitionsbegriff des Produktionsapparates im weiteren Sinne, da Investitionen produktiver und konsumtiver Art (z.B. Bildung) bzw. rein konsumtiver Art (z.B. Parks, Denkmäler) nicht ausgeschlossen sind.

Die Vielzahl verschiedener Klassifikationen weist auf die große Bedeutung zweckmäßiger Einteilungen hin. Die Klassifikationen unterscheiden sich nicht qualitativ sondern hinsichtlich des Untersuchungsobjektes.

 

3 Infrastruktur

3.1 Definition der Infrastruktur

Der Begriff der Infrastruktur stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Unterbau. Mit diesem Unterbau sind die Basiseinrichtungen einer Volkswirtschaft im engeren oder weiteren Sinne gemeint.

Eine durchgängige exakte Begriffsbestimmung existiert in der einschlägigen Literatur nicht. So versteht das Gabler-Volkswirtschafts-Lexikon (S.525f.) unter Infrastruktur „die Grundausstattung einer Volkswirtschaft (eines Landes, einer Region) mit Einrichtungen, die zum volkswirtschaftlichen Kapitalstock gerechnet werden können, die aber für die private Wirtschaftstätigkeit den Charakter von Vorleistungen haben.“

Während Knigge (Vgl. S.21) in Anlehnung an Tuchtfeldt und Jochimsen pragmatischer Weise unter Infrastruktur nur, die auch „social overhead capital“ genannte, materielle Infrastruktur, wie Verkehrs- und Versorgungsnetze, versteht, gebraucht Bach (S.11) einen umfassenden Begriff: „Im weiteren Sinne umfaßt Infrastruktur rechtliche, organisatorische, personelle und materielle Bestandteile“.

Auch Woll (S.336) bedient sich eines weiteren Begriffs, wenn er Infrastruktur, als „Ausstattung einer Volkswirtschaft mit Verkehrs- und Kommunikationseinrichtungen, Energieversorgung, Bildungs- und anderen eine wirtschaftliche Tätigkeit ermöglichenden und grundlegenden öffentlichen Einrichtungen, die Entwicklungsstand und Produktionsniveau des Landes bestimmen“, definiert.

Typische Merkmale einer Infrastruktur sind (Vgl. Gabler-Volkswirtschafts-Lexikon,S.526):

Die Materielle und personelle Infrastruktur besitzt Investitionscharakter, d.h. der für deren Erstellung langfristig nutzbarer Güter nötige Aufwand dient der Erzielung von Einkommen.

Da die Erstellung der Infrastruktur sehr kapitalintensiv ist, und das Kapital langfristig gebunden ist, erfolgt die Finanzierung häufig aus öffentlichen Mitteln.

Infrastruktur verursacht sowohl positive wie negative externe Effekte. So kann eine für die Erschließung eines neuen Gewerbegebietes gebaute Straße natürlich auch von nicht in dieser Region beschäftigen Personen befahren werden (positiver externer Effekt), der dort zu erwartende Verkehr belästigt Anwohner der Straße aber mit Lärm und Abgasen (negativer externer Effekt).

Darüber hinaus existieren weitere Merkmale (Vgl. Trunzer, S.11f.):

Die Infrastruktur ist technologisch nicht teilbar, sie kann weder importiert noch exportiert werden.

Infrastruktur besitzt den Charakter eines Kollektivgutes, sie kann von vielen genutzt werden und es besteht oft nicht die Möglichkeit des Ausschlusses.

 

3.2 Arten der Infrastruktur

Die von Knigge (Vgl. S.29ff.) vorgenommene Einteilung in konsumtive, haushaltsorientierte Infrastruktur (z.B. Parkanlagen,Theater) und in Einrichtungen der produktiven, unternehmensorientierten Infrastruktur (z.B. Hochseehäfen, Güterbahnhöfe) basiert auf den Überlegungen:

Wer ist Nutznießer dieser Einrichtungen? Unternehmer oder Haushalte?

Und wozu werden die Leistungen der Infrastruktur verwand? Zu privatem Konsum oder zu Produktionszwecken?

Da viele Infrastruktureinrichtungen jedoch Mischformen darstellen, das Schienennetz kann zu Gütertransport und Urlaubsreisen genutzt werden, Versorgung mit Wasser und Energie erfolgt für Produzenten wie Konsumenten auf die gleiche Weise, und somit eine klare Trennung erschweren, erscheint die Klassifizierung in materielle, personelle und institutionelle Infrastruktur (Vgl. Baßeler, S.376) für diese Seminararbeit geeigneter.

 

3.2.1 Materielle Infrastruktur

Gablers Volkswirtschafts-Lexikon (Vgl. S.526) setzt Infrastruktur im engeren Sinne mit materieller Infrastruktur gleich.

Ausführlicher erklärt, umfaßt die materielle Infrastruktur „die Teile des Realkapitalstocks, die überwiegend als Vorleistungen in die Produktion von Gütern und Dienstleistungen eingehen, die die Endnachfrage aufnimmt.“(Trunzer, S.9, nach Jochimsen)

Im Detail handelt es sich somit um „die sachlichen Anlagen und Ausrüstungen einschließlich staatlicher Verwaltung, Ausbildung, Forschung, Gesundheits- und Fürsorgewesen sowie Kultur- und Sporteinrichtungen.“(Woll, S.336)

Sehr umfassend erscheint die für eine statistische Untersuchung vorgenommene Einteilung der materiellen Infrastruktur in 12 Hauptkategorien, wie sie Busch (S.16, nach Biel) vornimmt:

- „Verkehrsinfrastruktur

-  Kommunikationsinfrastruktur

-  Energieversorgungsinfrastruktur

-  Wasserversorgungsinfrastruktur

-  Umweltinfrastruktur

-  Bildungseinrichtungsinfrastruktur

-  Gesundheitswesen

-  spezielle städtische Infrastruktur

-  Sport- und Touristikeinrichtungen

-  soziale Infrastruktur

-  kulturelle Einrichtungen

-  naturräumliche Ressourcen“

Das verbindende Element aller Definitionen der materiellen Infrastruktur ist der physische Charakter der Infrastrukturelemente (Versorgungsnetze, Gebäude). Unstrittig ist ebenso die langfristige Nutzung, der hohe Investitions- bzw. Kapitalbedarf, die Basisfunktion für Produktion und Dienstleistung sowie die Nähe zu öffentlichen Gütern.

 

3.2.2 Personelle Infrastruktur

Ausgehend vom Begriff ist klar, daß personelle oder personale Infrastruktur nicht von Personen, Menschen getrennt werden kann. Sie existiert im Können und geistigen Vermögen des Trägers.

Damit ist die personelle Infrastruktur eng an den Begriff des Humankapitals gebunden. Humankapital definiert Baßeler (S.348) kurz als den „Gegenwartswert menschlicher Arbeit“, also als Arbeitskapital.  Entscheidend für die Höhe dieses Arbeitskapitals sind neben dem Bildungsniveau und speziellen beruflichen Erfahrungen auch angeborene Fähigkeiten, Motivationsfähigkeit und die Flexibilität des Individuums (Vgl. Helmes, S.16).

Lindner (S.3) hingegen sieht im Humankapital ausschließlich die „Menge von erlernten Fertigkeiten, also von Fähigkeiten, das technische Wissen über Produktionsprozesse auch anzuwenden.“ Er betrachtet somit nur die direkt produktiven Komponenten des Humankapitals.

Die personelle Infrastruktur eines Landes oder einer Region besteht somit im aus Bildung, Erfahrung und Talenten resultierenden, an die Individuen gebundenen Vermögen. Dieses Humanvermögen ist durch Investitionsprozesse in Familien, Schulen, Unternehmen und Gesellschaft entstanden. Es ermöglicht sowohl dem Einzelnen, als auch der von dieser Investition direkt profitierenden Unternehmung und der Gesellschaft die Erzielung von Einkommen.

 

3.2.3 Institutionelle Infrastruktur

Trunzer (S.9, nach Jochimsen) interpretiert die institutionelle Infrastruktur als „die gewachsenen und gesetzten Normen, die organisatorischen Einrichtungen und Verfahrensweisen einer Volkswirtschaft, die den Rahmen für die Erstellung und Realisierung der individuellen Wirtschaftspläne abgeben.“

Ähnlich skizziert Gablers Volkswirtschafts-Lexikon (S.526) diese Form der Infrastruktur anhand der drei Beispiele: „Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung“.

Der institutionellen Infrastruktur fehlt der investive Charakter, wie er beim Bau einer Autobahn (materielle Infrastruktur) oder der Berufsausbildung (personelle Infrastruktur) offensichtlich ist. Auch entsteht institutionelle Infrastruktur nicht planmäßig nach einer betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse in wenigen Jahren, sondern entwickelt sich über viele Jahrzehnte hinweg und ist ständigen Veränderungen unterworfen.

 

4 Investitionen in die Infrastruktur

Die große Bedeutung der Infrastrukturinvestitionen für die Entwicklung der Volkswirtschaft, die künftige Leistungsfähigkeit und zu erwartende Einkommen wird in der betrachteten Literatur nicht in Frage gestellt.

Für Baßeler (S.704) sind Investitionen in die Infrastruktur „für das Wachstum einer Volkswirtschaft von grundlegender Bedeutung, da sie z.T. Voraussetzung, z.T. notwendige Begleiterscheinung des Wachstumsprozesses sind.“

Auch das Gabler Volkswirtschafts-Lexikon (Vgl. S.527) sieht im, sowohl durch privatwirtschaftliche als auch durch staatliche Investitionen entstandenen, volkswirtschaftlichen Kapitalstock eine maßgebende Einflußgröße aus das Wirtschaftswachstum.

Das dies keine einseitige Beziehung ist, läßt sich einfach belegen. Infrastrukturinvestitionen erfordern bekanntermaßen das Vorhandensein großer Kapitalmengen. Aus hohem Produktionsniveau und erfolgreicher Unternehmertätigkeit resultierende umfangreiche Kasssenzuflüsse sind hierfür eine notwendige Voraussetzung. Anders herum betrachtet ist eine gut entwickelte Infrastruktur die Voraussetzung produktiver und rentabler Unternehmen. Damit sind Infrastrukturinvestitionen der Ausgangspunkt wirtschaftlicher Entwicklung. (Vgl. Bach, S.112)

Basierend auf den Arten der Infrastruktur können die Investitionen in diese in zwei Gruppen, der institutionellen Infrastruktur fehlt der Investitionscharakter, eingeteilt werden:

Investitionen in die materielle Infrastruktur,

Investitionen in den Menschen.

 

4.1 Investitionen in die materielle Infrastruktur

4.1.1 Allgemeines

Bei Investitionen in die materielle Infrastruktur handelt es sich ganz allgemein um den Einsatz von Kapital zur Erstellung von langfristig nutzbaren Anlagegütern, welche sowohl für die privatwirtschaftliche Leistungserstellung als auch für den privaten Konsum den Charakter von Basiseinrichtungen oder Vorleistungen besitzen.

Eine Vielzahl von Gründen führt dazu, daß diese Investitionen überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (Vgl. Trunzer, S.28ff.):

Investitionen in die materielle Infrastruktur zeichnen sich durch einen sehr hohen Kapitalbedarf aus.

Das Kapital ist , selbst für Investitionen in Anlagegüter, sehr langfristig gebunden.

Zu den Herstellungskosten, die in der Regel ‘sunk costs’ also versunkene und damit nicht zurückzugewinnende Kosten darstellen, kommen später zwangsläufig Aufwendungen für Ausbau oder Instandhaltung, sogenannte Folgeinvestitionen.

Bei  Investitionen in die, in der Regel öffentliche Güter darstellende, Infrastruktur versagt der Markt, d.h. die Versorgung auch abgelegener Regionen mit elektrischem Strom, Wasser usw. wäre nicht gesichert, da die Kosten hierfür am Markt nicht zu erzielen wären.

Damit wird deutlich, daß das Risiko möglicher Fehlinvestitionen, wie jede Investitions-entscheidung  wird auch diese ohne jegliche Erfolgsgarantie getätigt, in der Regel die öffentlichen Kassen und mittelbar die Steuerzahler zu tragen haben. Wurde die Investition privatwirtschaftlich finanziert, z.B. private Autobahnen, Mobilfunknetze oder Musicalgebäude, trägt das Risiko der private Investor. Während das Opportunitätskostenkalkül den privaten Investor zwingt sich nur bei befriedigendem Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zu engagieren, stehen Bund, Länder und Gemeinden in der Pflicht auch Investitionen zu tätigen, die nicht rentabel sind.

 

4.1.2 Effekte von Infrastrukturinvestitionen

Bei der Betrachtung von Investitionen in die materielle Infrastruktur hinsichtlich ihrer Effekte müssen vor allem Einkommens-, Beschäftigungs- und Kapazitätseffekte genannt werden. (Vgl. Albers, S.250f.)

Bezüglich des Einkommens kann in einen primären und einen sekundären Einkommenseffekt unterschieden werden. Primär entsteht Volkseinkommen bei der Erstellung der Infrastruktur durch die Unternehmen und ihre Beschäftigten. Sekundär wird die Einkommenssituation eben durch die optimierte Infrastrukturausstattung verbessert, z.B. stellt eine bessere Verkehrsanbindung einen positiven Standortfaktor dar. Da dieses Einkommen konsumiert werden kann und bei der Produktion der Infrastruktur Vorleistungen anderer Unternehmen benötigt werden, spricht man hier von Multiplikatoreffekten.

Die Beschäftigungseffekte stehen in engem Zusammenhang zu den Einkommenseffekten, da Beschäftigung die Voraussetzung von Einkommenserzielung darstellt. Handelt es sich jedoch dem Typ nach um eine Rationalisierungsinvestition (z.B. Ersatz einer alten Abwasserbehandlungsanlage durch eine moderne, leistungfähigere, welche weniger Personal beansprucht), führt die Freisetzung von Mitarbeitern zu negativen Beschäftigungseffekten und damit auch zu Einkommensverlusten.

Ein positiver Kapazitätseffekt wird in der Regel durch die Investition angestrebt. Ist das Produktionsvolumen durch die gegebene Infrastruktur begrenzt (z.B. unbefriedigende Energieversorgung), besteht zum Ausbau keine Alternative.

Abschließend sei zu Investitionen in die materielle Infrastruktur bemerkt, daß die ausführende Industrie (z.B. Baubranche) mit ihren kostenintensiven Ausrüstungen stark an einem gleichmäßigen Auftragseingang interessiert ist. In Rezessionszeiten müßte nach Keynes der öffentliche Sektor zusätzliche Nachfrage entwickeln. Da die für den Großteil der Infrastrukturinvestitionen verantwortlich zeichnenden Gebietskörperschaften aber nur bei günstiger Finanzlage, also in Boomphasen, bereit sind umfangreich zu investieren, kommt es leider nicht zu diesen antizyklischen Reaktionen.(Vgl. Poser,S.40f.)

 

4.2 Investitionen in den Menschen bzw. Investitionen in das Humankapital

4.2.1 Allgemeines

Bei Investitionen in den Menschen handelt es sich um Aufwendungen für Erziehung, Aus- und Weiterbildung von Individuen. Sie dienen dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, welche die Erzielung von Einkommen ermöglichen. Ebenso sind Forschungs- und Entwicklungskosten zu dieser Form der Investitionen zu zählen, da hier eine Vermehrung des technischen Wissens angestrebt wird (Vgl. Lindner, S.3). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Aufwendung für die Erhaltung der Gesundheit. Mögliche Investoren sind:

die Familie,

allgemein- und berufsbildende Schulen,

Unternehmen,

Forschungseinrichtungen

und die Gesellschaft.

Das durch die Investition entstandene Humankapital ist größtenteils mit dessen Träger, dem Menschen verbunden. Die Verfügbarkeit wird somit durch die Flexibilität und Mobilität des Individuums bestimmt.

Bei den Investitionskosten kann in direkte und indirekte unterschieden werden. Direkte Kosten stehen in direktem Zusammenhang mit dem Investitionsvorgang. Bei Aus- oder Weiterbildung wären das beispielsweise die Kosten für Lehrkraft, Bücher, Unterrichtsmittel. Indirekte Kosten existieren in Form von Opportunitätskosten wie z.B. keine Einkommenserzielung in der Lehrzeit.(Vgl. Schultz, S.IX)

 

4.2.2 Investitionen in spezifisches Humankapital

Maßgeblich an der Entstehung spezifischen bzw. branchen- oder arbeitsplatzbezogenen Humankapitals beteiligt sind drei Investorengruppen:

die Unternehmen, sie tragen die Kosten von Berufsausbildung und Qualifikationsmaßnahmen sowie für die Zeit des Anlernens,

die Beschäftigten, die ihre Zeit, und in vielen Fällen auch ihr Geld, für Aus- und Weiterbildung, Umschulung usw. verwenden

und der Staat oder die Gesellschaft, durch den Einsatz von Finanzmitteln für überbetriebliche Ausbildungsstätten, Umschulungsprogramme u.a.

Alle drei Gruppen tätigen diese Investition in Erwartung zukünftigen Einkommens. Da jede Investitionsentscheidung in Unkenntnis des Erfolges getroffen werden muß, wird das für Investitionen zur Verfügung stehende Kapital dorthin gelenkt, wo die besten Gewinnchancen dem geringsten Risiko gegenüberstehen.

Für den Unternehmer, als in den Menschen Investierenden, hängt die Investitionsentscheidung bei vorhandenen Alternativen auch von Bedingungen wie Nutzungsdauer der Investition bzw. zeitliche Verfügbarkeit der Arbeitskräfte und der Mobilität des Humankapitals ab:

Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse stellt der Unternehmer den Kosten für Ausbildung und Qualifikation die Erträge gegenüber. Die Höhe der Erträge wird unter anderem durch Produktivität des Humankapitals und zeitliche Verfügbarkeit der Arbeitskräfte bestimmt. Über die zeitliche Verfügbarkeit entscheidet aber der Unternehmer nicht allein. Wochenarbeitszeit, Zahl der Urlaubstage, Möglichkeit von Überstunden werden von den Tarifparteien ausgehandelt, beeinflussen die Investitionsrechnung aber in erheblichen Maße.(Vgl. Schawilye, S.149ff.)

Die Mobilität des Humankapital ist abhängig von dessen Träger, den qualifizierten Arbeitnehmer. Strebt der Arbeitgeber die Erschließung eines neuen Marktes an und will dort diesen Arbeitnehmer einsetzen, so muß er die Kosten der Mobilität - Umzugskosten, Erlernen der neuen Sprache als Folgeinvestitionen mit einkalkulieren.(Vgl. Fehn, S.401)

Auch für den Arbeitnehmer besteht die Möglichkeit und Notwendigkeit in sich selbst zu investieren. Das Ergebnis des dafür notwendigen Konsumverzichts, weniger Freizeit und weniger für Konsum zur Verfügung stehendes Kapital, kann in höherer Entlohnung und einem sichereren Arbeitsplatz bestehen.(Vgl. Robbers, S.10)

 

4.2.3 Investitionen in nichtspezifisches Humankapital

Unspezifisches Humankapital, also Wissen und Fähigkeiten eher allgemeiner Natur, entsteht überwiegend in Familie, Schule und persönlichem Lebensraum. Von einer planmäßigen Investition kann vor allem beim Erwerb von Allgemeinbildung in Schulen ausgegangen werden.

So schreibt Baßeler (S.707) dem Staat die Aufgabe zu „Bildungspolitik zu betreiben, also Ausbildungsstätten, Schulen, Universitäten usw. zu errichten und zu fördern.“ Er bezeichnet Bildung als Konsumgut und wirtschaftliche Investition.

Im Gegensatz zu Investitionen in spezifisches Humankapital besteht bei unspezifischem Humankapital nicht die Gefahr der Entwertung (z.B. durch Verlust des Arbeitsplatzes), da dieses aus Allgemeinbildung, generellen Erfahrungen und Schlüsselqualifikationen bestehende Humankapital auch beim Einsatz in anderen Unternehmen, Branchen usw. den gleichen Wert besitzt.

 

5 Zusammenfassung

Bei Infrastrukturinvestitionen handelt es sich um die Verwendung von Produktionsfaktoren für die Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung des Teils des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks der für Wirtschaftstätigkeit und Konsum den Charakter von Vorleistungen besitzt.

Diese Investitionen werden in der Erwartung künftiger Erträge von Staat, Unternehmen oder Privatpersonen getätigt.

Von Infrastrukturinvestitionen gehen Einkommens-, Beschäftigungs- und Kapazitätseffekte aus.

Hinsichtlich des Investitionsobjektes bietet sich die folgende Einteilung an:

Investitionen in die materielle Infrastruktur

und Investitionen in das Humankapital

Beiden Arten von Infrastrukturinvestitionen besitzen entscheidenden Einfluß auf Wirtschaftswachstum und Einkommensentwicklung, sind aber auch dessen Folge.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Bach, Stefan; Gornig, Martin; Stille, Frank; Voigt, Ulrich:       

Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum, DIW Beiträge zur Strukturforschung Heft 151, Berlin 1994, Duncker & Humboldt

 

Baßeler, Ulrich; Heinrich, Jürgen; Koch, Walter:                     

Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 13. Aufl., Köln 1991, Wirtschaftsverlag Bachem

 

Busch, Berthold; Klös, Hans-Peter:                

Potentialfaktor Infrastruktur - Ökonomische Bedeutung und privatwirtschaftliches Engagement, IW, Köln 1995, Deutscher Instituts-Verlag

 

Enke, Harald:                                     

Der Konsumeffekt der Investitionen - Eine Wachstumschance?, Tübingen 1986, Institut für angewandte Wirtschaftsforschung, Forschungsberichte Serie A, 42

 

Fehn, Rainer; Thode, Eric:                              

Globalisierung der Märkte, in: Wirtschaftswissenschaftl. Studium Heft 8, München und Frankfurt 1997, Verlage Franz Vahlen und C.H.  Beck

 

Helmes, Jürgen:           

Humankapital als Zielvariable staatlicher Wirtschaftspolitik, Bergisch Gladbach 1996, Verlag Josef Eul

 

Knigge, Rainer:

Infrastrukturinvestitionen in Großstädten - Probleme und Möglichkeiten der Optimierung von konsumtiven Infrastrukturinvestitionen, Stuttgart 1975, Verlag W. Kohlhammer

 

Lindner, Axel:             

Ausbildungsinvestitionen in einfachen gesamtwirtschaftlichen Modellen, Heidelberg 1996, Physica-Verlag

 

Meyer, Jürgen E. L.:               

Die Absicherung spezifischen Humanvermögens durch Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, Spardorf 1987, Verlag René F. Wilfer

 

Poser, Günter:                                    

Wirtschaftspolitik, 5. Aufl., Stuttgart 1994, Schäffer-Pöschel Verlag

 

Robbers, Thomas:                              

Investitionen in berufliches Humankapital und die Absicherung erwarteter Erträge, Bergisch Gladbach 1993, Verlag Josef Eul

 

Schawilye, Ramona:                           

Kosten, Produktivität und zeitliche Verfügbarkeit des Humankapitals, Wirtschaftswissenschaftl. Studium Heft 3, München und Frankfurt 1998, Verlage Franz Vahlen und C.H.  Beck

 

Schultz, Theodore W.; Übers. von Krais, Arnulf:        

In Menschen investieren: Die Ökonomik der Bevölkerungsqualität, Tübingen 1986, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)

 

Streit, Manfred:                                  

Wie funktioniert das? Die Wirtschaft heute, Mannheim 1984, Bibliografisches Institut

 

Trunzer, Hans F.:                                

Infrastrukturnvestitionen und Wirtschaftswachstum,      Bad Honnef 1980, Bock + Herchen Verlag

 

Woll, Artur (Hrsg.):                            

Wirtschaftslexikon, 6. Aufl., München 1992, R. Oldenbourg Verlag

 

o.V.                                                   

Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, Wiesbaden 1996,   Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler