Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Philosophische Fakultät

Historisches Seminar

 

Proseminar zur Neueren Geschichte

von Priv.-Doz. Dr. O. Ulbricht

Die Industrielle Revolution in England

Wintersemester 1992/93

 

Hausarbeit über "Die Frauenarbeit"

 

Wiebke Timm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2.1. Ursachen 2

2.1.1. Agrarrevolution 2

2.1.2. Kommerzielle Revolution 2

2.1.3. Technologische Entwicklung 2

2.1.4.Warum waren gerade Frauen und Kinder in den Fabriken? 3

2.2. Welche Frauen arbeiteten in den Fabriken? 4

2.2.1. Ledige Frauen 4

2.2.1.1. Löhne 5

2.2.2. Verheiratete Frauen 5

2.2.3. Witwen 6

2.3. In welchen Bereichen waren sie tätig? 7

2.4. Unter welchen Bedingungen arbeiteten sie? 8

2.4.1. Tätigkeiten 8

2.4.2. Entlohnung 9

2.4.3. Fabrikalltag 9

2.4.4. Arbeitszeiten 10

2.4.5. Körperliche Auswirkungen 11

3. Wo arbeiteten Frauen noch? 12

3.1. Bergwerke 12

3.2. "Domestic service" (Hausangestellte) 13

4. Anhang 15

4.1. Anhang 1 15

4.2. Anhang 2 16

5. Literaturverzeichnis 17

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit wird die Frauenarbeit zur Zeit der Industriellen Revolution in England behandelt, wobei der Frauenarbeit in den Fabriken besondere Beachtung geschenkt wird.

Zunächst werde ich kurz die Ursachen darlegen, die überhaupt erst zu Fabriköffnungen geführt haben und die die Produktionsmethoden verändert haben, und dann erklären, warum die Menschen in die Fabriken gingen und warum Frauen dort überhaupt arbeiteten.

Dann werde ich mich mit der Frage beschäftigen, welche Frauen in den Fabriken tätig waren, also mit Alter, Familienstand und Ähnlichem.

Darauf werde ich auf die Bereiche eingehen, in den sie tätig waren und die Bedingungen beschreiben, unter denen sie arbeiteten. Am Ende werde ich noch auf andere Tätigkeitsbereiche außerhalb der Fabriken eingehen.

Bei der mir vorliegenden Literatur zu dem Thema "Frauenarbeit während der Industriellen Revolution in England" ist mir aufgefallen, daß sich vor allem englische Frauen mit diesem Thema intensiv beschäftigen und beschäftigt haben. Von Männer wird dies Thema häufig nur in allgemeinen Darstellungen kurz angeschnitten. Die Frauen scheinen also ein großes Interesse an der Vergangenheit ihrer weiblichen Vorfahren zu haben.

Besonders lebhafte und meiner Meinung auch sehr gute Darstellungen haben June Purvis ("Hard Lessons") und Bonnie G. Smith ("Changing Lives") geschrieben,auf die ich mich im Wesentlichen in meiner Arbeit stütze.

2.1. Ursachen

2.1.1. Agrarrevolution

Von Beginn des 18. Jahrhunderts an änderte die Industrielle Revolution die Produktionswege und die Geschwindigkeit, in der die Güter die Märkte erreichten. Der erste Schritt zur Industrialisierung war eine Veränderung in der Landwirtschaft.

Die Bauern produzierten nicht mehr nur für sich selbst Lebensmittel, sondern verkauften die Ware. So konnten Land- und Stadtbewohner diese konsumieren. Dadurch wurde es möglich, daß genug Lebensmittel auf dem Land produziert wurden, um eine industrielle Arbeiterschaft zu ernähren.

2.1.2. Kommerzielle Revolution

Innerhalb der Kommerziellen Revolution ergaben sich neue Märkte, neue Handelswege und neue Interessen der Konsumenten. Durch den Handelserfolg entstand Kapital, und das Interesse an industriellen Unternehmen stieg. So investierte man seinen Gewinn in den Aufbau erster Fabriken.

2.1.3. Technologische Entwicklung

Seit Beginn des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche technische Errungenschaften gemacht, die ihren Einsatz in den Fabriken fanden und eine Mechanisierung und eine Teilung der Arbeit bedeuteten, das heißt, was früher Menschen mit Körperkraft gemacht haben, führte nun eine Maschine aus, wobei jede Maschine eine ganz bestimmteAufgabe zu erfüllen hatte.Die Maschinen konnten von wenigen

Personen, meist einer bedient werden.

Dies hätte zur Folge haben können, daß mit Einführung der Maschinen die "sexual division of labour" beendet worden wäre, denn ab da übernahmen die Maschinen die früher körperlich schweren Arbeiten, doch dies war in den meisten Fabriken nicht der Fall. Die Frauen wurden an den kleineren Maschinen eingesetzt und wurden auch schlechter bezahlt. Doch darauf komme ich später noch genauer zu sprechen.

Die technischen Neuerungen hielten zuerst in der Textilproduktion Einzug. In den 1730er Jahren wurde das "flying shuttle" ('fliegendes Webschiffchen') erfunden, ein wenig später die "spinning jenny" (Spinnmaschine), die "mule jenny" (eine Verbesserung der ersten "jenny"), die "water frame" und die "steam engine" (die Dampfmaschine).

2.1.4.Warum waren gerade Frauen und Kinder in den Fabriken?

"They [sc. women and children] were adept with their fingers, more doctile than men in their response to discipline, and cheaper to employ; and manufactures were quick to see their advantages.", schreibt Briggs über Fabriken in der Baumwollindustrie. Man hatte also sehr schnell die Vorteile von Frauen- und Kinderarbeit erkannt: Man hielt sie für geschickter und für fügsamer, und sie wurden im Durchschnitt geringer entlohnt.

Insgesamt betrug der Anteil der Frauen und Kinder in den Fabriken zwei Drittel der Arbeiterschaft.

Außerdem war es für die Frauen anscheinend ganz selbstverständlich, in die Textilfabriken zu gehen, um für den Lebensunterhalt zu sorgen, weil sie auch schon früher in "cottage industry" (Heimindustrie) Textilien verarbeitet hatten:

"Continuing their association with textiles, women began working in factories and so did men. Many families could no longer survive on farm work combined with cottage industry." Es war also für viele Familien nicht mehr möglich, allein von der Landwirtschaft und Heimindustrie zu leben.

Aber junge, unverheiratete Mädchen arbeiteten meist auch gern in den Fabriken, weil sie dort "more life" fanden. Sie lebten zwar noch zuhause und mußten von ihrem Gehalt etwas abgeben, aber genossen auch, daß sie so teilweise den Aufgaben im elterlichen Haus entkommen konnten: "...far more women experienced the joy of at least a partial escape from their parents, and from chores of caring for youngerbrothers and sisters." Außerdem verdienten sie so ihr eigenes Geld, das sie entweder sparten oder für Kleidung und "amusement" ausgaben.

2.2. Welche Frauen arbeiteten in den Fabriken?

Die meisten Frauen, die in den Baumwollfabriken arbeiteten, waren jung und ledig. So waren nach einer Schätzung 1851 nur 26% der Arbeiterinnen verheiratet oder verwitwet, 1870 waren es dann 33,3% und ab 1890 fiel der Prozentanteil der arbeitenden Ehefrauen und Witwen wieder.

2.2.1. Ledige Frauen

Die Frauen Englands im 19. Jahrhundert begannen schon in jungen Jahren zu arbeiten,wennsienochunverheiratetwaren. Aber sie waren nicht wie junge, unverheiratete Männer in dem Sinne unabhängig, weil sie zu Hause auch noch Pflichten hatten, so mußten sie sich zu Beispiel um ihre Eltern oder Geschwister

kümmern. Sie arbeiteten in den traditionellen Berufen ("domestic service", "millinery") oder in den neuen Berufen (Schulwesen, Fabriken).

2.2.1.1. Löhne

Die ledigen Frauen, die in den Fabriken arbeiteten, waren meistens in den Baumwollfabriken tätig. Dort wurde die Arbeit relativ gut bezahlt, so erhielt eine 36- bis 41-jährige Frau 1834 in den Baumwollfabriken von Lanca einen

durchschnittlichen Wochenlohn von 9s 8d, wobei der Lohn vom Alter der Arbeiterin und von der Anzahl der Webstühle, die sie bediente, abhing. 1833 erhielt zum Beispiel eine 20-Jährige 13s bis 15s die Woche, eine 25-Jährige, die an zwei Webstühlen arbeitete, 8s bis 9s und eine 18-Jährige, die an vier Webstühlen arbeitete, 16s, wobei sie noch 3s an das Kind abgeben mußte, das ihr half. Am Ende des 19. Jahrhundert konnten Weberinnen, die vier Maschinen bedienten, sogar 25s pro Woche verdienen. Im Gegensatz zu den Frauen in den Baumwollfabriken wurden die Frauen in den Seidenfabriken jedoch schlecht bezahlt. In Macclesfield bekamen die Frauen zwischen 7s und 10s wöchentlich ausbezahlt, in Congleton 7s bis 10s, und in Halsead, Essex, sogar nur 5s. Zum Vergleich: 10s bedeuteten für eine Frau, "'in comfort'" zu leben und 14s "'very comfortably 'so thats hecould easily lay by a shilling or two everyweek'.".

2.2.2. Verheiratete Frauen

Viele Frauen hörten mit Beginn ihrer Ehe auf zu arbeiten, doch sie mußten später oft wieder in den Beruf einsteigen, wenn ihr Mann arbeitslos wurde oder verstarb. Insgesamt arbeiteten 33 bis 40% der verheirateten Frauen in den Fabriken, und sie hörten erst im 40. oder 50. Lebensjahr auf, wenn ihre Kinder alt genug waren, selbst zum Familieneinkommen beizusteuern. Doch die werktätigen Ehefrauen waren durch Kinder und Ehemann einer extremen Doppelbelastung ausgesetzt, so daß sie sich kaum spezializieren konnten und so die niedrigsten und schlecht bezahltesten Arbeiten in den Fabriken machten. Der Prozentsatz von verheirateten Frauen als gelernte Arbeiterinnen war also sehr gering. Viele Frauen verdienten Geld zum Familieneinkommen als Putzfrauen und Wäscherinnen hinzu, oder sie nahmen Pensionsgäste auf, während ihre Kinder noch klein waren.

Die Frauen, die in den Fabriken arbeiteten, waren häufig Ehefrauen von Gelegenheitsarbeitern oder von Männern in schlecht bezahlten Stellungen.

Viele Fabriken stellten auch ganzen Familien ein, wobei der Vater - wie zuhause - die Oberaufsicht hatte. Doch das war nur eine Übergangslösung. Die meisten Familien im 19. Jahrhundert tendierten zu einer Heimindustrie, in der dann die ganze Familie beschäftigt war.

2.2.3. Witwen

Wie vorhin schon dargestellt, verließen manche Frauen auch mit Beginn ihrer Ehe die Fabriken, doch wenn der Mann verstarb oder arbeitslos wurde, waren viele gezwungen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Dann wurden sie aufgrund mangelnder Qualifikation und des relativ hohen Alters sehr schlecht bezahlt und verrichteten nur die niederen Arbeiten.

2.3. In welchen Bereichen waren sie tätig?

Zur Auswertung dieser Frage liegen mir zwei Tabellen vor, die die Arbeitsbereiche der Frauen in England und Wales nach Schätzungen aus den Jahren 1851 und 1891 angeben.

Diese werde ich im Folgenden behandeln, wobei ich die Zahlen auf- bzw. abgerundet habe, um den Lesefluß nicht allzu sehr zu beeinträchtigen.

Als Erstes fällt auf, daß die Frauen keineswegs überwiegend in den Fabriken arbeiteten, sondern daß vielmehr der Großteil der Frauen im Dienstbotenwesen tätig war. Von den rund 1.58 Mio berufstätigen Frauen im Jahre 1851 waren 880.000 als Bedienstete tätig, 230.000 als Hutmacherinnen, 200.000 waren in den Baumwollmanufakturen beschäftigt, 130.000 als Wäscherinnen oder Manglerinnen, jeweils ca 70.000 arbeiteten in den Seidenmanufakturen oder als Lehrerinnen. Ungefähr 56% waren also im Dienstbotenwesen beschäftigt, 32% der Frauen dagegen nur in der Textilindustrie.

Im Jahre 1891 standen insgesamt 2.55 Mio in einem Arbeitsverhältnis, wobei 54% als Bedienstete tätig waren und 33% in der Textilindustrie. Dieses Verhältnis blieb also nahezu konstant.

Von 1891 bis 1911 stieg die Zahl der Frauen, die in den Manufakturen und im Transportwesen beschäftigt waren, um 40%, wohingegen die weibliche Bevölkerung nur um 24% anstieg.

Die zweite Tabelle von einer Schätzung von 1891 zeigt deutlich, daß in den 'typischen' Männerberufen auch überwiegend Männer tätig waren. Nur einige Beispiele: Von den Schuhmachern waren nur rund 15% Frauen, von 1000 Grubenarbeitern in den Kohlebergweken war nur jeder 6. Arbeiter eine Frau, bei den Schmieden war sogar nur jeder 4. Arbeiter von 1000 eine Frau. Aber es ist bemerkenswert, daß in den gelernten Berufen Frauen tätig waren.

2.4. Unter welchen Bedingungen arbeiteten sie?

2.4.1. Tätigkeiten

Nachdem jetzt dargestellt habe, wie die zahlenmäßige Verteilung der Frauen in den Berufen war, möchte ich im Folgenden kurz auf die Tätigkeiten der Frauen in der Textilindustrie eingehen, weil dort neben dem Dienstbotenwesen - wie zuvor dargestellt - der größte Teil der Frauen beschäftigt war.

Im 18. Jahrhundert wurde das Spinnen zum Beispiel noch in Männer- und Frauenarbeit getrennt: Die Frauen spannen die Wolle, und die Männer knüpften oder strickten sie. Doch mit der Mechanisierung änderte sich das, die Frauen und Kinder übernahmen die Web-, Strick- und Knüpfarbeiten durch die Maschinen. In Auffay waren 1851 Weberinnen dreimal häufiger als Weber zu finden. Doch die Mechanisierung der Textilindustrie brachte auch noch eine andere Entwicklung mit sich: Bei Baumwollenspinnen wurden die Frauen an den kleinen Maschinen, wie an der "jenny" eingesetzt, den Männern hingegen wurde die wesentlich effektivere "mule" anvertraut. Nebendereigentlichen Arbeitsteilung fand doch eine "sexual divison of labour" statt. Als in Coventry neue Webmaschinen eingeführt wurden, teilte man Männer und Frauen ganz bewußt. Die Männer durften an den neuen Maschinen arbeiteten undgaltenals"skilled", jedoch die Frauen mußten weiterhin an den alten Maschinen sitzen und galten somit als "unskilled". Als Begründung für den Einsatz der Männer an den besseren und lukrativen Maschinen nannte man "women's weaker physical capacity and inferior intellegence".

Diese unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen variierte zwar von Region zu Region, doch sie bestand überall. Sehr oft führten sie Arbeiten wie das Reinigen vonRohmaterialen aus.

Das Resultat dieser Trennung von ungelernter Frauenarbeit und gelernter Männerarbeit liegt auf der Hand: Unterschiedlich hohe Löhne.

2.4.2. Entlohnung

Wie schon erwähnt, waren den Frauen in den Fabriken die niedrigen Arbeiten zugeteiltworden. Der Durchschnitt der industriellen Arbeiterinnen bekam etwa zwei Fünftel von dem, was die Männer die den Fabriken ausgezahlt bekamen. Am wenigsten haben die verheirateten und älteren Frauen verdient: "...their work was considered as temporary or supplementary, a factor that contributed to a disparity between men's and women's wages." Ihre Arbeit galt also als eine befristete, provisorische Ergänzungstätigkeit für den Arbeitsvorgang an sich und auch für das Familieneinkommen. Und so sah man sich wohl nicht genötigt, den Frauen, die man (siehe oben) [Mann!] sowieso für schwächer und dümmer hielt, qualifizierte Arbeit zuzuteilen, und sie gleich oder sogar höher als die Männer zu entlohnen.

2.4.3. Fabrikalltag

Wie sah es in den Fabriken nun im Einzelnen aus? Die Industriellen hatten ein vorrangiges Ziel: Eine möglichst profitable Produktion. Um das zu erreichen, verlangten sie, daß ihre Arbeiter diszpliniert bis zu ihrem Äußersten arbeiteten.

"Any relaxation of discipline would lead to catastrophe" dachten die Industriellen. Doch gerade die Disziplin war für die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter ein Problem: Hatten sie doch früher auf dem Land gearbeitet, wo ihr Leben, ihre Arbeit und ihr Arbeitsrhythmus vom Wetter und von anderen Faktoren abhing. Doch nun wurde das alles von Maschinen und von der Uhr bestimmt.

So war man sehr streng mit den Arbeitern in den Fabriken. Die Arbeit begann in den frühen Morgenstunden, und schon eine Verspätung von wenigen Minuten bedeutete eine empfindliche Geldstrafe. Auch ein kurzes Gespräch während der Arbeit oder eine andere kurze Unterbrechung der Tätigkeit konnte mit dem Verlust eines Tages- oder sogar eines Wochenlohnes geahndet werden. Anzeichen von Trunkenheit wurden ebenfalls bestraft. Hatte es sich früher bei den Landarbeitern eingebürgert, den Montag nach den üblichen wochendlichen Saufgelagen 'blau' zu machen ("Saint Monday"), so behielten sie diese Gewohnheit bei.

Um die Disziplin und den Anstand zwischen den Fabrikarbeiterinnen und -arbeitern zu gewahren, wurden in katholischen Regionen Nonnen zur Überwachung eingestellt.

Bei der Arbeit in den Textilfabriken waren die Arbeitskräfte wegen der großen Wärme, die die Maschinen austrahlten, und wegen der hohen Feuchtigkeit, die zur Textilproduktion nötig war, nur sehr spärlich bekleidet.

Wie ich zuvor schon ausgeführt habe, wurden die Männer und Frauen an verschiedenen Maschinen von unterschiedlicher Effektivität eingesetzt, es existierte also eine "rule of sexual repression".

2.4.4. Arbeitszeiten

Die Frauen - und auch die Kinder - waren viele Stunden täglich in den lauten Fabrikenhallen an ihren komplizierten Maschinen tätig. Wenn ganze Familien in den Fabriken beschäftigt waren, arbeiteten die Kinder genauso lange wie ihre Eltern: 12 bis 14 Stunden. Doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Arbeitszeiten für Kinder und Frauen langsam gesenkt. 1844 wurde der Arbeitstag einer Frau durch ein Gesetz (1844 Act) auf 12 Stunden beschränkt. Außerdem wurde gleichzeitig die Nachtarbeit für sie untersagt.

Drei Jahre später wurde das "Ten Hour Bill" verabschiedet, aber da es nicht genau ausformuliert war, wurde es durch ein "relay system" (Ablöse-Verfahren an den Maschinen) von den Arbeitgebern umgangen.

1850 und 1853 wurde jedoch dann in zwei Gesetzen der Arbeitstag von Frauen und Kindern auf zehn Stunden endgültig beschränkt, doch auch hier boten sich Möglichkeiten, dies zu umgehen.

2.4.5. Körperliche Auswirkungen

Da - wie oben beschrieben - die Frauen in der Textilproduktion nur sehr wenig Kleidung trugen und in einer warm-feuchten Atmosphäre arbeiteten, waren sie auch sehr anfällig für Krankheiten. Gerade in den Wintermonaten, wenn sie so dünn bekleidet ihren Arbeitsplatz verließen und nach draußen in die Kälte gingen, erkälteten sie sich schnell. Sie konnten sich auch sehr leicht mit Krankheitserregern infizieren, weil sie in den Fabriken verunreinigtes Wasser tranken oder von Insekten beschmutzte Nahrung zu sich nahmen. Viele Frauen, die in den Fabriken arbeiteten, erkrankten auch an Tuberkulose, einer typischen Lungenkrankheit, häufig infolge von Überarbeitung. In den frühen 1850er Jahren starben daran in Oldham doppelt so viele Frauen wie im nationalen Durchschnitt.

Die Gruppe, die am stärksten betroffen war, waren die Frauen zwischen 25 und 43, also genau die, die altersmäßig auch am häufigsten in den Fabriken vertreten waren. Ein Achtel der Frauen starb in Oldham in dieser Alterklasse, und über ein Drittel arbeitete in den Fabriken. Als weitere Todesursachen werden Typhus, andere Lungenkrankheiten und Scrofula genannt.

Die Maschinisierung der Fabriken brachte ebenfalls ihre Gefahren mit sich. Häufig verletzten sich Frauen und Männer bei Unfällen an den Maschinen an ihren Gliedmaßen oder Fingern. Ganz besonders gefährlich war es für die Frauen, die direkt an den Maschinen arbeiteten, denn manchmal gerieten sie mit ihren Brüsten oder mit ihren langen Haaren in die Maschinen. Ergriff die Maschine erst mal die Haare, so konnte die ganze Kopfhaut aufgerissen werden. Ständiges Arbeiten an einer Nähmaschine hatte auch oft Skelettdeformierungen zur Folge, was spätere Schwangerschaften erschwerte.

Staub, der bei der Textilproduktion entstand, griff Haut und auch innere Organe an, und das schlechte Licht, unter dem oft gearbeitete wurde, verdarb die Augen und konnte bis zur Erblindung führen. Wäscherinnen litten auch unter vereiterter Haut und Krampfadern.

Insgesamt forderte die Fabrikarbeit den Arbeitern viel ab, die Arbeit war anstrengend und ein Gesundheitsrisiko. Sie wurden als "thin and spare, but not emaciated" beschrieben. Als Fabrikarbeiter mußte man aber nicht nur körperlich abgehärtet sein, sondern man mußte auch seine monotone Aufgabe ertragen, denn jeder hatte aufgrund der Arbeitsteilung immer ein und denselben Arbeitsvorgang zu verrichten. Zusammenfassend kann man sagen, daß das Wohl der Arbeiterinnen und Arbeiter zu dieser Zeit Nebensache war, "Productivity was the only priority". Erst später richtete sich die Aufmerksamkeit der Industriellen auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten.

3. Wo arbeiteten Frauen noch?

3.1. Bergwerke

Zum Abschluß der Arbeit werde ich noch kurz auf zwei andere Tätigkeitsbereiche der Frauen zur Zeit der Industriellen Revolution in England eingehen: Die Berkwerke und das sogenannte "domestic service" (Dienstbotenwesen).

Obwohl nur ein sehr geringer Anteil der Frauen in den Bergwerken arbeitete, ist die Tatsache, daß Frauen im 19. Jahrhundert eine so schwere Arbeit verrichteten, charakteristisch für dieses Zeit. Man verbindet mit dem industriellen England als erstes das Bild der Frauen und Kinder in den Gruben, und deshalb halte ich es für sinnvoll, dies kurz darzustellen.

In den englischen Kohleminen arbeiteten in den 1840er Jahren schätzungsweise 6000 Frauen. Nach der Schätzung von 1891 waren es ungefähr 3300 Frauen, was gegenüber rund 514.000 Männern einem Prozentanteil von nur 0,6% entspricht. Sie waren im Gegensatz zu den Baumwollfabriken also zahlenmäßig nur sehr gering vertreten. Aber es ist dennoch erstaunlich, daß sie dort - ebenso wie die Kinder - überhaupt tätig waren, denn die Arbeit dort war um einiges schwerer und schmutziger als in den Fabriken. Wie in den Baumwollfabriken, so waren auch in den Kohleminen zum Teil ganze Familien beschäftigt. Denn für den Transport der Kohle in den Schächten wurden kleine, dünne Arbeiter benötigt, und so engagierte man die Kinder und junge FrauenderArbeiter,diedieKohle auf kleinen Wagen oder in Körben vom Schacht bis zum Grubeneingang schleppten. Häufig waren auch Witwen von früheren Grubenarbeitern dort beschäftigt, die ansonsten keine Unterstützung erhielten. Sie trugen bei der Arbeit Hosen und dünne Bekleidung wegen der großen Hitze in den Gruben. Die Arbeitszeit betrug zwölf Stunden, und oft wurde auch in der Nacht gearbeitet.

3.2. "Domestic service" (Hausangestellte)

Wie zuvor schon dargestellt, arbeiteten die meisten (unverheirateten) Frauen in England im 19. Jahrhundert als Hausangestellte. Deshalb halte ich es für notwendig, auch auf diesen Berufszweig kurz einzugehen.

Als es zu Beginn des 19. Jahrhundert immer populärer wurde, Bedienstete anzustellen, gingen viele Frauen vom Land in die Stadt, um dort ihr Geld zu verdienen. Zum Teil wurden die jungen Frauen auch von ihren Vätern in die Stadt geschickt. Dort waren die Mädchen zwar als Dienerinnen tätig, doch sie verdienten vergleichsweise gut, wohnten im Hause ihrer Herrschaften, wurden versorgt und waren in Sicherheit. So 1861 arbeitete in London jede dritte Frau zwischen 15 und 24 Jahren als Hausmädchen.

Doch die Arbeit war auch hart für die Bediensteten. Häufig waren sie 'Mädchen für alles', das heißt sie waren für alles im gesamten Haus zuständig: Feuermachen, Schuhe putzen, die Zimmer lüften und aufräumen, abwaschen, Essen kochen, Wäsche waschen, u.s.w. Die knapp bemessene Freizeit wurde meistens von ihren Arbeitgebern überwacht. Es gibt auch Fälle, in denen die Angestellte mit Schlägen von den Arbeitgebern traktiert wurden. Waren mehrere Bedienstete in einem Haushalt tätig, so existierte eine Hierachie: Die Haushälterin, die Kammerzofe und die Köchin wurden am höchsten bezahlt.

4. Anhang

4.1. Anhang 1

Die häufigsten Berufe von Frauen in England und Wales, 1851 und 1891:

Bezeichnung

1851

1891

Bezeichnung

Hausangestellte

882.699

1.386.167

Hausangestellte

Hutmacherin

234.340

415.961

Hutmacherin, Damen-Schneiderin

Baumwollmanufaktur

194.910

332.784

Baumwolle, Baumwollgüter, Manufaktur

Waschen, Reinigen, Mangeln

133.476

185.246

Bade- und Waschdienst

Seidenmanufaktur

68.342

   

Unterrichten

66.909

144.393

Lehrerin, Professorin

   

89.244

Schneiderinnen

4.2. Anhang 2

Einige Berufe von Frauen und Männern in England und Wales, 1891:

Beruf

Frauen

Männer

Schuhmacher

46.141

248.789

Arbeiter, Landwirtschaft, Knecht/Magd

24.150

709.283

Bänker

17.859

247.299

Grubenarbeiter/Kohle

3.267

513.843

allg. Arbeiter

1.947

594.128

Schmied

500

139.524

Seemann, Kaufmannsdienst, Lotse

389

107.445

Tischler, Schreiner

348

220.661

Abbruchunternehmer, Händler, Schädlingsbekämpfer

152

2.082

Maurer

66

130.380

Wildhüter

3

130.380

5. Literaturverzeichnis

 

Briggs, Asa: The Age of Improvement 1783-1867; London 91970.

Checkland, S. G.: The Rise of Industrial Society in England: 1815-1885; London 51971.

Forster, John: Class Struggle and the Industrial Revolution: Early industrial capitalism in three English towns; London 1974.

Hudson, Pat and Lee, W.R. (ed.): Women's work and the family economy in historical perspective; Manchester 1990.

Paulinyi, Akos: Industrielle Revolution: Vom Ursprung der modernen Technik; Hamburg 1989.

Purvis, June: Hard Lessons: The Lives and Education of Working-class Women in Ninetheeth-century England; Oxford 1989.

Quadagno, Jill S.: Aging in Early Industrial Society: Work, Family, and Social Policy in Nineteeth-Century England; New York 31984.

Smith, Bonnie G.: Changing Lives: Women in European History, Since 1700; Lexington, Massachusetts and Toronto 1989.

Stearns, Peter N.: Working-class Women in Britain, 1890-1914; in: Workers in the Industrial Revolution: Recent Studies of Labor in the United States and Europe; ed. by Peter N. Stearns and Daniel J. Walkowitz; New Brunswick, New Jersey 1974.