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1. Einleitung 3

2. Irritationen 3

3. Diskurs 4

3.1. Grundlagen 4

3.2. Elemente des Diskurses 5

3.3. Ordnung des Diskurses 7

3.4. Reglementierung des Diskurses 8

3.4.1. Ausschließung 8

3.4.2. Interne Prozeduren 9

3.4.3. Verknappung der sprechenden Subjekte 10

4. Diskursanalyse 10

4.1. Voraussetzungen der Diskursanalyse 10

4.2. Methodische Grundsätze 11

4.2.1. Umkehrung 11

4.2.2. Diskontinuität 11

4.2.3. Spezifizität 12

4.2.4. Äußerlichkeit 12

4.3. Vier Ebenen der Diskursanalyse 12

4.3.1. Interne Organisation 13

4.3.2. Institutionelle Verstrickung 13

4.3.3. Eigenschaften des Subjektes 13

4.3.4. Transformation des Diskurses 13

5. Diskursanalyse und Volkskunde 14

5.1. Diskursanalyse als Wissenschaftsgeschichte 14

5.1.1. Wissenschaftspraxis 15

5.1.2. Kontinuitäten und Diskontinuitäten 15

5.1.3. Synchronie und Chronologie 15

5.1.4. Schrift und Textualität 16

5.2. Diskursanalyse als Kulturwissenschaft 16

6. Seitenblick: Diskursanalyse in der Sozialgeschichte 17

7. Kritik 18

8. Zusammenfassung 19

9. Literatur 21

1. Einleitung

Sieben Jahre nach dem Tod Michel Foucaults erschien 1991 erstmalig ein Beitrag, in dem sich ein Volkskundler mit der Diskurs-Theorie des französischen Philosophen Foucault auseinandersetzte. Mit seinem Aufsatz »Über die Kulturanalyse des Diskurses - eine Erkundung« in der Zeitschrift für Volkskunde versucht Andreas Hartmann, das Konzept des »Diskurses« in seiner Bedeutung für die Kulturwissenschaften zu klären und Perspektiven für volkskundliche Forschung aufzuzeigen.

Diese Arbeit nimmt die Anregungen von Hartmanns Aufsatz auf, löst sich aber in ihrem argumentativen Aufbau von ihm. Zunächst sollen die Konzepte des Diskurses und der Diskursanalyse sowie die damit verbundenen Begriffe unter Zuhilfenahme diskurstheoretischer Literatur erläutert werden. Erst anschließend soll ihre Bedeutung für die Volkskunde diskutiert werden.

2. Irritationen

Michel Foucault verweist in seinem Werk »Die Ordnung der Dinge« auf Jorge Luis Borges, der eine »gewisse chinesische Enzyclopädie« zitiert. In dieser heißt es, daß

die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen.

Diese Art, in der völlig verschiedene Rubriken miteinander verknüpft werden, verwirrt die Vertrautheiten unseres Denkens. Was uns hier kaum denkbar erscheint, stellt unsere Ordnungscodes in Frage und führt zu einer Reflexion über die Ordnungen. Sie kann zu einem Ausgangspunkt werden, über das nachzudenken, was wir später als Diskurse definieren werden.

Es soll aber bereits hier darauf hingewiesen werden, daß bei diesen Überlegungen stets die Gefahr neuer Irritationen gegeben ist. Die Konzepte der einzelnen Autoren weichen oft in Nuancen voneinander ab. Begriffe werden oft sogar vom selben Autor in verschiedenen Bedeutungen verwendet. Bei aller Systematik ist die Hoffnung trügerisch, das vielschichtige Gebiet der Diskurse mit scharfen Begriffen klar erfassen zu können.

Gerade deshalb soll in dieser Arbeit versucht werden, die Konzepte und Begriffe vor weiteren Überlegungen so präzise wiederzugeben, wie es innerhalb dieses Rahmens möglich ist.

3. Diskurs

»Diskurse«, darauf sei hier ausdrücklich hingewiesen, unterscheiden sich deutlich von der Verwendung des »Diskurs«-Begriffes (im Singular!) bei Jürgen Habermas, der im »herrschaftsfreien Diskurs« eine »ideale Sprechsituation« beschreibt. Vielmehr steht der Gebrauch des Begriffs bei Foucault der Bedeutung der Alltagsverwendung von »discours« nahe als »ein Gespräch oder eine Rede von einer gewissen (unbestimmten) Ausdehnung, die nicht schon vorab durch eine zu rigide Intention in seiner Entfaltung und spontanen Entwicklung gehemmt sind«.

3.1. Grundlagen

Michael Titzmann definiert einen Diskurs als ein »System des Denkens und Argumentierens«, unabhängig vom Texttyp. In Texten aller Art, literarischen wie wissenschaftlichen, schriftlichen wie mündlichen, können sich Diskurse manifestieren.

Ein Diskurs wird definiert durch einen gemeinsamen »Redegegenstand«. Was ein solcher Gegenstand ist, hängt von der jeweiligen kulturellen Kategorisierung ab. Über einen Gegenstand können unabhängige Diskurse geführt werden, wenn dieser autonom thematisiert wird. Wird dieser Gegenstand aber nur innerhalb anderer, thematisch verwandter Diskurse betrieben, so spricht Titzmann von abhängigen Diskursen.

Weiterhin definieren sich Diskurse über die »Regularien der Rede über diesen Gegenstand«. Dabei unterscheidet Titzmann zwischen »Formationsregeln«, die formale Regeln und inhaltliche Annahmen umfassen, und »Formulierungsregeln«, in die Sprachformen und Bildsysteme eingehen. Die Terminologie gehört beiden an: Sie gibt mit Kategorisierungen der Realität eine logische Struktur vor und regelt andererseits deren sprachliche Umsetzung.

Schließlich konstituieren sich Diskurse über die »Relationen zu anderen Diskursen«. Einer »Diskursgruppe« gehören verschiedene Diskurse an, die sich mit dem gleichen Redegegenstand beschäftigen. Dagegen bilden Diskurse, die bei verschiedenen Redegegenständen die Basisprämissen teilen, einen »Diskurstyp«.

Zentral für die Beobachtung des Diskurses sind so weniger deren Inhalte als vielmehr deren Organisationsformen und Strukturen. Realität erschließt sich menschlichem Denken nur innerhalb von Diskursen, so daß Inhalte nur abhängig von den Diskursen denkbar sind.

Bisher sollte deutlich geworden sein, daß die Analyse von Diskursen versucht, Strukturen aufzudecken. Diese gehören der von Labrousse so bezeichneten »dritten Ebene« an, die im Unterschied zu »Ökonomie« und »Gesellschaft« Aspekte der »Kultur« im weiteren Sinn umfaßt.

Um den Begriff »Diskurs« genauer zu klären, scheint es angebracht, sich zunächst mit den Elementen des Diskurses zu befassen.

3.2. Elemente des Diskurses

Auf der Suche nach den Elementen des Diskurses stoßen wir auf die Wurzeln der Diskurstheorie in der strukturalistischen Mythentheorie des französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss und der Diskurslinguistik des Literaturwissenschaftlers Roland Barthes.

In Übernahme des Theorems der Artikulation von Saussure stößt Lévi-Strauss auf die Differenz zwischen der inneren Form der Sprache (»langue«) und ihrer Ereignishaftigkeit (»parole«). Der Mythos nun fällt unter beide Begriffe: als sprachliches Gebilde unter die formale Struktur der langue und als Sprechereignis unter die parole. Ist die langue als Struktur von Zeichen rekursiv organisiert, d.h. die Werte und deren Beziehungen sind umkehr- und austauschbar, so sind bei der parole die Zeichen linear organisiert, mit einer festen Zeitstelle versehen und in eine feste Reihenfolge gefügt. Der »discours« als neue Ebene über langue und parole habe als kleinste Elemente nun nicht mehr Einzelzeichen sondern konstituiere sich aus Sätzen.

Roland Barthes verweist in seiner Diskurslinguistik darauf, daß der Satz mehr ist als die Summe seiner einzelnen Elemente. Auch eine Aussage ist nicht nur eine Abfolge von Sätzen sondern selbst ein neuer Satz, der nur in seinem inneren Zusammenhang sinnvoll ist. Ein Diskurs ist für Barthes daher ein großer Satz, dessen Elemente nach einer bestimmten Grammatik organisiert sind.

Auch Foucault verweist auf die Spannung von Struktur und Ereignis: Die Aussage (»énoncé«) steht zwischen der beliebigen Wiederholbarkeit der sprachlichen Regeln (»langue«) und der Einmaligkeit des Sprechereignisses einer Äußerung (»énonciation«). Ein und dieselbe Aussage kann in verschiedenen Äußerungen zum Ausdruck gebracht werden. Andererseits können nach den Regeln der Sprache formulierte Sätze (»phrases«) in verschiedenen Situationen für verschiedenen énoncés stehen.

Das selbe Problem kommt in der Frage der Performanzen zum Ausdruck. Stellt eine »Performanz« eine beliebige Zeichenmenge dar, die auf der Grundlage des jeweiligen Sprach- oder Ausdruckssystems hervorgebracht wurde (vgl. phrases), so wird erst durch die jeweiligen Rahmenbedingungen der »Existenzmodalität« aus der Zeichenmenge eine Aussage. Diese Strukturbedingungen des Diskurses gilt es aufzudecken.

Für Foucault formieren sich die Aussagen als Diskurselemente zu »Epistemen«, in die er die Bedingungen und Strukturen ihrer Entstehung eingegraben sieht. Diese Eingrabungen sind empirisch zugänglich für eine »archäologische Untersuchung«.

Inzwischen sind wir längst auf die Frage gestoßen, wie sich Diskurse organisieren, nach welchen Regeln die Elemente miteinander verknüpft werden.

3.3. Ordnung des Diskurses

Bei der Untersuchung der Relationen zwischen Elementen kehren wir wieder zurück zur Mythentheorie Lévi-Strauss'. Er unterscheidet zwischen Elementen verschiedener Ebenen (etwa Phoneme, Wörter, Sätze). Beziehungen zwischen Elementen der selben Ebene nennt er in Anlehnung an den Sprachwissenschaftler Beneviste »distributional«, die Relationen zwischen Elementen unterschiedlicher Ebenen »integrativ«. Die Analyse der Element-Beziehungen habe die Relationen in beiden Dimensionen einzubeziehen.

Die Aspekte der Zeitlichkeit und Rahmenbedingungen werden noch deutlicher bei Barthes. Er schlägt vor, die horizontalen Verkettungen des Erzählverlaufes eines Textes mit der vertikalen, logischen Struktur zu verbinden, die stets die Gesamtheit des Textes im Auge behält und aus ihr den Sinn des Textes erschließt.

Foucault verläßt die Ebene des einzelnen Textes und ordnet die Elemente in eine übergeordnete Ebene eines Diskurses im Sinne einer »symbolischen Ordnung, die allen unter ihrer Geltung sozialisierten Subjekten das Miteinander-Sprechen und Miteinander-Handeln erlaubt«. Er betont die historische und kulturelle Relativität dieser Diskurse, die als Entstehungs-Bedingungen für die Episteme empirisch faßbar werden.

Für die Transformationen der Diskurse betont Foucault eine Diskontinuität. Einerseits besteht eine Diskontinuität zwischen verschiedenen, historisch nacheinander liegenden Diskursen, so daß in der Transformation von Diskursen kein zielgerichteter Prozeß gesehen werden kann. Andererseits lassen sich auch gleichzeitig existierende Diskurse nicht einer gemeinsamen Formationsregel unterordnen. Damit leugnet Foucault die Existenz eines homogenen »Zeitgeistes«. Statt dessen sieht er eine Reihe von Einzelereignissen, die nicht auf einander reduzierbar sind und daher den Gebrauch von gemeinsamen Allgemeinbegriffen unmöglich machen.

Trotzdem sucht Foucault vertikale Vernetzungen der diskontinuierlichen Diskursreihen. Diese findet er in einem Gesamt-Diskurs, der ein Ensemble der Subdiskurse darstellt. Diese finden eine Ordnung nicht in einem gemeinsamen Generationstyp (der ja Kontinuitäten voraussetzen müßte), sondern vertikal in gemeinsamen Kontext-Regeln. So bilden etwa Institutionen oder Gebrauchsfelder der énoncés Bedingungen für die Ordnung des Diskurses. Trotz aller Diskontinuitäten und Sinnvielfalt postuliert Foucault mit dem Begriff des »Archivs« eine Einheit in der Gesamtheit der diskursiven Regelmäßigkeiten. Dem Archiv entspricht in etwa der Begriff des Gesamt-Diskurses.

Trotzt dieser Einheit des Archivs wäre eine Analyse der singulären, unbeherrschbaren Diskurse kaum möglich, würde Foucault nicht im »Willen zur Macht« eine Grundlage für eine strenge Strukturierung des Diskurses finden. Restriktions- und Ausschlußsysteme verwalten und kontrollieren den Diskurs, um ein Entfesselung der Subdiskurse zu verhindern. Dabei ist die Dynamik der Machtausübung den Diskursen immanent, sie wird nicht von den Akteuren der Diskurse als autonome Subjekte ausgeübt.

3.4. Reglementierung des Diskurses

Wurde bisher deutlich, daß Diskurse Kommunikation und Wissen überhaupt erst ermöglichen, so untersucht Foucault demgegenüber das restriktive System der Diskurs-Reglementierung, die Kommunikation und Wissen einschränkt und sogar verbietet. Ziel dieser Prozeduren ist die Bändigung der Gefahren des Diskurses, der unkontrollierbaren Wucherung der Subdiskurse. Foucault kritisiert jene aber gleichzeitig in aufklärerischer Absicht als Vergewaltigung der Subjekte.

3.4.1. Ausschließung

Die erste Gruppe der Reglementierungs-Prozeduren beschreibt Foucault als »Ausschließung«. Eine Form der Ausschließung ist das »Verbot«. Dieses regelt die generelle Tabuisierung von Gegenständen. Ebenso ist es nicht erlaubt, bei jeder Gelegenheit beliebige Gegenstände anzusprechen. Schließlich ist es nicht jedem Subjekt gestattet, über alle Gegenstände zu sprechen.

Als zweite Ausschließung nennt Foucault die »Grenzziehung zwischen Vernunft und Wahnsinn«. Das Wort des Wahnsinnigen gilt entweder überhaupt nichts, oder es enthüllt als »listige Vernunft« eine besondere Wahrheit. Jedenfalls bleiben die Diskurse der Wahnsinnigen sorgfältig von denen der Vernünftigen getrennt.

Ein drittes Ausschließungssysten trennt zwischen »Wahrem und Falschem«. Erscheint dem redenden Subjekt diese Grenze unwillkürlich und unveränderbar, so hat sie ihren Ursprung in einer Ritualisierung der Aussage, die sich zunächst auf den Akt der wahren Aussage bezog. War nach Foucault in der frühen Antike der Begriff der Wahrheit mit dem ritualisierten Aussageakt verbunden, so verschob sich unter Platon die Wahrheit auf den Inhalt der Aussage. Der »Wille zur Wahrheit« wird zu einem Ausschließungsmittel, das Zwang auf andere Diskurse ausübt und die diskursiven Grundlagen verschleiert.

Alle drei Ausschlußsysteme werden institutionell abgesichert durch Systeme der Praktiken, der Bücher oder gelehrter Gesellschaften und Laboratorien.

3.4.2. Interne Prozeduren

Weiterhin werden Diskurse durch »interne Prozeduren« kontrolliert. Als erstes dieser Anordnungssystem nennt Foucault den »Kommentar«. Ein »Prinzip der Abstufung« regelt die immer neue Wiederholung, Auslegung und Kommentierung von Primärtexten, die selbst längst verschwunden oder ebenfalls Kommentare sein können. Als Aktualisierung eines bereits vorhandenen Diskurses ermöglicht er stets neue Diskurse. Sekundärtexte stellen identische Wiederholungen dar, durch den Primärtext sind bereits die Interpretationsmöglichkeiten festgelegt. Dem Zufall des Diskurses wird die Identität der Wiederholung entgegengesetzt.

Ein weiteres System ist die Gruppierung von Diskursen um den »Autor«. Dieser bildet als Ursprung ihrer Bedeutung den Zusammenhalt der Diskurse. Das Prinzip des Autors bietet Gewähr für eine Einheit der verschiedenen Texte. Es verleiht ihnen sein persönliches Profil. So stellt sich hier dem diskursiven Zufall die Identität des Individuums entgegen.

Schließlich werden Diskurses durch die Organisation der »Disziplinen« reglementiert. Diese bilden ein anonymes System von Regeln für die Konstruktion von Aussagen. Komplexe Erfordernisse regeln, auf welche Gegenstandsebene sich Aussagen beziehen müssen, welche begrifflichen oder technischen Instrumente Verwendung finden und welcher theoretische Horizont beachtet werden muß, damit Aussagen einer Disziplin angehören. Sie bilden damit Grenzen zu anderen Disziplinen. Die permanente Reaktualisierung dieser Regeln bildet eine weitere Identität gegen den Zufall des Diskurses.

3.4.3. Verknappung der sprechenden Subjekte

Schließlich werden Diskurse verwaltet, indem der Zugang von Individuen zu Diskursen verhindert wird. Ein Mittel dazu ist das »Ritual«, das Qualifikationen, Gesten und Verhaltensweisen der Diskursteilnehmer festlegt. Es regelt, welche Eigenschaften ein sprechendes Subjekt erfüllen muß und welche Rollen ihm zur Verfügung stehen.

Diese Rituale regeln den Zugang zu »Diskursgesellschaften«. Diese bilden einen geschlossenen Raum, innerhalb dessen Diskurse aufbewahrt und neue produziert werden. Nach außen hin treiben sie ein zweideutiges Spiel der Verbreitung und Geheimhaltung.

Weiterhin werden durch »Doktrinen« Subjekte eingeschränkt. Diese stellen die sprechenden Subjekte unter die gemeinsame Verbindlichkeit eines einzigen Diskursensembles. Das sprechende Subjekt hat seine Aussagen diesem Ensemble zu unterwerfen, und gleichzeitig sind Diskurse nur innerhalb der von der Gruppe der Subjekte akzeptierten Verbindlichkeit gestattet.

Schließlich regelt die »gesellschaftliche Aneignung« der Diskurse den Zugang zu Diskursen. Jede Erziehung folgt den Grenzziehungen einer Gesellschaft und deren Diskursen, ob sie diese nun aufrechterhalten oder verändern will.

Diese genannten Reglementierungen der Diskurse bilden die Grundlage für eine Diskursanalyse. Indem sie auf der Grundlage vom Streben nach Macht und Unterwerfung eine vertikale Ordnung schaffen, können die Zufälle und Diskontinuitäten der Diskurse so weit strukturiert werden, um sie einer Analyse zu öffnen.

4. Diskursanalyse

Foucault entwickelte eine Methode, um durch die Diskursanalyse die Strukturen des Diskurses, aus dem Willen zur Macht durch Kontrollmechanismen als vertikale Ordnung grundgelegt, aufzudecken.

4.1. Voraussetzungen der Diskursanalyse

Dabei sind für ihn drei Vorraussetzungen erforderlich, die sich aus seinem Diskursbegriff ergeben und die unserer abendländischen Denktradition zuwider laufen. Erstens ist der »Wille zur Wahrheit« in Frage zu stellen. Der Begriff der Wahrheit wurde zuvor selbst als Kontrollinstrument des Diskurses erkannt.

Zweitens muß dem Diskurs sein Ereignischarakter zurückgegeben werden. Bereits der Begriff der Aussage wies auf die Stellung des Diskurses zwischen Ordnung und Ereignis hin. Die Ereignishaftigkeit wurde durch die Wirkung der Regelementierungsprozesse in der Praxis des Diskurses erst recht deutlich.

Schließlich muß die Souveränität der Signifikanten aufgehoben werden. Der Aussagebegriff verwies auf die Kontextgebundenheit der Zeichen, und die symbolische Ordnung mußte als kulturabhängige Rahmenbedingung von Diskursen erkannt werden.

4.2. Methodische Grundsätze

Auf der Grundlage dessen, was bisher über den Diskurs gesagt werden konnte, entwickelt Foucault vier methodische Grundsätze, die auf entsprechende Begriffe verweisen.

4.2.1. Umkehrung

Erster Grundsatz ist das Prinzip der »Umkehrung«. Wie gezeigt wurde, bricht das Konzept des Diskurses mit traditionellen abendländischen Vorstellungen über Wahrheit, Kontinuität etc. Foucault fordert als Grundbedingung, diese Vorstellungen zu verwerfen und ihnen ihre negativen Aspekte der Reglementierung und Verknappung entgegen zu stellen.

Mit diesem Prinzip verbindet er den Begriff des »Ereignisses«. Dieser Begriff wurde bereits eingeführt, um die Spannung der Aussage zwischen zeitloser Regelhaftigkeit und linearer Ereignishaftigkeit zu beschreiben. Er verweist auf die zeitliche Gebundenheit und Einmaligkeit der Diskurse.

4.2.2. Diskontinuität

Zweites Prinzip ist das der »Diskontinuität«. Auch dieser Begriff ist uns aus der Beschreibung des Diskursbegriffes bekannt. Die Existenz eines durchgehenden, unterschwelligen Diskurses wird von Foucault verneint, an seine Stelle werden »Serien« von Sub-Diskursen gestellt, die sich manchmal überschneiden und manchmal ignorieren.

4.2.3. Spezifizität

Ein weiteres Prinzip nennt Foucault die »Spezifizität«. Damit beschreibt er die Tatsache, daß die Realität nicht nach einer Ordnung strukturiert ist, die die Wissenschaft entziffert. Statt dessen werden Strukturen durch den Diskurs an die Realität herangetragen. Die »Regelhaftigkeit« der Diskurse ist für Foucault daher eine Gewalt, »die wir den Dingen antun«.

Durch diesen Akt der Aufzwingung findet der Diskurs seine Regelhaftigkeit.

4.2.4. Äußerlichkeit

Letztes Grundprinzip ist das der »Äußerlichkeit«. Der Diskurs wird für die Analyse nicht von einem inneren Kern her erschlossen. Vielmehr werden von seiner empirischen Erscheinung aus die jeweiligen »Möglichkeitsbedingungen« als strukturierender Rahmen erschlossen.

Das Prinzip der Umkehrung ist als Kritik zu verstehen. Die Ausschließungsfunktionen des Diskurses werden aufgedeckt, um sie als Beeinträchtigungen zu kritisieren.

Die anderen drei Prinzipien Diskontinuität, Spezifizität und Äußerlichkeit sollen als »Genealogie« die tatsächliche Entstehung von Diskursen beschreiben. Es soll dargestellt werden, wie sich im Wechselspiel mit den Ausschließungsfunktionen Diskursserien überhaupt bilden können.

Beide Richtungen der Analyse, Kritik und Genealogie, sollen sich ergänzen und abwechseln, um in Knappheit und Affirmation die Bedingungen der Diskurse aufzudecken.

4.3. Vier Ebenen der Diskursanalyse

Hartmann beschreibt eine andere Schichtung der Diskursanalyse. Diese löst sich teilweise von Foucaults Methodologie ab, verweist vielmehr auf ein verändertes Forschungsprogramm.

4.3.1. Interne Organisation

Auf der ersten Ebene liegt die interne Organisation. In Anlehnung an Barthes' Diskurslinguistik sollen Elemente isoliert werden, um dann vertikale und horizontale Strukturen aufzudecken. Dabei sollen auch Aussagetypen gebildet und in ihrer Verknüpfung gezeigt werden.

4.3.2. Institutionelle Verstrickung

Die zweite Ebene betrifft die institutionelle Verstrickung der Diskurse. In dieser manifestieren sich eine Vielzahl der von Foucault aufgezeigten Ausschließungsmechanismen. Hier zeigen sich vor allem die Möglichkeitsbedingungen der Diskurse, die auf ihre Äußerlichkeit zielen.

4.3.3. Eigenschaften des Subjektes

Weiterhin sollen Eigenschaften des Subjektes geklärt werden. Die sozialen Bedingungen und Positionen werden aufgezeigt. Hartmann verweist hier auf den von dem französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu geprägten Begriff des kulturellen Kapitals. Hier wird die Diskursanalyse Foucaults durch manifeste, empirisch faßbare soziologische und kulturwissenschaftliche Kategorien verändert.

4.3.4. Transformation des Diskurses

Schließlich wird mit der Transformation des Diskurses seine Geschichtlichkeit thematisiert. Hartmann hatte bereits vorher in Anlehnung an den Annales-Historiker Georges Duby darauf verwiesen, daß synchrone Strukturen stets für chronologische Fixpunkte überprüft werden müssen, die als horizontale Querschnitte zu verstehen sind.

Hartmann sieht in der Kulturanalyse des Diskurses eine zweifache Arbeit: Zunächst die Auflösung der Diskurse in ihre einzelnen Elemente und anschließend die Aufdeckung der den Diskurs konstituierenden Relationen dieser Elemente. In diesen Relationen würden sich außer den diskursiven auch soziale und kommunikative Gestaltungsmuster aktualisieren. Wegen der Ausübung der Diskurse durch Subjekte, die sich den Reglementierungen des Diskurses unterwerfen und seine Macht ausüben, seien Ziel der Analyse weniger die Texte als vielmehr ihre Verfasser.

5. Diskursanalyse und Volkskunde

Nachdem im vorausgehenden versucht wurde, den Begriff des Diskurses und die Methodologie der Diskursanalyse zu klären, soll nun in engerer Anbindung an Hartmann dargestellt werden, wie sich diese Konzepte für die kulturwissenschaftliche Forschung nutzen lassen.

Hartmann verweist einerseits auf den volkskundlichen Fachdiskurs, andererseits auf Diskurse, die außerhalb der Disziplin stehen als Untersuchungsobjekte. Für beide ist aber letztlich das Ziel, sie in die jeweiligen vertikalen Ordnungsstrukturen, also die Ensembles von Subdiskursen, einzuordnen. Diese Ensembles sind als Denk- und Argumentationssystem soziokulturelle Phänomene und daher ein Problemfeld kulturwissenschaftlicher Forschung.

Ziel der Forschung ist es, die Strukturen und Relationen der Diskurse aufzudecken. Auf einer horizontalen Achse ordnet Hartmann die Verknüpfungsregeln im Sinne einer Diskurs-Grammatik und auf einer vertikalen die Redegegenstände und Begriffe an. Er warnt vor einer Formalisierung der Diskursanalyse, da die Organisation der Diskurse selbst vom Wandel ergriffen sei. Dabei verweist er auf den Begriff der »Differenz«.

5.1. Diskursanalyse als Wissenschaftsgeschichte

In einer neuen Konzeption der Wissenschaftsgeschichte sei das traditionelle Bild einer teleologischen Deutung der Wissenschaften zu verwerfen. Die wissenschaftlichen Diskurse müßten als strukturell und praxisgebunden in die jeweiligen historischen und kulturellen Kontexte eingeordnet werden, ohne daß dabei auf eine kontinuierliche Wissensvermehrung abgezielt werden könne.

Hartmann verweist insbesondere auf die Unmöglichkeit, die Ansätze und Begriffssysteme verschiedener Autoren als Vorläufer und Nachfolger in einen als kontinuierlich oder gar identische postulierten Zusammenhang zu stellen. Es sei nicht eine »logische Zeit der Wahrheitsbeziehungen«, sondern eine »geschichtliche Zeit der Wahrheitsfindung« zu entwickeln. Hier trifft sich Hartmann mit der Foucaultschen Forderung nach Aufhebung der Souveränität der Signifikanten.

5.1.1. Wissenschaftspraxis

Eine strukturelle Analyse der Diskurse schließe auch die realen Personen als Subjekte ein. In deren Ringen um Positionen, Karrieren und Macht seien sie eng an die Wissenschaftspraxis gebunden. Die sozialen Kämpfe, die zwischen den Subjekten ausgetragen werden, seien nur mittelbar als Symbolsystem in ihren Produkten wieder zu finden.

Die Erörterungszusammenhänge als interne und externe Regularien seien in der Diskursanalyse in einer diskursiven Matrix darzustellen. Diese wiederum sei bedingt durch eine soziokulturelle Matrix.

5.1.2. Kontinuitäten und Diskontinuitäten

Hartmann fordert außerdem, sich von einer kontinuierlichen Wissenschaftskonzeption zu verabschieden. Historische Diskurse dürften nicht einer lineare Projektion eigener Wertungen und Wahrheiten unterworfen werden. Vielmehr müßten die Elemente der Diskurse in einem engen Zusammenhang mit allen anderen Diskurselementen gesehen werde. Die Veränderung eines Elementes treffe stets die Bedeutungslage aller anderen Elemente. Insbesondere die konnotativen Systeme seinen als kontextgebunden zu betrachten. Diese Sicht hebe die Diskontinuitäten der Wissenschaftsgeschichte hervor. Dabei sieht Hartmann die Diskontinuitäten meines Erachtens nicht so scharf wie Foucault in seiner Konzeption isolierter Subdiskurse.

5.1.3. Synchronie und Chronologie

Es wurde bereits auf Hartmanns Methode verwiesen, in Anlehnung an Georges Duby synchrone Querschnitte in eine Reihe chronologischer Fixpunkte einzuordnen. Er entwickelt eine eigene zeitliche Logik der Diskurse mit eigenen Zeitrhythmen in Abgrenzung zur Zeitordnung der Chronologie. Diese »Diskurszeit« berücksichtigt die historische Eigendynamik und Diskontinuität der Diskurse. Als mögliche Kategorien einer derartigen Diskurszeit benennt Hartmann Rekurs, Zitat, Kommentar und Vergleich.

5.1.4. Schrift und Textualität

Für die Diskurse ist das Medium Schrift von zentraler Bedeutung. Als Technik für den Umgang mit Wissen stellt sie eine wesentliche Möglichkeitsbedingung dar. Die aus ihr abgeleiteten Formen ihrer Organisation wie die in Archiven, Bibliotheken, aber auch bereits die aus der Organisation von Quellen sich ergebenden vorausgeschalteten Klassifikationen der Wahrnehmung strukturieren den Diskurs.

5.2. Diskursanalyse als Kulturwissenschaft

Hartmanns Hinweis darauf, die sozialen Vermittlung von Bedeutungssystemen zu untersuchen, ist sicherlich eine sehr wertvolle Anregung. Bereits Foucaults eigene Arbeiten, wie beispielsweise über die Ausgrenzung des Wahnsinns und der Kriminalität hatten derartige Prozesse eingeschlossen. Meines Erachtens verweisen insbesondere Foucaults Studien über die Veränderung der Sexualität durch den neuzeitlichen Diskurs über dieselbe auf die soziale Vermittlung, die zu einem Problemfeld der Kulturanalyse werden könnte.

Darüber hinaus verweist er zwar auf die Analyse von Diskursen außerhalb der Disziplin Volkskunde, bietet aber keine Beispiele oder Anregungen, wie und auf welchen Gebieten dies möglich wäre. Zweifellos ergeben sich methodische Parallelen zur Analyse der Wissenschaftsgeschichte, wie ja auch eine Gemeinsamkeit bezüglich der Forderung nach einer Einbindung in übergeordnete Diskursensembles besteht. Da aber diesbezüglich bei Hartmann keine Perspektiven aufgezeigt werden, sei an dieser Stelle ein Seitenblick auf die Nachbardisziplin Sozialgeschichte erlaubt, die in jüngerer Zeit verstärkt kulturelle Aspekte aufnimmt.

6. Seitenblick: Diskursanalyse in der Sozialgeschichte

Peter Schöttler verweist darauf, daß die Wurzeln der Diskursanalyse in großer Nähe zur sozialgeschichtlichen Sprachanalyse der Annales-Schule stehen. So stellte der französische Historiker Algirdas Greimas 1958 fest, bevor ihm der Begriff einer Diskursanalyse noch zur Verfügung stand:

Die in strukturierten Ensembles - »Vokabularien« - organisierten Wörter definieren sich wechselseitig und bilden einen objektiven und zwangsläufigen Plan der Sprache, in dem der Historiker Mentalitätsstrukturen und Modelle der kollektiven Sensibilitäten entdecken kann [...].

In Frankreich wurden nach der Entwicklung einer diskursanalytischen Methodik bereits Ende der 1960er Jahre Arbeiten zur Sprache der Französischen Revolution erstellt, die Mentalitätsunterschiede zwischen den sozialen Gruppen ermittelten. Unter Verwendung von Alltagstexten wurden Häufigkeitsauszählungen und Bedeutungsfelder für Schlüsselbegrifffe erstellt.

War die angelsächsische Geschichtsschreibung in der Aufnahme diskursanalytischer Ansätze zögerlich, so stießen diese in Deutschland auf besonders große Vorbehalte. Mentalitätsgeschichte überhaupt wurde lange Zeit grundsätzlich abgelehnt, und strukturalistische Ansätze wurden als angeblich subjektfeindlich als Angriff auf die Geschichte abgewehrt.

Am ehesten noch in Randgebieten der Geschichte wie der Rechtsgeschichte oder der Medizingeschichte wurde Foucault rezipiert. Provokationen an die traditionelle Geschichtswissenschaft wurden weitestgehend ignoriert, selbst durch die innovative strukturelle Sozialgeschichte einer historischen Sozialwissenschaft.

Studien in Deutschland suchten in Sprachanalysen mit Kollektivsymbolen in Texten verschiedenster Art nach interdiskursiven Elementen, die gemeinsam in verschiedenen Spezialdiskursen auftreten. Eine politische Sprachwissenschaft untersucht die Alltagssprache im Nationalsozialismus. Neuere Untersuchungen beziehen außerdem dekonstruktivistische Ansätze heran.

Aber auch von Historikern, die der Diskursanalyse aufgeschlossen gegenüberstehen und ihre Anregungen aufgreifen, werden Vorbehalte geäußert. So wehrt sich Detlev J.K. Peuckert grundsätzlich gegen globalisiernde Theorien, die durch das empirische Quellenmaterial kaum gestützt werden können, wie er am Beispiel des Konzeptes der Sozialdisziplinierung zeigt. Er warnt vor einem hermeneutischen Zirkel, dem aus einem positiven Erbe des Historismus heraus die relativieren Bedeutung historischer Einzelfälle entgegengestellt werden könne, und plädiert für eine »poststrukturalistische Dekomposition«.

Demgegenüber warnt Peter Schöttler davor, daß die Aufnahme diskursanalytischer Ansätze nur zu einer »Ersatzterminologie« führen könne, unter deren Deckmantel sich die traditionelle Form der Ideengeschichte am Leben erhalten würde. Die Krise des politischen Strukturalismus in Frankreich führe dazu, zur Betonung von Subjektivität und Freiheit zurückzukehren. Er sieht gerade im aktuellen Paradigmenwechsel eine Gefahr zur Preisgabe der diskurstheoretischen Einsichten.

7. Kritik

Hartmann greift in seinem Aufsatz wesentliche Aspekte der Diskursanalyse Foucaults und anderer Vertreter wie Lévi-Strauss und Barthes auf. Dabei verzichtet er darauf, diese theoretischen Konzepte zunächst gründlich vorzustellen, was gerade angesichts der vieldeutigen Verwendung von Begriffen selbst innerhalb der Konzeptionen sicher wichtig gewesen wäre. Abgrenzungen gegenüber diesen Theoretikern werden so nur schwer nachvollziehbar. Es hätte der Verständlichkeit seines Textes auch sicherlich gut getan, diesem eine entsprechend klare Gliederung zu geben. Auch wenn seine vielen Beispiele innerhalb der volkskundlichen Disziplin die Lesbarkeit verbessern, so erschwert eine Vielzahl von Sprüngen die Entwicklung einer klaren Linie.

Hartmann verweist stets auf eine soziokulturelle Grundlage der Diskurse. Auch wenn für mich die Frage offen bleibt, in wie weit diese Aspekte bereits in Foucaults Konzept einfließen, so stellen diese Hinweise sicherlich wichtige Anregungen für die empirische Umsetzung der Theorie dar. Somit bewahrt diese Grundlage möglicherweise vor der befürchteten Gefahr eines hermetisch abgeschotteten hermeneutischen Zirkels.

Es ist bedauerlich, daß Hartmann lediglich für eine Wissenschaftsgeschichte Forschungsperspektiven aufzeigt. Wie die neuere Sozialgeschichte und Foucaults eigene Forschungen zeigen, ist die von Hartmann anvisierte »Kulturanalyse des Diskurses« auf vielen Problemfeldern möglich und bereits in Ansätzen durchgeführt, wobei die Möglichkeiten sicherlich noch längst nicht ausgeschöpft sind.

Foucaults Konzept reicht meines Erachtens weiter, als es von Hartmann und auch den sozialhistorischen Kommentatoren beachtet wird. Die Anerkennung seiner Thesen müßte zwangsläufig bedeuten, die eigenen Wahrheitsrituale und Ausschlußmechanismen in Frage zu stellen - und nicht nur ein neues Problemfeld zu gewinnen. Die Diskursanalyse dürfe sich nicht erneut dem Willen zur Wahrheit und dem Spiel der Signifikanten unterwerfen. Dann ergibt sich die Frage, wie historische und empirische Wissenschaft überhaupt noch möglich sei.

Freilich gelingt es nicht einmal Foucault selbst, sich aus dieser Schwierigkeit zu befreien: Wie den Diskurs analysieren und in Frage stellen, wenn nicht selbst wiederum als Teilnehmer eines Diskurses?

Man muß Foucault nicht in diesen Widerspruch folgen, doch sollte Hartmann auf keinen Fall versäumen, in dieser Frage Klarheit zu schaffen und sich ausdrücklich abzugrenzen.

8. Zusammenfassung

In dieser Arbeit konnte dargestellt werden, daß der Begriff des Diskurses, wie ihn Foucault und andere Theoretiker entwickelt haben, mit den traditionellen Vorstellungen von Wissenschaft, Wahrheit und Kontinuität bricht. Reglementierungsmechanismen, erwachsen aus einem eigendynamischen, den Diskursen immanenten Willen zur Macht, strukturieren die isolierten Subdiskurse. Sie sind Gewähr dafür, daß die Diskurse nicht entfesselt und damit nicht zu bewältigen werden.

Es wurde gezeigt, daß die Diskursanalyse darum bemüht ist, die vertikalen Strukturen als Entstehungsbedingungen von Diskursen aufzudecken. Die Kritik zeigt die negativen Seiten des Diskurses auf, die Genealogie zeigt die positiven Entwicklungen von Diskursen. Im Archiv werden die Ensembles von Subdiskursen einer Zeit verbunden.

Anregungen für eine Kulturanalyse des Diskurses wurden in einer Wissenschaftsgeschichte gefunden, vor allem aber wurden Diskurse und ihre Entstehung als grundsätzliches Problemfeld der Volkskunde entdeckt. In einem Seitenblick auf die Sozialgeschichte wurden beispielhaft historische Sprachanalysen vorgestellt, aber auch Vorbehalte gegen die Diskursanalyse formuliert.

Offen bleiben mußte die Frage nach den Konsequenzen der Ergebnisse der Diskurstheorie für das Fach Volkskunde nicht nur bezüglich eines Forschungsfeldes, sondern in erkenntnistheoretischem Aspekt für das Selbstverständnis einer wissenschaftlichen Disziplin. Hartmanns »Erkundung« kann möglicherweise als Versuch gesehen werden, zwischen der Theorie und den Anforderungen einer empirischen Wissenschaft zu vermitteln.

9. Literatur

Barthes, Roland, Einführung in die strukturale Analyse von Erzählungen, in: Ders., Das semiologische Abenteuer, Frankfurt 1988, S.102-143.

Bourdieu, Pierre, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt 1987.

Brede, Rüdiger, Aussage und Discours. Untersuchungen zur Discours-Theorie bei Michel Foucault (Europäische Hochschulschriften XX 173), Frankfurt/Bern/New York 1985.

Foucault, Michel, Archäologie des Wissens, Frankfurt 1981.

Ders., Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit Bd.1, Frankfurt 1983.

Ders., Die Ordnung der Dinge, Frankfurt 1974.

Ders., Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt 1991.

Ders., Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt 1977.

Ders., Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt 1973.

Frank, Manfred, Was ist Neostrukturalismus? Frankfurt 1984.

Ders., Zum Diskursbegriff bei Foucault, in: Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, hg. von Jürgen Fohrmann und Harro Müller, Frankfurt 1988, S.25-44.

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