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Lehramt Gymnasium

Fächerverbindung: Germanistik / Geschichte

 

 

Es erben sich Gesetz und Rechte

wie eine ew’ge Krankheit fort.

Mephisto

 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

 

 

1. Einleitung

 

S. 08

 

2. Hauptteil

 

2.1. Der Begriff der "Politischen Justiz"

S. 12

2.2. Die personelle Seite der Rechtsprechung

 

2.2.1. Der Umbruch vom Kaiserreich zur Republik

S. 16

2.2.2. Die Herkunft der Weimarer Richter

S. 20

2.2.3. Die Einstellung der Richter zur Weimarer Republik

S. 25

2.2.3.1. Die konservative Gruppe

S. 26

2.2.3.2. Die republikanische Gruppe

S. 32

2.2.3.3. Die Demokratisierung der Beamtenschaft

S. 37

2.2.4. Die zeitgenössische Justizkritik

S. 41

2.3. Die institutionelle Seite der Rechtsprechung

 

2.3.1. Die spezifischen Strafgesetze in politischen Prozessen

S. 47

2.3.2. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik

S. 54

2.4. Die Haltung der Parteien zur Weimarer Justiz

 

2.4.1. Die justizpolitischen Grundhaltungen

S. 65

2.4.2. Justizreform und Amnestiegesetzgebung

S. 70

2.5. Politische Prozesse in der Einzelbetrachtung

S. 76

2.6. Der Anteil der Justiz am Scheitern der Weimarer Republik

S. 85

 

3. Fazit

 

S. 92

 

4. Literaturverzeichnis

 

 

Vorwort

 

 

"Politische Justiz in der Weimarer Republik". Ein rechtsgeschichtliches Thema im Rahmen einer Zulassungsarbeit für das Lehramt an Gymnasien bearbeitet! Justiz und Politik - hier tut sich eine auf dem ersten Blick unzulässige Verknüpfung auf. Es stellt sich daher zweifellos die Frage, warum ich mir dies selbst zum Gegenstand ausgewählt habe.

Im Sommer des Jahres 1991 fiel mir ein Zeitungsartikel ins Auge. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Prozeß erneut das Urteil vom November 1931 gegen den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky bestätigt. Der Ansatz nach dem eigentlichen Prozeß gegen Carl von Ossietzky stellte sich als historisch interessant dar. Ein Aufsatz in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Die Weltbühne" mit der Überschrift "Windiges aus der deutschen Luftfahrt" hatte zu seiner Verurteilung geführt. Die darin geübte Kritik an der rechtswidrigen, gegen die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags verstoßenden, geheimen Aufrüstung der Reichswehr, brachten ihm ein Jahr und sechs Monate Gefängnis ein. Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte er die Haft allerdings nie wieder verlassen. Am 4. Mai 1938 starb der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1935 in Gestapo-Haft.

Ein oberstes bundesdeutsches Gericht hatte also ein Unrechtsurteil bestätigt. Die Gründe, welche hierzu führten, sind mir - trotz eines genauen Studiums der veröffentlichten Begründung - bis heute nicht klar!

Ein Unrechtsurteil von Weimarer Richtern gefällt, von Richtern im ersten demokratischen System Deutschlands. Bei weiterer Betrachtung wurde klar, daß es sich hier nicht um einen Einzelfall handelte. Mit der Frage nach den Ursachen solchen richterlichen Handelns war bereits der Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit gefunden.

Unerwartete Aktualität erhielt die Fragestellung nach "Politischer Justiz" im Juli 1994. Am Mannheimer Landgericht hatte der Vorsitzende Richter Rainer Orlet, Urteil gesprochen gegen den NPD-Rechtsextremisten Günter Deckert. Ein Jahr Gefängnis auf Bewährung schienen dem Gericht Bestrafung genug für eine Verächtlichmachung der Opfer des Holocaust. In der Urteilsbegründung bescheinigte der bundesdeutsche Richter dem Angeklagten, dieser habe nur die "Widerstandskräfte im deutschen Volk gegen die aus dem Holocaust abgeleiteten jüdischen Ansprüche" stärken wollen. Deckert sei weiterhin ein "unbescholtener Familienvater" und eine "verantwortungsbewußte Persönlichkeit mit klaren Grundsätzen". Vergleicht man diese Aussagen mit der Begründung des Urteils gegen Adolf Hitler, im Rahmen des Hitlerputsches 1923, so zeigt sich eine verhängnisvolle Parallelität.

Weltweite Empörung war die Folge dieses Ereignisses. Das Mannheimer Urteil bildet einen schlimmen Rückschlag für die deutsche Justiz, auch wenn eine generalisierte Aussage fehl am Platze scheint. Deutlich wurde, daß auch heute noch an deutschen Gerichten unbelehrbare Juristen tätig sind. Sie verharmlosen rechte Demagogen, zeigen Verständnis für Antisemiten und Ausländerfeinde - und stärken damit die rechtsextremen, neonazistischen Kreise.

Zum Abschluß möchte ich all meinen Freunden Dank sagen. Für ihr Verständnis, für ihr geduldiges und stets offenes Ohr, das sie in der Zeit des Schreibens dieser Arbeit für mich aufgebracht haben. Danken aber auch für die Ablenkung, welche sie mir - zumeist bei zahlreichen Tassen Kaffee und endlos vielen Zigaretten - dabei boten.

Danken möchte ich zum Schluß mir selbst. Meiner erlernten und anerzogenen Disziplin und Strenge, die mich in Zeiten schwindender Motivation schließlich doch immer wieder an den Computer führte!

 

 

 

1. Einleitung

 

Die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft werden oft noch immer als ein isoliert behandelbarer Zeitabschnitt der deutschen Geschichte betrachtet. Bei solch einer verengten Blickrichtung bleibt aber zwangsläufig die Kontinuität historischer Entwicklungen auf der Strecke. Die Kausalitätsreihen, welche zum Scheitern der Weimarer Demokratie führen, sind hingegen mannigfaltig. Als Teil des politischen Systems hat auch die Rechtsprechung hierzu beigetragen. Das Thema dieser Arbeit soll daher die Politische Justiz der Weimarer Republik 1919 bis 1927 sein. Die Grenzen der Betrachtung wurden dabei nach zwei Gesichtspunkten gewählt. 1919 bildet die Ausgangsbasis, da im Vorfeld der Weimarer Reichsverfassung und nach deren in Kraft treten, die Rolle der Richter neu definiert wurde. Das Jahr 1927 bildet keineswegs den generellen Abschluß von politischer Justiz in Weimar. Der Beginn des Jahres 1927 aber mit der Auflösung des Sondergerichts für derartige Strafdelikte doch eine gewisse Zäsur in der politischen Rechtsprechung.

Insbesondere die politische Justiz war in den zwanziger Jahren mehr Schwachstelle als Aktivposten der Weimarer Republik. Im Umgang mit politischen Vergehen machte sie sich einer verhängnisvollen Einseitigkeit schuldig. Ihre Anti-Linksstellung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Weimar. Zu gleicher Zeit verharmlosten die Richter jedoch die Gefahr, welche der Republik von rechts drohte.

Trotzdem findet sich in den Geschichtsbüchern der Weimarer Republik zur politischen Justiz allenfalls eine Randbemerkung oder eine Fußnote. Dies kann auch kaum verwundern. Die erste deutsche Republik war schließlich während ihrer gesamten Dauer von zahlreichen Krisen verschiedenster Art bedrängt. Ob Wirtschafts- oder Währungskrise, ob Krise des Parlamentarismus oder einer Regierung, Reparationsfrage und Revision von Versailles - irgendeine Krise herrschte immer und meistens mehrere zugleich.

Die politische Kriminalität spiegelt in den zwanziger Jahren die politische Zerrissenheit der Weimarer Demokratie und deren Unzulänglichkeit in der Selbstverteidigung wider. Putsch- und Umsturzversuche, sowie in ihrem Gefolge eine Welle politischer Morde und Attentate kennzeichneten die ersten unruhigen Jahre der Republik. Hohe Anforderungen wurden hierdurch an die Justiz gestellt, da man bei der Aburteilung der Täter aufgerufen war, dem neuen Staat mit Hilfe des Strafrechts Schutz zu gewähren. Der Alltag der Weimarer Richterschaft war sicherlich nicht von derartigen Verbrechen bestimmt. Die Zahl von relativ kleinen politischen Beleidigungsverfahren, mit denen sich einfache Amtsrichter zu beschäftigen hatten, darf aber nicht unterschätzt werden. Beachtet man diese neben der Flut der großen politischen Prozesse mit ihrem öffentlichen Echo, so wird man dann jedoch nicht umhin kommen, die politische Justiz durchaus zum Alltag der Justiz und ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu zählen.

Weimar hatte sich der Gefahr des doppelten politischen Extremismus zu erwehren. Viele Repräsentanten ihrer verschiedensten Institutionen beobachteten die linke Szene mit Argusaugen, während sie gegenüber den kriminellen Aktivitäten des rechten politischen Spektrums beide Augen zudrückten. Gefordert wurde die Demokratie von links, zerstört wurde sie letztlich von rechts.

Auch die Weimarer Justiz war und wurde in diesen Kampf involviert. Man instrumentalisierte die Justiz für politische Zwecke und betrieb in und durch ihr Politik.

Diese Instrumentalisierung der Justiz zu politischen Zwecken ist in der historischen Kontinuität deutscher Geschichte kein neues Faktum. Auch im Bismarckreich war man nicht zimperlich beim Aufbau politischer Feindbilder und beim Abschieben der Gegner in den Untergrund. Politische Strafjustiz sicherte die Position und den Handlungsspielraum der politisch Mächtigen ab, denn das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 unterdrückte die deutsche Arbeiterbewegung. In einem Katalog von Verbotsnormen und Sanktionsandrohungen stempelte man die Sozialdemokraten zu Staatsfeinden und Staatsverbrechern ab. Diese von Bismarck über Jahrzehnte durchgehaltene Position war der Freibrief für eine auf die Zähmung des politischen Gegners abzielende politische Justiz. Im Vorfeld hierzu repräsentiert der Hochverratsprozeß gegen August Bebel und Wilhelm Liebknecht das erste große Beispiel politischer Justiz im Deutschen Kaiserreich. Nach 1878 beschränkte sich die Rolle der Gerichte darauf, die Sozialistengesetze beflissentlich umzusetzen. So blieb es auch unter der Herrschaft Kaiser Wilhelm II. selbstverständlich, Sozialdemokraten zu verfolgen. Hieran änderte 1914 selbst die Proklamierung des Burgfriedens nichts. Allerdings wandte sich die politische Justiz nun von den Mehrheitssozialdemokraten ab und richtete ihr Augenmerk auf den linken Rand des politischen Spektrums. Die Antimilitaristen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden 1914 bzw. 1916 wegen Landesverrat verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt. Die von beiden geäußerte Kritik am Verhalten der Mehrheitssozialdemokraten wurde ebenfalls zu ihren Ungunsten ausgelegt. Der Staat, der die Sozialdemokraten über Jahrzehnte hinweg verfolgt hatte, schützte nun also den neu gewonnenen Bündnispartner. Polemik gegen die Sozialdemokratie rückte während des ersten Weltkrieges plötzlich in die Nähe von Staatsverbrechen. Die letzten politischen Prozesse des Kaiserreichs waren damit nur das Wetterleuchten am Horizont der Weimarer Republik.

In den vierzehn Jahren ihrer Tätigkeit erregten die Weimarer Richter mehr Aufsehen als in der gesamten vorherigen, mehr als vierhundertjährigen deutschen Rechtsgeschichte der Neuzeit. Gleichwohl beschäftigte man sich in der Geschichtsforschung des letzten Jahrzehnts aber überwiegend mit der Rolle der Justiz unter nationalsozialistischer Herrschaft. Daß die grausamen Terrorrichter aber fast ausschließlich bereits in der Weimarer Republik amtiert hatten, schoben die Forscher beiseite. Eine Geschichte der Weimarer Justiz ist noch nicht geschrieben. Die Zahl der Autoren, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, ist dennoch beträchtlich. Der Schwerpunkt der Veröffentlichungen liegt dabei auf dem - für die vorliegende Arbeit bedeutenden - Gebiet der politischen Justiz.

Als bis zum heutigen Tage nicht überholt anzusehen ist das Werk "Politische Justiz 1918 - 1933" der Eheleute Heinrich und Elisabeth Hannover. 1966 erstmals erschienen, legten sie nach eigenem Bekunden den ersten Versuch eines Gesamtüberblicks der Weimarer Justiz vor. Anhand von konkreten Gerichtsverfahren stellen die beiden Autoren Gegebenheiten und Entwicklungslinien der Weimarer Rechtsprechung dar. Das von ihnen - in seiner Fülle noch immer herausragende - Prozeßmaterial harrt bis heute einer weiterführenden, analysierenden Betrachtung.

Von gleich hoher Bedeutung sind zwei Aufsätze neueren Datums. Zum einen "Justiz und Politik in der Weimarer Republik" von Gotthard Jasper aus dem Jahre 1982, zum anderen "Rechtspolitik und Rechtsprechung" von Theo Rasehorn 1987 verfaßt. In beiden vorliegenden Schriften wird versucht, die politische Justiz hinsichtlich ihres Schuldanteils am Scheitern der Republik zu untersuchen. Ohne mit dem vorliegenden Fakten der Eheleute Hannover in Konflikt zu geraten, ergeben sich dabei, ausgehend vom neueren Stand der Forschung, doch Unterschiede hinsichtlich der Bewertung der politischen Justiz in ihrer Wirksamkeit.

Grundlegend für die vorliegende Untersuchung waren darüber hinaus die 1955 erstmalig und 1978 erneut erschienene Studie von Karl-Dietrich Bracher "Die Auflösung der Weimarer Republik"; sowie das von Otto Kirchheimer 1961 geschriebene und 1981 neu herausgegebene Werk "Politische Justiz".

In jüngerer Zeit beschäftigten sich die Autoren hingegen nicht mehr mit Überblickswerken zur Justiz, sondern wandten ihren Blick auf Einzelprobleme der Forschung:

Die Aufzählung kann keineswegs erschöpfend sein. An dieser Stelle seien damit jedoch die wichtigsten Werke genannt, welche für eine Abrundung der Betrachtung der politischen Justiz in Weimar unerläßlich sind.

Wie bereits erwähnt, strebte die Forschung der letzten Jahre vor allem der Justiz des Dritten Reiches zu. Daher sind auch heute noch Defizite in der Literatur vorhanden. So fehlt neben einer neueren Beschreibung der Geschichte der Weimarer Justiz, zum Beispiel eine Soziologie der Weimarer Republik. Der politische Standort der Weimarer Richterschaft läßt sich damit nur schwer bestimmen und letztlich nicht exakt belegen.

In der Literatur fällt weiter auf, daß bezüglich des vorliegenden Prozeß- und Faktenmaterials kein wissenschaftlicher Streit besteht. Die wenigen auftretenden Unterschiede sind subsidiär. Eine echte Auseinandersetzung besteht lediglich in der Fragestellung des Anteils der Weimarer Justiz am Scheitern der Republik. Von unterschiedlichen Positionen aus gelangen die Autoren zu differierenden Bewertungen.

Zu Beginn einer Untersuchung der Politischen Justiz der Weimarer Republik 1919 bis 1927, muß eine Begriffsdefinition selbst stehen. Es soll versucht werden Politische Justiz im Kern ihres Wesens zu erfassen. Erst im Anschluß hieran kann man sich den verschiedenen Faktoren der Rechtsprechung zuwenden.

Die Bedeutung und die Stellung der politischen Justiz in der Weimarer Republik ist nur zu verstehen vor dem politischen Hintergrund und aus den Voraussetzungen dieses Staatswesens, seiner gesellschaftlichen und seiner geistigen Umstände. Unter diesen Elementen kommt ohne Zweifel der personellen Seite der Rechtsprechung ein wesentlicher Anteil zu. Dabei soll zunächst der Umbruch vom Kaiserreich zur Republik betrachtet werden, denn der Sturz der Monarchie bedeutete einen grundsätzlichen Wandel des politischen Systems. Die gesellschaftliche Herkunft der Richter und ihre spezifische Ausbildung wird gesondert geklärt. Nur so läßt sich die konkrete Einstellung der Richterschaft zur Republik erklären. Abschließend wird die sich auf die Richter konzentrierende, zeitgenössische Justizkritik dargestellt werden.

Justiz ohne Gesetze ist nicht möglich. Zweifelsohne beeinflussen Gesetze jedoch direkt die Justiz. Diese institutionelle Seite der Rechtsprechung wird daher nachfolgend analysiert. Zuerst erfolgt eine generelle Betrachtung der Gesetzeslage und deren besondere Verknüpfung mit politischen Prozessen. In der weiteren Folge wird das für derartige Delikte zuständige oberste Gericht, der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, in einem Gliederungspunkt veranschaulicht.

Angrenzend hieran wird die generelle justizpolitische Haltung der Parteien herausgearbeitet und deren spezifische Einstellung zur politischen Justiz erörtert.

Zur Veranschaulichung des Dargebotenen sollen nachträglich einzelne politische Prozesse betrachtet werden. Trotz der Einbindung zahlreicher Urteile und Verfahrensweisen in die Gesamtdarstellung erscheint dies als notwendig. Dem Leser wird so an einigen herausragenden Verfahren nochmals die Realität der Weimarer Rechtsprechung vor Augen geführt.

Die Darstellung der wissenschaftlichen Streitfrage, des Anteils der Justiz am Scheitern der Weimarer Republik, bildet den Abschluß der Darstellung, ehe eine eigene Bewertung erfolgt.

 

2. Hauptteil

 

2.1. Der Begriff der "Politischen Justiz"

 

Der Begriff der "Politischen Justiz" ist von vornherein negativ besetzt. In ihm kommt eine nach dem Prinzip der Gewaltenteilung, unzulässige Überschneidung von Exekutive bzw. Legislative und der Jurisdiktion zum Ausdruck.

Betrachtet man jedoch den Terminus genauer, so bietet die Frage nach einer Unterscheidung zwischen echter und politisch motivierter Kriminalität den Versuch einer ersten Annäherung. In beiden Fällen wird zunächst gegen die, in den Gesetzesnormen zum Ausdruck kommende, legitimierte öffentliche Ordnung verstoßen. Der objektive Deliktstatbestand einer Straftat ist hiermit zunächst erfüllt. Im Bereich des subjektiven Deliktstatbestands, d.h. von Vorsatz und Fahrlässigkeit, zeigen sich hingegen Unterschiede. Eine im Kern gegen Bestand und Verfassung des Staates gerichtete Kriminalität, hat ohne Zweifel einen anderen Motivationshintergrund als die Verletzung von Rechtsgütern des Einzelnen. Im ‘politischen Prozeß’ steht somit nicht so sehr die Verwerflichkeit der Straftat an sich im Vordergrund, als vielmehr das zur Tat hinführende und letztlich ausschlaggebende Tatmotiv. Für die Unterscheidung des politischen von anderen Arten gesellschaftlichen Handelns gibt es jedoch keine allgemeingültigen Kriterien. Nennt man im allgemeinen das politisch, wovon man annimmt, daß es in besonders engem Zusammenhang mit den Interessen des organisierten Gemeinwesens steht, könnten unzählige politische Geschehnisse zur öffentlichen Rechtssphäre gezählt werden. Nach Ansicht eines Angeklagten würde damit in solch einem Verfahren seine politische Gesinnung verurteilt.

Einer so gearteten Basisdefinition zufolge gäbe es nicht nur eine politisch motivierte, sondern auch eine politisch definierte Kriminalität. Im jeweils herrschenden Rechtssystem müßten demnach auch konkrete Strafrechtsnormen für solche Delikte vorhanden sein. Betrachtet man aber das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, so wird deutlich, daß politische Straftatbestände explizit nicht genannt werden.

Der Begriff der politischen Kriminalität gewinnt erst dann an Trennschärfe, wenn man auf die Verletzung von Strafrechtsnormen achtet, welche sich der Staat zu seinem eigenen Schutz gegeben hat. "Im Begriff des Majestätsverbrechens (crimen laesae majestatis) hat der des Staatsverbrechens seinen Vorläufer". In republikanischen Staatssystemen wurde die Person des Staatsoberhaupts durch den ‘Staat’ an sich ersetzt und zum schützenswerten Rechtsgut erklärt. Da die geltende Staatsform durch eine bestimmte ideologische oder parteipolitisch definierte Interessengruppe geschaffen wurde und getragen wird, impliziert eine gegen politische Angriffe geforderte Verteidigung dieser Verfassung durch die Justiz, eine ideologisch wie parteipolitisch festlegbare Stellungnahme. Im weitesten Sinne also eine "Politische Justiz".

Aufgrund ihrer Doppelfunktion, sowohl als unmittelbares Staatsorgan wie auch ausführendes Organ der Verwaltung, nimmt die Rechtsprechung als dritte Gewalt in solchen Verfahren fast zwangsläufig eine unklare Zwischenstellung ein. Von den jeweiligen Angeklagten und Gegnern wurde die Justiz in solchen Fällen deshalb regelmäßig von linker wie rechter Seite mit heftiger, polemischer Kritik überzogen. Je nach dem politischen Standpunkt des Betrachters sah man die rechtsprechenden Organe als parteiisch an.

Heinrich und Elisabeth Hannover nähern sich der ‘Politischen Justiz’ von anderer Seite. Sie verstehen diese in einem sehr weiten Sinn und beziehen alles ein, "was den Zusammenhang zwischen der Justiz und der Politik verdeutlichen kann". Wegen der dargelegten Doppelfunktion der Justiz führt jene Deutung allerdings zu weit. Die Justiz und damit die Rechtsprechung beinhaltet als Teil der öffentlichen oder staatlichen Verwaltung immer ein politisches Moment.

Ernst Otto Kirchheimer strukturiert die von ihm gefundene Basisdefinition hingegen wesentlich genauer.

Von ‘Politischer Justiz’ kann man nach seiner Ansicht sprechen, wenn die Justiz von einem Regime, einer Gruppe oder einer Einzelperson dazu in Anspruch genommen wird, um einen politischen Gegner auszuschalten oder in der öffentlichen Meinung herabzusetzen: "Sowohl die Staatsgewalt als auch einzelne Gruppierungen von Staatsbürgern haben sich in der Neuzeit immer wieder, welches Rechtssystem auch gelten mochte, darum bemüht, die Unterstützung der Gerichte zu mobilisieren, um das politische Machtgleichgewicht zu konsolidieren oder verschieben. Verkleidet oder unverkleidet werden politische Fragen in den Gerichtssaal gebracht; sie müssen aufgenommen und auf der Waage des Rechts gewogen werden, mögen die Richter auch noch so sehnlich wünschen, solchen Komplexen aus dem Wege zu gehen. Politische Prozesse sind unausweichlich".

Der Begriff der ‘Politischen Justiz’ wird damit in einen neutralen Zusammenhang gestellt. Ideologische Positionen bleiben außen vor. Allerdings beschränkt sich Kirchheimer nicht nur auf das durchaus weite Spektrum gegen den Staat gerichteter Angriffe, sondern bezieht das ebenso breite Feld staatlich induzierter Kriminalisierung des politischen Gegners in seine Definition mit ein. Gerade dies scheint von eminenter Bedeutung, da in der deutschen Geschichte nicht nur Verbrechen gegen den Staat begegnen, sondern in mindestens gleicher Zahl Verbrechen des Staates. Um zu einer nüchternen und ausgewogenen Bilanzierung zu gelangen, gilt es deshalb beide Seiten politischer Justiz zu betrachten.

Im Fortlaufe seiner Untersuchung entwickelt Ernst Otto Kirchheimer eine dreifache Untergliederung von politischen Prozessen:

" 1. der politische Prozeß, in dem eine mit politischer Zielsetzung verübte kriminelle Tat abgeurteilt und die Verurteilung des Täters um bestimmter politischer Vorteile willen angestrebt wird; 2. der klassische politische Prozeß, mit dem das herrschende Regime das politische Verhalten seiner Widersacher als kriminell zu brandmarken trachtet, um sie auf diese Weise von der politischen Bühne zu entfernen; schließlich 3. der gleichsam abgeleitet politische Prozeß, in dem zur Diskreditierung des politischen Gegners Delikte eigener Art herhalten müssen: Beleidigung oder Verleumdung, Meineid, Ungebühr vor Gericht".

Gotthard Jasper erkennt die von Kirchheimer getroffene Einteilung grundsätzlich an, subsumiert diese jedoch unter dem Schlagwort der "politisierten Justiz". Daneben erwähnt Jasper noch "die Ebene der politischen Justiz im engeren Sinne". Unter diese fallen nach seiner Ansicht die konkreten den Staatsschutz betreffenden Strafrechtsparagraphen. Und schließlich "die Ebene der allgemeinen politischen Funktionen der Justiz, auf der die Justiz als politische Institution, als ‘politische’ Gewalt und Teil des politischen Systems erscheint". Dieser Teil seiner Erklärung deckt die bereits erwähnte Doppelfunktion der Justiz im Staate ab.

Beide Begriffsdeutungen stimmen jedoch in ihrer Kernaussage überein. Die von Kirchheimer gefundene, von konkreten Rechtsfällen ausgehende, Definition und Klassifikation von ‘politischer Justiz’ bietet eine nutzbare Ausgangsbasis für die Betrachtung, Wertung und Einordnung von Einzelfällen. Vorab gilt es festzuhalten, daß bei Untersuchung der ‘Politischen Justiz in der Weimarer Republik 1919 bis 1927’ alle drei Ebenen zu beachten sind, da sämtliche Erscheinungsformen auftreten.

Betrachtet man verallgemeinernd die Funktionsweise von ‘politischer Justiz’, wir deutlich, daß das politische Handeln von Gruppen und Individuen einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Die eigene gesellschaftliche Position soll gefestigt, die des politischen Gegners geschwächt werden. Heinrich und Elisabeth Hannover führen hierzu weiter aus: "[...] in politischen Prozessen werden die Regeln der Strafprozeßordnung, die dem Angeklagten und seinem Verteidiger einen Einfluß auf die Wahrheitsfindung sichern sollen, bis auf den heutigen Tag häufig mit einer Rigorosität mißachtet, die den ganzen Zynismus enthüllt, mit dem in diesen Prozessen das Recht einem politischen Zweck nutzbar gemacht wird. Das erwünschte Ergebnis eines politischen Prozesses steht in aller Regel von vornherein fest, und darum sind alle Prozesshandlungen der Verteidigung nur lästige Verzögerungen, denen man lediglich Propagandawert beimißt".

Je leidenschaftlicher die politische Anteilnahme der Öffentlichkeit ist, je stärker die Polarisierung und Auseinandersetzung der beiden Parteien, desto leichter wird ein politisches Gerichtsverfahren in den öffentlichen Meinungsstreit und die parteipolitischen Konflikte hineingezogen. Eine parteipolitische Stellungnahme im Urteilsspruch erscheint unvermeidbar; egal ob und in welchem Maße sich das Gericht hierbei an geltende Rechtsnormen hält oder nicht. Nach Meinung von Karl Dietrich Bracher kann die Justiz in der modernen Gesellschaft hierdurch zu einem psychologisch besonders wirkungsvollen Instrument bei der Bildung und Lenkung der öffentlichen Meinung werden.

Dennoch bleibt festzuhalten, daß noch jeder moderne Staat sich die Möglichkeit geschaffen hat, Angriffe auf seine Verfassung und seine Institutionen mit Hilfe der Justiz abzuwehren. Da eine staatliche Gewaltanwendung im demokratischen Rechtsstaat gleichzeitig aber immer auch eine Schwächung der Legitimationsbasis desselben beinhaltet, kann die Justiz nur dann eine wirksame Stütze des Gemeinwesen darstellen, wenn sie das grundsätzliche Vertrauen der Staatsorgane und der Bevölkerung genießt. Im liberalen Rechtsstaat wird ein Mißbrauch der Jurisdiktion durch die Bindung der Justiz an die in der Verfassung vereinbarten Normen gewährleistet. Wird diese Bindung jedoch untergraben oder fällt sie gar ganz beiseite, ist ein Mißbrauch im Sinne der ‘politisierten Justiz’ nicht mehr auszuschließen.

 

2.2. Die personelle Seite der Rechtsprechung

 

2.2.1. Der Umbruch vom Kaiserreich zur Republik

 

Am 9. November 1918 riefen Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils eine deutsche Republik aus. In den allgemeinen Wirren der Revolution appellierte der Mehrheitssozialist und provisorische Reichskanzler Friedrich Ebert an die Behörden und Beamten: "Die neue Regierung hat die Führung der Geschäfte übernommen, um das deutsche Volk vor Bürgerkrieg und Hungersnot zu bewahren und seine berechtigten Forderungen auf Selbstbestimmung durchzusetzen. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn alle Behörden und Beamten in Stadt und Land ihre hilfreiche Hand bieten. Ich weiß, daß es vielen schwer werden wird, mit den neuen Männern zu arbeiten, die das Reich zu leiten unternommen haben, aber ich appelliere an ihre Liebe zu unserem Volke. Ein Versagen der Organisation in diesen schweren Stunden würde Deutschland der Anarchie und dem schrecklichsten Elend ausliefern. Helft also mit mir dem Vaterlande durch furchtlose und unverdrossene Weiterarbeit, ein jeder auf seinem Posten, bis die Stunde der Ablösung gekommen ist"

Am ersten Tag der Republik richtete also der spätere Vorsitzende des Rats der Volksbeauftragten die Bitte an die kaiserlichen Beamten, ihre Pflicht treu zu erfüllen: "In dieser Stunde der Not müssen wir zusammenstehen!", so lautete die allgemeine Parole.

Aus diesen Aussagen läßt sich die Furcht Eberts rekonstruieren, das Reich der Revolution und dem daraus folgenden Elend Preis zu geben. Verhindern konnten die Inhaber der Regierungsgewalt dies nur, wenn man sich sowohl der Erfahrung der Obersten Heeresleitung im militärischen Bereich, wie der Organisation und Funktion der bestehenden kaiserlichen Bürokratie bediente.

Die Verwaltung hatte die Kriegswirren bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur schadlos überstanden, vielmehr war ihre Bedeutung in jenen Jahren sogar weiter gestiegen: "Durch die Einführung der Zwangswirtschaft hatte sie im Laufe des Krieges immer mehr den Charakter einer umfassenden ‘Daseinsvorsorge’ angenommen". Der Dienstbetrieb der Behörden mußte daher aufrechterhalten bleiben, sollte die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet sein.

Schon 1917 hatte Max Weber zum Verhältnis von Beamtenschaft und Staat in der Frankfurter Zeitung analysiert, daß die wahre Herrschaft in einem modernen Staat in den Händen der Beamten läge.

Sollte das Land nicht im völligen Chaos versinken - damit also in der Zeit des revolutionären Übergangs eine gewisse innere Stabilität gewährleistet blieb -, war die Mitarbeit der alten Verwaltung scheinbar unerläßlich.

Innerlich war Friedrich Ebert jedoch davon überzeugt, daß es ein Fehler sei, die Beamtenschaft des Kaiserreichs zum Bleiben aufzufordern. Heinrich Senfft stellt hierzu jedoch die entscheidende Frage: "[...] wie sollte die SPD regieren, wenn sie die Versorgung der Bevölkerung nicht sichern konnte?". Wollte man die Bevölkerung für sich gewinnen und somit letztlich den Kampf gegen den Kommunismus zu eigenen Gunsten entscheiden, mußten die Handlungsträger rein pragmatisch vorgehen.

Der Aufruf vom 9. November verhallte bei den kaiserlichen Beamten nicht ungehört. Gewohnt pflichtgemäß verrichteten sie ihren Dienst auch den neuen Machthabern gegenüber. Dieser Diensteifer wurde letztlich in der Weimarer Reichsverfassung belohnt.

Die in den Novembertagen gezeigte Loyalität schlug sich im Artikel 129 nieder. Dort heißt es: "[...] Die wohlerworbenen Rechte der Beamten sind unverletzlich". Nicht nur die Beamten des Kaiserreiches wurden übernommen, sondern darüber hinaus wurde ihnen von der neuen Republik auch der herkömmliche Rechtsstatus garantiert. Trotz der Tatsache, daß der Träger der ehemaligen Verwaltung mit dem Kaiserreich untergegangen war, blieben die Beamten also davon unversehrt. Die Republik rückte einfach an die Stelle der Monarchie. So verblieben die Staatsorgane und deren bürokratische Umsetzung trotz Revolution und Umsturz in den Händen jener, die sie schon vor dem November 1918 verwaltet hatten. Der Artikel 129 garantierte den Beamten auch weiterhin Anstellung auf Lebenszeit, Ruhegeld, Hinterbliebenenversorgung und Schutz vor willkürlicher Entlassung. Die neue Republik verzichtete durch diese gewährten Rechte weitgehend auf eine Revision des Verwaltungskörpers. Lediglich den Beamten, die glaubten, die Fortführung ihres Amtes in der Republik nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können, wurde freigestellt, unter voller Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Dienst zu scheiden. Das Gewissen des Einzelnen wurde somit zur letzten entscheidenden Instanz erhoben.

Diese bedenkenlose Übernahme der kaiserlichen Beamtenschaft stellt eines der wichtigsten strukturellen Merkmale der ‘improvisierten’ Demokratie von Weimar dar. Der evangelische Philosoph und Historiker Ernst Troeltsch schrieb hierzu bereits am 28. Januar 1919: "Aber da zeigt sich ein großer Mangel der neuen Lage. Die Beamtenwelt ist so gut wie ohne alle Personalveränderungen geblieben. Die Beamten, auch die konservativsten, stellen sich auf den ‘Boden der neuen Tatsachen’ und bleiben im Amt, regieren, sprechen und benehmen sich ganz im alten Stil. Das erzeugt immer neues Mißtrauen und neue Reibungen. Nur ein gründlicher Beamtenwechsel des Verwaltungsdienstes kann hier helfen, wie er unter der Regierung des Max von Baden geplant war, bis jetzt aber nicht zur Ausführung gekommen ist [...]".

Ebert hatte sich aber bereits am ersten Tag der Revolution zugunsten der Beamten entschieden. Alle ehemals sozialistischen Überlegungen rückten vor der drohenden Gefahr des Bolschewismus in den Hintergrund. Die Aufrechterhaltung der Ordnung stand an oberster Stelle. Nur durch einen kontrollierten Übergang der Regierungsgeschäfte schien es möglich, die Putschisten zurückzudrängen und letztlich zu bekämpfen. "Ebert erkannte nicht, daß die Überwindung des bürokratischen Apparats über Leben und Tod der neuen Demokratie entschied. Stattdessen wollte er möglichst viel Legalität der Kaiserzeit in eine neue Ära hinüberretten. [...] Die Weimarer Republik war kaum geboren, da grub sie sich auch schon gleich ihr Grab".

1934 im Prager Exil gestand der SPD-Vorstand dann schließlich auch selbst die Übernahme der Beamtenschaft als schweren historischen Fehler ein: " [...] Daß sie den alten Staatsapparat fast unverändert übernahm, war der schwere historische Fehler, den die während des Krieges desorientierte deutsche Arbeiterbewegung beging. Die neue Situation schließt jede Wiederholung aus".

Mit der Entscheidung für das überkommene Berufsbeamtentum, waren die Beamten der Justizverwaltung, die Richter und Staatsanwälte in die demokratische Republik übernommen worden. Damit sollte künftig zum Teil in persona von den gleichen Richtern Recht gesprochen werden, welche auch für die Anwendung des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie verantwortlich zeichneten. "Im Namen des Volkes" fällten Richter Urteile, welche 1913 noch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands als volksfeindlich gebrandmarkt hatten. In der Zeit des Umbruchs aber nützten die Sozialdemokraten ihre Macht nicht und beließen die Richter in Amt und Würden.

Entsprechend der Verfahrensweise beim Berufsbeamtentum, wurden den Richtern, neben den allgemeinen Beamtenrechten, weitere Zugeständnisse gegeben. So entschied sich die Nationalversammlung für das Prinzip der Unabhängigkeit des Richters und seiner Ernennung auf Lebenszeit:

"Artikel 102: Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

Artikel 104: Die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit werden auf Lebenszeit ernannt. Sie können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus den Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. [...]".

Ein Passus, wonach sich die junge Republik das Recht ausnimmt, in einem gewissen Zeitraum die persönliche und fachliche Eignung der Richter zu überprüfen, fehlt hingegen in der Reichsverfassung. Den Richtern wurde es parallel zu den Berufsbeamten frei gestellt, sich für oder gegen den neuen Staat zu entscheiden. Von dem Recht den Dienst zu quittieren, machten in Preußen allerdings nur etwa 0,15% der ehemals kaiserlichen Richter Gebrauch. Der weitaus überwiegende Teil der Richter blieb folglich im Amt.

Eine Wahl der Richter durch das Volk, wie von den Sozialdemokraten vor 1914 immer wieder programmatisch gefordert, wurde zu Gunsten einer funktionsfähigen Justiz geopfert. Wie bei der Übernahme der Beamtenschaft war man sich in den Reihen der SPD einig, "daß in der Justiz ‘alles beim alten’ bleiben müsse". Mit dieser Forderung stand die SPD in der Nationalversammlung nicht allein, sondern fand Unterstützung bei allen Parteien des politischen Spektrums. Noch im Jahre 1922 preist zum Beispiel der spätere Justizminister Johannes Bell die aus dem Kaiserreich stammende Justiz: "Wir haben durch den Weltkrieg so manches Wertvolle eingebüßt, so unendlich vieles verloren. [...] Aber, meine Damen und Herren, noch ragt als einer der Grundpfeiler, die das Gebäude des Staates tragen, unsere Justiz. Sollte auch dieser Pfeiler stürzen - was Gott verhüten wolle -, dann würde der Zusammenbruch des Reiches unvermeidlich sein.".

Auch bei der Übernahme der Justiz scheinen somit pragmatische Gründe im Abwehrkampf gegen den Kommunismus den Ausschlag gegeben zu haben, da sich schon am 16. November die vorläufige Regierung in einer Verordnung zum Prinzip der Unabhängigkeit der Richter bekannt hatte. Die Richterschaft konnte in den Monaten des Umsturzes dann sogleich ihre Loyalität gegenüber der neuen Regierung unter Beweis stellen. Die Urteile gegen Räterepublikaner und Kommunisten zeigen bereits deutlich die Gesinnung der Richter, welche man bedenkenlos in die Republik übernommen hatte.

Im Bezug auf die Richterschaft fällte der Exilvorstand der SPD ebenfalls selbst Urteil über das Vorgehen in den Monaten der Revolution. Im Prager Manifest zogen die Verantwortlichen die Lehre aus den damaligen Ereignissen. Für die Zukunft legte man fest: "Aufhebung der Unabsetzbarkeit der Richter, Besetzung aller entscheidenden Stellen durch Vertrauensleute der revolutionären Regierung. Grundlegende Umgestaltung der Justiz durch Verstärkung des Laienelements".

Für die Tage nach der Novemberrevolution bzw. nach Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung gilt es aber festzuhalten, daß man mit der Übernahme des Militärs, der Beamtenschaft und der Justiz drei der wesentlichen Stützen des alten Kaiserreiches übernommen hatte. So durchzog die Republik vom ersten Tag ihres Bestehens an ein tiefer Riß. Er spaltete die Anhänger und Verteidiger der neuen staatlichen Ordnung von denen, die als Verfechter des monarchischen Staates die Republik von Weimar ablehnten. Die Justiz verstrickte sich aufgrund ihrer Herkunft und politischen Einstellung besonders tief in diesen Konflikt. Das Hauptversäumnis der Sozialdemokratie, dem Staat neue, demokratische Diener zu geben, artikulierte sich am heftigsten in der Kritik an der Justiz. "Wir wollen andere Richter", so lautete immer wieder die Forderung der Republikaner.

 

 

2.2.2. Die Herkunft der Weimarer Richter

 

Die Richterschaft von Weimar war weitgehend mit der des Kaiserreiches identisch. Ernst Fraenkel schrieb über den Weimarer Richter: " "Im Namen des Königs" hatte er seine Urteilssprüche gefällt [...] Nun soll er "Im Namen des Volkes" Recht sprechen, des Volkes, in dessen Verachtung er groß geworden ist [...] Das gesamte Beamtentum des alten Regime war monarchistisch, aus Erziehung, Überzeugung, Tradition. Der Richter war außerdem Monarchist aus innerer Notwendigkeit. Kein Zweig des Beamtentums hat sich daher auf die neuen Verhältnisse schwerer umzustellen vermocht als die Justiz". Wirkt diese Aussage im ersten Moment doch sehr verallgemeinernd, wird bei genauerer Betrachtung deutlich, daß sie für die überwiegende Mehrzahl der Richter zutrifft. Darüber hinaus fallen zahlreiche Besonderheiten auf, welche zur Einsicht in die politische Grundhaltung der Weimarer Richter beitragen.

Der Richterstand der Weimarer Republik zeigt eine erstaunliche soziale Geschlossenheit. Gotthard Jasper entsprechend, darf eine solche Einheitlichkeit auf Grund der einseitigen Rekrutierung der Richter im wilhelminischen Deutschland getrost unterstellt werden. Zumeist entstammten sie der gehobenen Schicht des wohlhabenden Bürgertums, dem gehobenen Mittelstand, waren Söhne von Richtern oder sonstigen Beamten.

Der starke Reiz, den die Justizlaufbahn auf Angehörige dieser Gesellschaftsschicht ausübte, lag wohl weniger im finanziellen Bereich. Das Amt des Richters oder des Staatsanwalts bot für Bürgerliche jedoch eine der wenigen Möglichkeiten an staatlicher Macht zu partizipieren. Diese These wird durch eine Aussage von Friedrich Karl Kaul über das Ansehen der einzelnen Justizberufe bestätigt: "Der Dienst bei der Staatsanwaltschaft, obwohl wahrscheinlich viel eher, weil sie an Weisungen ‘von oben’ gebunden war und insofern in ihrer Tätigkeit einen Abglanz der obersten Autorität versinnbildlicht, galt für vornehmer als die richterliche Tätigkeit [...] Der ‘freie Beruf’ des Rechtsanwalts [...] genoß innerhalb der juristischen Berufssparten das geringste Ansehen". Je näher man also zur Obrigkeit stand, desto größer war das Ansehen des Einzelnen in der Gesellschaft. Wie allgemein üblich führte der Weg zum Erfolg über das Militär. "Der Weg zur sozialen Geltung, die Karriere, ging über den Reserveoffizier. Die höheren Posten in der Justizverwaltung - die Gerichtspräsidenten - wurden fast ausschließlich mit solchen Juristen besetzt, die jahrzehntelang Staatsanwälte gewesen waren. Staatsanwälte aber sind - im Gegensatz zum Richter - abhängige Beamte, an die Weisungen der vorgesetzten Behörde gebunden. So gelangten auf die höheren Posten nur solche, die als Reserveoffiziere und Staatsanwälte gehorchen gelernt hatten", so eine Beschreibung Ernst Fraenkels.

Einen nicht zu unterschätzenden Faktor, welcher zur Geschlossenheit des Richterstandes beitrug, bildete die akademische Ausbildung. Heinrich und Elisabeth Hannover betonen, daß der Beruf des Richters und Staatsanwaltes schon wegen seiner außerordentlichen Länge der Ausbildung nur den bereits erwähnten, gesellschaftlichen Schichten zugänglich war.

Im folgenden wird der normale Werdegang eines Juristen im Kaiserreich beschrieben:

Der ersten gemeinsamen Sozialisationsinstanz, dem Gymnasium, folgte sogleich die nächste Stufe in der drei- bis vierjährigen universitären Ausbildung. Hieran schloß sich eine Referendarzeit von mindestens gleicher Dauer an, ehe man nach Bestehen des zweiten juristischen Staatsexamens eine Stelle als Assessor ins Auge fassen konnte. In diesen Zeitraum eingebettet lagen weitere Sozialisationsinstanzen, welche im studentischen Korporationswesen und dem Reserveoffizierstatus zu finden sind. Bis zum Antritt einer schlecht oder gar unbesoldeten Assessorenstelle war oft nochmals eine bis zu sechsjährige Wartezeit zu überbrücken. Erst nach dem Absolvieren der Assessorenlaufbahn konnte man mit einer Ernennung zum Richter oder Staatsanwalt zum ersten Mal damit rechnen, im eigentlichen Beruf Geld zu verdienen - im Alter von 42 bis 45 Jahren!

Ein zusätzliches Hemmnis bei der juristischen Ausbildung bildete ein preußisches Regulativ vom 1. Mai 1883, in dem festgelegt wurde, daß der jeweilige Referendar einen standesgemäßen Unterhalt von 1500 Mark jährlich nachzuweisen habe und hierüber hinaus 7500 Mark in bar zu hinterlegen habe. Dieses Regulativ garantierte bereits aus rein wirtschaftlichen Gründen die soziale Homogenität des Richterstandes. Erich Kuttner schätzt die damit anfallenden Gesamtkosten einer Ausbildung zum kaiserlichen Richter auf 30000 bis 50000 Mark.

Politische Einmütigkeit des Juristenstandes erreichte man durch die Tatsache, daß schon in der Referendar- und Assessorzeit sehr genau die politische Grundhaltung des Einzelnen überprüft wurde. So waren die Assessoren einer ständigen Beurteilung durch ihren Vorgesetzten unterworfen. Erich Kuttner schreibt hierzu an einem Beispiel: "Ein mißliebiger Referendar kann ohne jedes gesetzlich geregeltes Verfahren kurzerhand aus dem Justizdienst entlassen werden. Ja, er braucht trotz bestandenen Examens nicht einmal angestellt zu werden, falls dies der Behörde nicht paßt. So wurden z.B. die Söhne Karl und Theodor des verstorbenen Wilhelm Liebknecht in den neunziger Jahren einfach zurückgewiesen, als sie sich als Referendare meldeten, obwohl sie selber sich noch gar nicht politisch betätigt hatten, und es bedurfte erst einer Intervention des liberalen Kultusministers Falk, um ihre Anstellung durchzusetzen".

Als eine Art Resümee zum Werdegang eines preußischen Richters kann eine Aussage Ernst Fraenkels gesehen werden. Er schreibt dort: "Der Qual einer derartigen Probezeit hat sich niemand ausgesetzt, der das damalige Staats- und Gesellschaftssystem nicht auch innerlich bejahte [...] Durch diese lange Wartezeit war der Kreis derer, die Richter werden konnten, eng umgrenzt. Die Richter der Vorkriegszeit rekrutierten sich aus dem gehobenen Mittelstand, aus den Söhnen von Richtern und sonstigen Beamten, Kaufmannssöhne, die dem Richterberuf zustrebten, assimilierten sich rasch in der von ihnen als höher empfundenen Atmosphäre. Seltener gingen die Söhne des hohen Adels oder des industriellen und agrarischen Reichtums in die Justiz. Diese zogen die militärische, die diplomatische Laufbahn vor, wurden lieber Verwaltungs- als Gerichtsjuristen. Das war kostspieliger und galt als vornehmer".

So wandelte sich der preußische Richter vom Liberalen, der einst die Revolution von 1848 mitgetragen hatte, zum Konservativen, der national und monarchistisch dachte. Karl Dietrich Bracher spricht der Beamtenklasse eine oft bis ins Groteske gehende Gleichartigkeit von Gewohnheiten, Anschauungen und politischer Einstellung zu und führt die Forderung nach einer Entpolitisierung des Beamtentums daher auf diese Zeit zurück.

Der Richter der Kaiserzeit stand nicht so sehr im Blickfeld der Öffentlichkeit, er hielt sich politisch zurück. Mit dem Übergang zur Republik änderte sich dieses Verhalten sehr schnell. Die Ursache dieses Wandels ist, den Erläuterungen Theo Rasehorns folgend, in einer, mit der Revolution gleichzeitig einhergehenden, Veränderung des richterlichen Selbstverständnisses zu sehen. Mit dem Sturz der im Kaiser personifizierten, obersten Autorität, ging auch für die Richter ihr festes Leitbild verloren. Deutlich tritt dies aus den Worten des Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, Johannes Leeb, hervor: "Lügenrecht. Neuer Geist erfüllt die Welt. Der neue Geist ist Lügengeist. Staatskunst ist Lügenkunst. Die Gerechtigkeit ist das Feldgeschrei der Lügner [...] Parteien-, Klassen- und Bastardrecht [...] Wo mehrere Parteien die Herrschaft üben, entstehen Kompromißgesetze. Sie stellen Mischlinge, Kreuzungen der Belange der herrschenden Parteien, stellen Bastardrecht dar. Jede Majestät ist gefallen, auch die Majestät des Gesetzes".

Das ehemalige Leitbild war verschwunden, befand sich im Exil. Für die Richter galt es sich neu zu orientieren.

Norbert Hempel definiert den Begriff des ‘Richterleitbilds’ als Antwort auf die Frage, nach welcher Autorität sich der Richter bei seinen Urteilen richten soll.

Die Weimarer Reichsverfassung gab den Richtern hierbei jedoch keine Hilfestellung. Vielmehr war ihnen in Artikel 102 die volle richterliche Unabhängigkeit zugesichert worden. Einzig die Gesetzesnormen sollten ihnen als Maßstab bei der Urteilsfindung dienen. Das Richterleitbild stellt in diesem Falle also der Gesetzespositivismus dar. Diese Bindung des Richters an das Gesetz wurde den abendländischen Richtern immer wieder eingeschärft und galt auch bis zum Ende der Monarchie als oberster Grundsatz. Einer eventuellen wissenschaftlichen Auslegungstätigkeit waren in diesem Rahmen sehr enge Grenzen gesetzt.

Mit Beginn der Republik setzte in Juristenkreisen jedoch ein berufsständischer Emanzipationsprozeß ein; man sah sich nunmehr in der Rolle eines Gesetzesinterpreten. Die Richter wandten sich den eigenen Emotionen zu und fällten letztlich darauf gegründet ihre Urteile. Ein Grund für diesen plötzlichen Wandel liegt für Norbert Hempel im Trauma des verlorenen Krieges: "Daß es zu dieser Empörung kam, ist nicht verwunderlich. Der Schock des unerwartet verlorenen Krieges mit seinen Folgen war zu groß. Die Juristen waren ebensowenig wie das ganze Volk darauf eingestellt [...]. Diese Situation ließ sich nicht verkraften, ohne daß es zu Gefühlsausbrüchen kam. Die Empörung war eine Flucht aus der Realität [...].

Die genaue Klärung der Frage nach den jeweils herrschenden Richterleitbildern in der Weimarer Republik muß aber letztlich offen bleiben. Nur eine Untersuchung der Vorstellungs- und Gedankenwelt des einzelnen Richters könnte im konkreten Fall jeweils Antwort geben. Die Meinung Gotthard Jaspers, in den Richterleitbildern eine der wesentlichen Ursachen der einseitigen Judikatur in Weimar zu finden, erscheint - aus dieser Position betrachtet - daher als zu verallgemeinernd.

Festzuhalten bleibt, daß die Richter sich in ihrem beruflichen Selbstverständnis neu deuteten und vom Gesetzespositivismus abwandten. "Unklar war dagegen, was an die Stelle der bisherigen Autorität, was nun als oberster Grundsatz und Ausdruck höchster Verbindlichkeit gelten sollte. [...] Die Richter von Weimar gingen verunsichert in ihrem Selbstverständnis und in ihrer Haltung gegenüber dem Gesetz aus den Wirren dieser ersten Phase der Nachkriegszeit hervor".

Mit der Freiheit, die ihnen die Weimarer Reichsverfassung garantierte, waren die Richter nicht vertraut und somit letztlich überfordert. Die Richter glaubten jetzt "ihre Meinung auch im Amt, bei der Rechtsprechung vertreten zu dürfen". Das eigentliche Problem der Rechtsprechung bestand von diesem Zeitpunkt an darin, daß neben der Bindung an das Gesetz zusätzlich noch die persönlichen Meinungen in die Urteilsfindung einflossen. Dabei konnte sogar zur Frage stehen, welche Meinung der einzelne Richter zu bestimmten Gesetzen oder Paragraphen einnimmt. Daß die Vorstellungswelt der Juristen aufgrund ihrer Ausbildung mit der des Kaiserreiches übereinstimmte, wurde bereits kurz erläutert. Wie Heinrich und Elisabeth Hannover zusammenfassen, überdeckte die Fiktion vom überparteilichen Charakter der Justiz aber gerade diese Gesamtproblematik. Die Richter "vermochten es nicht, ihre Theorie und ihre Praxis in dem sozialen und politischen Zusammenhang zu sehen, der ihnen durch die Demokratisierung Deutschlands vorgegeben war.

 

 

2.2.3. Die Einstellung der Richter zur Weimarer Republik

 

Die Gesellschaft der Weimarer Republik war während der gesamten Jahre stark polarisiert. Den Anhängern der neuen Staatsform standen die Gegner derselben gegenüber. Bei einer Untersuchung der Einstellung der Richterschaft zur Weimarer Republik finden sich in ihren Reihen gleichermaßen diese stark gegensätzlichen Meinungen. Robert Kuhn unterscheidet daher zwei Gruppen von Richtern: die sogenannte konservative Partei, welche die Republik ablehnte, und die republikanische Partei, die der Republik die Treue hielt.

 

2.2.3.1. Die konservative Gruppe

 

Ein Großteil der Richterschaft war nach dem Ende des Kaiserreiches in die Republik übernommen worden. Die Juristen entstammten dem konservativ-bürgerlichen Milieu, das schon traditionell rechts stand. Ihr Standesbewußtsein fußte auf den politischen Wertorientierungen der wilhelminischen Zeit und stand im eigentlichen Sinne außerhalb der Republik. Robert Kuhn schreibt über den Richter, daß dieser im Grunde seines Herzens anti-republikanisch, anti-parlamentarisch und - selbstverständlich - anti-sozialistisch war.

Angesichts der drohenden kommunistischen Gefahr hatten sich die Richter aber doch zugunsten der Republik entschieden. In der Weimarer Verfassung war ihnen dieser Einsatz auch honoriert worden. Dennoch litt das Berufsbeamtentum unter Anpassungsschwierigkeiten an die neue Staatsform. Eine besondere Belastung hinsichtlich des Verhältnisses zur neuen Staatsform stellte dabei die Überzeugung dar, die Republik sei durch einen Rechtsbruch - der Revolution - entstanden. Aufgrund der Tatsache, daß die Republik in eben jener Zeit des Umbruchs nicht auf ihre Hilfe verzichten konnte, betrachtete man sich als eine Art Elite im Staat. "Nach 1918 [...] hingegen sah sich der Richterstand [als] der einzige, der bisher allen Versuchungen zum Trotz seine Ehre rein und seinen Schild blank erhalten hat. Der Obrigkeitsstaat war gestorben, die Richter sahen sich jetzt als die neuen Väter, die für einen nationalen Staat einzustehen hatten". Das Selbstwertgefühl der Richterschaft steigerte sich schließlich bis zur Überheblichkeit. Zeugnis hiervon legt ein Gedicht ab, welches anläßlich des fünfzigjährigen Bestehen des Reichsgerichts erschien:

 

Festspruch zum 50-jährigen Bestehen des Reichsgerichts.

....

Geschmiedet war das Reich.

....

Doch - um des Rechtes Einheit zu erhalten,

Geist einzuhauchen dem Gesetzeswort,

fortbildend schöpferisch es zu gestalten,

mußt’ man ihm schaffen einen starken Hort.

 

So ward das Deutsche Reichsgericht gegründet

als des geeinten Rechtes stolzes Mal,

und eine Ritterschaft ward ihm verbündet,

zu hüten Volkes Recht als heil’gen Gral.

 

Ein hehres Amt! Von deutschen Rechtes wegen

dem Wahren und dem Guten Sieg verleih’n,

des Volkes schönstes Kleinod treu zu hegen,

Gewalt und Rechtsbruch ein Vergelter sein.

 

Jahrzehnte haben, die zum Amt erkoren,

in Treuen sich des Heiltums Dienst geweiht,

und fehlten sie - der Mensch ward nicht geboren,

der gegen Irrtums blinde Macht gefeit.

 

Nicht Rechts, nicht links geneigt - nur Recht und Pflicht

als einzigen Leitstern kennt das Reichsgericht; -

geschmäht, gehaßt - zuweilen auch bewundert,

so feiert heute es sein Halbjahrhundert ...

....

Des Volkes Herzen aber soll erfüllen

ein großer Wunsch, ein brünstig heißes Fleh’n:

Daß, die bestimmt, den Gral ihm zu enthüllen,

mit reiner Hand stets dieses Amt versteh’n.

 

Daß sie in Demut ihre Stirne neigen

vor dem, der war im Anfang an, vor dem Recht.

Doch sich im Amt als Richter-Könige zeigen:

Nie eines Fürsten noch des Volkes Knecht ...

.....

Reichsgerichtsrat Dr. Krug

 

Der Autor stattet den Richter in diesen Zeilen mit einem besonderen Sendungsbewußtsein aus und erhebt ihn gleichsam zu einem Lehrer und Führer der Nation. Insbesondere die Mitglieder des Reichsgerichts werden zu einer Persönlichkeitselite emporgehoben. Man zog sich in die Grenzen der eigenen Standesreihen zurück. Ein Treueverhältnis zur Republik, wie ehemals zum Kaiserreich, bauten sie hingegen nicht auf. Dies liegt nach Meinung von Klaus Petersen auch daran, daß sich zu einer politischen Führungsspitze, die den Mehrheitsverhältnissen im Parlament entsprechend häufig wechselte, kein solches gefühlsmäßiges Treuebündnis knüpfen ließ. Den Zwang einer Demokratie, Kompromisse schließen zu müssen, wurde in konservativen Richterkreisen eher als eine Schwäche des politischen Systems, als eine Stärke empfunden. Hinzu kam noch, daß die Beamten den Parlamentariern und Ministern gegenüber an fachlicher Kompetenz und Erfahrung meist überlegen waren und somit auch hierdurch ihr Vertrauen in die Republik nicht gerade gestärkt wurde.

Wie Hans Hattenhauer aber festhält, waren die Richter keine haßerfüllten Feinde der Republik, vielmehr schlugen sich in ihren Reihen die Gegensätze der Weimarer Gesellschaft nieder.

Der republikanisch-demokratischen Staatsform stand die konservative Gruppe von Richtern kühl und ablehnend gegenüber. Über die in Artikel 1 der Weimarer Reichsverfassung enthaltene Grundentscheidung zu Gunsten der Republik setzte man sich hinweg, gleichwohl sie nach Artikel 176 der Weimarer Reichsverfassung einen Eid auf dieselbe geleistet hatte.

Zur Durchführung des Artikel 176 erging am 14. August 1919 eine Ausführungsverordnung des Reichspräsidenten. Die Justizbeamten hatten demnach folgende Eidesformel abzulegen: "Ich schwöre Treue der Reichsverfassung". War um die Bedeutung des Beamteneides bereits lange von den Parteien gerungen worden, so implizierte die Eidesformel nach Meinung der konservativen Richterschaft nicht gleichzeitig ein Bekenntnis zur Staatsform. "Diesen Eid konnte auch ein Richter leisten, der die Republik innerlich ablehnte". Diesen scheinbaren Widerspruch sahen die Richter durch die Weimarer Reichsverfassung abgedeckt. Artikel 102 der Verfassung hatte ihnen garantiert: "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen". Weiter besaßen sie die Freiheit ihrer politischen Überzeugung und Vereinigungsfreiheit nach Artikel 130 Absatz 2 der Reichsverfassung: "Allen Beamten wird die Freiheit ihrer politischen Gesinnung und die Vereinigungsfreiheit gewährleistet". In der Auslegung beider Artikel wurde den Richtern ausdrücklich das Recht zugesprochen, ihre Gesinnung öffentlich zu bekennen. Dabei war diese sogar gegenüber verfassungsfeindlichen Zielen nicht eingeschränkt.

Die Eidesleistung schied demnach als Kriterium politischer Zuverlässigkeit aus. Ein Beamter, welcher die Worte nachgesprochen und den Vereidigungsnachweis unterschrieben hatte, brauchte nicht notwendigerweise Republikaner zu werden. Für seine innere Überzeugung ging er ja nach Artikel 130 keinerlei Verpflichtung ein.

Die Forderung nach einem eindeutigen Bekenntnis zur republikanischen Staatsordnung wurde von der Weimarer Richterschaft hingegen immer wieder zurückgewiesen. Hierbei führte man wiederum die Reichsverfassung selbst ins Feld. Artikel 130 Absatz 1 besagte: "Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei". Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Hoffmann bemerkte hierzu richtigerweise: "Die Republik ist doch keine Partei".

Die Entscheidung zugunsten der Berufsbeamten war aber letztlich bereits gefallen. Wie bei der Übergehung der Rolle der Parteien im demokratischen System, versagte die Weimarer Verfassung an diesem Punkt erneut vor den politischen Realitäten. Zumindest ein entschiedenes Bekenntnis zur demokratischen Ordnung des Staates mußte von der Beamtenschaft verlangt werden. So aber ließ man der parteipolitischen Orientierung der Staatsdiener freien Lauf.

Die konservative Richterelite machte sich diesen merkwürdigen Verfassungswiderspruch sofort zu eigen und gewöhnte sich an, zukünftig zwischen dem ‘Wesen des Staates an sich’ und der konkret auswechselbaren ‘Staatsform’ zu unterscheiden. Dem Staat als solchen, galt ihre gesamte Treue. Eine konservative vaterländische Gesinnung, ganz im wilhelminischen Geist, war wichtiger als Verfassungstreue. Richard Thoma definierte diese Unterscheidung zwischen Staat und Staatsform als "Zweiseelentheorie". Mit ihrer Hilfe konnte der größte Teil der Justiz formal den Eid auf die Republik leisten, sie innerlich jedoch gleichzeitig ablehnen.

Dieses eigentümlich gespaltene Verhältnis zu Staat und Verfassung zeigt deutlich, wie wenig die konservative Partei der Richter mit dem politischen System verband. Die republikanische Staatsform war für sie zufällig, war auswechselbar, umstritten und blieb letztlich Sache der Parteien. Nicht so das Wesen des Staates an sich. Dieser Staatsbegriff stand über der Staatsform, über den Parteien und auch über der Gesellschaft. Diesem ‘Staat’ gegenüber fühlten sich die konservativen Richter als Diener verpflichtet. Er "war ihnen nach ihrem Selbstverständnis anvertraut, sie waren seine Sachwalter".

Versucht man dieses ‘Wesen des Staates an sich’ einzugrenzen und zu beschreiben, so finden sich darin wohl am ehesten konservative, monarchistische Traditionen wieder. Hierin eingeschlossen natürlich auch genau die Institutionen, welche die Novemberrevolution unbeschadet überstanden hatten: Justiz, Verwaltung und Militär. Ein ehemals königlicher Landrat aus Westfalen charakterisierte seine Einstellung zur Republik folgendermaßen: "Tue deine Pflicht aus Liebe zum Volk, zum Lande, zu deinen Stammesgenossen. Nicht auf die Staatsform, sondern auf Staatsordnung, Ruhe und Sicherheit im Lande kommt es jetzt an". Diese Stimme kann stellvertretend für die gesamte konservative Richterelite gewertet werden. Selbst der Präsident des Reichsgerichts Simons bekannte, "[...] daß das Richtertum der Monarchie, das als Ganzes in den neuen Staat hinübergegangen sei, in der Republik seine Überzeugung nicht habe wechseln wollen und können".

Wollte man aber dieses ‘Wesen des Staates’ bewahren - und damit die ehemals kaiserliche Institution der Justiz -, so galt es, sich ein neues politisches Selbstverständnis zu geben.

Wie bereits gezeigt, setzte mit dem Übergang vom Kaiserreich zur Republik ein berufsständischer Emanzipationsprozeß in den Reihen der Richter ein. Die konservativen Richter versuchten ihren Führungsanspruch innerhalb des Staates zu verdeutlichen und zu untermauern, indem sie aus der politischen Neutralität in eine legalisierte Aktivität traten. Gleichzeitig klammerten sich die Richter, wie Robert Kuhn erläutert, jedoch an die Fiktion, bei der Ausführung ihres Amtes unpolitisch zu sein, "sachlich und neutral über dem Parteiengezänk und jenseits des Streites für oder gegen den demokratisch-parlamentarisch-republikanischen Staat zu stehen". Ein Senatspräsident des Reichsgerichts schrieb 1925: " [...] haben (wir) Richter uns auch bemüht, in den Geist der Verfassung einzudringen. Wir haben ihn darin erkannt, daß der Gedanke des Rechtsstaats und des sozialen Rechts und der ausgleichenden Gerechtigkeit es ist, der das Wesen und den Kern des Staatsgrundsatzes ausmacht. Und auf diesen Gedanken umzustellen, das haben wir deutschen Richter nicht nötig. Denn er war uns schon vor dem Krieg vertraut".

Aus dieser Stimmung einer neu und wieder gewonnenen Selbstsicherheit heraus entwickelte sich gleichsam ein Sendungsbewußtsein der Richterschaft. Theo Rasehorn schreibt hierzu: "Die Richter fühlten sich so sicher, daß sie glaubten, im Interesse des Staates, hier wohl auch in "Notwehr für den Staat", sich über eine nüchterne, positivistische Feststellung des Tatbestands oder Subsumtion des Gesetzes hinwegsetzen zu müssen". Recht und Gesetz wurden von der konservativen Partei der Richter fortan nicht mehr nur streng positivistisch angewendet, sondern nach eigenem Dafürhalten und Gutdünken weiterentwickelt, ausgelegt und fortgeschrieben. Legitimationsgrundlagen bildeten hierbei sowohl ihre fachspezifische Ausbildung, die Inanspruchnahme des Naturrechts und Generalklauseln wie "Treu und Glauben" (§ 242 BGB).

Der Wunsch der konservativen Gruppe, sich jenseits von tagespolitischen Wirren als unpolitische Richter zu erweisen, scheiterte aber gerade an dieser genannten schizophrenen Bewußtseinshaltung. Tatsächlich waren die Richter politisch. Auch und gerade weil der Judikativen - wie eingangs erwähnt - im demokratischen System eine mehr oder weniger entscheidende Rolle als staatliche Ordnungsmacht zufällt. Übereinstimmend Gustav Radbruch zur Richterrolle: "Sie machen die schlechteste Politik [...] Sie machen unbewußte Politik, die sich wunder wie objektiv dünkt und gebärdet. Sie sind ein Politiker wider Willen". Diese neue Position der Richter stieß bei dem Großteil der Bevölkerung jedoch auf Ablehnung. Gotthard Jasper faßt daher zusammen: "Was nutzten sozialdemokratische Minister an der Spitze, mochte sich ein Arbeiter fragen, wenn er den Staat im Alltag nur durch konservativ bürgerliche Richter erfahren konnte, die in ihrer Rechtsprechung demonstrierten, daß sie das die parlamentarische Demokratie konstituierende Bündnis von Arbeiterschaft und Bürgertum eigentlich für einen Irrweg hielten. Diesen durch die Richter repräsentierten Staat konnte der einfache Arbeiter kaum als den seinen erkennen".

Über die konservative Partei von Richtern läßt sich damit festhalten: Ein erheblicher Teil der Weimarer Richterschaft stand außerhalb des politischen Systems. Zwar hatten sie die Republik formal anerkannt, doch lehnten sie diese innerlich nach wie vor ab. Durch diese Zweiseelentheorie glaubten sich die konservativen Kräfte in der Richterschaft berechtigt und befähigt, Gesetze nach eigenen Maßstäben auszulegen und schließlich zu unterhöhlen. Der ursprüngliche Wunsch nach einer unpolitischen Stellung wurde somit durch die eigene Rechtsprechungspraxis konterkariert.

 

2.2.3.2. Die republikanische Gruppe

 

Der konservativen Richterschaft entgegen standen die sogenannten republikanischen Richter. Die Republikaner bekannten sich eindeutig zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Weimarer Republik. Hugo Sinzheimer, eine der führenden Personen der republikanischen Richterschaft stellte fest: "In einem republikanischen und demokratischen Deutschland kann auch die Rechtspflege nur demokratischen und republikanischen Geistes sein [...] Es ist ein unerträglicher Zustand, daß sich oft richterliche Gesinnung bewußt oder unbewußt nach einem Geiste richtet, der nicht der Geist des heutigen Rechts ist".

Im Gegensatz zu ihren konservativen Kollegen lehnten sie die Fiktion eines unpolitischen Richters von vornherein ab. Vielmehr versuchten sie eine Politisierung der Richterschaft in dem Sinne zu fördern, daß sie eine klare demokratisch-republikanische Zuverlässigkeit der Beamtenschaft einklagten. Hierdurch mußten die republikanischen Richter allerdings notwendigerweise in eine Gegnerschaft zur richterlichen Standesvertretung geraten. Der Deutsche Richterbund und insbesondere der Preußische Richterverein proklamierten immer wieder das Bild vom unpolitischen Richter und rückten hiervon auch im Laufe der Weimarer Jahre nicht ab.

Als sich abzeichnete, daß sich beide Interessenvertretungen der konservativen Partei von Richtern verschrieben hatten, entschloß man sich auf republikanischer Seite, eigene Wege zu gehen. Um die Jahreswende 1921/22 erfolgte die Gründung des Republikanischen Richterbundes. Bereits am 30. Dezember 1921 erschien im "Vorwärts" der Gründungsaufruf desselben:

 

Republikanischer Richterbund

Aufruf

Von dem Gedanken beseelt, daß ein wahres Vertrauensverhältnis des Volkes zur Rechtspflege, sowie der deutsche Aufbau überhaupt nur auf den Grundlagen der demokratischen Republik gedeihen kann, haben sich in Berlin Richter und Angehörige verwandter Berufe zu einem Republikanischen Richterbund vereinigt.

Wir wollen ein freiheitliches Richtertum, das frei von Standesdünkel, aus innerer Harmonie dem Herzschlag des Volkes, seiner schaffenden und schöpferischen Schichten folgt. Wir wollen ein unabhängiges Richtertum, unabhängig nach oben wie nach unten, unabhängig auch in dem Sinne, daß der Richter allen kleinlichen, veralteten Methoden und Einflüssen der Justizverwaltung entzogen, daß er von untergeordneten Aufgaben völlig entlastet werde, damit er von Druck und Hemmung frei, seines hohen Berufes walten und auf den Höhen seiner Wissenschaft, sowie der allgemeinen Bildung sich behaupten kann. Wir wollen endlich ein politisch interessiertes Richtertum, das in die Tiefe und in den ganzen Reichtum des Staats-, Volks- und Gesellschaftslebens verstehend eindringt. Wir werden der berechtigten Justizreformbewegung im neuen Volksstaat bereitwillig dienen. Wir werden für Erneuerung und Gesundung des Rechts in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auf allen Gebieten energisch eintreten. Wir werden es an der erforderlichen Kritik nicht fehlen lassen, wo immer wir gewahr werden, daß die Rechtsanwendung oder die Verwaltungspraxis den Grundsätzen des Freistaats und der Demokratie offenen oder verhüllten Widerstand leistet.

Parteipolitik betreiben wir nicht. In unseren Reihen ist jeder willkommen, der sich vorbehaltlos zur demokratischen Republik und zum Gedanken sozialer Gerechtigkeit bekennt. Wir rufen die uns gleichgesinnten deutschen Richter, Staatsanwälte und Rechtslehrer zum Beitritt, zur Gründung weiterer Ortsgruppen und zur Kartellbildung mit dem Republikanischen Richterbund in Berlin auf.

Berlin, Januar 1922

Amtsgerichtsrat Marquard, Berlin W 50, Augsburger Straße 6, Vorsitzender, an dessen Adresse Zuschriften erbeten werden.

Staatsanwaltschaftsrat Steinbrecher;

Amtsgerichtsrat Dr. Scholz;

Landgerichtsrat Kroner.

 

In diesem programmatischen Aufruf wurden die wichtigsten Ziele des Republikanischen Richterbundes genannt.

Gleich zu Beginn des Artikels wiesen die Verfasser auf das erschütterte Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz hin. Dieses wiederherzustellen, sahen sie als wichtigste Aufgabe des Bundes an. "Die Forderung nach Überwindung des Mißtrauens in die Rechtspflege sollte als Mittel dienen, um den neuen, ‘republikanischen’ Geist in die Köpfe der konservativen Richter zu tragen". Wie Robert Kuhn ausführt, fühlten sich die Mitglieder des Republikanischen Richterbundes als "Wortführer des lebendigen Rechtsgewissens der Nation". Auch auf republikanischer Seite war man damit, in Entsprechung zur konservativen Gruppe, von einer Art Sendungsbewußtsein beseelt. Diesmal allerdings im streng republikanischen Sinne. So verlangte der Republikanische Richterbund nach Paragraph 1 seiner Satzung ein eindeutiges Bekenntnis seiner Mitglieder zur Staatsform: "Der Republikanische Richterbund bezweckt den vollen Einklang des Rechts mit der republikanischen Staatsordnung". Schon bei Eintritt in die Organisation hatte der Aufzunehmende folgende Erklärung abzulegen: "Ich bekenne mich zur Verfassung des deutschen freien Volksstaates und beantrage meine Aufnahme in den Republikanischen Richterbund". Der Kampf um die Republik wurde für den Richterbund damit zu einer überparteilichen Aufgabe.

Die übrigen genannten Ziele betreffen die innere Einstellung des Richters und bilden Gegenpositionen zur konservativen Richterelite. Hugo Sinzheimer schrieb hierzu knapp und deutlich, daß eine neue Zeit auch nach neuen Juristen verlange.

Hervorzuheben bleibt lediglich noch, daß im Gründungsaufruf des Republikanischen Richterbundes auf die allgemeine Arbeitssituation der Justizbeamten hingewiesen wurde. In der Tat stellte sich die Arbeitslage der Juristen äußerst negativ dar. Bei steigenden Prozeßzahlen blieb die Zahl der Richter gleich bzw. sank sogar noch weiter ab. Den Personalmangel versuchte man durch eine steigende Arbeitsbelastung der Justizbeamten zu kompensieren. Mit dieser Situation ging angesichts der anhaltenden Inflation ein gleichzeitiger Verfall des Lebensniveaus einher, da die Bezüge der Richter trotz steigender Lebenshaltungskosten über Jahre hinweg gleich geblieben waren. Der Republikanische Richterbund versuchte jedoch auch in diesen Bereichen entgegenzuwirken, indem er eine Erhöhung der Beamtenbezüge und die Neuschaffung von Planstellen im Justizbereich forderte.

Dem programmatischen Aufruf zur Jahreswende 1921/22 folgten im Mai 1922 dann genauere Arbeitsrichtlinien des Republikanischen Richterbundes:

"Wenn diese geistige Umstellung des Richtertums auch nur das Ergebnis langer hingebungsvoller Arbeit sein kann, so erheischt doch die Not der Gegenwart und der Schutz der demokratischen Republik besonders aktuelle Maßnahmen. Nachstehend Einzelziele, deren Aufführung nicht erschöpfend sein will:

  1. Übernahme der gesamten Justiz durch das Reich
  2. Erhöhter Schutz der ideellen und sozialen Rechtsgüter (Ehre, Freiheit, Sittlichkeit, körperliche Unversehrtheit, Arbeitskraft). Schutz der republikanischen Einrichtungen und Beamten
  3. Bereitstellung von Staatsmitteln, um bedürftigen, begabten Anwärtern aus allen Volkskreisen den Zugang zum Richteramt zu ermöglichen.
  4. Zulassung der Frau zum Berufs- und Laienrichtertum.
  5. Befreiung der Gerichte des Volksstaates von den Resten obrigkeitsstaatlicher Gesinnung und obrigkeitsstaatlicher Verfassung.
  6. Sicherung der Unabhängigkeit der Richter.
  7. Innere Einstellung der Justizverwaltungen auf den Geist der Republik.
  8. Erziehung des richterlichen Nachwuchses im Geiste der sozialen Republik; innere Erneuerung der juristischen Vor- und Fortbildung und des Prüfungswesens.
  9. Entscheidende Mitwirkung von Laien in allen Straf- und Arbeitsgerichten. Wahl der Laienrichter aus allen Kreisen des Volks.
  10. Berufung des Angeklagten in allen Strafsachen.
  11. Reichsrechtliche Regelung des Strafvollzugs.
  12. Demokratisches Beamten- und Disziplinarrecht.".

Diese Arbeitsrichtlinien deckten als Reformprogramm den gesamten Bereich der Justiz ab. Um die eigenen Reformpositionen durchzusetzen, richtete man ständig Eingaben, Beschwerden und Vorschläge an die Regierungen des Landes.

Ein derartiges Engagement des Republikanischen Richterbundes stieß freilich vielerorts auf Ablehnung. So bezeichneten viele Kritiker die Arbeit des Bundes schlichtweg als Parteipolitik, woran auch der formale Ausschluß derselben durch die Satzung nichts ändern könne. Auch auf Seiten der Parteien rief die Gründung des Republikanischen Richterbundes nicht nur Zustimmung hervor. Wilhelm Kahl, DVP-Abgeordneter im Reichstag, erklärte: "Einem Richter, der die Verfassung nicht anerkennt, fehlt von vornherein eine der Grundvoraussetzungen für die Ausübung des richterlichen Amtes überhaupt. Ist aber und wäre die Meinung bei der Gründung [des Republikanischen Richterbundes] die, daß das grundsätzliche Bekenntnis zu einer bestimmten, hier zur republikanischen, Staatsform vom Richter erfordert werden muß, dann eben liegt eine unzulässige Verbindung von Politik und Richteramt vor, welche notwendigerweise die Autorität des Richteramts, die Autorität seines Urteils, im weiteren die Autorität des Rechts selbst erschüttern muß". Das Bekenntnis zur Republik stellte nach Meinung des DVP-Rechtsexperten Kahl also eine Untergrabung der Richterautorität dar - ja, sogar eine Politisierung des Amtes.

Mehr Verständnis für ihr Anliegen fanden die republikanischen Richter bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten, wo man die Gründung des Republikanischen Richterbundes begrüßte und dessen Mitglieder in ihrer Arbeit zu unterstützen versuchte.

Die republikanische Partei erreichte in der Gesamtbetrachtung allerdings nur sehr wenig. Das Programm des Republikanischen Richterbundes stieß bei der konservativen Gruppierung in den allermeisten Fällen auf herbe Ablehnung. "Die konservativen Richter empfanden die Gründung des ‘republikanischen’ Konkurrenzvereins als Unheil [...] Die Rechtspresse erfand das bösartige Wort vom ‘Beförderungsverein auf Gegenseitigkeit’ ".

Die gegenseitigen Fronten waren und blieben verhärtet. Besonders deutlich läßt sich dies an den Mitgliedszahlen des Republikanischen Richterbundes ablesen. So besaß dieser wohl zu keiner Zeit seiner Existenz mehr als 400 bis 600 Mitglieder. Dem standen jedoch rund 12000 Mitglieder des Deutschen Richterbundes und des Preußischen Richtervereins gegenüber. Robert Kuhn hierzu folgerichtig: "Von seiner Mitgliederzahl her war der Republikanische Richterbund, vor allem gemessen an den Mitgliederzahlen des Deutschen Richterbundes und des Preußischen Richtervereins, ohne Bedeutung".

An dieser relativen Bedeutungslosigkeit konnte die Gründung einer eigenen justizpolitischen Zeitschrift des Titels "Die Justiz" im Oktober 1925, gleichfalls nichts ändern. Noch einmal hieß es programmatisch ‘Was wir wollen’: "Die Gründung einer neuen Zeitschrift beruht auf dem Gedanken, daß das Vertrauen zur Rechtspflege in Deutschland in weiten Kreisen des Volkes erschüttert ist und es als eine Aufgabe von höchster Bedeutung angesehen werden muß, dieses Vertrauen wieder herzustellen [...] In einem republikanischen und demokratischen Deutschland kann auch die Rechtspflege nur demokratischen und republikanischen Geistes sein [...] Wir brauchen die Pflege des republikanischen Staatsgeistes, damit Staat und Recht wieder eins werden. Wir brauchen die Pflege der persönlichen und menschlichen Elemente in dem juristischen Betrieb, damit die Persönlichkeit des Juristen sich kläre, festige und bilde. Wir brauchen die Findung und Klärung der neuen Rechtsanschauungen und Rechtsformen, die unter und über dem heutigen Recht sich bilden, damit das Recht sich nicht isoliere und den neuen Kräften gegenüber, die der Zukunft entgegentreiben [...] Die neue Zeit will neue Juristen.".

‘Die Justiz’ war nicht als reine Fachpublikation angelegt, sondern dem Aufruf entsprechend für ein breites Publikum konzipiert. Deshalb beinhaltete die Zeitschrift oft leidenschaftliche Veröffentlichungen zu Prozessen, in welchen sich die Autoren mit der reaktionären republikfeindlichen Justizpraxis kritisch auseinandersetzten. Die Bedeutung der fachspezifischen Publikationen erreichte ‘Die Justiz’ freilich nie. Auch die derartig angelegte Aufklärungskampagne scheiterte.

Die republikanische Gruppe von Richtern stellte hiermit nur eine verschwindend kleine Minderheit ihren konservativen Kontrahenten gegenüber dar. Sie bekannten sich aber eindeutig zur republikanischen Staatsordnung und wirkten auf eine Erneuerung des Rechtsbewußtseins hin. Hierzu gründeten sie eine eigene Standesorganisation, den Republikanischen Richterbund, welcher in seiner Zielsetzung darüber hinaus auch eine Beeinflussung der konservativen Richter zugunsten der Republik vorsah. Trotz aller Bemühungen scheiterte die republikanische Partei jedoch in ihren Zielen.

 

2.2.3.3. Die Demokratisierung der Beamtenschaft

 

Die Übernahme der monarchistisch eingestellten Beamtenschaft in die Republik stellte sich im nachhinein als Fehler heraus. Im Justizbereich wirkte sich dieser jedoch noch gravierender aus, da den Richtern in der Weimarer Verfassung die Unabsetzbarkeit garantiert worden war. Es schien so, als müsse die Republik die anti-republikanischen Richter akzeptieren.

Vereinzelt wurde von Regierungsseite immerhin versucht, die Entscheidung vom November 1918 noch zu Gunsten der Republik zu korrigieren.

Eine Möglichkeit, konservative Elemente aus dem Justizapparat zu entfernen, bot ein Reichsgesetz vom 15. Dezember 1920, in dem erstmals eine Altersgrenze für alle Staatsbeamte festgelegt wurde. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings nur ein kleiner Teil der Richter erfaßt.

Der zweite Personalschub das Berufsbeamtentum betreffend, fand nach dem Kapp-Putsch statt. Im sogenannten Bielefelder Abkommen vom 23. März 1920 hatte sich die Regierung dazu verpflichtet, die Demokratisierung der Verwaltung beschleunigt voranzutreiben und all jene Beamten zu entfernen, die sich während des Staatsstreiches auf die Seite der Putschisten gestellt hatten. Philipp Scheidemann hatte noch am 18. März 1920 betont: " [...] Wir verlangen aber auch gründlichste Auskehr in den Zivilbehörden. Wer seiner monarchistischen Überzeugung wegen der Republik nicht loyal dienen kann, der mag gehen. [...]". Die Republik versagte jedoch erneut und hielt letztlich keines der an die Arbeiterschaft gegebenen Versprechen. Es scheint als fehlte besonders den Sozialdemokraten der Mut zur Durchsetzung einer wirklichen Reform und Reorganisation der Verwaltung. So blieben auch in diesem Fall die konservativen Richter in der Regel im Amt.

Nach Meinung von Heinrich Senfft verspielten die Sozialdemokraten schließlich ihre letzte Chance, als sie 1921 dem damaligen Justizminister Gustav Radbruch ihre Unterstützung verweigerten. Auf dem Görlitzer Parteitag der SPD 1921 hatte man noch eine von ihm erstellte Resolution zur Demokratisierung der Richterschaft gebilligt. Als es dann aber galt, diese Vorschläge in die Tat umzusetzen, versagte sowohl die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wie auch der Minister selbst.

In Fortführung der Politik seiner Vorgänger hielt der Republikaner Radbruch am konservativen Staatssekretär Dr. Curt Joel fest. Joel stellt das eigentlich kontinuierliche Element im Reichsjustizministerium dar. Von 1920 bis 1932 war er entweder als Staatssekretär oder gar als Justizminister an sämtlichen Entscheidungen des Hauses beteiligt. So gingen beinahe alle Berufungen in Spitzenpositionen der Justiz, also in das Reichsgericht oder die Reichsanwaltschaft, auf den Staatssekretär Joel zurück. Dabei war er mehr monarchistisch als republikanisch gesonnen, sympathisierte mit der DVP, deckte die Justiz gegen links und hatte einst die Mörder Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts begünstigt. Daß Sozialdemokraten an einem derartigen Staatssekretär festhielten, zeigt deren ganzes Versagen auf. Die Gefahr einer anti-republikanischen Justiz wurde zwar erkannt, zu Schritten gegen diese vermochte man sich jedoch nicht durchzuringen.

Die weitaus wichtigste und zugleich letzte Möglichkeit der Demokratisierung des Justizapparats bot sich der Republik im Jahre 1922. Nach den Morden an Walther Rathenau und Matthias Erzberger erließ der Reichstag ein "Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik". Hatte man sich bisher damit begnügt, daß der Beamte einen Eid auf die Verfassung ablegt, wurden ihm nun unmißverständlich Grenzen aufgezeigt.

Die entscheidenden Abschnitte lauteten:

"§ 3. Jeder Reichsbeamte ist auf die Reichsverfassung (Art. 176) und auf die gewissenhafte Erfüllung aller Obliegenheiten des ihm übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten. [...]

§ 10a. Der Reichsbeamte ist verpflichtet, in seiner amtlichen Tätigkeit für die verfassungsmäßige republikanische Staatsgewalt einzutreten.

Er hat alles zu unterlassen, was mit seiner Stellung als Beamter der Republik nicht zu vereinen ist. Insbesondere ist ihm untersagt:

  1. sein Amt oder die ihm kraft seiner amtlichen Stellung zugänglichen Einrichtungen für Bestrebungen zur Änderung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform zu mißbrauchen;
  2. bei Ausübung der Amtstätigkeit oder unter Mißbrauch seiner amtlichen Stellung über die verfassungsmäßige republikanische Staatsform, die Reichsflagge oder über die verfassungsmäßigen Regierungen des Reichs oder eines Landes zur Bekundung der Mißachtung Äußerungen zu tun, die geeignet sind, sie in der öffentlichen Meinung herabzusetzen; [...]

Dem Reichsbeamten ist weiterhin untersagt, in der Öffentlichkeit gehässig oder aufreizend die Bestrebungen zu fördern, die auf Wiederherstellung der Monarchie oder gegen den Bestand der Republik gerichtet sind, oder solche Bestrebungen durch Verleumdung, Beschimpfung oder Verächtlichmachung der Republik oder von Mitgliedern der im Amte befindlichen Regierung des Reichs oder eines Landes zu unterstützen.".

Dieses Gesetz erlaubte der Regierung, einerseits anti-republikanische Richter aus dem Justizapparat zu entfernen und andererseits durch Neubesetzung republikanisch gesonnene Beamte in Spitzenpositionen zu bringen. Über die Vereidigung auf die Verfassung hinaus wurden alle Beamten dazu verpflichtet, für die republikanische Staatsform einzutreten. Dies bedeutete aber nur scheinbar das Ende der, von den konservativen Richtern vertretenen, Zweiseelentheorie. Per Gesetz war ihnen nur untersagt worden, öffentlich gegen die Republik einzutreten. Die tatsächliche Gesinnung jedes einzelnen wurde auch jetzt nicht überprüft. Konnte man damit einem Beamten nicht die Mitgliedschaft in antirepublikanischen Vereinen und Parteien verbieten, so bot sich nun wenigstens eine disziplinarische Handhabe gegen antirepublikanische Äußerungen oder gar Verstöße im Dienst. Hans-Helmuth Knütter betont, daß hier jedoch erneut ein extrem liberales Verfassungsverständnis und eine restriktive Gesetzgebung aufeinander prallten.

Mit dem Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik war die Demokratisierung des Beamtenapparats abgeschlossen. Verschiedentlich wurde im Reichstag zwar noch auf Mißstände hingewiesen, die Zeit der großen Personalwechsel war damit aber abgeschlossen. Verändert hatten alle Maßnahmen letztlich nichts. Der Großteil der Beamten und insbesondere der Richterschaft stand weiterhin außerhalb der Republik. Die Stunde Null des Jahres 1918 war ungenutzt versäumt worden; die verpaßte Revolution ließ sich nicht mehr zu einem beliebigen Zeitpunkt nachholen. Knütter faßt abschließend zusammen: "Eine Demokratie mit einer politischen Kultur hätte sich durchaus ein in der Struktur nichtdemokratisches Berufsbeamtentum leisten können, wenn die einzelnen Beamten innerlich der Demokratie positiv gegenübergestanden hätte. Aber gerade diese Voraussetzung fehlte und ließ sich auch durch verschiedene Maßnahmen nicht herbeiführen".

Versucht man nun zum Abschluß, die parteipolitische Grundeinstellung der Weimarer Richter konkret festzumachen, stößt man unweigerlich auf eine Grenze. Dies liegt zum einen daran, daß ein Großteil der Richter sich ja nach wie vor über das ‘Parteiengezänk’ stellten, zum anderen waren ihnen gerade durch das ‘Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik’ sehr enge parteipolitische Grenzen auferlegt worden. Generalisierte Aussagen sind daher kaum möglich. Vielmehr müßte an dieser Stelle eine jeweils detaillierte Betrachtung des zu untersuchenden einzelnen Richters vorgenommen werden. Wolfgang Kuhn glaubt dennoch aussagen zu können, daß ein Großteil der Juristen - gemeint ist in diesem Fall aber nur die konservative Gruppe der Richter und Staatsanwälte - sich wohl der DNVP zugeneigt hätten. "Die Deutschnationalen waren überzeugte Monarchisten und - als Anhänger eines autoritativen politischen Stils - entschiedene Antidemokraten". Kuhn vergißt an dieser Stelle jedoch die DVP, welche, gleichfalls großbürgerlich geprägt, sicherlich eine politische Heimat für die konservative Richterschaft hätte darstellen können. Im weiteren Fortlauf ist für die Richter sicherlich auch die NSDAP als politische Heimat nicht uninteressant gewesen.

Die republikanische Richterschaft parteipolitisch einzuordnen, fiele noch ungemein schwerer. Hier muß man es bei der allgemeinen Wendung belassen, diese hätten wohl die eindeutig republikanisch-demokratischen Parteien, wie SPD, Zentrum oder DDP bevorzugt.

Die wirkliche Gesinnung der Richter zeigte sich im jeweiligen Einzelurteil, da die Praxis ihrer Rechtssprüche ihre republikfeindliche Einstellung ausdrückte. Weniger von direktem Haß als vielmehr von Trauer über die verlorene politische Sicherheit und eine schwindende Autorität des Gesetzes war das Verhältnis der Justiz zur Republik geprägt. Hilflos stand man den neuen politischen Verhältnissen gegenüber, vermochte diese nicht zu deuten und anzunehmen. Erst in der Konsolidierungsphase der Weimarer Republik etwa um 1926/27 schloß auch die Justiz ihren Frieden mit dem neuen Staat und begann schließlich diesen, innerlich zu bejahen.

 

 

2.2.4. Die zeitgenössische Justizkritik

 

In der Frühphase der Weimarer Republik erschütterte eine Serie von politisch motivierten Gewaltverbrechen das Land. Zumeist stellten die führenden Köpfe der Republik die Opfer dieser Verbrechen dar, doch auch weniger spektakuläre Fälle überfluteten das Land. Die Urheber waren bekannt. Freikorps, Wehrverbände und vaterländische Geheimbünde bildeten zum Beispiel ein Reservoir, aus denen die Attentäter hervorgingen.

Die Justiz versagte völlig. In vielen Fällen weigerten sich die Staatsanwälte schlichtweg Anklage zu erheben. In anderen saß man zwar zu Gericht, doch nahmen die Verfahren oft einen unbefriedigenden Ausgang. Der äußere Tathergang wurde geklärt, die Täter ließ man jedoch im Vorfeld der Prozesse entkommen, verurteilte sie zu unangemessen geringen Strafen oder sprach sie gar von jeder Schuld frei. Die hinter den jeweiligen Täter stehenden Anstifter, Gehilfen oder Mittäter wurden von der Justiz gedeckt. Bereits die Nennung ihrer Namen war innerhalb des Gerichtsaales ein Tabu. Das Versagen der Justiz in diesem Bereich ist allgegenwärtig gewesen.

Die Gründe die zu diesem Fehlverhalten der Justiz führten, liegen zum größten Teil in der konservativen Wertvorstellung der Richter und Staatsanwälte. Hinzu trat, nach Gotthard Jasper, die Forderung konservativer Kreise nach einem nationalen Wiederaufstieg. Die Justiz konnte sich schon aufgrund ihrer konservativen, monarchistischen Einstellung einem solchen Vorhaben nicht verschließen. In vielen Fällen deckte sie daher Verbrechen, welche in einem direkten oder indirekten Zusammenhang damit standen. Jasper erläutert aus der Bewußtseinshaltung die Konsequenzen für die Rechtsprechung: "Aus solcher Perspektive gewinnen zahlreiche Urteile zur politischen Justiz ihre innere Logik und Konsequenz. Vaterländische Gesinnung war wichtiger als Verfassungstreue. Im Interesse des Wiederaufstiegs zu nationaler Größe, den man sich nur militärisch vorstellen konnte, deckte die deutsche Justiz illegale Machenschaften der Reichswehr durch extensive Landesverratsverfahren und versuchte sie, politische Mörder bzw. deren Hintermänner aus dem Umkreis der Schwarzen Reichswehr zu schützen".

Daneben erklären sich von dieser Position aus die sehr harten Urteile gegen nach links gerichtete Bewegungen. Alle extremistischen Bewegungen, welche ein Erstarken des ‘Vaterlandes’ gefährdeten, mußten in logischer Konsequenz zu härtesten Strafen verurteilt werden; auch wenn dies indirekt im Ergebnis half, den damaligen republikanischen Staat zu konsolidieren. Gotthard Jasper betont, daß es daher für die Justiz sehr leicht war, festzustellen, daß die kommunistische Partei staatsfeindlich sei, während die NSDAP in der Regel von diesem Attribut verschont blieb. Erklärtes Ziel der KPD war und blieb es, die Republik zu stürzen und ein System nach Vorbild der Sowjetunion zu errichten. Dies konnte nach richterlicher Einstellung in keiner Hinsicht mit einem nationalen Wiederaufstieg in Einklang stehen. Monarchisten und Nationalsozialisten, welche offen für eine Revision Versailles und ein Abrechnen mit den ‘Novemberverbrechern’ eintraten, standen hier näher. Abschließend stellt Gotthard Jasper daher fest, daß sich mit einer solchen Argumentation perfekt die Einseitigkeit der Justiz legitimieren ließ.

Mittels dieser Vorgehensweise glaubte die konservative Richterschaft, ihre Pflicht für Volk und Vaterland zu erfüllen. Zu ihrer Enttäuschung fand aber gerade eine derart gelagerte Rechtsprechung nicht die erwartete Anerkennung in der Öffentlichkeit. Beschwerden und Demonstrationen von Kritikern empfanden die Richter und Staatsanwälte als Willkürakte und Diffamierungskampagnen gegen die eigene Person. Max Hirschberg schrieb 1925 in der ‘Justiz’: "Wenn nun viele Juristen ganz ehrlich glauben, nicht die vielen Fehlurteile, besonders in politischen Prozessen, sondern die öffentliche Kritik hieran untergrabe das Ansehen der Rechtspflege, so ist das nichts weiter als ein Ausläufer jener Auffassung von Autorität, die die wilhelminische Ära beherrschte. Damals war Opposition gleichbedeutend mit Staatsfeindschaft [...]".

Die negative Aktivität der Justiz verschaffte ihr schließlich ein breites Medienecho. Theo Rasehorn meint, daß die Justiz im Mittelpunkt des Meinungskampfes der Medien stand, wie dies weder vorher noch nachher der Fall gewesen ist. Die Neugierde der Medien bezog sich dabei vor allem auf Straftaten und Strafprozesse. Auch prominente Schriftsteller wie Arnold Zweig, Carl von Ossietzky, Erich Mühsam oder Kurt Tucholsky kritisierten die Justiz; Gerichtsreporter wie "Sling" genossen einen besonderen Ruf. Neben der ‘Justiz’, die als Zeitschrift des Republikanischen Richterbundes sich notwendigerweise mit der Rechtsprechung beschäftigte, wurde die Justizkritik fast ausschließlich in der links orientierten Presse geübt. "Neben Parteizeitungen wie dem sozialdemokratischen "Vorwärts" waren es vor allem die einflußreichen Berliner Verlagshäuser Ullstein - mit dem Blättern wie der "Vossischen Zeitung" und der "Berliner Morgenpost" - und Mosse - mit dem "8-Uhr-Abendblatt" und dem "Berliner Tagblatt" -, die den Kampf der ‘republikanischen’ Juristen publizistisch unterstützten". Von diesen Tageszeitungen abgesehen waren die beiden Wochenzeitschriften "Tagebuch" und "Weltbühne" wichtige Plattformen der Justizkritik.

Die Unausgeglichenheit der Rechtsprechung, die Skandale und Fehlurteile sind von der zeitgenössischen, links gerichteten, Justizkritik als "Klassenjustiz" bezeichnet worden. Unter diesem Begriff subsumierte man weiter die Herkunft und politische Einstellung der Richter. Jene lehnten eine solche Kritik als "systematische Diffamierungskampagne der linken Presse und der Revolverblätter" ab. Immer wieder forderten sie im Gegenzug Maßnahmen des Staates zum Schutz ihrer Ehre. Die Richter standen somit also nicht nur in einem inneren Konflikt mit der Verfassung im allgemeinen, sondern auch mit der Pressefreiheit im besonderen. Es fehlte ihnen jede Spur eines Verständnisses dafür, daß die Demokratie von der öffentlichen Meinung lebt.

Neben dieser Justizkritik in den öffentlichen Medien fanden schließlich leidenschaftliche Debatten in den Parlamenten statt, in welchen die Richter zum Streitobjekt wurden. Der Sozialdemokrat Gustav Radbruch trat hierbei als einer der heftigsten Kritiker hervor. Von seiner Zeit als Reichsjustizminister abgesehen - wo er, wie bereits dargestellt, persönlich scheiterte - warnte er immer vor der Einseitigkeit der Justiz. Hierzu nur ein kleiner Ausschnitt seiner Reden:

Neben Radbruch ist Hugo Sinzheimer, Mitherausgeber der ‘Justiz’, als wichtiger Kritiker zu nennen. In einem, am 16. Februar 1926 in der ‘Vossischen Zeitung’ erschienen, Artikel beschrieb er in blendender Manier die Justizkritik der Weimarer Republik:

"Nicht die sattsam bekannten Fehlgriffe unserer Justiz allein sind es, die das Maß an Unwillen hervorgerufen haben, das heute in weiten Kreisen gegen die deutsche Rechtsprechung besteht, Schuld daran trägt auch die Haltung, welche die Justiz bisher gegenüber ihren Kritikern eingenommen hat. Gekränkte Zurückweisungen der Vorwürfe, halbgewollte Blindheit gegen Mißstände, überlegene Gleichgültigkeit gegen den Tadel, jedenfalls Mangel jedes Willens, sich mit dem bedrohlich wachsenden Mißtrauen, das auch, wenn es unberechtigt wäre, ernstester Beachtung bedurfte, sachlich auseinanderzusetzen, das war bisher die Antwort auf alle Kritik. [...]

Wohlbegrenzte Klagen über ganz bestimmte Fehlsprüche und Gruppen von Fehlsprüchen, nämlich über die ‘politische Justiz’, werden zu Angriffen auf die redliche und entsagungsvolle Arbeit der gesamten Rechtsprechung umgedeutet, um dann ohne Eingehen auf den Ausgangspunkt der Kritik mit Entrüstung zurückgewiesen zu werden. Aus Vorwürfen gegen bestimmte Richter werden Verunglimpfungen des ganzen Richterstandes gemacht, und wiederum geht der kritikwürdige Einzelfall in der Empörung über den selbstkonstruierten Angriff lautlos unter. [...]

Wird die Kritik in einem Zeitpunkt geltend gemacht, in dem sie der Sache selbst noch nützen kann, so greift sie unzulässigerweise in ein schwebendes Verfahren ein. Wird aber die Kritik bis nach Eintritt der Rechtskraft verschoben, so beruft man sich auf die richterliche Unabhängigkeit, die dem Richter verbiete, sich vor Kritik zu verantworten. [...]

Kurz, am Ende steht als der einzig Schuldige beschämt da, wer den geringfügigen Fehlgriff (wenn einer vorliegen sollte) "aufgebauscht" und "breitgetreten" und die Öffentlichkeit damit ganz unberufener- und unnötigerweise beunruhigt hat. Der Justiz ist jede Kritik, wenn sie nur sachlich ist, hochwillkommen - in jedem Einzelfall aber ist sie erstens unmöglich und zweitens vom Übel. [...]

Ich sage nicht, daß in alledem eine bewußte Taktik liegt, es handelt sich um reflexmäßige Abwehrbewegungen gegen vermeintlichen Unbill, aber im Ergebnis ist diese Haltung schlechthin verhängnisvoll. Justiz und öffentliche Meinung werden sich voneinander mit rapid wachsender Verständnislosigkeit entfernen, wenn es nicht gelingt, sie zu einer Aussprache gewissermaßen an einen Tisch zu bringen [...]".

Doch auch die härteste Kritik an den Richtern zeigte keine Wirkung. Das ständige Auseinanderdriften von Anspruch und Realität in der Rechtsprechung, zeigte schließlich seine Auswirkung auf das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung. So kam ein Braunschweiger Oberlandesgerichtspräsident zur Überzeugung, daß "in weiten Kreisen des Volkes das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttert sei".

Justiz und Vertrauen in diese bedingen sich jedoch im rechtsstaatlichen System gegenseitig. Im Einzelfall eines Prozesses können zwar Differenzen auftreten, doch muß ein Grundkonsens gewahrt bleiben. Geht dieser verloren oder fehlt dieser gar, stehen die judikativen Institutionen außerhalb der Gesellschaft.

Die Weimarer Richter verfertigten aber in ständiger Manier mehr oder weniger krasse Fehlurteile. Urteile, denen zumindest die Masse der Bevölkerung nicht zustimmen konnte. Denn gerade die Arbeiterschaft und die daraus resultierenden linken Bewegungen wurden von den Richtern objektiv benachteiligt. Die Arbeiterschaft konnte daher nur äußerst selten die Neutralität der Richterschaft feststellen. Heinrich und Elisabeth Hannover halten daher fest: "Die Rechtsprechung blieb für die Arbeiterschaft ein Instrument des Klassenkampfes in den Händen von Vertretern einer Gesellschaftsschicht, die ihr Richteramt nach wie vor ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaftsschicht verdankten, nicht aber, wie es dem demokratischen Prinzip entsprochen hätte, die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit zu repräsentieren". Ein einheitliches Rechtsbewußtsein der Bevölkerung fehlte damit in der Weimarer Republik.

An dieser Stelle kann richtigerweise der Einwand erhoben werden, Recht wäre zu Weimarer Zeit nicht nur von Berufsrichtern gesprochen worden, sondern Schöffen, Geschworene und Laienrichter seinen gleichfalls daran beteiligt gewesen. Durch einen Kunstgriff gelang es der Justiz allerdings, auch in diesem Bereich eine weitgehende Homogenität herzustellen: Schöffen und Geschworenen wurden einfach weitgehend aus den gehobenen Ständen rekrutiert. Eindrucksvoll wird dies durch eine Untersuchung belegt, welche für ein ostpreußisches Schwurgericht unternommen wurde. Als Geschworene finden sich dort im einzelnen:

10 Rittergutsbesitzer

1 Rittergutspächter

4 Gutsbesitzer

1 Mühlenbesitzer

1 Fabrikbesitzer

1 Administrator

1 Majoratsbesitzer

1 Stadtgutsbesitzer

1 Oberinspektor

5 Besitzer

2 Kaufleute

1 Stellmachermeister

In Prozessen konnte die Arbeiterschaft und die linken Bewegungen also mit keiner Unterstützung, mit keiner objektiven Bewertung des dargelegten Sachverhaltes rechnen.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das Handeln der Richter keineswegs widerspruchslos hingenommen wurde. Sowohl in den Medien, wie Parlamenten wurde lautstark Kritik geäußert. Letztlich hat auch diese Vorgehensweise keine Änderung der Verhältnisse herbeigeführt, und so blieb das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung erschüttert.

 

2.3. Die institutionelle Seite der Rechtsprechung

 

2.3.1. Die spezifischen Strafgesetze in politischen Prozessen

 

Der Übergang vom Kaiserreich zur Republik vollzog sich nicht nur auf personeller Seite, sondern beinhaltete gleichfalls eine gesetzliche bzw. institutionelle Komponente.

Wie bereits dargestellt, beließen die neuen Machthaber die kaiserlichen Richter in Amt und Würden. Das zur Ausführung richterlicher Tätigkeit notwendige Gesetzeswerk wurde gleichfalls aus wilhelminischer Zeit übernommen. Im strafrechtlichen Bereich beinhaltete dies, daß auch weiterhin das 1. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 in der Fassung vom 26. Februar 1876 Geltung besaß.

In der Frühphase der Weimarer Republik überströmte eine Flut politischer Attentate das Land. Die zur Verurteilung dieser Gewalttäter notwendigen Normen, fanden sich zumeist unter den Bestimmungen über Tötungs- bzw. Körperverletzungsdelikte.

Neben diesen durchaus gängigen Delikten sind jedoch insbesondere die Strafrechtsnormen von Interesse, welche sich der Staat zu seinem eigenen Schutz gegeben hatte. Die Hoch- und Landesverratsbestimmungen des kaiserlichen Strafgesetzbuches gaben den Justizbehörden die rechtlichen Mittel gegen politische Straftäter in die Hand. In den Paragraphen 87 bis 92 StGB wurde ein weites Spektrum politisch motivierter Gewalttaten abgedeckt, so zum Beispiel der eigentliche Hochverrat, Spionage, militärischer Landesverrat, diplomatischer Landesverrat und schließlich der sogenannte literarische Hochverrat. Diese Normen wurden unverändert aus dem Kaiserreich übernommen. Da mit dem Zusammenbruch der alten Staatsordnung deren strafrechtlicher Schutz seinen Sinn verloren hatte, strich man hingegen jene Bestimmungen aus dem Gesetz, die den Monarchen in seiner Eigenschaft als Träger der Reichs- und Staatsgewalt schützten. So etwa die Vorschriften über Majestätsbeleidigung oder spezielle Hochverratsbestimmungen.

Nicht nur in der ersten Phase der Weimarer Republik waren damit genügend strafrechtliche Sicherungen vorhanden, um gegen eine eventuelle Gefährdung der Demokratie vorgehen zu können. Die rigorose Anwendung des übernommenen Strafrechts gegen links gerichtete Tätergruppen - wie in den Prozessen gegen Räterepublikaner - beweist, daß das vorhandene Instrumentarium durchaus wirkungsvoll eingesetzt werden konnte. Die antidemokratische Grundhaltung der meisten Richter führte allerdings dazu, daß diese institutionellen Sicherungen nicht funktionierten. Das Beispiel des Gerichtsverfahrens zum Kapp-Putsch belegt deutlich, wie die Richter die Gesetzesnormen umgingen und zu Gunsten der rechten Putschisten auslegten. In diesen Fehlurteilen schlug sich die Tatsache nieder, daß die Weimarer Republik eine Demokratie ohne Demokraten war. Die monarchistisch gesonnenen Richter versagten der Republik einen möglichen Schutz nach rechts.

Als Folge dieser Tendenz in der Rechtsprechung und den fortdauernden politischen Verbrechen, veröffentlichte die Reichsregierung unmittelbar nach dem Attentat an Matthias Erzberger einen Aufruf. Reichskanzler Josef Wirth appellierte am 27. August 1921:

 

An das deutsche Volk!

Schon seit geraumer Zeit erfüllt es die Reichsregierung mit Besorgnis, daß die öffentlichen Sitten in Deutschland immer mehr in Verfall geraten und die Grundlagen von Reich und Staat zu erschüttern drohen. [...]

Die Not des Vaterlandes macht es zur doppelten Pflicht, mit harter Hand diesem Treiben teils gewissenloser, teils verblendeter Elemente entgegenzutreten. [...]

In dieser Lage des Vaterlandes die Verfassung und die Gesetze anzutasten oder verächtlich zu machen, heißt eine zweite, in Wahrheit erst vernichtende Niederlage und damit den Zerfall des Reiches vorbereiten.

Die Reichsregierung ist deshalb entschlossen, das zu tun, was die Zeitumstände und die Provokation der Gegner der Verfassung gebieterisch erheischen. [...]

Die Reichsregierung hofft und ist überzeugt, daß alle rechtlich denkenden und zum Wiederaufbau des Vaterlandes willigen Deutschen hinter sie treten und mit ihr zum Schutze der Verfassung und der Gesetze zusammenwirken.

Sie wird mit unerbittlicher Strenge gegen jede Auflehnung vorgehen und fordert alle Organe des Reiches und der Länder auf, in völliger Unparteilichkeit und ohne alles Ansehen der Person der Verordnung rücksichtslos Geltung zu verschaffen.

Die Reichsregierung: Dr. Wirth

 

In der Folgezeit ergingen zwei Verordnungen des Reichspräsidenten, gestützt auf Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung. Die Verordnungen vom 29. August bzw. 28. September 1921 sahen Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit vor. Durch die beiden gesetzlichen Maßnahmen konnte die politische Gewaltaktivität jedoch nicht eingedämmt werden. Der Aufruf des Reichskanzlers mit der Aufforderung an die Behörden unparteiisch vorzugehen, verhallte in den Ohren der Richter ebenfalls ungehört.

Am 24. Juni 1922 folgte in der Reihe der die Republik erschütternden Attentate der Mord an Walther Rathenau.

Die Reichsregierung unter Führung des Reichskanzlers Wirth schien diesmal zu energischem Durchgreifen bereit, wie ein Aufruf noch vom gleichen Tag ahnen läßt:

"Der Mord an dem Reichsminister Dr. Rathenau hat die schweren Gefahren enthüllt, denen Deutschland durch innerpolitische Gärungen ausgesetzt ist. Die Mahnung, den Zwist der Parteien und den Streit über Vergangenes ruhen zu lassen und alle Kräfte der Nation dem Aufbau und der Rettung des Vaterlandes zu weihen, ist ungehört verhallt. Ruchlose und nichtswürdige Verhetzung, die sich gegen die Staatsform richtet und ihre Diener für vogelfrei erklärt, treibt immer mehr unklare und politisch verblendete Köpfe zu Mordversuchen und Mord. Ein Netz von Verschwörungen droht den inneren Frieden und die Grundlagen einer Erneuerung zu zerstören. Der Mord an Rathenau war nur ein Glied in der Kette wohlvorbereiteter Anschläge auf die Republik. Zuerst sollten die Führer der Republik selbst fallen. In der Verteidigung gegen solche verbrecherischen Anschläge muß Durchgreifendes geschehen. Dem wachsenden Terror und Nihilismus, der sich vielfach unter dem Deckmantel nationaler Gesinnung verbirgt, darf nicht mehr mit Nachsicht begegnet werden. Die Republik ist in Gefahr. [...] Das Reichskabinett [...] erkennt [...], daß Gefahr im Verzug ist. Das Kabinett hat daher dem Reichspräsidenten empfohlen, von seiner verfassungsmäßigen Befugnis Gebrauch zu machen und durch Verordnung den Schutz des Staates und der Republik und das Leben der durch politische Mordorganisationen bedrohten Vertreter des Staats zu sichern. Die Reichsregierung wird für die strengste Durchführung dieser Verordnung Sorge tragen und sofort die Vorbereitungen treffen, durch gesetzliche Vorschriften der moralischen und politischen Zersetzung entgegenzuwirken, die die Grundlagen des Staates aufs schwerste bedrohen. Die Reichsregierung [...] erwartet [...], daß das deutsche Volk sich hinter die Bemühungen der Regierung stellen wird, und richtet daher an die Beamtenschaft und an die Arbeiter aller Parteien und an das ganze freiheitliche Bürgertum die ernste und dringliche Mahnung, zum Schutze des Staates in Not und Gefahr zusammenzustehen.".

Die Reichsregierung war demnach entschlossen, mit gesetzlichen Maßnahmen gegen die Feinde der Republik vorzugehen. Zwei Tage nach dem Mordanschlag, erließ der Reichspräsident am 26. Juni 1922 eine Verordnung zum Schutz der Republik. In dieser wurden unter anderem Geld- und Gefängnisstrafen für die Verherrlichung von Gewalttaten gegen die republikanische Staatsform oder für Verleumdungen und Beschimpfungen von Mitgliedern einer republikanischen Regierung angedroht. Eine ergänzende zweite Verordnung wurde am 29. Juni 1922 verkündet, wobei künftig demjenigen im Höchstfall die Todesstrafe drohte, der an einer Versammlung teilnahm, zu deren Zielen die Beseitigung von Mitgliedern einer republikanischen Regierung gehörte.

Die Regierung war sich durchaus bewußt, welches politische Lager die Republik in ihrer Existenz bedrohte. In Laufe der Reichstagsdebatten um beide Verordnungen prägte Reichskanzler Wirth am 25. Juni den berühmt gewordenen Satz: "Da steht [nach rechts] der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. - Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!".

Die beiden Republikschutzverordnungen mündeten schließlich in das "Erste Gesetz zum Schutz der Republik" vom 21. Juli 1922 ein. Mit verfassungsändernder Mehrheit - 303 gegen 120 Stimmen - wurde das Gesetz von den Parteien der Mitte, wie Zentrum, DDP, SPD, aber auch der USPD angenommen. Dagegen votierten die Fraktion der DNVP, einige Abgeordnete der DVP, BVP und der Bayerische Bauernbund.

Mit dem ‘Gesetz zum Schutz der Republik’ entschloß sich die Reichsregierung nun endlich zu einem verstärkten Schutz der neuen Staatsordnung. In insgesamt 27 Paragraphen sah es Strafbestimmungen zum Schutz der Republik vor: darunter die Teilnahme an Geheimverbindungen; die Vorbereitung des politischen Mordes; Beschimpfungen von Regierungsmitgliedern, Institutionen oder Symbolen der Republik; Vereinigungen und Versammlungen konnten verboten, Druckschriften beschlagnahmt und Mitgliedern vormals landesherrlicher Familien der Aufenthalt im Deutschen Reich untersagt werden. Die Geltungsdauer war zunächst auf fünf Jahre begrenzt.

Mit dem Republikschutzgesetz kam aber auch das Mißtrauen der Reichsregierung gegen die bisherige Praxis der Gerichte zum Ausdruck. In den Paragraphen 12 und 13 wurde ein für Vergehen im Rahmen des Republikschutzgesetzes zuständiges Sondergericht, der ‘Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik’ errichtet.

Nach der Ermordung Rathenaus hatte vor allem die politische Linke auf ein scharfes Vorgehen gegen die rechtsgerichteten Feinde der Republik gedrängt. Von gleicher Seite wurden im Anschluß an die Beratung und der Verabschiedung des Gesetzeswerkes jedoch Bedenken laut. Man befürchtete die Bestimmungen könnten auch gegen Sympathisanten aus den eigenen Reihen angewandt werden. Dem trat Reichsjustizminister Dr. Gustav Radbruch am 25. Juli entgegen. Im Reichstag gab er eine Erklärung ab, wonach die Republikschutzverordnung allein gegen den Rechtsradikalismus gerichtet sei. "Die Verordnung des Reichspräsidenten ist aus einer Notlage erwachsen, die durch Ausschreitungen und Kundgebungen rechtsradikaler Kreise entstanden ist. [Sehr wahr! Links] Irgendwelcher Anlaß zu Befürchtungen linksradikaler Ausschreitungen liegen nicht vor. [Lachen bei den Deutschnationalen] Eine Verordnung, die sich auf bisher gar nicht vorliegende linksradikale Ausschreitungen mit erstrecken würde, würde mit dem Geiste des Art. 48 der Reichsverfassung nicht in Einklang stehen, die eine bereits vorliegende erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung fordert. Besorgnisse der Arbeiterschaft, daß auch diese Verordnung zwar gegen den Rechtsradikalismus gerichtet sei, aber nachher nach links angewendet würde, sind völlig unbegründet. [Widerspruch und Zurufe auf der äußersten Linken] Die Fassung ‘Gewalttaten gegen die republikanische Staatsform’ ist nach eingehender Prüfung gewählt worden, um klarzustellen, daß rechtsradikale Gewalttaten gemeint sind. [Bravo! Links und in der Mitte]".

Durch diese Erklärung erhielt das Republikschutzgesetz eine eindeutige Frontstellung gegen die rechten Gruppierungen, denn im Paragraphen 7 Ziffer 4 des Gesetzes war in der Tat die republikanische Staatsform festgeschrieben und unter Schutz gestellt worden. Der Schutz anderer republikanischer Staatsformen wie etwa der Räterepublik war aber hierdurch von Beginn an ausgeschlossen.

Dennoch bestätigten sich in den Folgejahren die frühen Befürchtungen der linken Kritiker. Der Staatsgerichtshof wandte - wie noch zu zeigen sein wird - die Bestimmungen des Republikschutzgesetzes vornehmlich gegen Kommunisten an.

Um das ‘Gesetz zum Schutze der Republik’ entbrannte der zweite Konflikt zwischen dem Land Bayern und dem Deutschen Reich. Bayern, das von 1921 bis 1933 ununterbrochen von Rechtsregierungen beherrscht wurde, weigerte sich, das Republikschutzgesetz umzusetzen. Einen Tag nach seiner Inkraftsetzung hob die bayrische Regierung das Reichsgesetz durch eine ‘Verordnung des bayerischen Gesamtministeriums zum Schutze der Verfassung der Republik’ gestützt auf Artikel 48 Absatz 4 Reichsverfassung wieder auf. Zwar übernahm man in dieser Verordnung die Strafbestimmungen des Republikschutzgesetzes, beseitigte jedoch alle Zuständigkeiten des Reichsgerichts zugunsten der bayerischen Volksgerichte oder des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Der bayerische Ministerpräsident Graf Lerchenfeld begründete vor dem Landtag seinen Affront der Reichsregierung gegenüber mit der Stimmung in der bayerischen Bevölkerung und der Befürchtung einer Aushöhlung des Föderalismus:

"1. Die Ausdehnung des Schutzes auf die früheren republikanischen Regierungen und deren Mitglieder erscheint als entbehrlich. Sie könnte gerade in Bayern zu Strafverfolgungen führen, die dem allgemeinen Volksempfinden auf das schärfste widersprächen [...]

4. Die Vorschriften über den Staatsgerichtshof sind ein schwerer Eingriff in die von der Reichsverfassung garantierte Justiz- und Polizeihoheit der Länder [...]".

Die Rechtsgültigkeit der bayerischen Verordnung bleibt trotz der Berufung auf Artikel 48 aber zu bezweifeln, da Artikel 13 Weimarer Verfassung ausdrücklich den Vorrang des Reichs- vor dem Landesrecht bestätigte. Wie aus einer Erklärung der Regierung Wirth hervorgeht, nahm auch das Reich diese Position ein: "[...] Zum erstenmal seit der Gründung des Reiches ist damit der Zustand eingetreten, daß eine Landesregierung einem verfassungsmäßig zustande gekommenen Reichsgesetz für ihr Gebiet die Geltung verweigert.

Nach der einstimmigen Auffassung der Reichsregierung ist die Verordnung der bayerischen Regierung verfassungswidrig und ungültig. Kein Satz der Reichsverfassung gibt einem Lande das Recht, das Inkrafttreten eines Reichsgesetzes deshalb zu verhindern, weil es bei einem Teil der Bevölkerung auf Widerspruch stößt. Würde man den Ländern diese Befugnis zugestehen, so würde dies das Ende der deutschen Reichseinheit bedeuten [...]".

Reichspräsident Ebert, der sich in dieser Lage zum "Hüter der Reichsverfassung" bestellt sah, drohte Bayern zwar mit der Reichsexekution nach Artikel 48 Absatz 1, de facto geschah aber nichts. Vielmehr regte Ebert eine diplomatische Lösung des Problems an. Der Vorschlag wurde von der bayerischen Regierung auch aufgenommen, so daß man sich schließlich im Berliner Protokoll vom 11. August einigen konnte. Dem Kern der Sache nach erhielt Bayern in diesem Protokoll schließlich Recht zugesprochen und trotzte dem Reich diverse Zugeständnisse ab. So heißt es in der beiderseitigen Erklärung unter anderem:

"I. Für die Abgabe von Untersuchungen an die örtlichen Staatsanwaltschaften und für die Stellung von Anträgen auf Verweisung zum ordentlichen Verfahren [...] wird der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß zur Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof nur solche Sachen geeignet sind, daß ihre Entscheidung durch einen höchsten Gerichtshof des Reichs angemessen erscheint. [...]

II. Bei der Inanspruchnahme polizeilicher Tätigkeit in einem Lande wird sich der Oberreichsanwalt der polizeilichen Behörden dieses Landes bedienen. [...]

III. Bei der Auswahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs wird jede Einseitigkeit vermieden werden. Die Auswahl wird in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Eignung zur richterlichen Tätigkeit erfolgen. [...] Die besonderen Interessen der Länder werden bei der Auswahl berücksichtigt werden. Es werden mehrere Senate gebildet und Besetzung und Geschäftsverteilung unter dem Gesichtspunkt des örtlichen Ursprungs der Sache aus den Ländern geregelt".

Bayern hob schließlich seine eigene Notverordnung auf und setzte das demgemäß geänderte Reichsschutzgesetz wieder in Kraft. Der Konflikt zwischen Bayern und dem Reich war damit nach außen beendet, im Inneren wurde dieser aber weitergeführt, denn der Republikschutz endete nach Unterzeichnung des Berliner Protokolls künftig an den bayerischen Grenzen. Die Behörden des Landes hatten die alleinige, volle und freie Verfügungsgewalt bei der Umsetzung der Bestimmungen des Republikschutzgesetzes. Ein Eingreifen von außen wäre nur noch durch den Reichspräsidenten mittels der Reichsexekution nach Artikel 48 möglich gewesen. Da dieses aber fern jedweder Realität lag, blieb Bayern weiterhin ein sicherer Hort für rechtsradikale Republikfeinde. Der Verfassungsschutz gegenüber diesen Personen war für die Landesbehörden kaum mehr als eine lästige Pflichtübung. Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, hatten die Reichsregierung und die Sozialdemokraten erneut gegenüber den rechten Kräften, den Feinden der Republik, nachgegeben.

Als wirkliche Ursache der politischen Justiz der Weimarer Republik lassen sich letztlich aber kaum mangelnde Gesetze ausmachen. Zwar wurde das Strafgesetzbuch des Kaiserreichs in die Republik übernommen, doch bot dieses in seinem Kern Gewähr für einen adäquaten Schutz des Staates. Erst die Nichtanwendung oder Fehlinterpretation dieser Bestimmungen durch die Richter förderte geradezu die politisch motivierten Gewaltanwendungen. Über verschiedene Zwischenstationen versuchte die Reichsregierung in den Jahren 1921/22 daher den Republikschutz weiter auszubauen. Eine, zu den herkömmlichen Strafgesetzen hinzutretende, institutionelle Sicherung bildete das ‘Gesetz zum Schutz der Republik’. Gedanklich richtete sich dies vor allem gegen die rechtsradikalen Täter. Die Richterschaft hegte jedoch gegen ein solches Gesetz Bedenken, so daß es am neu geschaffenen ‘Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik’ erneut zu einer einseitigen Auslegung der Gesetzesnormen kam. Einer solchen Beurteilung schließt sich zugleich Dirk Blasius an: "Der Mord an Walther Rathenau leitete 1922 den denkwürdigen Versuch der Weimarer Republik ein, ihre demokratische Bauform mit den Mitteln des Rechts und in den Formen des Rechts zu verteidigen. Wenn dieser Versuch letztlich erfolglos blieb, lag das nicht an dem eingeschlagenen rechtsstaatlichen Weg. Vielmehr wurde der repressive Republikschutz zu häufig von Beamten durchgeführt, die keine innere Bindung an die Republik hatten und unfähig und auch nicht willens waren, sich aus den Gesinnungstraditionen des alten Obrigkeitsstaates zu lösen".

 

 

2.3.2. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik

 

Mit dem Republikschutzgesetz hatte sich der Weimarer Staat gleichzeitig ein Sondergericht für politische Prozesse geschaffen. Abseits der üblichen Gerichte nahm mit Wirkung vom 21. Juli 1922 der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik seine Arbeit auf.

Der Staatsgerichtshof sollte als Sondergericht ausschließlich für Hochverratsprozesse und für die Anwendung des neu geschaffenen Republikschutzgesetzes, welches ein verschärftes politisches Strafrecht gebracht hatte, zuständig sein. Unter der Überschrift "II. Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik", wird in den Paragraphen 12 und 13 Republikschutzgesetz sowohl das Tätigkeitsfeld, als auch der Aufbau dieses Gerichtes klar beschrieben:

"§ 12. Bei dem Reichsgerichte wird ein Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik errichtet.

Der Gerichtshof entscheidet in einer Besetzung von neun Mitgliedern. Drei von ihnen sind Mitglieder des Reichsgerichts. Die übrigen sechs brauchen nicht die Fähigkeit zum Richteramte zu haben. [...] Die Mitglieder werden vom Reichspräsidenten für die Dauer der Geltung dieses Gesetzes ernannt. [...]

Anklagebehörde ist die Reichsanwaltschaft. [...] Gegen die Entscheidungen des Staatsgerichtshofes finden Rechtsmittel nicht statt.

§ 13. Der Staatsgerichtshof ist zuständig für die in den §§ 1 bis 8 dieses Gesetzes bezeichneten Handlungen, gleichgültig, ob sie nach diesem Gesetz oder anderen Gesetzen strafbar sind, für Hochverrat sowie für Tötung und Tötungsversuch, begangen gegen Mitglieder einer früheren republikanischen Regierung. Soweit diese Taten ausschließlich gegen die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform eines Landes, die Mitglieder einer im Amt befindlichen oder einer früheren republikanischen Regierung eines Landes oder gegen Landesfarben gerichtet sind, ist die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs nur begründet, wenn die Landesregierung oder der Verletzte bei dem Oberreichsanwalte vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Einleitung oder Übernahme des Verfahrens beantragt.

Der Staatsgerichtshof ist ferner zuständig für Handlungen, die mit den nach Abs. 1 zu seiner Zuständigkeit gehörenden Handlungen im tatsächlichen Zusammenhange stehen. [...]

Diese Vorschriften sind auch anzuwenden auf die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen".

Neben der eindeutig auf politische Strafsachen begrenzten Tätigkeit des Gerichtes, fällt als wichtigstes Merkmal die spezifische Besetzung des Gerichtshofes ins Auge.

Die Besonderheit bestand darin, daß von seinen Richtern nur drei Mitglieder des Reichsgerichts waren, die verbleibenden sechs hingegen Laienbeisitzer, welche zur Ausübung ihrer Tätigkeit nicht notwendigerweise die beiden juristischen Staatsprüfungen abgelegt haben mußten. Die Reichsregierung brachte mit dieser Entscheidung zur Verstärkung des Laienelements deutlich ihr Mißtrauen gegenüber den Berufsrichtern zum Ausdruck. Man hoffte, auf diese Weise endlich demokratisch gesinnte Staatsbürger in ein Richteramt von zentraler Bedeutung zu bekommen. Reichsjustizminister Gustav Radbruch führte hierzu aus: "Wir möchten den Staatsgerichtshof auf die breiteste Basis des Volksvertrauens setzen. Die breiteste Basis wäre es, wenn man die Volksrichter des Staatsgerichtshofs durch unmittelbare Volkswahl bestimmen wollte. Aber das ist eine technische Unmöglichkeit, und deshalb bleibt nur übrig, sie von der Persönlichkeit bestimmen zu lassen, deren Stellung begründet ist in dem Vertrauen des ganzen Volks, und das ist eben der Reichspräsident". Die Person des Reichspräsidenten bot aber leider keine Gewähr dafür, daß seine Auswahl nur auf solche Staatsbürger traf, die einen neuen Geist in den Staatsgerichtshof einziehen lassen würden. Schließlich verließ man sich doch wieder auf den Juristenverstand. In der Praxis wurden nämlich mit Vorliebe pensionierte Richter zu Mitgliedern des Staatsgerichtshofes ernannt. Pensionierte Richter, die ihre im kaiserlichen Obrigkeitsstaat erlernte Schulweisheit in das höchste, zum Schutze der Republik bestimmte Gericht einbrachten. Zu Laienrichtern wurden hingegen vorwiegend aktive Politiker, mit deutlichem Akzent auf Vertretern der Arbeiterschaft, aus den Reihen der verfassungstreuen Parteien berufen. Hierunter findet man durchaus auch die Namen prominenter Vertreter wie beispielsweise Julius Curtius (DVP), Konstantin Fehrenbach (Zentrum) oder Hermann Müller (SPD).

Schon in den Debatten zum Republikschutzgesetz war es zu scharfen Auseinandersetzungen um die Schaffung des Staatsgerichtshofs gekommen. Wie Klaus Petersen betont, war es von Beginn an klar, daß der Staat sich hier aufgrund der verliehenen Kompetenzen, eine entscheidende Instanz zur Verteidigung der Staatsform schuf. Der DDP-Abgeordnete Eduard Hamm ahnte die zukünftige Rolle des Staatsgerichtshofs voraus: "Zu diesem [...] Gericht werden Rufe erregter Volksstimmen auf schuldig oder nichtschuldig branden. Zu diesem Gerichtshof wird der Kampfruf: um Bürgerfreiheit und Staatsnotwehr dringen". Der Staatsgerichtshof und damit das Gesetz zum Schutze der Republik wurden in der Praxis im Endeffekt genau zu dem, was die Linke befürchtet hatte: einem neuen Instrument zur Bekämpfung des Kommunismus. Die rechten Republikfeinde wurden auch von diesem Gericht in einseitiger Rechtsauslegung geschont. Abschließend dazu Dirk Blasius: "Nur in der Anfangsphase des Republikschutzgesetzes vermochte der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik mutige Grenzziehungen gegenüber der rechten Gefahr vorzunehmen".

In dieser Anfangsphase wurde der Republikschutz in der Tat vor allem gegen Rechts angewandt. Die Anwendung der Paragraphen 1 und 8 Republikschutzgesetz waren für die deutsch-völkischen Organisationen und Wehrverbände besonders unangenehm. Beide Vorschriften lauteten:

§ 1. Wer an einer Vereinigung oder Verabredung teilnimmt, zu deren Bestrebungen es gehört, Mitglieder einer republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.

Ist in Verfolgung dieser Bestrebungen eine Tötung begangen oder versucht worden, so wird jeder, der zur Zeit der Tat an der Vereinigung oder Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.

§ 8. Mit Gefängnis bis zu fünf Jahren, neben dem auf Geldstrafe bis zu einer Million Mark erkannt werden kann, wird bestraft,

  1. wer öffentlich oder in einer Versammlung die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes beschimpft oder dadurch herabwürdigt, daß er Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes beschimpft oder verleumdet;
  2. wer öffentlich oder in einer Versammlung die Reichs- oder Landesfarben beschimpft;
  3. wer von dem Vorhandensein eines bis dahin verheimlichten Waffenlagers Kenntnis hat und es unterläßt, hiervon der Behörde unverzüglich Kenntnis zu geben [...].

Die in den Bestimmungen genannten Deliktstatbestände traten gerade und vor allem auf rechter Seite auf. Beschimpfungen der Staatsform mit Bezeichnungen wie "Judenrepublik" oder Beschimpfungen der Landesfarben wie "Schwarz-Rot-Hühnereigelb" waren neben den echten Gewaltdelikten an der Tagesordnung. Der Staatsgerichtshof konnte sich aber nur kurze Zeit zu einer Bestrafung derartiger Vergehen durchringen.

Bestätigt wurde vom Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hingegen ein Verbot des preußischen Innenministers Severing vom 15. November 1922 die NSDAP betreffend. Dieser hatte, unter Berufung auf das Republikschutzgesetz, die NSDAP mit sofortiger Wirkung für in Preußen aufgelöst und verboten erklärt. Natürlich erhob die Partei dagegen Einspruch vor dem hierfür zuständigen Staatsgerichtshof. Dieser bestätigte jedoch die ergangene Maßnahme am 15. März 1923. In der Urteilsbegründung heißt es:

"Die von der NSDAP entfaltete Tätigkeit hat sich seit längerer Zeit in Formen abgespielt, die mit der Republikschutzgesetzgebung nicht in Einklang zu bringen sind. Aus dem [...] beigebrachten äußerst reichhaltigen Material hat der Staatsgerichtshof die volle Überzeugung gewonnen, daß die Partei Bestrebungen der in §§ 7 Ziffer 4 und 8 Ziffer 1 des Gesetzes vom 21. Juli 1922 gekennzeichneten Art verfolgt und daß in ihr fortgesetzt dahingehende Erörterungen gepflogen werden. Diese Überzeugung stützt sich auf die vielfachen Kundgebungen der Hauptführer der Partei, insbesondere Hitlers selbst als ihres ersten Vorsitzenden und geistigen Hauptes, sodann auf Aufsätze, die in dem eigenen Parteiorgan, dem ‘Völkischen Beobachter’, abgedruckt sind und auf Flugblätter der Partei sowie auf eine Anzahl behördlicher Berichte. [...]

Auch handelt es sich [...] nicht bloß um gelegentliche republikfeindliche Erörterungen, sondern um planmäßiges, systematisches Vorgehen, also um Bestrebungen der Partei, die auf eine Verächtlichmachung, eine Beschimpfung der Republik geradezu abzielen. Bei der Stellung, welche die Partei dem Judentum gegenüber einnimmt, ist auch die Gleichsetzung der deutschen Republik mit ‘Judenherrschaft’ nicht anders als eine Beschimpfung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform des Reiches aufzufassen. [...]

Aus alle dem geht hervor, daß die NSDAP [...] wie kaum eine andere Partei dazu fähig ist, den von ihr aufgestellten Forderungen nicht bloß mit Worten, sondern gegebenenfalls auch durch Tat Nachdruck zu verleihen.

Es war deshalb weiter zu prüfen, ob das gesamte bisherige Verhalten der Partei die Annahme rechtfertigt, daß sie auch gewillt ist, zur Erreichung ihrer Ziele nötigenfalls Gewalt anzuwenden. Diese Frage mußte bejaht werden. [...]

Die Partei arbeitet augenscheinlich auf die Errichtung einer nationalen Diktatur hin und erblickt in den Sturmabteilungen die geeignete Waffe, um den ihr von der anderen Seite drohenden Widerstand zu brechen. [...]

Steht sonach fest, daß die NSDAP nach ihrem bisherigen Auftreten als eine staatsfeindliche Verbindung anzusprechen ist, so unterliegt es ferner keinem Zweifel, daß sie insofern darauf ausgeht, die verfassungsmäßige republikanische Staatsform des Reiches zu untergraben, als sie durch Entrechtung der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens die Gleichstellung aller Deutschen vor dem Gesetz [...] sowie durch Beseitigung der Volksvertretung in ihrer gegenwärtigen Form des Parlamentarismus [...] zwei Grundpfeiler der demokratischen Republik umzustürzen sucht. Die Anwendung des § 7 Ziffer 4 des Schutzgesetzes auf die NSDAP scheint daher gerechtfertigt".

Das Urteil erstaunt und erschreckt zugleich. In einem Urteil des Jahres 1923 werden kommende Ereignisse der deutschen Geschichte in bestürzender Klarheit und Reinheit vorweggenommen. Die konservativen Reichsrichter beachteten in diesem Falle die rechtsstaatlichen Prinzipien und wendeten das Gesetz seinem Wortlaut entsprechend an. Ein wirksamer Schutz der Republik durch den Staatsgerichtshof lag also durchaus im möglichen. Voraussetzung war und blieb dafür jedoch ein inneres Bekenntnis der Richter zur Republik.

Im konkreten Fall des NSDAP-Verbots scheiterte die vollständige Umsetzung jedoch nicht an der Justiz, sondern vielmehr an den Exekutivorganen. Das Land Bayern widersetzte sich dem Republikschutz und ließ der NSDAP weiter freien Lauf. Erst nach dem Hitler-Putsch vom 8./9. November 1923 - damit also beinahe acht Monate nach dem Verbot auf Reichsebene - zog der bayerische Generalstaatskommisar von Kahr aus den Vorkommnissen die Konsequenzen und verbot die NSDAP auch in Bayern.

Den bei verfassungsgemäßer Anwendung per Gesetz möglichen Republikschutz beweisen die in Preußen ausgesprochenen Vereingungsverbote. Neunzehn konservative und rechtsradikale Gruppierungen wurden verboten, wobei diese Verbote vom Staatsgerichtshof zum Teil bestätigt, in zwei Fällen von diesem allerdings wieder aufgehoben wurden.

Bei allen noch aufzuzeigenden Mängeln der Judikatur in Prozessen vor dem Staatsgerichtshof, kann damit bereits an dieser Stelle nicht mehr von einer generellen Nutzlosigkeit desselben und des hiermit verknüpften Republikschutzgesetzes gesprochen werden. Seine Bestimmung zur Abwehr verfassungsfeindlicher Umtriebe und republikfeindlicher Propaganda waren, zunächst jedenfalls, erfolgreich. Die Möglichkeit des Einschreitens sowohl gegen antirepublikanische Gruppierungen, als auch gegen Hetze und radikale Agitation in der Öffentlichkeit war gegeben. Daß diese frühen, nach rechts gewandten, Urteile aber letztlich oft nicht umgesetzt wurden, lag an den ausführenden Ländern, in denen der Republikschutz jeweils unterschiedlich gehandhabt wurde.

Die genannten Maßnahmen bildeten allerdings nur ein kleine, wenngleich hervorzuhebende Episode in der Geschichte des Staatsgerichtshofes. Wie von der Arbeiterschaft einst befürchtet, beschäftigte sich das Gericht in der Folgezeit vor allem mit linken Gruppierungen.

In Parallelität zu den rechtsradikalen Organisationen wurde auch der politischen Linken, insbesondere den Kommunisten, in den Jahren nach 1922 ein ganz spezifischer Tatbestand des Republikschutzgesetzes zum Verhängnis. Paragraph 7 Ziffer 4 bestimmte: "Mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren wird, soweit nicht andere Vorschriften eine schwere Strafe androhen, bestraft: 4. wer an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (128, 129 des Strafgesetzbuchs), die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt, oder sie oder im Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld unterstützt".

In Idealkonkurrenz nahm der Staatsgerichtshof bei Prozessen gegen Mitglieder der Kommunistischen Partei zudem einen Verstoß gegen die Hochverratsbestimmungen des Strafgesetzbuches an. Entsprechend der Konkurrenzenlehre verhängte der Staatsgerichtshof jedoch in der Regel die Strafe nach dem Republikschutzgesetz, da dieses die wesentlich höhere Strafe androhte. So wurden die kommunistischen Angeklagten nicht wie die Rechtsputschisten als politische Überzeugungstäter zu Festung, sondern meist mit Zuchthaus oder Gefängnis bestraft.

Zusätzlich entwickelten die Richter des Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik jedoch eine weitergehende juristische Konstruktion, nach der sich praktisch alle Mitglieder der Kommunistischen Partei eines Vergehens des Hochverrats schuldig machten.

Nach herrschender Lehrmeinung mußte ein hochverräterisches Unternehmen hinreichend nach Zeit und Ort bestimmt sein. Der relativ unbestimmte Tatbestand des § 86 StGB erlaubte es dem Gericht in extensiver Auslegung, die Verbreitung des revolutionären Programms der Kommunisten, auch ohne Verbindung mit einer konkreten Tat, als Vorbereitung zum Hochverrat zu ahnden. Der Staatsgerichtshof glaubte, das Angriffsobjekt der Kommunisten in der Weimarer Verfassung zu erkennen. Das Ziel schien in der Errichtung einer Diktatur des Proletariats eindeutig festgelegt. Ebenso der Ort, welcher nur die größeren Städte sein konnten. Und schließlich auch die Mittel. Der Einsatz der in der Partei geschulten proletarischen Massen war für ihn gleichfalls umrissen; genauso wie die Zeit nicht mehr in nebelhafter Ferne liegen könne, da ja, nach dem vermeintlichen Willen der Funktionäre, die nächstbeste Gelegenheit zum revolutionären Umsturz ergriffen werden sollte.

An dieser Stelle zeigte nun also der beschriebene berufsständische Emanzipationsprozeß seine Auswirkungen. Die Richter wendeten das Gesetz nicht mehr nur seinem exakten Wortlaut gemäß an, sondern entwickelten aus eigenem Antrieb eine feingeschliffene Begriffsjurisprudenz, um sich der ursprünglichen Intention des demokratischen Gesetzgebers entziehen zu können.

In den meisten gegen Kommunisten ergangenen Urteilen findet sich daher folgende Erklärung:

"Die Kommunistische Partei Deutschlands verfolgt, wie dem Gerichtshof aus zahlreichen Strafprozessen bekannt [...] ist, das Ziel, mit allen Mitteln, auch mit den Waffen in der Hand, einen gewaltsamen Umsturz der deutschen Reichsverfassung herbeizuführen und die Arbeiter- und Bauernräteregierung, die Diktatur des Proletariats, zu errichten. Sie [...] ist gewillt, dieses Ziel zu einer, wenn auch erst nach den Umständen zu bestimmenden, doch nahe bevorstehenden Zeit zu verwirklichen. Zur Vorbereitung dieses Ziels und seiner gewaltsamen Durchführung hat sie eine umfassende Organisation geschaffen, die keineswegs ausschließlich zur Abwehr etwaiger von rechtsradikaler Seite drohender Angriffe dienen, vielmehr, wenn ein solcher Angriff auch den willkommenen Anlaß zum Losschlagen geben würde, doch weit über die Verteidigung hinaus den Umsturz der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung auf gewaltsamen Wege vorbereiten soll [...]".

Nach einer derartigen Begründung diente die Parteimitgliedschaft als Indiz und endlich ebenso als Beweis für umstürzlerische Absichten des Einzelnen. Aufgrund dieser extensiven Interpretation des § 86 StGB, durch die jedes Bekenntnis zur kommunistischen Ideologie als Hochverrat strafbar wurde, verurteilte man schließlich kommunistische Funktionäre, Parteimitglieder, aber auch Flugblattverteiler, Buchhändler und Schriftsetzer. Berühmt wurde der Fall eines Rezitators, der in einer kommunistischen Versammlung revolutionäre Gedichte vorgetragen hatte und verurteilt wurde, weil er damit den Geist des Umsturzes belebt habe. In diese Linie gehört auch die Konstruktion des sogenannten literarischen Hochverrats, durch den zahlreiche kommunistische Redakteure ins Gefängnis kamen. Paul Levi entgegnete in einer Reichstagsrede am 22. Februar 1927 zu dieser eigenartigen Rechtsauslegung des Gerichtshofs: "Ich erwarte nur die Zeit, wo ein Kommunist wegen Hochverrats ins Zuchthaus kommt, weil er Kinder gezeugt hat mit dem Gedanken, dadurch der Roten Armee neue Soldaten zu geben".

Zwischen dieser Praxis des Staatsgerichtshofs und dem politischen Alltag der Weimarer Republik klaffte jedoch ein schier unüberbrückbarer Widerspruch. Nach einem zeitweiligen Verbot im Winter 1923/24 war die KPD ja als legale Partei anerkannt. Sie beteiligte sich an Wahlen und hatte Sitz und Stimme in den gesetzgebenden Körperschaften auf Kommunal-, Länder- und Reichsebene. Von aktiven Putschvorbereitungen konnte seit 1924 nicht mehr die Rede sein. Es mußte daher zu unhaltbaren Zuständen führen, wenn die Zugehörigkeit zu und die Betätigung für eine offiziell zugelassene Partei dennoch strafbar war. Doppelt unhaltbar wurde der Zustand dadurch, daß der Staatsgerichtshof die eigentlichen Führer, der, nach seiner Meinung ungesetzlichen KPD, jedoch nicht fassen konnte, da diese sich durchwegs im Schutz der parlamentarischen Immunität befanden. Nur die kleinen ausführenden Organe, Zettelankleber, Redner und Provinzredakteure, sind verurteilt worden. Da solche Urteile aber keine Einzelfälle blieben, sondern geradezu - wie noch zu zeigen sein wird - nach Schablone gefällt wurden, rief diese Praxis, nach der nicht tatsächliche Handlungen sondern vielmehr die Gesinnung pönalisiert wurde, heftige Kritik hervor.

Zumal man sich nicht zu gleicher Schärfe nach Rechts entschließen konnte, bestanden die nun laut geäußerten Vorwürfe einer einseitigen Rechtsfindung des Staatsgerichtshofs im großen und ganzen zu Recht. Die Kritik konzentrierte sich schließlich auf die Person des ersten Vorsitzenden Alexander Niedner. 1924 vom Reichspräsidenten Ebert ins Amt berufen, Mitglied des Republikanischen Richterbundes, galt er eigentlich als Jurist mit einer fortschrittlichen Gesinnung. In den Prozessen legte er jedoch schon bald einen aggressiven Antikommunismus an den Tag. Die unter seiner Regie ergangenen Fehlurteile des Staatsgerichtshof sind in der Folgezeit auch als "Niedner-Justiz" bezeichnet worden; er selbst erhielt den Titel "Blut-Niedner".

Ein besonders drastisches Beispiel für die Handlungsweise der Weimarer Richter in politischen Prozessen gegen Kommunisten bildet der unter Niedners Leitung geführte sogenannte Tscheka-Prozeß vor dem Staatsgerichtshof. In dieser Verhandlung agierte der Vorsitzende in einer Art und Weise, als gäbe es die Vorschriften der Strafprozeßordnung für ihn nicht. Neben einer fortdauernden Beleidigung der Angeklagten, sind die Verteidiger derselben in ihrer Arbeit erheblich behindert worden. Anträge, Beweismittel und Zeugen wurden vom Vorsitzenden - entgegen der Strafprozeßordnung - als "ungeignet" oder "unerheblich" zurückgewiesen. Die verhängnisvolle Durchbrechung rechtsstaatlicher Prinzipien gipfelte schließlich darin, daß Niedner die Verteidiger selbst, da Mitglieder der KPD, als potentielle Hochverräter beschimpfte und durch Polizei aus dem Gerichtsaal entfernen ließ. Übereinstimmend bezeichnen das Ehepaar Hannover und Heinrich Senfft, die in diesem Prozeß an den Tag gelegten Methoden denn auch folgerichtig als "Vorübungen des Freislerschen Volksgerichtshofes".

Politische Prozesse vor dem Staatsgerichtshof verkamen so zu politischen Sensationen und unwürdigen Schauspielen. Dem Kampf gegen den Kommunismus wurde das Rechtsbewußtsein untergeordnet. Ein Couplet von Erich Weinert aus dem Jahre 1925 nimmt die Vorgänge des Tscheka-Prozesses ironisch auf :

 

Ein Schauer weht, korrekt und schnarzig

von Hinterpommern bis zur Pfalz:

Der Gott der Deutschen offenbart sich

in Form des höchsten Staatsanwalts.

Ob Fels und Eiche splittern,

ihn kann nichts mehr erschüttern.

 

Hier gelten höhere Paragraphen

man harrt des nationalen Winks -

Er trennt die Böcke von den Schafen,

die Schafe rechts, die Böcke links.

Die linken Rechtsvertreter

sind nichts als Volksverräter.

 

Verdammt die Böcke, welche bocken!

Wer links verteidigt, ist ein Schwein.

Die Schafe jubeln und frohlocken

als lieben Gottes Kinderlein.

Nun muß sich alles wenden

mit Herzen, Mund und Händen!

 

Die kommunistische Reichstagsfraktion zog aus den Vorgängen des Tscheka-Prozesses die Konsequenz. Man beantragte den Vorsitzenden Richter des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik, Alexander Niedner, den obersten Hüter von Recht und Ordnung, wegen fortgesetzter bewußter Rechtsbeugung anzuklagen und zu entfernen.

Desgleichen ist von den bürgerlichen Parteien immer wieder Protest gegen die einseitige Urteilsfindung und Prozeßführung am Staatsgerichtshof erhoben worden. Die rechten Gruppierungen und insbesondere die NSDAP lehnten den Staatsgerichtshof generell ab. Da sich das Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeit auch mit rechten Gewalttätern zu beschäftigen hatte, bezeichneten sie diesen - trotz aller Milde in den Urteilen gegen die eigenen Parteigänger - als "Leipziger Revolutionstribunal", als "Leipziger Tscheka" und als "Staatsgerichtshof zum Schutze der Vorrechte des Judentums". Die anhaltende Asymmetrie in der politischen Justiz bewog schließlich auch die Sozialdemokraten vom Staatsgerichtshof abzurücken. Am 9. Januar 1925 stellte die SPD fest: "Ein Staatsgerichtshof [...] in dem gerade die Kreise vertreten sind, gegen die das Gesetz [...] sich richtete, ist nicht in der Lage, die ihm gestellten Aufgaben zum Schutz der Republik zu erfüllen". Der Staatsgerichtshof konnte sich in seiner Tätigkeit damit der mißgünstigen Beobachtung von vielen Seiten sicher sein.

Als sich alle Parteien in ihren Erwartungen eines wirksamen Republikschutzes enttäuscht sahen, verabschiedeten sie im Reichstag debattelos am 31. März 1926 ein Gesetz, durch welches die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs zunächst eingeschränkt und am 2. Juni 1927 dieser schließlich völlig aufgelöst wurde. Für Hochverratsdelikte war nun der vierte Strafsenat des Reichsgerichts zuständig, was allerdings an der Rechtspraxis nichts änderte, da die Richter des Staatsgerichtshofs in diesen Senat versetzt wurden. Klaus Petersen hält fest, daß die Linksparteien hierin einen Beweis für die Kontinuität der am Staatsgerichtshof beanstandeten Gesinnungsjustiz sahen.

Das Republikschutzgesetz selbst, 1927 um zwei Jahre verlängert, hatte dann noch bis zum 23. Juli 1929 Bestand.

Dirk Blasius faßt die Arbeit des Staatsgerichtshofs und die effektive Wirksamkeit des Republikschutzgesetzes in zwei knappen Sätzen zusammen: "Ohne den Staatsgerichtshof blieben die Waffen des Republikschutzgesetzes stumpf. Seine Bestimmungen konnten der Republik nur soweit Schutz gewähren, wie die Bereitschaft der Justiz zum Republikschutz reichte". Insbesondere das Urteil des Staatsgerichtshof zum NSDAP-Verbot zeigt und beweist, daß bei objektiver Rechtsfindung ein Republikschutz möglich gewesen wäre. Sowohl die Gesetze, wie auch die Institutionen waren vorhanden, um gegen linke wie rechte Extremisten gleichermaßen vorgehen zu können. Die konservative Richterelite vermochte sich jedoch nicht auf Dauer von ihrer inneren Einstellung zu lösen. Die Republikschutzmaßnahmen wurden von den Richtern daher in eigentümlicher Weise pervertieret und zu Lasten der linken Bestrebungen ausgelegt. Die derartig angelegten Bestimmungen zur Sicherung der demokratischen Grundordnung scheiterten hierdurch und wurden von den Parteien übereinstimmend zurückgenommen.

 

2.4. Die Haltung der Parteien zur Weimarer Justiz

 

2.4.1. Die justizpolitischen Grundhaltungen

 

Die Beziehungen zwischen der Republik von Weimar und ihrer Richterschaft lassen sich als eine gegenseitige Vertrauenskrise umschreiben. Die Haltung der Bevölkerung zur Justiz war widersprüchlich. Das Meinungsspektrum reichte von respektvoller Achtung bis zu tiefgründigem Haß.

Innerhalb der politischen Parteien findet sich ein ähnliches Bild. Die konkreten justizpolitischen Vorstellungen könnte man zum Teil auch aus den jeweiligen Parteiprogrammen rückschließen. Eine diesbezügliche umfassende Bearbeitung der Quellen liegt aber noch nicht vor. Das Verhältnis der Parteien zur politischen Justiz kann daher nur aufgrund von Aussagen einzelner Politiker zu konkreten Prozessen oder der generellen politischen Grundhaltung betrachtet werden. Die daraus gefolgerten Verallgemeinerungen gilt es in der Zukunft noch weiter zu verifizieren.

Die sozialdemokratische Partei bildete neben dem Zentrum eine der zwei großen staatstragenden Parteien. In der Zeit des Übergangs hatten die herausragenden Führer die Weichen für die künftige Justizpolitik von Weimar gestellt. Die Übernahme der kaiserlichen Justiz im Rahmen der allgemeinen Ordnungspolitik erwies sich jedoch innerhalb kürzester Zeit als dramatischer Irrtum. Von sozialdemokratischer Seite aus wurden daher auch bald immer wieder schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben.

Mit Gustav Radbruch wußte die SPD einen der profiliertesten Justizkritiker in ihren Parlamentsreihen. Das unterschiedliche Vorgehen der Justiz gegen Straftäter von links und rechts wurde von ihm, wie bereits mehrfach dargestellt, heftig kritisiert. Als Radbruch das Amt des Reichsjustizministers übernahm, betrachtete er es folglich als seine Aufgabe, die Richterschaft in republikanische Bahnen zu lenken und das tiefe Mißtrauen der Arbeiterschaft in die Rechtspflege abbauen zu helfen. Er wollte "den Kriegszustand zwischen Justiz und Volk" beenden, hatte die Wiederherstellung des Vertrauens zur Justiz zu seiner Hauptaufgabe erhoben.

In zahlreichen Parlamentsdebatten hatte die Sozialdemokratie die republikfeindliche Gesinnung der Richter, sowie die Herkunft der überwiegenden Mehrzahl der Justizbeamten aus den sozial und wirtschaftlich höher gestellten Schichten, beklagt. Der Abgeordnete Hauschild registrierte zum Beispiel, daß die besten Gesetze und Verordnungen Halbheiten bleiben müßten, solange diejenigen, die diese Gesetze ausführten und handhabten, nicht den Geist derselben erkannten. Ein zumindest in den leitenden Stellen umfassender Personalwechsel schien für den Sozialdemokraten Radbruch daher das geeignete Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele. So schlug er auf einem Parteitag in Görlitz 1921 einzelne Maßnahmen vor, um einen solchen zu vollziehen. Hierunter fanden sich unter anderem eine verstärkte Überprüfung der tatsächlichen Gesinnung der Beamten, eine strengere Auslese des Richternachwuchses, eine Verstärkung des Laienelements in der Rechtsprechung und eine weiterführende Umgestaltung des Rechtssystems. Aufgrund der im kaiserlichen Reich für Juristen geltenden Ausbildungsrichtlinien, hatten die Sozialdemokraten andererseits nur sehr wenige hervorragende Juristen in ihrer Partei. Sachkundiges Personal für die Rechtsprechung blieb innerhalb der SPD eine Mangelware. Hinzu trat wohl noch ein gewisser Respekt vor dem doch vorhandenen Fachwissen der Richter, denn zu einem größeren Personalschub kam es unter Justizminister Radbruch letztlich nicht. Mangelnder Mut und nicht vorhandene Entschlossenheit der eigenen Parteifreunde führten zu seinem Scheitern als Minister. Gleichwohl in sozialdemokratischen Reihen nicht von einer generellen Abkehr vom Berufsbeamtentum gesprochen wurde, sah man sich derartigen Vorwürfen ausgesetzt. Insbesondere der Deutsche Richterbund versuchte, nach Darstellung von Ralph Angermund, die SPD rechtspolitisch zu diskreditieren.

Die Spannung zwischen Regierungsverantwortung und Opposition, zwischen Erneuerung und Bewahrung einer in ihrem Kern unangetasteten Justiz, prägte schließlich das Verhältnis der Mehrheitssozialdemokraten zur Rechtsprechung. Die Kritik an der politischen Justiz wurde allerdings von Seiten der SPD unverändert aufrecht erhalten.

Auch die Deutschen Demokraten klagten über die Einseitigkeit zahlreicher Urteile. Die Ursache der politischen Justiz glaubten sie in der Herkunft und Einstellung der Richter zur Republik zu erkennen. "Aus dieser innerlichen Fremdheit heraus, sind sich die zahlreichen Fälle von merkwürdigen Richtersprüchen erklären". Die Zweiseelentheorie lehnten die DDP-Abgeordneten scharf ab. So erklärte der Abgeordnete Berndt, der Staat begehe Selbstmord, wenn er sich den Männern anvertraue, die den Staat innerlich ablehnten. Eine rigorose Veränderung des Justizpersonals stand deshalb für diese Fraktion an oberster Stelle ihrer justizpolitischen Forderungen.

Ihre wichtigste Stütze besaß die Justiz in den Parteien der bürgerlichen Mitte. Zentrum, Bayerische Volkspartei und Deutsche Volkspartei waren von 1919 bis 1930 in unterschiedlichen Konstellationen an der Kabinettsbildung beteiligt und brachten dort ihren Einfluß zum Tragen.

Klaus Petersen betont hierzu ausdrücklich, daß in keiner der drei Parteien an der grundsätzlichen Verfassungstreue und Unparteilichkeit der deutschen Richterschaft gezweifelt wurde. Allerdings erkannte man eine "bedauerliche Abschließung weiter [...] juristischer Kreise" von der Bevölkerung an. Einer detaillierten Betrachtung des Verhaltens der Richter wich man jedoch in der Regel aus. Petersen erklärt dies aus der Tatsache, daß bei diesen Parteien in der Rechtsprechung der Grund- und Eckpfeiler von Sicherheit und Ordnung gesehen wurde. Jeder Eingriff von außen mußte zwangsläufig als eine Gefährdung derselben erscheinen. Folglich galt es die Justiz in ihrer Wirkungsweise nicht zu verändern. Aus diesem Grunde zogen sich Zentrum, BVP und DVP auf die Position zurück, Ansehen und Akzeptanz der Richter innerhalb der Bevölkerung zu stärken. Nach Meinung des DVP-Rechtsexperten Wilhelm Kahl war alles zu vermeiden, was geeignet schien, das Ansehen der Richter zu schwächen. Eine Reform des Personalkörpers wurde nach dieser Meinung deshalb überflüssig.

Allgemein nahm die Deutsche Volkspartei die Richter am stärksten gegen Kritik in Schutz. Wurden Rufe nach einem eindeutigen Bekenntnis der Beamten zur republikanischen Staatsform laut, traten regelmäßig DVP-Abgeordnete hervor, welche in unterschiedlichen Worten jeweils dieselbe Aussage machten: der Beamte diene "dem Staat als solchen" oder "dem höheren Staatsbegriff, der über der Verfassung stehe", er schulde der Verfassung zwar den nötigen Respekt, aber keine innere Zuneigung. Somit bekannte sich die DVP zu der von der konservativen Richterschaft praktizierten Zweiseelentheorie und stellte sich auf die Seite dieser Richter. Die Forderung nach einer Demokratisierung der Beamtenschaft lehnten die Parteien der bürgerlichen Mitte immer wieder ab. Dabei berief man sich auf die schon bekannten Artikel 102 und 130 der Reichsverfassung.

Zentrum, BVP und DVP bildeten somit die eigentliche parlamentarische Konstituente in der politischen Justiz.

Im Gegensatz zu den doch als gemäßigt zu wertenden Meinungen der bisher dargestellten Parteien, brachte man der Justiz an den Rändern des politischen Spektrums meist nur abgrundtiefen Haß entgegen.

Die Kommunistische Partei Deutschlands stand der Republik und ihren Institutionen generell ablehnend gegenüber, da man sich von der Justiz als besonders verfolgt ansah. Regelmäßig wurde dem Reichstag umfangreiches statistisches Zahlenmaterial vorgelegt, um die Ungerechtigkeit der Rechtsprechung zu beweisen. So bezeichneten die Kommunisten die einseitige Rechtsprechung gegen linke Straftäter mit dem Schlagwort der "Klassenjustiz". Ein Beispiel für den tiefen Haß, welchen man empfand, demonstriert eine Aussage des kommunistischen Abgeordneten und Vorsitzenden des Rechtsausschusses Iwan Katz vom 29. August 1924: "Arbeiter steht auf! Eure Brüder in den Gefängnissen rufen! Schlagt das Bollwerk des kapitalistischen Staates nieder! Brecht die Gefängnisse! Kämpft! Kämpft, bis die Macht der Kapitalisten auch in Deutschland zusammengebrochen ist! Sorgt, daß der Tag nahe ist, wo wir selber unsere Gefangenen herausholen und diejenigen in die Kerker werfen, die jetzt die Richter sind. Es kommt der Tag, wo wir uns rächen! Da werden wir die Richter sein!".

Den bürgerlichen Regierungen wurde von kommunistischer Seite aus wiederholt vorgeworfen, im Justizbereich versagt zu haben. Neben der revolutionären Linie der Partei verfolgte man aber auch einen direkten parlamentarischen Kurs zur Verbesserung der herrschenden Verhältnisse. Nach Aussage von Klaus Petersen versuchte sich die kommunistische Reichstagsfraktion durch Anfragen, Interpellationen und Gesetzentwürfen, aktiv an der Justizpolitik zu beteiligen und in dieser Weise gleichzeitig die Rechtsprechung zum Vorteil der eigenen Anhänger zu manipulieren. Da die KPD aber zu keinem Zeitpunkt an einer Weimarer Regierung beteiligt war, blieben ihre Erfolge in diesem Bereich nur sehr beschränkt. Man war auf das Wohlwollen der staatstragenden Parteien der bürgerlichen Mitte bei der Durchsetzung von Vorschlägen angewiesen.

Die rechtsextremen Parteien DNVP und NSDAP versuchten die Justiz mit ähnlichen Mitteln wie die Kommunisten anzugreifen und zu ihren Gunsten zu manipulieren. Die Deutschnationalen traten hierbei für eine Aufrechterhaltung des Status quo auch in der Rechtsprechung ein und wehrten sich heftig gegen jede Bestrebung zur Demokratisierung der Beamtenschaft. Mit dem Anwachsen der Bedeutung der NSDAP verschob sich die Justizkritik noch weiter in das rechtsextreme Lager hinein.

Das Republikschutzgesetz bildete für die Partei über Jahre hinweg den Hauptagitationspunkt ihrer Kritik. In den Reden Adolf Hitlers fällt allerdings die geringe Zahl von Äußerungen auf, in denen er sich direkt mit der Justiz auseinandersetzt. "Selbst das Urteil von 1924 wegen seines Putschversuches in München verleitete ihn nicht zur Justizkritik". In seinem programmatischen Buch "Mein Kampf" beschäftigt er sich nur in einem einzigen Satz mit der Rechtsprechung. Diese auffallende Zurückhaltung läßt sich nur durch die Tatsache erklären, daß man die konservativen Richter nicht durch übermäßig harte Kritik verschrecken wollte. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung erkannten die Nationalsozialisten an und bezeichneten die Tätigkeit der Gerichte generell als unpolitisch.

Die einzige echte justizpolitische Forderung der NSDAP findet sich im Parteiprogramm des Jahres 1920. Im Punkt 19 heißt es: "Wir fordern Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein deutsches Gemeinrecht". Das römische Recht wurde von den Nationalsozialisten auch als "römisch-jüdisches" Recht bezeichnet, welches dem sogenannten "deutschen Volksgeist" widerspräche. An die Stelle des römischen Rechts wollten sie also ein deutsches Volksrecht setzen. Genaue Ausführungen über das Aussehen einer solchen Volksgerichtsbarkeit fehlen zu diesem Zeitpunkt aber noch in der Parteiprogrammatik.

Deutlich äußerte man sich von Seiten der NSDAP jedoch hinsichtlich der Zusammensetzung der Beamtenschaft. Wolfgang Runge stellt hierbei klar, daß die Nationalsozialisten zu jedem Zeitpunkt vom Grundsatz ausgingen, nur Personen "deutschen Blutes" dürften ein öffentliches Amt bekleiden. Daher erhob die Partei den Vorwurf einer ‘Verjudung der Justiz’ und verlangte eine "reinrassige Richterschaft". Aufgrund der vielfach antisemitischen Grundhaltung der konservativen Richter, fanden diese Äußerungen in deren Reihen durchaus Anklang.

NSDAP und DNVP besaßen aber alles in allem kein echtes justizpolitisches Konzept. Man verlegte sich darauf, die Justiz und ihre Rechtsprechung in Einzelfällen zu kritisieren, nahm gleichzeitig jedoch die Richter gegen Kritik von linker Seite in Schutz, um sich so das Wohlwollen der konservativen Richterelite auch weiterhin sichern zu können.

Zusammenfassend läßt sich damit feststellen, daß die antidemokratischen und antirepublikanischen Kräfte von links und rechts die Rechtspflege durchgehend danach beurteilten, ob sie ihnen nützte oder nicht. Die bürgerlichen Parteien der Mitte hingegen waren bestrebt, die Justiz vor solch parteipolitischen Mißbrauch zu schützen.

 

 

 

2.4.2. Justizreform und Amnestiegesetzgebung

 

Eine solche Polarisierung der Parteien verhinderte indes nicht nur eine personelle Erneuerung der Justiz, sondern auch eine institutionelle. Während der Weimarer Republik galt, wenngleich mit Änderungen versehen, noch immer das von 1876 stammende alte Strafgesetzbuch des Kaiserreichs. Ebenso blieb die überkommene Gerichtsverfassung in Kraft. Wollte man dem Problem der politischen Justiz aber nicht nur auf dem Wege der Sondergesetzgebung des Republikschutzgesetzes begegnen, galt es auch die verbleibenden strafrechtlichen Bestimmungen mit demokratischen Mitteln zu reformieren. Es bedurfte einer Anpassung der Strafrechtsnormen an die Verfassung, sowie an die neuen, veränderten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Klaus Petersen bestätigt, daß sich zu Beginn der Weimarer Republik alle Parteien über die Notwendigkeit einer allgemeinen Justizreform einig waren. Darüber hinaus räumt er aber ein, daß die Zielvorstellungen der einzelnen Parteien dabei jedoch wohl heftig differierten.

Damit mußten also schon zu Beginn der Debatte über eine solche Neufassung der Strafgesetze die Zielsetzungen geklärt werden. Utopische Forderungen waren von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr galt es das realistische Maß an Veränderungen zu finden, um zu einem parlamentarischen Konsens zu gelangen. Eine völlige Reform des Strafrechts konnte daher im Laufe der zwanziger Jahre nicht verwirklicht werden. Einfachere Fragestellungen, wie beispielsweise im Jugendstrafbereich, wurden dagegen sehr schnell zur Zufriedenheit gelöst.

Einen Hauptkritikpunkt der politischen Prozesse bildeten die Strafmaße. Todesstrafe und langjährige Freiheitsstrafen wurden regelmäßig in derartigen Gerichtsverfahren gegen die Täter verhängt. Vor allem die Linksparteien, deren Anhänger zumeist von derartigen Strafmaßen betroffen waren, setzten sich für eine Abschaffung der Todesstrafe ein, konnten diese aber letztlich nicht durchsetzen.

1925 konnten sich die Parteien dann endlich auf einen ersten Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches einigen und 1927 auch dem Reichstag zur Beratung zu leiten. Zur Ausfertigung des Gesetzes kam es freilich nicht mehr. Die Weimarer Republik war bereits von ihren Feinden eingeholt worden. Klaus Petersen hält hierzu fest: "Je länger sich die Debatte hinzog [...], desto mehr geriet der Entwurf in den Konflikt der zunehmenden politischen Polarisierung, bis er zu Ende der Weimarer Republik an dem prinzipiellen Widerstand der links- und rechtsextremen Flügel gegen die parlamentarische Zusammenarbeit an diesem großen Werk scheiterte".

Die Verhältnisse bei der Demokratisierung der Richterschaft spiegelten sich damit auch bei der Strafrechtsreform wieder. Eine Um- und Neugestaltung scheiterte am Widerstand, an der fehlenden Kompromißbereitschaft und schließlich am fehlenden Mut der Parteien zu wirksamer Veränderung.

Ein weiterer Kritikpunkt in den politischen Strafprozessen bildete die Gerichtsverfassung und Strafprozeßordnung. Man kritisierte die Zusammensetzung und Verfahrensweise der für politische Delikte zuständigen Schwurgerichte und forderte eine stärkere Beteiligung von Laien als Außenstehende.

Mit Sicherheit wären die in diesem Bereich geplanten Veränderungen ebenfalls an der Zersplitterung der Parteien gescheitert. Reichsjustizminister Emminger von der Bayerischen Volkspartei nutzte jedoch die Chance, welche ihm ein Ermächtigungsgesetz vom 8. März 1923 kurzzeitig bot, um einige Korrekturen anzubringen. Die bisherigen Schwurgerichte wurden abgeschafft und durch sogenannte Große Schöffengerichte, in der Zusammensetzung von drei Berufs- und sechs Laienrichtern, ersetzt. Das Laienelement war hierdurch nachhaltig gestärkt, da nicht mehr die Berufsrichter alleine das jeweilige Strafmaß verhängten, sondern juristische Laien nunmehr hieran beteiligt waren. Bei demokratischer und objektiver Auswahl der Laienrichter konnte damit ein Gegenpol zu den konservativen Richtern geschaffen werden. Vollzog sich die Auswahl der Laienrichter aber in gleicher Weise wie ehemals bei den Schwurgerichten, war also die Arbeiterschaft in diesen Rechtsfindungsgremien unterrepräsentiert, konnte weiterhin in bewährter Weise durch die konservative Richterschaft Recht gesprochen werden. Die Emmingersche Justizreform stellte letztlich einen Kompromiß dar. Einen Kompromiß, da die Reformen halbherzig ausgeführt, schließlich nicht wesentlich zu einer Veränderung der Rechtsprechung beitrugen.

Aufgrund der politischen Polarisierung der Parteien und den rasch wechselnden Regierungskabinetten ist es der Legislativen schließlich nicht gelungen, der Justiz neue, dem Geist der republikanischen Verfassung angemessene Grundlagen zu schaffen. Zwar unternahm man Versuche einer Reformierung des Strafrechts und der Gerichtsverfassung, doch blieben diese Stückwerk oder scheiterten völlig. In Parallelität zur Demokratisierung der Richterschaft mußte das Parlament auch hier sein Scheitern eingestehen. Die einzige greifbare Justizreform, die die Republik in ihrer Geschichte zustande brachte, wurde am Parlament vorbei unter Maßgabe des Ermächtigungsgesetzes von 1923 durchgeführt. Der politischen Justiz ist damit von Seiten des Parlaments auf gesetzgeberischen Weg nicht wirksam begegnet worden.

Differierten die Meinungen der Parteien auch in den allgemeinen justizpolitischen Fragen, so zeigte sich doch eine bemerkenswerte Übereinstimmung bei der Amnestiegesetzgebung. Vor 1914 bildeten die sogenannten "Jubelamnestien" eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Rechtspflege. Nach 1918 hingegen erließ man in regelmäßigen Abständen derartige Gesetzeswerke, durch welche verurteilte Straftäter wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Für den Zeitraum von 1918 bis 1927 erwähnt Jürgen Christoph in seiner Arbeit fünf Reichsamnestien:

 

Jahr

Amnestie

Initiatoren

Ausmaß

1918

Revolutionsamnestie

Rat der Volksbeauftragten

nicht bekannt; wahrscheinlich mehrere zehntausend Fälle

1920

Kapp-Amnestie

USPD, SPD, DDP, DVP, Zentrum

genaue Zahlen nicht bekannt; vermutlich mehrere tausend Fälle

1921

Begnadigungsaktion nach kommunistischem Putsch-versuch

SPD, USPD, KPD, Teile des Zentrums

2.629 Fälle

1922

Rathenau-Amnestie

SPD, USPD, KPD, DDP, Zentrum

ca. 200 - 300 Fälle

1925

Hindenburg-Amnestie

SPD, KPD, DDP, Zentrum, DVP, BVP, DNVP, NSDAP

ca. 29.000 Fälle

 

Im Zeitraum von neun Jahren wurden hierdurch mehrere zehntausend politische Überzeugungstäter begnadigt. Eine derart große Zahl von Amnestien ist, nach den Ausführungen von Jürgen Christoph, ohne Beispiel in der deutschen Rechtsgeschichte.

Eine der Ursachen für diese Häufung findet sich in der enorm hohen Zahl von Strafgerichtsverfahren. Die Rechtsprechung konnte den politisch motivierten Strafdelikten mit den üblichen Methoden nicht mehr begegnen, so gestand Reichsjustizminister Heinze (DVP) im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch die Unmöglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung aller, im Zusammenhang mit dem Putsch angeschuldigten Personen, ein. Den einzigen Ausweg aus dieser Situation glaubte er in einer Amnestie, nach rechter wie auch linker Seite gerichtet, zu erkennen.

Ein weiterer Grund für die Amnestiegesetzgebung des Reichstages liegt in dem Versuch der Parteien, die jeweils eigenen Anhänger wieder aus den Gefängnissen zu befreien. Wie aus der Übersicht hervorgeht, waren insbesondere die radikalen Flügelparteien an der Amnestiegesetzgebung beteiligt. Auf ihrer Seite war auch das größte Interesse vorhanden, war es Teil des politischen Kampfes, die Rechtsprechung zugunsten der eigenen Anhänger zu manipulieren. "Und jedes der beiden Lager machte für ihre politischen Straftäter uneigennützige und moralische Absichten geltend; bei den Linken den heldenhaften Befreiungskampf gegen die kapitalistischen Unterdrücker, bei den Rechten die patriotische Entschlossenheit gegen Staatsfeinde und Verräter von links". Diese Strategie änderte sich über Jahre hinweg nicht. Nach Meinung von Jürgen Christoph wurde die Amnestiegesetzgebung von den Parteien zu politischen Zwecken instrumentalisiert.

Im Gegensatz zur sonstigen justizpolitischen Verhaltensweise, wurden die Gesetzgebungsakte zu Amnestien von den Parteien in der Regel in aller Eile vorangetrieben. Bedenken gegen solche Eingriffe in die Rechtsprechung regten sich bei den demokratischen Parteien nur selten. Der rechtspolitische Sprecher der DVP-Fraktion Wilhelm Kahl rechtfertigte zum Beispiel die Kapp-Amnestie am 2. August 1920 mit folgenden Worten:

"Wir stehen wieder einmal vor einem Konflikt zwischen Recht und Politik. [...]

Heute ist an sich, vom Rechtsstandpunkte betrachtet, keine Zeit zu Amnestien. [...]

Entschließen wir uns gleichwohl jetzt zu einer Amnestie, so sind die Gründe folgende: Wir wollen nichts versäumen - nichts! -, was in der gefährlichen Lage des Vaterlandes dazu beitragen könnte. eine Entspannung hervorzurufen. Wir gewähren die Amnestie, weil wir die Kräfte aller sammeln, weil wir Verbitterung beseitigen, weil wir wirklich geschehenes Unrecht durch die Kraft der höheren ausgleichenden Gerechtigkeit aufheben, weil wir speziell das aus der Welt schaffen wollen, was seit den letzten Monaten wie ein Fluch auf unserer ganzen Arbeit, unserem ganzen öffentlichen Leben lastet. Wir wollen hier einen wirklichen Strich durch die Vergangenheit machen, die ewigen gegenseitigen Schuldvorwürfe endlich beseitigen, [sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei] wirklich den politischen Frieden fördern. Mit einem Worte: wir erkennen, wenn ich alles dies und vieles andere noch erwäge, eine politische Staatsnotwendigkeit im Höheren Sinne für den Erlaß einer Amnestie durchaus an".

1925 ergab sich so schließlich die eigenartige Situation, daß KPD und NSDAP - trotz aller ideologischen Differenzen - gemeinsam einem Gesetzesvorhaben zustimmten.

In diesem Ausmaß stellten die Amnestien ohne Frage einen politischen Eingriff in die Strafrechtspflege dar. Die Unabhängigkeit der Jurisdiktion wurde von Seiten der Legislativen zwar nicht direkt durchbrochen, deren Rechtssprüche aber nachträglich für ungültig erklärt. Im Ergebnis hatte dies jedoch die gleiche Wirkung. In seiner Eigenschaft als Justizminister stellte der DDP-Abgeordnete Eugen Schiffer daher bereits 1921 fest: " [...] jede Amnestie durchbricht den ruhigen Lauf, die Stetigkeit der Rechtspflege". Gustav Radbruch befürchtete durch die Amnestien eine "Verlotterung des Strafrechts". Die liberale Frankfurter Zeitung kommentierte die Reichstagsdebatte zur Kapp-Amnestie wie folgt: "Unter den vielen schweren Übeln, an denen unser erkranktes Volk leidet, ist die erschreckende Abnahme des Sinnes für Recht und Gesetz das schwerste. Wenn der Staat stark wäre, so würde er dem Gesetz nach rechts und nach links hin Geltung verschaffen. Da er aber schwach ist, so muß er mit den Gesetzesübertretern immerfort paktieren". Klaus Petersen faßt zusammen: "Auch der Versuch des Parlaments, der Masse der Gerichtsverfahren und Verurteilungen durch periodische Amnestien für politische Straftäter Herr zu werden, erwies sich als eine zweifelhafte und der Rechtsprechung durchaus schädliche Maßnahme, denn sie wurde weitgehend für parteipolitische Interessen mißbraucht".

Auf diese Weise wurden zwar die Gefängnisse und Zuchthäuser der Republik geleert, aber die konkrete Anwendung der Amnestiegesetze durch die Gerichte schädigte das Ansehen der Justiz noch weiter. Die Gerichte legten diese Gesetzesnormen ebenfalls in einem sehr weiten Rahmen aus und amnestierten Gewalttäter auch an solchen Stellen, die eindeutig dem Willen des Gesetzgebers widersprachen.

Durch die Straffreiheitsgesetze durchbrach das Parlament somit letztlich das Prinzip der Gewaltenteilung. Die Maßnahmen dienten als politischer Hebel zur Kontrolle und Disziplinierung der Justiz. Im weiteren Verlauf konnten die Amnestien und zahlreichen Einzelbegnadigungen nur noch weiter darauf wirken, den Sinn für politische Verbrechen abzustumpfen. Die konkrete Anwendung der Vorschriften durch die Gerichte trug bereits in der frühen Phase der Weimarer Republik wesentlich zur Politisierung der Rechtsprechung bei.

 

2.5. Politische Prozesse in der Einzelbetrachtung

 

Von einer Untersuchung der politischen Justiz der Weimarer Republik nicht zu trennen ist eine Betrachtung der konkreten einzelnen Prozesse. In diesen treten die vorgenannten Merkmale der politischen Rechtsprechung deutlich zu Tage. Eine umfassende Aufarbeitung des vorliegenden Materials ist im Rahmen dieser Arbeit aber nicht zu leisten möglich. Im folgenden werden daher übergreifende Gruppen von gleich oder ähnlich gearteten Delikten gebildet und dabei einige Urteile exemplarisch dargestellt.

In ihren ersten Jahren wurde die noch junge Republik von einer Vielzahl politisch motivierter Attentate gegen Personen der Öffentlichkeit, erschüttert. Aus der großen Zahl der in diesem Zusammenhang stattfindenden Prozesse, ragen zwei heraus, in denen man dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik ohne wesentliche Einschränkungen bescheinigen kann, gegenüber Rechts energisch durchgegriffen zu haben: der Prozeß gegen die Gehilfen der Rathenau-Mörder und der gegen die Scheidemann-Attentäter.

Am 24. Juni 1922 wurde der damalige Reichsaußenminister Walther Rathenau von den beiden Attentätern Fischer und Kern ermordet. Rathenau hatte bekanntermaßen seit Jahren für die völkisch-nationalen Kreise, das Hauptsubjekt ihrer polemischen Kritik am Staate dargestellt. Seine Mörder konnten sich noch Tage nach dem Attentat unbehelligt in Berlin aufhalten. Erst zwei Monate später wurden sie von der Polizei gestellt, wobei sie sich der Festnahme und ihren Richtern durch Selbstmord entzogen. Dem neugegründeten Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik blieb "nur noch die traurige Nachlese der Helfer und Begünstiger der Mordtat". Die sieben auf der Anklagebank sitzenden rechten Täter, wurden schließlich zu hohen Zuchthausstrafen, verbunden mit Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, verurteilt. Gleichwohl gelang es im Verfahren aber nicht, die tatsächlichen Hintermänner des Anschlags aufzudecken. Ein Phänomen, welches sich in der Weimarer Rechtsprechung ständig wiederholte. Die Lebensläufe der sieben Angeklagten liefen im Kapp-Putsch und der rechtsextremistischen Marinebrigade Ehrhardt zusammen, was eine Anstiftung von außen daher nicht nur möglich, sondern als höchst wahrscheinlich erscheinen ließ. Der Vertreter der Anklage, Oberreichsanwalt Ebermayer, stellte in seinem Schlußplädoyer hierzu jedoch fest: "Ist anzunehmen, daß der Plan zur Tat in den Köpfen der Angeklagten entstanden ist, oder ist erwiesen, daß hinter den Angeklagten weitere Kreise bestimmter Verbände stehen [...]? Es ist bekanntlich kurz nach dem Rathenau-Mord die Behauptung als bombensicher aufgestellt worden, daß hinter den Tätern derartige Organisationen und Verbände ständen. Ich bin [...] nicht in der Lage, diese Behauptung als voll erwiesen zu bezeichnen. Die Fäden, die von dem Rathenau-Mord und von den Tätern nach den verschiedensten Seiten zurückführen, sind zu verworren, als daß sie heute schon entwirrt sein könnten. Man ist mit allen Mitteln bemüht, sie zu entwirren, und es wird vielleicht gelingen, aber es ist [...] nicht die Aufgabe der Anklagebehörden, [...] schon heute zu behaupten, daß ein voller Beweis erbracht wäre für die damals aufgestellte Behauptung. [...] und deshalb bin ich nicht in der Lage, die Richtigkeit dieser Behauptung heute festzustellen. Das kann mich aber nicht hindern [...] darauf hinzuweisen, daß immerhin [...] eine Reihe von Umständen hervorgetreten sind, die [...] die Möglichkeit nahelegen, daß in der Tat hinter den eigentlichen Tätern gewisse Organisationen und Verbände gestanden haben, die ihnen den Gedanken zur Tat nahegelegt [...] haben. Als solche Umstände möchte ich [...] hervorheben, daß bei all den politischen Gewalttaten der letzten Zeit [...] es eigentlich immer wieder dieselben Kreise, ich möcht fast sagen, dieselben Personen sind, die in Frage kommen. [...] Man hat so unwillkürlich das Gefühl, es handelt sich hier um Glieder einer Kette". Dieses Plädoyer eines Staatsanwalts verdient Aufmerksamkeit, denn, wüßte man es nicht, hielte man dies eher für eine Rede der Verteidigung. Der Staatsgerichtshof hatte mit diesem Prozeß seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt; die Republik jedoch, war mit Walther Rathenau einer ihrer führenden Köpfe beraubt worden.

Philipp Scheidemann, damals Oberbürgermeister der Stadt Kassel, konnte seinen Mördern hingegen entkommen. Auch er war einer systematischen Diffamierungskampagne von rechts ausgesetzt. Am 4. Juni 1922 wurde dann ein Mordversuch mit Blaukreuzgas, einer chemischen Waffe des ersten Weltkriegs, auf ihn unternommen, scheiterte aber glücklicherweise. An der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht durch die Täter Husert und Oehlschläger, konnte kein Zweifel bestehen. In der Hauptverhandlung vor dem Staatsgerichtshof wurden beide Täter wegen Mordversuchs zu jeweils zehn Jahren Zuchthaus, unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Auch hier zeigte sich im Verlauf des Prozesses die Verstrickung zu rechtsextremistischen Kreisen, wobei in Parallelität zum Vorgenannten jedoch auch hier eine Aufklärung des exakten Hintergrundes entfiel.

Die Härte der in diesen beiden Prozessen gefällten Urteile steht im krassen Gegensatz zu anderen - von unterschiedlichen Gerichten - getroffenen Entscheidungen. Ein besonders drastisches Beispiel bildet der Mordanschlag auf Matthias Erzberger, da die Polizei wider besseres Wissen, seine Mörder ins Ausland entkommen ließ. In ähnlich gelagerten Fällen von politischen Attentaten verfuhr die Rechtsprechung identisch: man ließ die Täter ins Ausland flüchten, verurteilte sie zu unangemessen niedrigen Haftstrafen oder sprach sie gar frei von jeder Schuld.

Die Ermittlung der Anstifter dieser politischen Morde verliefen zumeist im Sande oder wurden, wie das Beispiel der Organisation Consul beweist, über Jahre hinweg bewußt verschleppt. Am 22. Oktober 1924 eröffnete man nach Ermittlungen die man über drei Jahre hingezogen hatte, ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof, welches zu einer Farce verkam. Die Anklage richtete sich gegen insgesamt 26 Angeschuldigte unter denen sich allerdings erneut nicht die wirklichen Rädelsführer befanden. Das belastende Material füllte insgesamt 124 Aktenbände. Nach Aussage der Untersuchungsrichter reichte jedoch auch dieses nicht aus, um die Organisation Consul des Hochverrats zu überführen und den Angeklagten die konkrete Mittäterschaft an diversen Verbrechen zur Last zu legen: "[...] Ich sage hier nichts für und nichts gegen Ehrhardt. Ich erinnere mich, von einem sozialistischen Innenminister gehört zu haben, ihm widerstrebe es, Verbrecher aus Überzeugung ehrlos zu machen. Die Angeklagten haben keine Bedenken zu tragen brauchen, die Gemeinschaft mit Ehrhardt aufrecht zu erhalten. Ferner: Die Angeklagten sind ehemalige Offiziere und Ehrhardt ihr Führer. Ein nicht leicht zu zerschneidendes Band. das kann nur beurteilen, wer selber im Felde Kameradschaft empfunden hat. Ich verstehe das Verhalten der Angeklagten hierin vollkommen. Die Bestrebungen, die Mannschaft nach der Entlassung unterzubringen, hatten nichts Strafbares. [...] Nachdem die Ergebnisse der Verhandlungen mit den militärischen Behörden feststanden, hatten v. Killnger und Hoffman Grund zu der Annahme, daß sie berechtigt seinen, ein Regiment zu bilden, und daß sie verpflichtet seien, die Vorbereitungen geheimzuhalten und pünktlich zur Stelle zu sein. Daß nun das Bedürfnis nach Satzungen auftauchte, ist begreiflich, und so erklären sich die Bestimmungen über Gehorsam, Schweigepflicht und Feme. Zur Erzwingung des militärischen Gehorsams und der Verschwiegenheit nahmen sie die etwas phantastisch anmutende Androhung der Feme [...]". Diese Anklagerede eines deutschen Staatsanwaltes entbehrt jedes weiteren Kommentars. Selbst der Staatsgerichtshof ging über die geforderten lächerlichen Strafen hinaus und verhängte neben sieben Freisprüchen, Gefängnisstrafen bis zu acht Monaten. Strafmaße welche den vorliegenden Delikten von Mord, Totschlag, Körperverletzung und weiterer Tatbestände völlig unangemessen waren. "So wurde der OC-Prozeß, der eine Aufklärung des ganzen Komplexes der politischen Verbrechen der frühen zwanziger Jahre hätte bringen sollen, mit Hilfe eines den Tätern und Hintermännern gesinnungsmäßig verbundenen Justizapparates in eine Niederlage der demokratisch gesinnten Politiker [...] umgebogen, die den Prozeß gefordert hatten".

Wirkungs- und Handlungsweise der nationalistischen Geheimverbände wurde von den konservativen Richtereliten gedeckt. Die sogenannten ‘Fememorde’ stellen eine der gravierendsten Kategorien politischer Straftaten jener Zeit dar. Die Gerichtsbehörden der Länder und des Reiches entledigten sich dieser Aufgabe indem sie den Zusammenhang der Morde mit hochverräterischen Organisationen bestritten, sie damit ihres politischen Charakters entkleideten. Hartnäckig leugneten die Behörden die Existenz der Schwarzen Reichswehr. Da es sich bei den Angeklagten weiterhin fast ausschließlich um ehemalige Reichswehrangehörige handelte, wurden die Verfahren vor den einzelnen Landgerichten, unter Berufung auf die Staatssicherheit, mit Ausschluß der Öffentlichkeit geführt. Der Tathergang blieb damit im von Täterseite gewünschten Halbdunkel verborgen. Die Unterstützung durch rechtsextreme Parteien wurde so nicht in dem Maße nachgewiesen, als es der KPD im Zusammenhang mit proletarischen Mord- und Terrorfällen zum Verhängnis geworden war. Das ganze Versagen der Justiz offenbart sich, wenn man bedenkt, daß von den bayerischen Fememorden kein einziger seine gerichtliche Bestrafung gefunden hat.

Gegen die rechten Täter wären die gleichen Urteile möglich gewesen wie gegen Kommunisten. In den Verfahren zeigte man aber Verständnis für die vaterländischen Absichten der Angeklagten, tat die Delikte als Jugendtorheiten oder Über-die-Stränge-schlagen Einzelner ab. Erst wenn es gar nicht zu umgehen war, fällte man milde Urteile. Gewiß ist die Einseitigkeit der Urteile auch zum Teil auf das Verhalten der Ermittlungsbehörden zurückzuführen.

Neben den Morden standen vor allem Beleidigungsdelikte im Blickpunkt der politischen Justiz. Minister- und Politikerbeleidigungen waren an der Tagesordnung; Beschimpfungen der Staatsform, der Reichsfarben und Reichssymbole massenhaft Gegenstand von Verhandlungen. Die Strafgesetze ließen hierfür Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren zu. Statt dessen verhängten die Gerichte in der Regel allzu billige Geldstrafenurteile oder entkleideten Bemerkungen wie ‘Ebertlappen’ oder ‘Schwarz-Rot-Scheiße’ durch großzügige Interpretationskunst ihres verächtlichmachenden Charakters.

Beleidigungen von Mitbürgern jüdischen Glaubens konnten nicht erst im Dritten Reich straflos erfolgen. Schon in Weimarer Zeit entzogen ihnen die Richter in bzw. durch ihre Urteile jeglichen Schutz. Ein erschreckendes Beispiel für die antisemitische Grundhaltung der Weimarer Richterschaft bilden zwei Prozesse des Jahres 1921. In einem Fall wurde ein Judenfriedhof geschändet, im anderen Fall ein Lied mit dem Refrain "Schmiert die Guillotine ein mit Judenfett, Blut muß fließen, Judenblut" gegrölt. Die Gerichte erkannten in beiden Fällen keine Beleidigung der jüdischen Religionsgemeinschaft nach § 166 Strafgesetzbuch. Ihrer Argumentation folgend stellten die jüdischen Mitbürger keine besondere Bevölkerungsklasse dar, sondern eine spezifische "Rasse", welche damit nicht unter dem Schutz des Gesetzbuches fiel. Ohne jegliche rechtliche Grundlage, im Widerspruch zur bestehenden obersten Rechtsprechung, wurden die Juden hierdurch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Glaubt man, daß sich ein deutlicheres Signal für den kommenden Holocaust sich kaum mehr finden läßt, so unterliegt man einem Irrtum. Als Beispiel mag hier der Freispruch eines völkischen Agitators, 1924 durch das Amtsgericht Wernigerode, dienen. In der Urteilsbegründung hierzu heißt es: "Das deutsche Volk erkennt mehr und mehr, daß das Judentum schwerste Schuld an unserem Unglück trage, und das erfassen immer weitere Kreise. An einen Aufstieg unseres Volkes ist nicht zu denken, wenn wir nicht die Macht des Judentums brechen. Nicht nur die Deutschvölkischen meinen das, sondern auch die Deutschnationalen, wie man in den Zeitungen der letzten Tage lesen konnte. Die Gedanken, welche die Angeklagten vortrugen, stellen keine Gefährdung unserer öffentlichen Ruhe dar, nein, sogar die Besten unseres Volkes teilen diese Anschauung". Welche ‘Besten des Volkes’ gemeint sind, läßt sich in Analogie der Worte aus Hitlerreden entnehmen.

Bereits 1921 hatte der Heidelberger Privatdozent für Statistik Emil Julius Gumbel auf die Unterschiedlichkeit in der Behandlung von Verbrechen Links und Rechts aufmerksam gemacht. 1924 veröffentlichte er folgende Zahlen:

 

Politische Morde begangen von

Rechtstehenden

Linksstehenden

ungesühnte Morde

326

4

teilweise gesühnte Morde

27

1

gesühnte Morde

1

17

Gesamtzahl der Morde

354

22

 

Die auffallende Einseitigkeit in der Strafverfolgung gegenüber den Kommunisten findet sich auch abseits der Mordtaten wieder. Vor allem die Hoch- und Landesverratsdelikte wurden gegen die linken Täterkreise angewandt, so daß es in Weimarer Zeit zu einer explosionsartigen Zunahme der entsprechenden Verfahren kam.

Landesverratsverfahren richteten sich zumeist gegen pazifistische Gruppen und einzelne Personen. Stimmten sie in ihrer Aussagen auch mit der offiziellen Weimarer Außenpolitik - welche eine Erfüllung der Bestimmungen des Versailler Vertrages verfolgte - überein, wurden Veröffentlichungen welche die geheime Aufrüstung der Schwarzen Reichswehr zum Gegenstand hatten, zu Auslösern für Landesverratsprozesse. Die zuständigen Landesgerichte zogen die Grenzen der Geheimhaltungspflichten sehr weit und legten Veröffentlichungen, wie im Fall Ludwig Quidde, als Verrat militärischer Geheimnisse aus. Der verteidigenden Argumentation, daß es sich dabei nicht um Verrat, sondern im Gegenteil um den Schutz von Frieden und Staat vor hochverräterischen Unternehmen der Schwarzen Reichswehr handelte, konnten und wollten die Weimarer Richter aufgrund ihrer persönlichen Einstellung nicht folgen. Für die Angeklagten waren mehrjährige Haftstrafen die Folge. Für die Republik allgemein, eine eklatante Verletzung des Artikels 118 Reichsverfassung, der ursprünglich Meinungsfreiheit gewährt hatte.

Eine logische Fortführung solcher Rechtsprechungspraxis bildete dann der literarische Hochverrat. Daß die Kunst dem erweiterten Schutz des Artikel 142 Weimarer Reichsverfassung unterlag, verdrängten die Richter gleichfalls. Diese sogenannten literarischen Landesverratsprozesse dienten immer schamloser als politische Waffe, um eine Pressezensur durchzuführen und völkerrechtlich illegale Aktionen des Reichswehrministeriums mit Hilfe der Justiz abzudecken.

Die sehr weite Auslegung der Landesverratsbestimmungen führte zur bereits beschriebenen Gesinnungsjustiz gegen Mitglieder der kommunistischen Partei. Der KPD-Abgeordnete Stoecker legte für den Zeitraum von Juli bis August 1924 folgende Statistik vor, welche das Ausmaß der Gesinnungsjustiz wenn nicht beweist, so doch erahnen läßt. An Strafen gegen Kommunisten wurden insgesamt verhängt:

 

Juli

70 Jahre 9 Monate Zuchthaus

7 Jahre 9 Monate Gefängnis

2 Jahre Festung

Geldstrafen: 500 RM

August

58 Jahre Zuchthaus

26 Jahre 10 Monate Gefängnis

Geldstrafen: 5100 RM

September

81 Jahre 7 Monate Zuchthaus

26 Jahre 10 Monate Gefängnis

Geldstrafen: 5100 RM

Oktober

34 Jahre Zuchthaus

39 Jahre 4 Monate Gefängnis

78 Jahre 5 Monate Festung

Geldstrafen: 52490

 

Neben der Härte in der Bestrafung, der Höhe der Strafmaße fällt der massenhafte Charakter der Strafprozesse auf. Die Liste der zu beschreibenden Urteile ließe sich von den herausragenden Verfahren gegen Max Hölz und den Tscheka-Prozeß, fortführen bis zur Verurteilung einzelner Mitglieder der kommunistischen Partei. "Schon 1924 waren 75 Prozent der vom Staatsgerichtshof Verurteilten KPD-Mitglieder. Später waren es noch mehr Kommunisten". Der Charakter der Rechtsprechung bleibt in allen Prozessen erhalten: eine, im Vergleich zu den rechten Tätergruppen, unverhältnismäßig hohe Bestrafung - was Zahl und Strafmaß gleichermaßen betrifft - des linken Spektrums.

Im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch erklärte Reichskanzler Bauer am 18. März 1920: "Strengstes Gericht erwartet alle diese Reichsverderber [...] Wer Schuld trägt an dieser lebensgefährlichen Erschütterung unseres Staatswesens, darf der Sühne nicht entgehen". Von den zehn Urhebern des Putsches entkamen allerdings sieben. Darunter Kapp, Lütwitz, Erhardt und Pabst. Von den verbliebenen Jagow, Schiele und Wangenheim, wurde Jagow mit der höchsten Strafe, nämlich fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Dabei wurden dem Angeklagten "unter dem Banner selbstloser Vaterlandsliebe", mildernde Umstände zugebilligt. Die übrigen Teilnehmer, die nicht zu den Urhebern und Führern des Unternehmens gehörten, fielen unter das Amnestiegesetz vom 4. August 1920. Die Auslegung der Amnestiebestimmungen durch die Gerichte führte am Ende dazu, daß Jagow der einzige, wirklich Verurteilte im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch blieb. Die Milde bei der strafrechtlichen Bewältigung des Umsturzversuches stand im krassen Gegensatz zu den rigorosen Bestrafungen der Aufständischen in der Münchner Räterepublik.

Der aufgrund seiner historischen Folgen bekannteste politische Prozeß der Weimarer Republik stellt sicherlich das Verfahren zum Hitlerputsch dar. Es wird verzichtet auf die bekannte Vorgeschichte, den konkreten Verlauf des Verfahrens und die verhängten Strafmaße einzugehen. Otto Gritschneder analysierte im Jahr 1990 erstmals (!) den gegen Adolf Hitler und Mitangeklagte erlassen Urteilsspruch vom 1. April 1924. Die wichtigsten Fehler des ergangenen Spruches sind:

Kurz nach der Machtübernahme ließ Adolf Hitler die am Gericht vorhandene Abschrift des Urteils vernichten. Als der damalige Vorsitzende Richter Neidhardt am 1. November 1941 starb, erinnerte sich auch Adolf Hitler seiner und ließ einen persönlichen Kranz am Grabe niederlegen. Er hatte wohl nicht vergessen, wem er seinen weiteren Aufstieg zum großen Teil zu verdanken hatte.

 

2.6. Der Anteil der Justiz am Scheitern der Weimarer Republik

 

Die im bisherigen Verlauf dargestellte Unsicherheit und Unausgewogenheit der politischen Justiz, die tendenziöse Rechtsprechung, die parteiische Verfolgung politischer Verbrecher durch den Staatsgerichtshof, sowie die Einseitigkeit in der Anwendung repressiver Maßnahmen zum Schutz der Republik, führten im Verlauf der Weimarer Republik zur Erschütterung der gesamten Rechtspflege. Aufgrund der bisherigen Weimarer Justizforschung kann die vorliegende Arbeit von folgenden Erkenntnissen ausgehen. Übereinstimmend stellen die Autoren fest:

Versucht man im Anschluß daran die Frage zu beantworten, welchen Anteil die politische Justiz am Scheitern der Weimarer Republik hatte, treten innerhalb der Forschungsliteratur allerdings Differenzen hervor. Einschränkend muß vorab Gotthard Jasper zugestimmt werden, daß es bei Beantwortung der Frage kaum möglich sein dürfte, die Zusammenhänge quantitativ zu messen und den Stellenwert im Prozeß des Scheiterns der Weimarer Demokratie exakt zu definieren.

Während Heinrich und Elisabeth Hannover sich in ihrem Werk einer direkten Beantwortung enthalten, bewertet Karl-Dietrich Bracher in seiner hierzu verfaßten Einleitung, die politische Justiz eindeutig. Er weist dieser einen sehr hohen Schuldanteil am Scheitern der Republik zu: "Man wird schließlich sagen müssen, daß die Justiz in der Weimarer Republik mitgewirkt hat nicht nur an dem Scheitern dieser Republik, sondern geradezu an ihrer Überwältigung durch autoritäre und totalitäre Bewegungen".

Nach Meinung Brachers hätten die einseitigen Urteilssprüche, die mit Unrecht behandelten mit Haß, die Begünstigten jedoch mit einer skeptischen Verachtung und zynistischen Einschätzung der Justiz gegenüber erfüllt. Hieraus leitet er ein weitergehendes, zunehmendes Ansteigen der politischen Gewalttaten ab. Zuzustimmen ist Karl-Dietrich Bracher hier aber nur zum Teil. Mit Sicherheit riefen die Unrechtsurteile, wie die zeitgenössische Justizkritik zeigt, durchaus den Unmut der Verurteilten hervor. Richtig ist auch, daß in Einzelfällen sich hieraus unmittelbar neue Gewalttaten ergaben. Die wenigen derart gelagerten Beispiele aber beweisen, daß derartige Handlungsketten jedoch zumeist auf Seiten der rechten Gewalttäter vorlagen. Matthias Erzberger, Walter Rathenau oder Philipp Scheidemann - um die herausragenden Personen zu nennen - wurden in Folge solcher Konstellationen angegriffen oder ermordet. Die überwiegende Mehrzahl der Fehlgriffe in der Rechtsprechung richtete sich aber gegen die linken Tätergruppen. Auf dieser Seite trat aber gerade nicht die von Karl-Dietrich Bracher postulierte Verschärfung des politischen Kampfes ein. Nach dem Verbot der Kommunistischen Partei und ihrer Wiederzulassung, veränderte diese ihre politische Taktik völlig. Es wurde mit legalen Mitteln versucht, wenngleich auch zu keiner Zeit ein offenes Abrücken von der Revolution erfolgte, an die Macht zu gelangen. Gleichwohl die politische Justiz weiter nach links gerichtet urteilte, erlahmten dort die wirklichen politischen Gewalttaten.

Karl-Dietrich Bracher hält es für zutreffend, "die Weimarer Justiz zu einem guten Teil als Voraussetzung und Quellgrund des ‘Dritten Reiches’ zu betrachten". Dabei führt er die antidemokratische Grundhaltung der Richter, ihre antilinke Einstellung in Prozessen als erneuten Beweis an. "[...] von da führte ein ungebrochener Weg in das Regime, mit dem nun die Nationalisten und Terroristen der radikalen Rechten an die Schlüsselpositionen gelangten und ihr System des Zwangs und gnadenloser Verfolgung errichten konnten, dessen Vorboten schon in den Fememorden und in den verbrecherischen Attentaten gegen Männer der Republik wie Erzberger und Rathenau aufgetreten waren". Ohne eine weiterführende Betrachtung stimmt auch Dirk Blasius dieser These zu. Für ihn "stand die politische Justiz bei Hitlers Weg der Machterlangung Pate, wurde sie nach 1933 sein Erfüllungsgehilfe bei der das Recht mißachtenden Verfolgung und Vernichtung politischer Gegner".

In beiden Aussagen wird der politischen Justiz damit ein wesentlicher Schuldanteil am Scheitern der Republik zugewiesen. Detailliertere Stellungnahmen zur Begründung der Thesen werden allerdings nicht vorgenommen.

Die involvierte Behauptung, Weimar sei am antidemokratischen Beamtentum gescheitert, weist Hans-Helmut Knütter als zu weit gefaßt zurück. Die Rolle der Justiz und ihren generellen Anteil am Scheitern der Republik erkennt er dennoch an: "Eine Justiz, die selber rechts stand, mußte notwendig blind sein gegenüber einer Bedrohung der Republik, die von rechts kam. Sie war selbst ein Teil dieser Bedrohung, und sie hat ihren Beitrag zum Untergang demokratischer Staatlichkeit und der Herrschaft des Unrechts geleistet". Einer verabsolutierenden Stellungnahme nach Maßgabe Brachers enthält sich Knütter dann jedoch. Nach seiner Meinung ist nur durch eine Zusammenschau aller beteiligter Faktoren, eine Antwort auf die Frage nach den Gründen für das Scheitern der Weimarer Republik zu finden.

In seinem Aufsatz "Justiz und Politik in der Weimarer Republik" beschäftigte sich Gotthard Jasper dagegen sehr ausführlich mit der Funktion der Justiz beim Scheitern der Republik. Generell warnt er vor einer Überschätzung der Möglichkeiten und der Wirksamkeit politischer Justiz. "Hitler wäre nur mit dem Strafrichter kaum zu verhindern gewesen, und die Liebe zu den neuen Reichsfarben ließ sich mit Beleidigungsprozessen kaum erwirken oder sichern", so lautet seine grundlegende These. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Meinungen entlastet er damit die Justiz.

Von Schuld gänzlich frei möchte allerdings auch Jasper diese nicht sprechen. Er versucht sich dabei von der ursprünglichen Fragestellung zu lösen und den Anteil der Justiz auf einer anderen Ebene zu bestimmen. Der Faktor der politischen Kultur, des politischen Bewußtseins und der politischen Traditionen rückt für ihn in den Vordergrund. Dabei hält er fest, daß die politische Kultur einer Gesellschaft immer zuerst die politische Kultur ihrer Eliten ist.

Die konservative Richterschaft gab unter diesem Gesichtspunkt aber ein äußerst schlechtes Vorbild für die übrige Gesellschaft ab. In den politischen Prozessen zeigte sich ja besonders der Niedergang der politischen Kultur in einer polarisierten Gesellschaft. Erinnert sei hier nur kurz an das Auftreten der Richter im sogenannten Tscheka-Prozeß, welches ein besonders markantes Beispiel zur Untermauerung der These Jaspers bildet. Gotthard Jasper zeigt daher einen Lösungsweg auf, welchen die Richter hätten einschlagen können: "In konsensarmer Zeit - das wissen wir heute gut - läßt sich der Konsens auch nicht durch die Gerichte retten, wird die Justiz allenfalls überfordert und bedarf es eher der Zurückhaltung der Gerichte und des Bemühens um politische Lösungen".

Ohne alle Details nochmals aufzuführen, ist daher festzuhalten, daß die politische Justiz in ihrer Gesamtwirkung das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung unterhöhlte. Einen neuen Aspekt in der Diskussion um den Anteil der Justiz am Scheitern von Weimar bildet die Betrachtung des eventuellen Einflusses auf das Wahlverhalten der Bevölkerung. Die Arbeiterschaft sah sich, durch die gegen sie gerichtete politische Justiz, sicherlich in ihrer politischen Einstellung bestätigt. "Vor Gericht begegnete die Arbeiterschaft nicht nur personell dem alten Obrigkeitsstaat, der sich nach wie vor ins Abseits stellte und ihren Repräsentanten den Ehrenschutz versagte". Jasper betrachtet jedoch auch den eventuellen Einfluß auf das bürgerliche Lager: "Die ausufernde Hochverratsrechtsprechung gegen links schuf nicht nur den Kommunisten Märtyrer und Agitationsstoff, sondern legitimierte auch ein vorurteilsbesetztes Bild aktueller kommunistischer Gefahr bei den bürgerlichen Wählerschichten, das gewiß nicht ohne Relevanz für deren Wahlverhalten gewesen ist". In und durch die Rechtsprechung wurde damit letztlich ein Antikommunismus transportiert. Die hohe Zahl an Urteilen gegen linke Straftäter, riefen diesen in den bürgerlichen Gesellschaftsschichten freilich nicht erst hervor; latent war dieser immer vorhanden. Die politische Justiz wirkte hier aber gleichsam wie ein Verstärker, durch welchen der Antikommunismus eine zusätzliche Plattform, einen zusätzlichen Lautsprecher erhielt. Hierin erkennt Gotthard Jasper die eigentliche Wirkung der politischen Justiz.

War ihr Beitrag zum Scheitern der Weimarer Republik, wie in seiner Eingangsthese erwähnt, auch kein wesentlicher, vermag Jasper die Richter aus der Verantwortung für die politische Wirkung ihrer Urteile aber nicht zu entlasten.

In ähnlich gearteter Weise argumentiert auch Theo Rasehorn in seinem Aufsatz "Rechtspolitik und Rechtsprechung". Der These Karl-Dietrich Brachers vom wesentlichen Anteil der Justiz, tritt er ebenfalls entgegen und weist diese letztlich zurück: "Ich vermag dem nicht zu folgen. Die Rolle der Justiz im Spektrum der vielfältigen Strömungen der Weimarer Zeit muß [...] komplexer gesehen werden. Das Hitler-Reich verstellt hier wie auch auf vielen anderen Gebieten den Blick. Von heute aus erscheint der Übergang von der Republik zu Hitler ein monokausaler. Davon ist nur richtig, daß jedenfalls von 1932 an die Republik kaum noch zu retten war. Daß aber gerade Hitler siegen würde, war nicht zwingend, nicht einmal wahrscheinlich". Wichtiger erscheint auch ihm die politische Rolle, welche die Justiz im Gesamtkontext spielte. "In der Tragödie des Untergangs der Weimarer Republik hat also die Justiz nur eine kleine Rolle gespielt. Was für sie vielleicht wichtiger erscheint: Sie hat eine eigene Tragödie aufgeführt". Im Vergleich zu weiteren undemokratischen Elementen, wie zum Beispiel dem Heer oder der Großindustrie, wird aber der Einfluß der Justiz überschätzt. Nach Meinung Theo Rasehorns trägt die politische Justiz der Weimarer Republik daher zwar Schuld am Scheitern der Republik, ihr Beitrag war jedoch kein wesentlicher.

 

Richtig ist, und dies gilt es festzuhalten, daß die Weimarer Republik nicht an einem Tage starb. Eine der primären Ursachen bei der Justiz zu suchen, erscheint jedoch als zu einfache Lösung der Fragestellung. Vielmehr sind die Ursachen des Untergangs vielschichtig. Auf unterschiedlichen Ebenen liefen Prozesse ab, welche zusammenwirkten und so letztlich die erste deutsche Demokratie zu Fall brachten.

Zu den langfristig wirkenden Ursachen beim Zerfall Weimars zählt der Mangel an demokratischen Traditionen. Das Bürgertum war und blieb mit dem Staat des Kaiserreichs verhaftet. Die Republik erschien als ein Ort der widerstreitenden Interessen. Eine über den gesellschaftlichen Konflikten stehende Person, verkörpert durch den deutschen Kaiser, fehlte in ihren Augen. Ein übergreifender gesellschaftlicher Grundkonsens war nur in der kurzen Stabilisierungsphase der Republik, den ‘Goldenen Zwanziger Jahren’, vorhanden.

Zu diesem nicht vorhandenen demokratischen Bewußtsein trat das Trauma des verlorenen Krieges. Die aus der Niederlage resultierende Novemberrevolution war in ihrer eigentlichen Grundlage keine demokratische Massenbewegung gewesen. Eingeleitet wurde der Sturz der Monarchie durch das heimkehrende Heer, die Marine, welche für eine Beendigung des Krieges eintraten. Der letzte kaiserliche Reichskanzler Max von Baden hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die wesentlichen Entscheidungen für eine Wendung hin zum Parlamentarismus unternommen. Der Kaiser wurde im Ergebnis nicht aus anti-monarchistischen Gründen gestürzt, sondern weil er ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden mit den Alliierten darstellte. Die Ereignisse des November 1918 wurden von den extremistischen politischen Flügeln während der Dauer der Weimarer Republik allerdings gänzlich unterschiedlich dargestellt. Die Ausrufung zweier Republiken durch Scheidemann und Liebknecht versinnbildlicht aber gleichsam den Riß, der die Weimarer Republik spaltete. Am Ende freilich gab es im übertragenen Sinne nicht nur zwei sondern drei, vier oder mehr Republiken - je nach Lage der Interessen bekannte man sich zu seiner spezifischen Auslegung des geschaffenen Staates.

Vom Krieg nicht zu trennen ist der Versailler Vertrag. In all seinen Auswirkungen belastete er die junge Republik. Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, welche zum Teil direkt aus dem Vertrag resultierten, taten das Übrige zum Scheitern der Republik hinzu.

Ebenso hartnäckig wie die vorher genannten Faktoren überdauerte Weimar eine generelle Krise des Parlamentarismus. Die starke Stellung des Reichspräsidenten mit der exzessiven oder bzw. verfassungswidrigen Auslegung der Artikel 48 und 25; die Unfähigkeit der Parteien, mehrheits- und damit regierungsfähige Koalitionen zu bilden und diese auch über längere Zeit zu unterstützen; die unwiderruflich vorhandenen Lücken in der Verfassung; die Konflikte zwischen dem Reich und den Ländern - dies alles bildeten Faktoren, welche zu einem langsamen, aber stetigen Niedergang des Parlamentarismus beitrugen. Mit dem Sturz der letzten parlamentarischen Regierung Müller und der Bildung des Präsidialkabinetts unter Brüning wandte man sich schließlich offen vom Parlament ab. Stütze der Regierung bildete fortan der konservative Reichspräsident Paul von Hindenburg.

Mit dem Zerfall des Parlamentarismus lief ein Erstarken der extremistischen Ränder des politischen Spektrums einher. KPD und NSDAP erhielten Massenzulauf, da sie unter anderem auch den Übergang in gänzlich andere gesellschaftliche Zustände versprachen. Starke Persönlichkeiten, wie in KPD oder NSDAP, fehlten auf Seiten der Parteien der Mitte in der Endphase der Republik. Daß die Nationalsozialisten letztlich zur Macht gelangten, liegt allerdings nicht nur in ihrem starken Anwachsen begründet. Mitschuld trägt hier die konservative Elite im Umkreis des Reichspräsidenten, welche glaubte - ihre Möglichkeiten dabei weit überschätzend - Hitler in ein Bündnis einbinden zu können.

Diese Aufzählung von Ursachen des Scheiterns ist keineswegs erschöpfend, sondern könnte fortgesetzt und vertieft werden. Zur Beschreibung des Anteils der Justiz am Untergang der Weimarer Republik soll an dieser Stelle jedoch ein Strich gezogen werden.

Betrachtet man nun die politische Justiz nochmals, so stellt man fest, daß sie für sich alleine genommen sicherlich einen weiteren Belastungsfaktor der Republik darstellte. Gleichzeitig wirkte sie jedoch in alle genannten Bereiche hinein:

Die politische Justiz der Weimarer Republik bildete somit für sich alleine genommen nur einen der zahllosen Belastungsfaktoren für die Republik. Erst im Zusammenwirken sämtlicher Kräfte offenbart sich ihre tatsächliche Wirkung. Nur durch dieses Zusammenspiel konnte sie zum Untergang von Weimar beitragen.

Versucht man jedoch die Rolle der politischen Justiz quantitativ zu erfassen, so wird man unweigerlich an eine Grenze stoßen. Die Rechtsprechung bildete nur ein Rädchen im großen Getriebe, welches die Republik letztlich zu Fall brachte. Bei der Betrachtung kann indes nur von den alleine vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen werden. Eine Frage nach dem "Was wäre wenn Hitler zu längerer Haft verurteilt und ausgewiesen worden wäre?" ist unzulässig und in den Bereich der reinen Spekulation zu verweisen. Weiterhin stellt sich bei einer quantitaiven Messung des Schuldanteils der politischen Justiz ein ‘philosophisches’ Problem: Welcher Schuldanteil ist - erneut am Beispiel des Hitler-Putsches - letztlich höher zu bewerten? Der zuerst erfolgte Gewaltakt der Rechtsputschisten oder die darauf folgende Rechtsprechung mit all ihren Fehlern?

Eine Lösung der Frage kann nicht erfolgen, da beide Vorgänge voneinander abhängen, für sich alleine nicht denkbar erscheinen. Bei einer Wertung der politischen Justiz müßten daher alle vorliegenden Tatbestände miteinbezogen werden. Aufgrund der weitläufigen Verstrickung und ausufernden Verknüpfung erscheint dies freilich als unmöglich. So muß man sich damit begnügen der Justiz eine Schuld am Scheitern der Republik zuzuweisen. Eine Schuld, die zwar vorhanden, in ihrem Ausmaß allerdings nicht faßbar erscheint.

 

 

3. Fazit

 

Abschließend sollen die Ergebnisse aus den vorhergehenden Betrachtungen nochmals dargelegt und fortgeführt werden.

Es läßt sich feststellen, daß der Justiz eine aktive Rolle im Prozeß der Auflösung der Republik zukam. Die Gründe welche hierzu führten sind vielschichtig.

In den Tagen des Umbruchs entschieden sich die verantwortlichen Handlungsträger aus pragmatischen Gründen für eine Übernahme der Beamtenschaft. Der Justizapparat des deutschen Kaiserreichs wurde unverändert in die Republik übernommen. Die Weimarer Reichsverfassung garantierte den Richtern auch weiterhin Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit. Ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Eignung der einzelnen Richter wurde vom Staat nicht in Anspruch genommen. Die Entscheidung, für oder gegen den neuen Staat, wurde jedem Justizbeamten in eigener Verantwortung überlassen. Die überwiegende Mehrheit entschloß sich schon aus materiellen Gründen zum Bleiben.

Die Übernahme der Richter und Staatsanwälte wirkte sich jedoch schon bald zu Ungunsten der Weimarer Republik aus, da von ihrer Seite lediglich ein äußeres und formales Bekenntnis zur republikanischen Staatsform ausgebracht worden ist. Der weitaus überwiegende Teil der Richterschaft lehnte die Republik innerlich ab. Von Richterseite wurde der implizierte Widerspruch durch die Konstruktion einer sogenannten Zweiseelentheorie umgangen. Man unterschied zwischen der ‘zufälligen republikanischen Staatsform’ und einem darüberstehenden, verschwommenen Begriff vom ‘Wesen des Staates an sich’. Letzteres sahen die Richter in konservativen, monarchistischen Traditionen. Während der Dauer der Weimarer Republik blieben sie, aufgrund ihrer eigenen Herkunft und Ausbildung, als sozial homogener Stand in der Mehrzahl tief mit der wilhelminischen Zeit verwurzelt.

Die konservative Richterschaft stellte sich also über die Staatsform und sah in ihrer Unabsetzbarkeit auch einen gewissen Führungsanspruch zur Lösung gesellschaftlicher Probleme enthalten. Ihr Standes- und Herkunftsbewußtsein führte zwangsläufig zu einem Konflikt mit der Republik, welcher in der politischen Justiz zum Ausdruck kam. Die überholten Strafgesetze wurden soweit als möglich ausgelegt und weiterentwickelt. Mit dieser exzessiven Gesetzesauslegung setzten sich die Gerichte häufig in Widerspruch zum objektiven Willen des Gesetzgebers. Die Urteile in den politischen Prozessen waren geprägt durch harte Urteile gegen links und milde gegen rechts. In der Strafverfolgung traten dabei durchaus merkwürdige Instrumente der Rechtssprechung, wie die Gesinnungsjustiz gegen Kommunisten, auf. Die Richter unterstützten mit und durch ihre Urteile aber nur solche Täterkreise, welche ihren eigenen politischen und gesellschaftlichen Leitbildern entsprachen. Wie sich in den Urteilen zeigt, war ihnen dabei eine vaterländische Gesinnung wichtiger, als Treue zur Reichsverfassung. Die Bekenntnisse der rechtsextremen Parteien zu Begriffen wie der nationalen Volksgemeinschaft oder deutschen Nation bildeten somit eine perfekte Legitimation für die Einseitigkeit der politischen Justiz.

Von dieser konservativen Gruppe von Richter zu trennen ist die sogeannte repulikanische Richterschaft. Sie gründeten eine eigene Standesvereinigung, den Republikanischen Richterbund, und bekannten sich eindeutig zur republikanischen Staatsform. Auch die Reichsregierungen unternahmen vereinzelt Versuche einer Demokratisierung der Beamtenschaft. Diese blieben jedoch halbherzig, wurden nicht vollständig umgesetzt, so daß die republikanische Richterschaft weiterhin eine verschwindend kleine Minderheit bildete. Lautstark geäußerte Kritik in den öffentlichen Medien beinflußte weder die Richter, noch trug es zu einer Änderung der Verhältnisse in der Rechtsprechung bei.

Im Bereich der Gesetzgebung ist zu beklagen, daß sich das Parlament nicht zu einer umfassenden Neuschöpfung der Strafgesetze durchringen konnte. Die stark unterschiedlichen justizpolitischen Grundhaltungen der Parteien und die häufigen Regierungswechsel erschwerten diese Aufgabe zusätzlich. Das Strafgesetzbuch der Kaiserzeit besaß mit einigen Änderungen, weiterhin Gültigkeit. Hinzu trat in Form des Republikschutzgesetzes eine weitere institutionelle Sicherung des Staates. Dieses zeigte sich jedoch als zu undeutlich formuliert, so daß es in Händen der konservativen Richter eine erneute Grundlage für willkürliche und einseitige Rechtsfindung darstellte. Als Beispiel ist erneut die Gesinnungsjustiz gegen Kommunisten mit der Aushöhlung des Bestimmtheitsgrundsatzes zu nennen.

Als Ursache der politischen Justiz lassen sich damit kaum mangelnde Gesetze ausmachen. Vielmehr bildeten die ausführenden Beamten der Rechtsprechung erneut das Potential für die Einseitigkeit der politischen Justiz. Beleg hierfür bietet das mit dem Republikschutzgesetz gegründete Sondergericht für politische Justiz, der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Leipzig. Der Staatsgerichtshof konnte die ihm zugedachte Rolle, eine Instanz zur Verteidigung der Republik zu sein, nicht erfüllen. Prozesse verkamen unter seiner Regie zu unwürdigen, sensationellen Schauspielen. Durch eine extrem einseitige Rechtsprechung des obersten Gerichts, wurde das Rechtsbewußtsein weiter erschüttert. Letztlich genoß der Staatsgerichtshof zu keiner Zeit das Vertrauen der Bevölkerung und konnte sich dem politischen Einfluß nicht entziehen.

Die Parteien, welche sich wie bereits erwähnt nicht auf eine Gesetzesreform einigen konnten, setzten die Justiz immer wieder selbst unter Druck. Die extremen Parteien von links und rechts, KPD und NSDAP bzw. DNVP, versuchten aktiv, spürbare Verbesserungen für ihre Anhänger zu erreichen. Eine ausufernde Amnestiegesetzgebung, in der Gerichtsurteile wieder aufgehoben oder Täter für generell straffrei erklärt wurden, war die Folge. Auch die bürgerlichen Parteien der Mitte beteiligten sich hieran. Nur in diesen Fällen war schließlich ein justizpolitischer Konsens im Reichstag vorhanden. Diese Verfolgung eigener parteipolitischer Interessen bildete einen weiteren Beitrag zur Unterhöhlung des Rechtsbewußtseins und zur Schädigung des Ansehens der Justiz, da damit faktisch die Unabhängigkeit der judikativen Gewalt unterlaufen wurde. Die konkrete Anwendung der Amnestiegesetze durch die Gerichte wirkte auf eine weitere Abstumpfung des Sinns für politische Gewalttaten hin.

Die verschiedenen aufgezeigten Faktoren wirkten schließlich zusammen, so daß die politische Justiz während der Weimarer Republik bewußt, aber auch oft unbewußt den Feinden der Demokratie zugearbeitet hat. Die Jahre von 1919 bis 1927 bildeten die Hochphase der politischen Justiz. Nach Auflösung des Staatsgerichtshofes zum Schutz der Republik trat eine gewisse Beruhigung ein. Eine Beruhigung, deren Schein aber trügerisch war. In Wirklichkeit hatte der Reichstag mit seinem einstimmigen Beschluß den justizpolitischen Kampf gegen die Feinde der Republik bereits aufgegeben. Die konservative Richterschaft konnte keine Gewähr für einen wirksamen Schutz der jungen Demokratie bieten. Bei der Auflösung der Republik stellte auch die Justiz kein wirksames Hindernis gegen die radikalen Parteien dar. Nach 1927 konnten diese ihr Potential zur Geltung bringen und den politischen Kampf einige Jahre später schließlich vollends auf die Straße verlagern.

Nach 1933 assimilierte sich die Justiz sehr schnell mit dem Hitler-Reich. Die politische Justiz der Weimarer Republik mündete ohne größeren Bruch in die Rechtsprechung des Volksgerichtshofs unter Roland Freisler über. Die grausamen Terrorrichter aber, die in den zwölf Jahren des nationalsozialistischen Regimes weit über 40.000 Todesurteilte fällten, waren fast ausschließlich solche, die schon in der Weimarer Republik amtiert hatten.

Die ‘Stunde Null’ des Jahres 1918 war versäumt worden. 1945 stellte sich die Situation hingegen wesentlich totaler und hoffnungsloser dar. Die Regierungsgewalt wurde von den Siegermächten übernommen, das Reich zerschlagen. Der Bruch mit der Vergangenheit war ungemein größer als nach dem ersten Weltkrieg. Im Justizbereich wurde eine Säuberung vorgenommen - wenngleich, wie das Weiterwirken ehemaliger Nazi-Richter beweist, die Maßnahmen auch hier unterlaufen werden konnten. Die neugeschaffene Bundesrepublik behielt sich 1949 im Artikel 132 ihres Grundgesetzes jedoch das ausdrückliche Recht einer Überprüfung des einzelnen Richters und seiner Vergangenheit vor. Von den erwähnten Einzelfällen abgesehen, trat aber in der Rechtsprechung ein allgemeiner Bewußtseinswandel ein. Die Justiz stand auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates.

Fragt man schließlich nach einer politischen Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland - zum Beispiel anhand des KPD-Verbots 1956 oder den Urteilen im Zusammenhang mit dem Radikalenerlaß von 1972 - so wird man eine im Vergleich zu Weimar anders gelagerte Antwort erhalten. Ohne Zweifel ist Bonn nicht Weimar!

Eine Betrachtung der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 bis 1989 erscheint hier wesentlich lohnender. Denkt man an den Bereich der Republikflucht, der antisozialistischen Tätigkeit, der generellen Bespitzelung und Verfolgung zehntausender von Menschen, so wird einem in den Urteilen sehr schnell die Parallelität zur Weimarer Rechtsprechung gewahr werden!

 

 

 

4. Literaturverzeichnis

 

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Erklärung

 

Hiermit versichere ich, daß die vorliegende Arbeit von mir selbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt wurde.

 

Oberhaid, den 01. November 1994

 

 

 

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Elmar Geus