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§;Inhaltsverzeichnis
1. Pädagogik und Gesellschaft zu Beginn des 19. Jh. 2
2. Kerschensteiner, eine kurze Lebensbeschreibung 3
3. Konzeption und pädagogischer Gedanke Kerschensteiners 4
4. Kritik an Kerschensteiner 6
5. Quellenangaben 8
1. Pädagogik und Gesellschaft zu Beginn des 19. Jh.
Im Wandel der Zeit und dem industriellen Bewußtsein der Bevölkerung, änderte sich auch das Denken über Pädagogik und Erziehung. War im 18. Jh. trotz der industriellen Revolution und die Schaffung neuer Produktionstechniken noch die handwerkliche Ausbildung und standesgemäße Erziehung maßgebend für die Sozialstruktur, so wandelte sich diese im 19.Jh. und besonders in dessen zweiten Hälfte enorm. Nach der Erfindung der Dampfmaschine im 18. Jh., der Ausbreitung des Verlagswesens, der maschinellen Produktion durch Webereien sowie der expandierenden chemische Industrie erfuhr Deutschland durch die Erfindung des Elektro- und Verbrennungsmotors zum Ende des 19.Jhs. eine zweite industrielle Revolution.
Studien Winslow Taylors in Amerika erzeugten ein völlig neues Verständnis von den Arbeitsabläufen in einer industriellen Produktion. Taylor studierte die Arbeitsvorgänge genau und versuchte durch eine Optimierung der Bewegungsabläufe und Arbeitsplatzgestaltung das Maximum an Effizienz zu erwirtschaften. Die Autromobilindustrie in Amerika machte sich diese Vorgehensweise zu Nutzen und verwirklichte diesen Taylorismus exemplarisch. Dieser Grundgedanke der Planung von Arbeitsstrukturen schaffte eine neue Berufshierarchie zwischen Ingenieuren, die die Arbeit planen und verteilen, sowie den Arbeitern. Der Mensch war Bestandteil des Arbeitsprozesses geworden, ein planbarer Teil der Maschine.
All diese Vorgänge in Amerika wirkten sich auch auf die deutschen Unternehmer aus, hier wurden die Strukturen für Manager, Handlungsgehilfen und Industrieproletariat geschaffen. Da die überlieferte handwerkliche und Meisterausbildung solchen industriellen Anforderungen nicht genügte, wurde (zum Beginn des 20. Jhs.) der Wunsch nach einer eigenen Industrieausbildung laut. Eine solche Ausbildung wurde später durch die deutsche Eisenbahngesellschaft angeboten, gleichzeitig stand die Abschlußprüfung immer noch unter ständischer Aufsicht und wurde im Vergleich zu einer Handwerkslehre unter erschwerten Bedingungen abgehalten.
Bestand nach dem Volksschulabschluß und dem Beginn des Militärdienstes zwar eine Pflichfortbildungsschule für junge Männer, so war diese mit fünf bis acht Stunden pro Woche neben der eigentlichen Lehre wenig motivierend und ebensowenig zufriedenstellend. Aus diesen Beweggründen heraus entstand der Wunsch bei Politikern, Pädagogen und der Bevölkerung, das gewerbliche Fortbildungswesen zu reformieren und neu zu organisieren.
2. Kerschensteiner, eine kurze Lebensbeschreibung
Georg Kerschensteiner wurde am 29. Juli 1854 in München geboren. Schon in jungen Jahren begann Kerschensteiner, Seminare zu geben und zu unterrichten. Erst 1877 machte Kerschensteiner das Abitur und bekam 1883 eine Anstellung als Assistent für Mathematik in München. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer studierte er weiter und wurde 1895 Stadtschulrat von München, was gleichzeitig das Amt eines königlichenSchulkommissars beinhaltete. Dadurch ergab sich für Keschensteiner "... fast vollständige Herrschaft über das ganze städtische Schulwesen, wie er in einer Selbstdarstellung urteilt."
Im Jahre 1901 wurde eine Ausschreibungh der Königlichen Akademie Gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt formuliert, die untersuchen sollte, wie die männliche Jugend bis zum Heereseintritt zu schulen sei. Kerschensteiner trug hierbei den ersten Preis davon. Er entwickelte dabei sein Konzept der Arbeitsschule, in der er die deutsche Jugend der staatsbürgerlichen Erziehung unterziehen und die persönliche Berufstüchtigkeit lehren wollte.
"Die tragenden Prinzipien der Berufsschulorganisation - Ansatz bei der praktischen beruflichen Arbeit, Organisation dieser Arbeit in Schulwerkstätten nach dem Prinzip der Arbeitsgemeinschaft, Verknüpfung dieser Arbeit mit lebenskundlicher Unterweisung und staatsbürgerlicher Erziehung, Betonung praktischen Tuns für die Charakterbildung - suchte Kerschensteiner im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auch für die Reform der Volksschule fruchtbar zu machen,...".
Kerschensteiner ging dabei vom egoistischen Interesse des Schülers an seiner eigenen Berufsbildung aus. Er wollte sich lösen von der Schule der Bücher und dafür Sorge tragen, daß der Schüler vom "... Stillsitzen und Zuhören befreit und mit eigenen Hantierungen zum Zuge kommen läßt." Kerschensteiner war der Auffassung, daß der Schüler primär ein Interesse an seiner Fortbildung hat und wollte sie gleichzeitig auch an staatspolitische Themen heranführen. Die Arbeitsschule war in ihrer Gesamtkonzeption eine Pflicht-, Teilzeit- und allgemeinbildende Schule. Ab 1921 setzte sich dann auch der Name Berufsschule durch. Die Arbeitsschule Kerschensteiners bildete dabei die Grundlage für unser auch heute noch gültiges duales System.
3. Konzeption und pädagogischer Gedanke Kerschensteiners
Kerschensteiner sah in der Arbeitsschule die Schulform, in der er zukünftige Staatsbürger erziehen wollte. Der Zweck der Erziehung mußte es sein, brauchbare Staatsbürger zu erziehen. Dabei war dieses Erziehungsziel nur eines von vielen, wenn auch mit starker Gewichtung in der Überzeugung Kerschensteiners. Die staatsbürgerlichen Tugenden wie Selbstdisziplin, Teamgeist und Sachlichkeit konnten laut Kerschesteiner auch habituaisiert werden, d.h. ohne sie zu verinnerlichen kann ein brauchbarer Staatsbürger, wenn er sich nur an bestimmten Verhaltensmustern orientiert, erzogen werden.
Da jeder einzelne dem Staat in einem Beruf dient, muß die Arbeitsschule die manuellen Fähigkeiten der Schüler fördern. Die Projektorientierung und die Einrichtung von Schulwerkstätten, Schulküchen und Laboratorien war dafür eine Grundvoraussetzung. Nur so ist es zu erklären, daß für Kerschensteiners Reformschule innerhalb von acht Jahren allein in München 45 neue Schulen gebaut und eingerichtet wurden. Der Aufwand ist zwar immens groß, jedoch steht die Orientierung an Arbeitsgemeinschaften bei Kerschensteiner an ganz hoher Stelle.
Die Schule war für Kerschensteiner ein Staat im Kleinen, es galt für die Schüler, ein ideal zu verwirklichen und "ehrliches Arbeiten" zu erlernen. Es wurde kein Pfusch geduldet und die Effizienz stand im Mittelpunkt des Lehrens. Im Gegensatz zu John Dewey (auf den in dieser kurzen Arbeit nicht näher eingegeangen werden soll) kennt Kerschensteiner das Erlernen von Demokratie nicht. Der Schüler hat sichin aller Sachlichkeit, schnell und wirkungsvoll zu erweisen. Kerschensteiner geht auf das Problem des verantwortlichen Staatsbürgers an anderer Stelle und in seinen Schriften zum "Staat und Staatsbürgertum" (18. März 1912) ein.
Was Kerschensteiners Arbeits- und Berufsschule von der bisher bestehenden Fortbildungsschule abhob, war die Gliederung nach Gewerben, womit sich Kerschensteiner ein hohes Interesse von Gewerkschaften und Ausbildenden erhoffte. Über die Gewichtung der einzelnen Unterrichtsbereiche war noch wenig ausgesagt und Kerschensteiner urteilte, daß zunächst durch das geistige Verstehen und Beherrschen von Lesen, Schreiben und Rechnen die Voraussetzungen für ein manuelles Hantieren geschaffen werden mußten.
Kerschesteiner erkennt den Schüler also als "Gemeinschaftswesen in seinen tiefen sozialen Verflechtungen und auch Verpflichtungen."
4. Kritik an Kerschensteiner
Kerschensteiner war empfänglich für die Strömungen seiner Zeit und so lag die Reformschule und Arbeitsschule förmlich in der Luft, als Kerschensteiner die Idee aufgriff. Er sah seine Aufgabe stets im Zusammenhang mit den bestehenden Gesellschaftsstrukturen. Er betrachtete seine Aufgabe nicht im Schaffen neuer Werte, sondern übernahm diese von den Philosophen seiner Zeit.
Weiterhinm kritisierten Pädagogen und insbesondere die Herbartianer unter ihnen, daß es Kerschensteiner stets und fast ausschließlich um die Neugestalltung des Lehrplans ging. bei Kerschensteiner ging es nicht um Ethik und System, es ging um das praktische Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten. Den intelektuellen Bildungsweg hat Kerschensteiner an das Gymnasium "verbannt", hier wird "Willensbildung auf dem anspruchsvolleren Wege" geschaffen.
Bei Kerschensteiner steht nicht die Erziehung zum guten Schlosser oder Schreiner im Vordergrund, sondern die "Erziehung zum Bewußtsein durch die Werte des Berufs." dabei geschieht es leicht und hat sich bis heute gezeigt, daß die Berufsbildung oft zum Selbstzweck gerät. Gerade im Dritten Reich wurde Kerschensteiner oft zitiert, da seine Bildungstheorien sich an bestehenden Werte orientierten, ohne diese zu diskutieren. Die Schule erzielt durch den Wirkungsbereich der "Direkterziehung des Willens durch Zucht und Gewöhnung eine Gesamtperspektive der politischen Massenerziehung..."
Für die heutige Zeit bleibt von Kerschensteiners Schulreform die Arbeitsschule zurück und wir müssen prüfen, in wieweit die heutige Berufsschule die Lehre Kerschensteiners tragen kann. Hat die heutige teilzeit-Berufsschule eine Chance, gesellschaftspolitisch zu erziehen, hat sie vielleicht sogar die Aufgabe oder Verpflichtung? Eine Antwort auf diese Fragen wird es wahrscheinlich nicht geben und so sprechen Theodor Wilhelm und Gerhard Wehle in ihrer Betrachtung Kerschensteiners auch von "Vermächtnis und Verhängnis" seiner Pädagogik. Trotzdem können wir von Kerschensteiner die Hinwendung zur "Aktivitätspädagogik" (Knoop/Schwab) übernehmen und uns von der kognitiv orientierten Schule und auf den Lehrer orientierten Unterricht lösen.
Wenn Kerschensteiner auch die Institutionalisierung und Bürokratisierung der beruflichen Ausbildung verstärkt hat, so bleibt zu überlegen, ob nicht vielleicht auch gerade darin ein Gewinn und Erfolg seiner Schulreform liegt. Es wird mit Sicherheit stets geteilte Auffassungen über sein Werk geben, doch "dem praktischen Erzieher von heute wird das bedeutsam erscheinen, was der Schulmann Kerschensteiner an praktischer Arbeit geleistet hat."
"Kerschensteiner gebührt das Verdienst, die als Anhängsel der Volksschule aufgefaßten Fortbildungsschule in eine fachlich gegliederte berufliche Schule umgewandelt zu haben."
5. Quellenangaben
Karl Knoop / Martin Schwab, "Einführung in die Geschichte der Pädagogik -
Pädagogen-Portraits aus vier Jahrhunderten", Heidelberg: Quelle und Meyer, 1981
Gerhard Wehle (Hrsg.), "Wege der Forschung - Kerschensteiner", Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1979