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I Begriffserklärung

II Einordnung des Mythos

III Lob und Kritik am Begriff Mythos 
(Mythos als wahre Lehre? - Pädagogischer Nutzen - Gegenüberstellung von Haltungen)

IV Vertreter beim Namen 
V Kritik


I Begriffserklärung

Mythos:

Der Mythos-Begriff stammt ursprünglich aus dem griechischen. Sein Entstehungsdatum und der Schöpfer konnten nicht ermittelt werden. Anscheinend ist, wie so oft bei der Betrachtung des antiken Griechenlandes, näheres nicht bekannt. Der Mythos, welcher sich in der Antike auf die Geschichten der Vorigen beschränkt, wird im historischen Verlauf in zweifacher Weise ergänzt und erlangt so einen erweiterten Status:

Mythologie:

Formenlehre der religiösen Vorstellungen, welche die religiöse Begriffsbildung behandelt. Das Wort Mytho-logia wird zum ersten mal im Abschnitt über die Patristik verwendet. Wo und wann die Lehre von wem gegründet wurde, ist dem Referenten nicht bekannt.

Mythographie:

Kritische chronologische Aufarbeitung der Mythen, wie sie bereits in der Antike betrieben wurde.

Animismus:

Lehre von der Beseelung der Dinge.

Allegorie:

Bildhafte Darstellung einer Begriffs-Bedeutung durch beispielhaftes Erzählen.

Genuin:

Natürlich

Häresien:

Irrglauben, Ketzereien

Semiologie:

Krankheitslehre
 

II Einordnung des Mythos

Bis auf den christlichen Mythos werden die Mythen der "Vorwissenschaftlichen Zeit" zugerechnet. Hierzu muß gesagt werden, daß gerade die Philosophenschule, heute eher abfällig betrachtet, diejenige war, der zuerst das wissenschaftliche Denken und Erfragen eines Problems zugeschrieben wurde. Im allgemeinen finden sich Mythen im Volksglauben, der als naiv und wenig "erwachsen", also mangelnd rational eingestuft wird. Vor der Etablierung wissenschaftlichen Denkens und des Schreibens scheint der Begriff noch nicht gebräuchlich gewesen zu sein.

 Bezogen auf Griechenland gilt Homer als der berühmteste Mythenerzähler. Als Dichter gab er den Mythen genügend Poesie auf den Weg, so daß sie auch unter Kritikern wegen ihrer Schönheit verehrt werden. Dabei ist zu beachten, daß seine Überlieferungen nur Nacherzählungen von Erzählungen sind. Er selbst nannte den Mythos wahrscheinlich noch nicht in dieser Weise. Überhaupt ist nicht gesichert, daß er je existiert hat. Falls es so ist, wird es im 8. Jhd. v.Chr. gewesen sein. Die Werke, für die er steht, heißen Ilias, das älteste europäische Epos, welches in etwa 16.000 Versen das letzte Jahr der zehnjährige Belagerung von Troja beschreibt, und Odyssee, welches in etwa 12.000 Versen die Irrfahrten des Griechen-Königs Odysseus schildert. Jener soll als einziger Krieger von Troja heimgekehrt sein. Selbst niedergeschrieben hat Homer die Gedichte wohl nicht, da er als blinder, fahrender Sänger, später zu Hofe auf der Insel Chios wohl nicht des Schreibens mächtig war. Die Texte sollen zunächst über Generationen überliefert und erst dann von anderen Dichtern niedergeschrieben worden sein. In der Antike dienten sie den Schülern beim Lernen von Lesen und Schreiben. Zudem wurde ihnen über deren Inhalt die Geschichte ihrer Vorfahren und die Götterwelt nahegebracht, welche als Mitstreiter den Schicksalhaften Verlauf bei Troja und des Halbgottes Odysseus nicht wenig beeinträchtigt haben sollen.

 Hesiod (7. Jhd. v.Chr.) gilt als der zweitwichtigste Mythos-Erzähler neben Homer. Er ist der erste Dichter, welcher anhand Überlieferungen persönlich erfaßbar ist. Während seiner Jugend als Schafhirt sollen ihm die Musen (weibliche Bergwesen, welche als Beschützerinnen der Kunst und Wissenschaft galten) durch einen Olivenzweig sein potentielles Vermögen offenbart haben. Er wurde singender Rhapsode, dichtete und fühlte sich als Prophet, der seine Lehren für wahr nahm. Von ihm stammen die Theogonie und die Erga, welche die Götterentstehung und deren Kämpfe um die Herrschaft schildern. Dementsprechend herrschte zunächst Chaos. Aus diesem entstanden die Vorolympischen Götter Tartaros, Eros, Erebos, Gaya und Nyx. Darauf folgten Uranos, Aither und Pontos. Uranos und Gaia zeugten die Titanen, unter ihnen Kronos. Mit Ihnen und ihrem ungeheuren Nachwuchs beginnt der engere Mythos. Kronos siegt über seinen Vater Uranos und seine Mutter Gaia, wird aber, wie die Titanen, von seinem jüngsten Sohn Zeus und den olympischen Göttern niedergerungen. Zeus befreit die von Uranos verbannten Kyklopen und erhält von ihnen Blitz und Donner, wird König der Olympischen Götter und herrscht über die Welt.
 

III Lob und Kritik am Begriff Mythos

Mythos als wahre Lehre?

Sie wird seit den Vorsokratikern (Sophisten und Naturphilosophen), welche sich zeitlich direkt an Hesiod anschließen, nicht als solche unter den Denkern und Wissenschaftlern angesehen. Eher wird der Gehalt, das Ergebnis beim zwischen den Zeilen lesen, die Wahrheit über das Menschliche daran, den Menschen selbst, als das Wahre am Mythos angesehen. Der Glaube an die Götter in ihrer rohen Eigenart, wie sie von Homer und Hesiod beschrieben werden, steht bereits bei den Naturphilosophen (ab 7. Jhd. v.Chr.) sehr in Kritik. Die Sophisten (ca. 5. Jhd. V.Chr.) äußern sich in Platons Werken zweigeteilt: Der rhetorische Nutzen ist ihnen recht, jedoch scheint ihnen ein solcher Götterkult nicht geeignet für die Lenkung eines Staates. Protagoras betitelt dies mit: "Der Mensch sei das Maß aller Dinge." Er begründet diesen Satz mit der kurzen Lebensdauer des Menschen, so daß er daher nicht hinter die Frage nach dem Göttlichen kommen könne. Protagoras wurde in Athen wegen Gottesleugnung angeklagt und ertrank bei der Flucht. Seine Schriften wurden öffentlich verbrannt.

 Diese Zweiseitigkeit wird hier aus folgenden Gründen mit aufgeführt. Zum Einen fehlen im "Historischen Wörterbuch der Philosophie" gänzlich Angaben über die Zeit bis Sokrates (um 400 v.Chr.), obwohl sie bereits sehr konkret Aufschluß zeigen über die ablehnende Haltung anknüpfender Generationen. zum Anderen zeigen sie die Widersprüchlichkeit zwischen dem allgemeinen Glauben in der Bevölkerung, der Politik und dem Glauben der führenden, herausragenden Denker. Dies wird ebenfalls nicht deutlich bei dem Studium des "Historischen Wörterbuches der Philosophie".

 Neben der Kritik an dem konkreten Wahrheitsgehalt reihen sich auch Äußerungen, welche selbst den übertragenen Wert nicht anerkennen, sondern in den Mythen verwerflich kindliches Denken noch nicht erwachter Kulturen sehen. Je größer die zeitliche Distanz zu den Mythen ist, desto verallgemeinernder werden diese Aussagen für die gesamte Bevölkerung jener Zeit. Sehr spät folgen auch auf dieses Denken wieder positive Äußerungen, nach denen jene kindliche Stufe eine notwendige Entwicklungsstufe zum bewußten, erwachsenen und rationalen Menschen darstellt und für die damalige Zeit die einzige Möglichkeit der Lehre sei. Wie dieses historisch auszumachen sei, bleibt fraglich.

Pädagogischer Nutzen:

Der Mythos erfüllt seinen pädagogischen Nutzen je nach Quelle des Mythos:

Gegenüberstellung von Haltungen:

Kritik  Lob neutrale Äußerungen 
Lügengeschichte, unwahre Erzählung metaphorisch für die Lebensweise des Menschen allegorisch, symbolisch
Volksweisheit Poesie Relgion, Ideologie 
Phantasie Phantasie Vorstellungen über Vergangenes 
naiv, kindlich, dumm Weise genuiner Ausdruck religiösen Gefühls 
Reflexe von Naturgewalten im Geist primitiver Völker vorwissenschaftliches Sprachmittel zur Lehre Kommunikationssystem
primitive Vorstufe menschlichen Denkens notwendige Entwicklungsstufe Eine vieler Entwicklungsstufen des Menschen in der Geschichte
politisches Machtmittel vorwissenschaftliche Aufklärung Darstellungen des Göttlichen
moralisch anstößig, verwerflich lustvoll, anregend Ergebnis religiösen Geistes
widersprüchlich menschlich -
 
 
IV Vertreter beim Namen

Die Zitate sind frei wiedergegeben. Auf Quellenverweise wurde verzichtet. Jene sind eh arg aus dem Kontext der Literatur gerissen. Bei Bedarf wird auf das "Historische Wörterbuch der Philosophie" verwiesen. Auch konnten der Berufsstand und die Anerkennung innerhalb der Fachkreise nicht vollständig ermittelt werden. Die Einteilung der Abschnitte hält sich an die Vorgabe.

Antike:

Im allgemeinen wurden die Mythen unter den Gelehrten nicht sehr ernst genommen. Die Frage um die Brauchbarkeit der Mythen als Lehrgut wurde jedoch unterschiedlich betrachtet.

 Theagenes (6. Jhd. v.Chr.): Er verteidigte den Mythos als Wahren Hintergedanken des vordergründig absurden und gilt als Begründer der allegorischen Deutung.

 Xenophanes (570-470 v.Chr.; Rhapsode, Vorsokratiker): Er sah in den Mythen Erfindungen der Früheren und hielt sie für moralisch verwerflich. Seines Erachtens kann es nur einen Gott geben, welcher auch nicht wie eine Person, sondern alles wahrnehmend und durchdringend sei (gegen anthropomorphe Götter).

 Platon (427-347 v.Chr. in Athen; Philosoph; Gründer der Akademie): Er forderte einen neuen Mythos zum Nutzen des Staates. Alles Vorläufige (Auch die Lehren der Vorgänger) gleiche dem Mythos und ist ein kindliches Spiel, in der Hoffnung, die Wahrheit nicht ganz zu verfehlen.

 Hekataios von Abdera (350-290 v.Chr.): Er hat als Philosoph und Literat über Homer und Hesiod geschrieben und hielt deren Werke für lächerliche Erzählungen der Griechen.

 Epikur (341-270 v-Chr.; Gründer der Epikureischen Schule nach Demokrit): Nach ihm stört der Götter- und Jenseitsmythos den Seelenfrieden.

 Euhemeros (340-260 v.Chr.): Er verfolgte die Reduktion der Götter-Mythen auf Menschengeschehen. Die echten Götter waren nur die Himmelskörper.

 Stoa (300 v.Chr. gegründet): Erneuerung/Überarbeitung der Sokratischen Lehre. Auseinandersetzung mit den Akademikern. Zeus= Himmel; Hera= Luft; Tugend=Glück.

 Poseidonios (135-51 v.Chr.): Er sah die Freude am Lernen. Der Mythos sei eine Vorstufe der Philosophie und einst einzige Lehrform.

 Plotin (205-270 n.Chr.; Ägypter; Begründer des Neuplatonismus): Die Leistung des Mythos liegt in Zeit- und Raumlosigkeit. "Dies ist niemals geschehen, es ist immer. Der Geist sieht alles zugleich, die Erzählung bringt das eine zuerst, das andere danach"

 Neuplatonismus: Timaios Erzählung über Atlantis ist eine didaktische Darstellung

 Proklos (411-485 n.Chr. Haupt der platonischen Akademie): Alles ist Abbild in Raum und Zeit zer-gliedert. Daher erfreut sich die Seele des Menschen am Mythos, denn auch sie ist Abbild. Der Mythos ist ihrer Phantasia gerecht.

 Entwürfe der Gnostiker (Gnosis = frühchristliche Lehre, als Sekte bezeichnet) und Hermetiker (von Hermes = Geheimbündler, Goldmacher) sind keine Mythen, wurden jedoch von der christlichen Kirche dazu gemacht

Von der Patristik bis zum 17. Jhd.:

Das Christentum sah im Mythos ein konkurrierendes heidnisches System, das widervernünftig, fingiert und erlogen ist. Er wurde als Kampfbegriff benutzt, sei fiktiv, leer, Altweiberhaft etc. So äußerten sich auch Zeitgenossen nichtchristlicher Ansicht. Weiterhin nannte das Christentum den Mythos, aber auch andere Glaubensrichtungen, Häresien. Geltung hatten heidnische Götter nur als böse, verführerische Dämonen. Quintus Septimus Florens Tertullianus (160-222 n. Chr.) und Aurelius Augustinus (354-430 n.Chr.) bezogen sich auf die Klassifizierung des Marcus Varro (116-27 v.Chr.; röm. Gelehrter und Schriftsteller): "triplex genus heidnischer Götter; physicum, das die Philosophen behandeln und das mythicum bei den Dichtern, das gentile der einzelnen Völker". Augustinus stellte den Willen über die Vernunft: Voluntarismus gegen Intelektualismus.

 Bis in die Karolinger Zeit (fränk. Königsgeschlecht; im Amt 751-987 n.Chr.) galt diese Verteufelung, dann wurden auch die Bibelzitate immer mehr als Allegorien betrachtet und das Testament zur Mythensammlung erklärt.

Mittelalter:

Die Mythen überlebten als Bildungsgut, sie wurden nun freier gehandhabt, z.B. wurden die Lehren griechischer Philosophen in die Mythen hineingelesen. Puplius Vergilius (70-19 v.Chr.; röm. Dichter) Epos Aeneis (Sein Versuch, Homer zu übertrumpfen) wurde als Darstellung des Menschenlebens gelesen. In Publius Ovidius Naso (43 v.Chr. - 17 n.Chr.; röm. Dichter) konnte sogar christliches entdeckt werden. Vom Mythos zur Sage wurden interpretative Bögen gezogen. Der Euhemerismus (Vernünftige Erklärungen des Göttlichen aus dem Menschlichen heraus) behauptet sich neben der Allegorie.

16. Jhd.:

Es kam das Bedürfnis nach "Reallexika" über den Mythos auf. Man suchte nach Sprachzusammenhängen und somit Glaubens-, also Ursprungszusammenhängen zwischen Völkern. Ins Deutsche wurde der Mythos als erdichtete Mähre übersetzt.

17. Jhd.:

Vergleichende Forschung wurde üblich. Es kamen neue Ansätze hinzu, wie die Übertragungstheorie, der entsprechend christliches und phönizisches nach Griechenland geraten sei. E. Herbert of Cherbury sah in den "Irrtümern" heidnischer Religionen die Wahrheit allgemeiner, natürlicher Gotteserkenntnis und legte deren nachträgliche Depravation (Sittenentartung) den Priestern zur Last. Damit war die Aufklärung über den Mythos hereingebrochen.

Die Aufklärung:

Die Aufklärer stürzten sich auf die christlichen Mythen als nur in der Weise erklärbar, daß hinter jenen abstrusen und unvernünftigen Mythen nur habgierige und machthungrige Priester stecken könnten.
(P. TH. d'Holbach, 1770) Der altertümliche Mythos erschien ihnen als eine Vorstufe, in welcher der Mensch sich selbst noch nicht unter Kontrolle hatte. Bei der Betrachtung verschmelzen die Volks- und christlichen Mythen. Oft ist es schwer zu beurteilen, wie genau ein Autor die Grenzen der Betrachtung gezogen hat.

 Bernhard Le Bovier de Fontenelle (1657-1757; Schriftsteller und Philosoph): Der Mythos sei Kennzeichen einer kindlich-wilden Entwicklungsstufe.

 So erschien die Mythologie auch in den zeitgenössischen Lexikas.

 Giovanni Battista Vico (1668-1744; Geschichtawissenschaftler und Rechtsphilosoph): sah Archilles als eine Idee der Tapferkeit, die allen Starken gemeinsam ist, Jupiter als eine Instanz für Weissagungsangelegenheiten.

 Charles de Brosses (1709-1777; Historiker und Geograph): sah in den Mythen die Unwissenheit und Furcht und im Fetischismus den Ursprung heidnischer Religionen. Wieder sei es ein Vorstadium der Menschenentwicklung.

Die Zeit der Romantik:

Während der Romantik nahm der sachlich bewertende Charakter ab. Die Mythen wurden zwar nicht anders gesehen, doch zeigten die Denker jener Zeit eine innere Neigung nach solchem, wollten sie den Mythos nicht als etwas bösartiges oder unnützes betrachten. Es wurden verstärkt Vergleiche zwischen den Mythen, Sagen und auch anderen Denkschulen gezogen.

 Christian Gottlob Heyne (1728-1812; klassischer Philologe und Bibliothekar): Er sah im Mythos ebenfalls eine geschichtlich notwendige Entwicklungsstufe und eine entsprechende Denk- und Ausdrucksweise. Der Mythos bemächtigte sich einer unvollkommenen Sprache, welche ihre Begriffe nur der Welt der Sinne entnahm. Er sah dies als durchaus positiv gegenüber den Verurteilern. Die kindliche Stufe schien ihm als spielerische Ebene nicht abgeneigt.

 Johann Gottfried Herder (1744-1803; Schriftsteller, Philosoph und Theologe): sah den griechischen Mythos als den reichsten und schönsten auf Erden an, wendete sich aber auch dem nordischen zu. Auch wenn er nicht wahr ist, sollte er andere Dichter zu neuen Gedanken anregen.

 Johann Wolfgang v. Goethe (1749-1832; Dichter): zieht ebenfalls den griechischen Mythos vor.

 Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834; ev. Theologe und Philosoph): Die Mythologie will tiefer in die Materie dringen, während die Religion sich auf den Einen beschränkt.

 Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770-1843; Dichter): Alle Religion ist poetisch.

 Georg Friedrich Creuzer (1771-1851; klassischer Philologe): hebt erneut das Symbolhafte hervor. Er will Volksglaube und Mythos getrennt wissen, da er im Mythos den vorwissenschaftlichen Aspekt sieht, der nicht constitutiv, sondern leitend, nicht legislatorisch, sondern interpretierend vorgeht. Er sei religiösen Ursprungs.

 Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831; Philosoph): Die Mythologie gehört zur Pädagogie des Menschengeschlechts. Ist der Begriff erwachsen, so bedarf es derselben nicht mehr. Dies geschieht durch die Philosophie.

 Henrik Steffens (1773-1845; Naturphilosoph und Schriftsteller): sah in den Mythen das primitive Be-wußtsein, welches nur den chaotischen Kampf in der Natur sehen konnte.

 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854; Philosoph): Er verlangte eine neue Mythologie der Vernunft, bei der die Grenzen der Poesie und Philosophie verschmelzen und  eine allgemeine Freiheit und Gleichheit der Geister erreicht wird. Dies überließ er der Zeit. Er sah in einer universellen Lehre die Lehre der Göttergeschichte, indem er annahm, daß während der Bewußtseinsentwicklung die Götter sich wirklich des Bewußtseins bemächtigt hätten. Die Folge der Götter war nötig, um von einem anfänglich relativen Monotheismus über einen polytheismus zu einem endgültigen Monotheismus des Christentums zu gelangen.

 Jacob Grimm (1785-1863; Germanist): bemüht sich bei der Suche nach ethnisch gleichen Mythen zur Klärung von Sagenwahrheit und historischer Wahrheit. Mythos und Geschichte verhalten sich wie Schicksal und Freiheit. Der deutsche Mythos liegt zwischen dem celtischen und nordischen.

Zweite Hälfte des 19. Jhd.:

Sie greift laut dem "Historischen Wörterbuch der Philosophie" auf Heyne zurück, zeigt aber auch wieder klare Tendenzen zur Aufklärung.

 David Friedrich Strauss 1808-1874; Theologe): Der christliche Mythos sei eine absichtslos dichtende Sage um das Testament. Der Mythos ist gleich einem dogmatischen Tatbestand der Historie.

 Friedrich Max Müller (1823-1900; Indologe, Sprach- und Religionswissenschaftler): "Wesenlose Namen, nicht namenlose Wesen". Der Mythos sei eine Folge unvermeidlicher Kinderkrankheit, ein Dialekt, eine alte Form der Sprache. Er sei aus mythischen Molekülen zusammengehalten. Babylon sei der Ursprung.

Ethnologie: savage and senseless element. Animismus.

 T. Vignoli: sah ein psychisch-physiologisches Grundprinzip, nämlich die Fähigkeit zur spontanen Personifikation, tierische Sinnesempfindung sind Auslöser. Erst wenn der Mythos durchschaut ist, kann er rationalem Denken platz machen.

 Karl Marx (1818-1883; Philosoph): reduziert den Mythos auf eine Ideologie. Er überwindet und be-herrscht und gestaltet die Naturkräfte in der Einbildung, verschwindet also mit der wirklichen Herschaft über dieselben. Als solche unbewußt künstlerische Verarbeitung liefert er Material für die "unübertroffene" Kunst der alten Griechen.

 Hermann Usener (1834-1905; klassische Philologie): All das wird zum Mythos, was auf den Kind-heitsstufen der Völker das Gemüt des Volkes erregt.

 Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900; Altphilologe und Philosoph): hegte die Erwartung einer Wiedergeburt des deutschen Mythos.

20. Jhd.:

Die Auseinandersetzung um den Mythos nahm viele (ansich schon vorhandene) Richtungen an, Publikationen stehen zu Hauf zur Verfügung. Daher ist das zwanzigste Jahrhundert nach einigen Denkrichtungen gegliedert. Letztlich erscheint nichts wahrhaft neues.

Ethnologie:

Sie beginnt, den primitiven Mythos vom religiösem Mythos zu trennen: (W. Wundt: primitiv ist der Volksgeist und seine Weltanschauung, religiös der Mythos von Göttern und Dämonen)

 O. Sprengler: Mythos - Kultus <-> Theorie - Technik. Sie folgen nötigerweise aufeinander, somit ist Mythos nicht Vergangen, sondern weiterhin vorhanden.

 Claude Gustave Levi-Strauss (1908-...; Ethnologe): Er nennt die Mythen Mytheme: "Neue Strukturen der Offenbarung".  Der Mythos ist eine versprachlichung höchsten Nievaus, sich von der gegebenen Sprache abhebend, um seinen Ausdruck der die Gesellschaft bedrängenden Widersprüche zu erlangen.

 Sigmund Freud 1895-1982; Nervenarzt und Psychoanalytiker): Die Traumanalyse sei der Schlüssel zum Mythos. Er konnte sich nicht vom pathologischen lösen, blieb also traditionell.

 Paul Ricoeur (1913-1948; Philosoph): Freud übersieht, daß der Mythos selbst Neuschaffung des be-reits überlieferten sei, also Nacherzählung, Nachempfindung.

Klassische Philologie und Altertumswissenschaft:

Sie geht zum Teil weit auseinander.

 Wilhelm Nestle (1865-1959; Philosoph und Historiker): Der Mythos ist bildhaft, aus dem Unbewußten schaffend und gestaltend, das Schlimme oder Gute in dämonischen Wesen suchend. Er überprüft seine Inhalte nicht an der Wirklichkeit. Logisches Denken ist stattdessen begrifflich und absichtlich bewußt zergliedernd. ´Der Mythos ist Traumhaft, Logisches Denken ist Wachsein.

 Ernst Howald (1887-1967; klassischer Philologe): Der Mythos ist keine Religion, sondern reine Literatur.

 Albin Lesky (1896-1981; klassischer Philologe): Der Mythos ist nationales Gemeingut des Volkes und heilige Geschichte von größter Realität.

Geist- und intellektfeindliche Bewegung:

 Ludwig Klages (1872-1956; Philosoph und Psychologe): (Der Geist als Widersacher der Seele) Der Weg des Unheils begann, als die Griechen des Urwald des Mythos mit den Beilhieben des Geistes rodeten und so den Prozeß vom Mythischen Schauen über die Verpersönlichung der wirkenden Mächte bis zum nackten Verstandeskult.

 Franz Böhm (1895-1977; Jurist und Politiker): Der Mythos sei ein unverlierbarer, aber wandlungsfähiger Besitz des Menschen.

 Anton Rosenberg (1893-1946; Politiker und Publizist): Der germanische Mythos sei eine deutsche Rassenlehre, Ehre der deutschen Nation. (Rosenberg war Mitglied der Thulegesellschaft und ist hingerichtet worden.)

 Roland Barthes (1915-1980; Literaturkritiker und Essayist): Der Mythos nutzt parasitär die Sprache als Formund, bildet ein sekundäres semiologisches System.

 (Mythos Marlene Dietrich)

Metaphysik:

 Hermann Broch (1886-1951; Schriftsteller): coming from myth, returning to myth.

 Karl Jaspers (1883-1969; Philosoph und Psychiater): Den Mythos reinigen, aber nicht abschaffen.

 G. Wehrung: Der Mythos kann nicht ohne weiteres aus Kultur und Gesellschaft entfernt werden.

 Kolakowski: legitimes Bedürfnis

 M. Hochgesang: Da Physik die strenge Gültigkeit des Kausalgesetzes nicht aufrechterhalten kann, scheinen Mythen wieder einzukehren.

Gegenwart:

 Theodor Lessing (1872-1933; Publizist und Kulturphilosoph): begrüßte die Wildheit des Mythos, weil die Erlernung der Mythologie bedeutend für die schönen Künste und Wissenschaft sei, aber auch für die Historie und die Sittenlehre, Naturkunde und reine Gottesgelehrtheit.

Max Horkheimer (1895-1973; Philosoph und Soziologe) und Theodor W. Adorno (1903-1969; Philo-soph und Soziologe): Schon der Mythos ist Aufklärung. Aufklärung schlägt in Mythologie zurück. Der Rückfall in die Barbarei erfolgt durch die Dialektik selbst.

Kritik am Text

Hierbei ist zu beachten, daß das "Historische Wörterbuch der Philosophie" nur sehr knapp die Hauptsätze ausgewählter Vertreter umreißt, wodurch eine Verzerrung des realen Zeitgeistes, sowie der realen Meinungen und Haltungen der erwähnten Denker nicht beurteilt werden kann: