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1. Einleitung

 

2. Der Begriff der Globalisierung

 

3. Die zugrundeliegende Wertvorstellung

 

4. Die Gedanken des Marshall McLuhan

4.1 "Explosion" und "Implosion"

4.2 Das Medium ist die Botschaft

 

5. Sprache und Schrift

 

6. Internet und virtuelle Realität als "globales Dorf" ?

 

7. Schlußfolgerungen

 

8. Literaturverzeichnis

 

 

 

  1. Einleitung

"Medien sind so: Sie verändern die gesellschaftliche Temperatur total." Marshall McLuhan

 

Der Begriff der Globalisierung ist in der Wissenschaft, doch vor allem in der Sozial-, Politik- und Geowissenschaft, zu einem zentralen Thema geworden. Es vergeht fast kein Tag, an dem wir diesen Begriff nicht auch in den Medien wiederfinden. Ein Problem bei der Debatte über Globalisierung ist die Trennschärfe des Terminus. Oder anders gesagt: was ist Globalisierung überhaupt?

Dieser Frage wird am Anfang der Arbeit kurz nachgegangen, bevor ich mich auf ein bestimmtes Konzept konzentrieren werde, um exemplarisch darzustellen, welche Dimensionen von Globalisierung in einem konkreten Ansatz der Wissenschaft behandelt werden. Es ist dies das Konzept des "globalen Dorfes", das Mitte bis Ende der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts von dem kanadischen Literaturwissenschaftler Marshall McLuhan entworfen wurde. Zum besseren Verständnis soll überblicksartig auf McLuhans Werdegang und die der Theorie des globalen Dorfes zugrundeliegende Wertvorstellung eingegangen werden, nicht zuletzt aus dem Grund, um einige in der Debatte um McLuhan und seine Theorie strittigen Aussagen und Hypothesen eingehender zu beleuchten und unter Umständen die Hauptthesen McLuhans überprüfbar zu machen.

Am Ende soll gezeigt werden, ob, und wenn ja wie, McLuhans Ahnung aus dem Jahre 1969 von einer vernetzten Welt mit dem, was man am Ende des zwanzigsten Jahrhundert herkömmlich mit dem "Internet" bezeichnet, korrespondiert.

 

2. Der Begriff der Globalisierung

Es ist vor allem die westliche Welt, die sich mit dem Auftreten von Globalisierung beschäftigt. In diesen Ländern (besonders Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika) läßt sich eine grobe Unterscheidung von drei Aspekten der Globalisierung vornehmen: sozio-kulturelle, ökonomische und politische Aspekte.

Unter die sozio-kulturellen Aspekte fallen vorwiegend die Abnahme der räumliche Trennung zwischen Interagierenden und der Zuwachs an Alternativen für Handelnde durch verstärken Zugang zu Informationen.

Die Abnahme der räumliche Trennung hat zur Folge, daß die Wichtigkeit des Raumes nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Der zweite Punkt ist eine praktische Folge aus dem ersten. Durch die "Vernichtung des Raumes" wird der Zugang zu gewünschten Informationen leichter, da es schneller geht und technisch einfacher ist, das zu erfahren, was von Interesse ist, was wiederum zu größerem Alternativenbewußtsein führt. Durch diese Informationsvermehrung kann dann eine stärkere Selektion durch den einzelnen erfolgen, was dann wiederholt zu Spezialisierung führt. Der Begriff der Spezialisierung wird im weiteren Verlauf, wenn es um die Konzeption von McLuhan geht, noch eine weitere Bedeutungsebene erhalten.

Zwei weitere Folgen der Globalisierung für den sozio-kulturellen Bereich sind die Universalisierung von Kommunikationsnormen (z.B. Sprache, logische Gründe bzw. Standards) und die Universalisierung sozialer Ansprüche durch gesteigertes Alternativenbewußtsein.

Die im täglichen Leben wohl präsenteste Bedeutungsebene von Globalisierung sind die ökonomischen Aspekte. Das liegt sicher nicht zuletzt daran, daß sie die am sichtbarsten Folgen der Globalisierung beinhalten. Wiesenthal weist darauf hin, daß "... kein universaler "Weltmarkt" entsteht, dem sich die globalen Marktakteure adaptieren. Vielmehr existiert eine Pluralität von segmentierten (Teil-) Märkten." Das heißt, daß entgegen der verbreiteten Vorstellung eines einzigen globalen Weltmarkts, viele einzelne voneinander getrennte Märkte in der Entstehung sind, wobei es auf die Produktionsgüter ankommt, wie der Teilmarkt sich segmentiert. In bestimmten Regionen der Welt entstehen so Produktionszentren für bestimmte Waren. Was wo produziert wird hängt primär von den Produktionsbedingungen in den bestimmten Regionen, und sekundär von Lohnniveau, Steuersätzen oder infrastrukturellen Voraussetzungen ab. Als Beispiel kann der segmentierte Markt für Unterhaltungselektronik in Südostasien gesehen werden.

Wenn die Rede von politischen Aspekten der Globalisierung ist, dann sind eigentlich die Wirkungen der ökonomischen Aspekte auf das nationale politische System gemeint. Wie aus dem oben genannten deutlich wird, haben immer wenige einzelne Wirtschaftsunternehmen einen echten Einfluß auf den Verlauf der Weltwirtschaft. Gleiches gilt für die politischen Akteure eines Nationalstaats. Im Grund kann man die Probleme der nationalen Politik mit der Globalisierung auf einen einfachen Punkt bringen: durch die Globalisierung, vor allem durch ihre ökonomische Aspekte, verliert der Nationalstaat an Wichtigkeit, und somit auch die Regierungen der Nationalstaaten. Die Regierungen sind keine Regulatoren der Weltwirtschaft mehr sondern sind zu "global players" geworden, wie andere Unternehmen, Interessengemeinschaften oder internationale Verbände. Wiesenthal sieht dennoch eine Möglichkeit der Einflußnahme von politischen Akteuren, denn "... allein multilaterale Vereinbarungen zwischen de Regierungen über einen problemadäquaten institutionellen Rahmen [bieten] die Aussicht, die sozial und ökologische inakzeptablen Wirkungen der Globalisierung einzudämmen."

Bis hierhin habe ich versucht drei verschiedene Aspektarten von Globalisierung kurz und knapp darzustellen. Im folgenden soll es nun um das Konzept des "globale Dorfs" von Marshall McLuhan gehen. Beginnen möchte ich mit einer Einführung zur Person. Darüber hinaus soll kurz auf die zugrundeliegende Wertvorstellungen eingegangen werden.

 

3. Die zugrundeliegende Wertvorstellung

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß Marshall McLuhan einer der umstrittensten Autoren seiner Zeit war (und es auch heute noch ist), was nicht zuletzt an seinen gleichzeitig faszinierenden wie streitbaren Thesen liegt. Dieses Kapitel wird auf die Person McLuhans und seine Wertvorstellungen eingehen, um seine Denkweise und sein Problembewußtsein besser verstehen zu können. Zudem sind diese Informationen instruktiv bei der Behandlung seiner Vorstellungen über das "globale Dorf".

Marshall McLuhan wurde 1911 in Edmonton, Alberta geboren und studierte Maschinenbaus und dann Literatur an der Universität von Manitabo. Als Sohn baptistischer Eltern konvertierte er in den späten dreißigern zum Katholizismus. Zur gleichen Zeit studierte er bereits in Cambridge am dortigen Cambridge Trinity College. 1943 schrieb er seine Dissertation über den Elisabethaner Tomas Nash. Er lehrte an der Universität von Wisconsin, an der St.-Louis-Universitiät und an der Windsor Universität. Danach ging er zurück nach Kanada, wo er ab 1946 als Professor für Literatur an der Universität von Toronto lehrt. 1982 starb er. McLuhan schrieb mehrere Bücher und hat in kleinen Zeitschriften Hunderte von Artikeln veröffentlicht.

Am wichtigsten für die weitere Analyse von McLuhan und seine Hypothesen ist die Tatsache, daß er im Westen Kanadas geboren wurde und dort aufwuchs. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß er schon früh mit den Ideen des Agrarsozialismus in Berührung kam. Die Ziele dieser Denkrichtung entstanden in den ersten Jahren der Westwanderungen in die amerikanische Prärie, als die Pioniere von der Vision eines Garten Eden, "...in dem jedermann die Ideale einer handfesten bäuerlichen Unabhängigkeit verwirklichen konnte." vorangetrieben wurde. Allgemein kann man sagen, daß der Mythos vom eigenen Land und vom Leben als freier Bauer großen Eindruck auf McLuhan machte und diese Ideale in versteckter und geheimer Form in vielen seiner Ideen wiedergefunden werden können. Spätere Ausführungen über das "globale Dorf" werden die verdeutlichen.

Der zweite wichtige Abschnitt im Leben McLuhans ist seine Zeit in Cambridge, in der er vor allem von F.R.Leavis, I.A.Richards und G.K.Chesterton in seinem Denken beeinflußt wurde. Auf die genauen Einflußgrößen wird im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen werden, wenn konkrete Thesen oder Gedanken McLuhans vorliegen. An dieser Stelle soll nur die Tatsache erwähnt werden.

Im nächsten Abschnitt werde ich mich mit McLuhans Werk "Die magischen Kanäle - Understandig Media" befassen und sein Medienverständnis, das Konzept des "globalen Dorfes" sowie die Implikationen, die seine Vorstellungen auf den Gedanken der Globalisierung haben, ausführlich darstellen.

 

4. Die Gedanken des Marschall McLuhan

4.1 "Explosion" und "Implosion"

Ein wichtiges Leitmotiv Marshall McLuhans ist die Idee, daß alle Techniken und technische Erfindungen des Menschen Ausweitungen der menschlichen Körperorgane darstellen, die nur dazu dienen, Macht und Geschwindigkeit zu vergrößern. Darüber hinaus postuliert er, daß das Zeitalter, das durch den Buchdruck die menschliche Wahrnehmung formte, vorbei sei. Er kündigt ein post-literarisches Zeitalter an, d.h. ein Zeitalter dem Buchdruck entrückt. Es wird hier schon ein wenig klar, um was es McLuhan geht. Sein Kulturpessimismus gibt ihm den Anlaß, eine vergleichende Betrachtung der Wirkung von "neuen" Kommunikations- und Wahrnehmungsmedien (das sind vor allem elektronische Medien/Kanäle mit ihrer direkten Erreichbarkeit für Auge und Ohr) mit der Wirkung des damals neuen Kommunikationsmedium Buch auf die Menschen, kurz nachdem 1436 der Buchdruck von J. Gutenberg erfunden wurde, durchzuführen. Der Gedanke von der Ausdehnung des menschlichen Körpers durch technologische Erfindungen und der Gedanke des Vergleichs der Wirkungen von Medien in verschiedenen Zeiten bilden den Ausgangspunkt für McLuhans Theorie. McLuhans Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Wirkungen der Elektrizität. Er behauptet, daß im Mittelalter bis ins Zeitalter der industriellen Revolution das Leben der Menschen durch Mechanisierung gekennzeichnet ist.

Diese Periode ist für die westliche Welt mit einer "...Explosion..." verbunden. Mit dem schillernden Begriff "Explosion" ist nicht anderes gemeint als die Ausweitung des Menschen in den Raum mit der zunehmenden Wichtigkeit des Raumes als Folge. Ergänzend ist das Zeitalter der Mechanisierung charakterisiert durch ein allgemein langsames Tempo, d.h. es kam zu Verzögerungen der Reaktion auf Aktionen über verschieden lange Zeiträume. Der Begriff der Explosion beinhaltet weiter die Spezialisierung von Techniken durch Erfindungen. Die wohl strittigste These im Zusammenhang mit dem Begriff der "Explosion" ist die, daß die Stammesorganisationen, gemeint sind damit wohl Formen des menschlichen Zusammenlebens, die nicht auf Sprache und Schrift ausgelegt sind, durch die Mechanisierung und die damit verbundene Spezialisierung zerstört werden. Die Frage sich hierbei stellt ist, wo diese Stammesgesellschaften leben sollen, und warum ausgerechnet durch den Buchdruck, denn McLuhan meint hier implizit ohne Zweifel die Erfindung des Buchdrucks als auslösendes Moment, eine Gesellschaft, die ausschließlich auf den auditiven und den visuellen Sinn ausgerichtet ist, zerstört werden soll. Ich werde diese Frage im nächsten Kapitel, wenn es um die Objektivität geht, noch einmal aus einem anderen Blickwinkel beleuchten.

Als Pendant zum "Zeitalter der Explosion" erkennt McLuhan das "Zeitalter der Implosion", dessen wichtige Implikation die Erfindung der Elektrizität ist. Durch die Elektrizität, meint McLuhan, habe die Menschheit nach allen mechanischen Erfindungen jetzt die Möglichkeit realisiert, "...sogar das Zentralnervensystem zu einem weltumspannenden Netz ausgeweitet..." Durch dieses weltumspannende Netz komme es zur Aufhebung von Raum und Zeit. Als Folge dieser Aufhebung macht er die Beobachtung, daß Reaktion und Aktion von Handelnden fast gleichzeitig erfolgen, aber das Bewußtsein noch das des mechanischen Zeitalters ist. Durch die technische Ausbreitung des Zentralnervensystems kann der Mensch jede Auswirkungen seiner Handlungen miterleben, d.h. eine distanzierte Rolle gegenüber den eigenen und den Handlungen der anderen ist nicht mehr möglich. Desweiteren argumentiert er, daß sich im "Zeitalter der Implosion" die Stammesorganisation im oben beschriebenen Sinne wiederherstellt wird. Der Begriff "Elektrizität" allerdings ist für McLuhan wohl nur ein Synonym für das, was er eigentlich meint: die elektrischen Medien. Durch die elektrischen Medien sind alle Gruppen in unser Leben einbezogen, wie wir in das ihre. Die Welt wird komprimiert durch das, was er Elektrizität nennt. Dies ist die erste Bedeutungsebene des Terminus "globales Dorf". "Elektrisch zusammengezogen ist die Welt nun mehr ein Dorf." Und da die ganze Welt na diesen Prozeß beteiligt ist, nennt er seine Vision "globales Dorf".

 

4.2 Das Medium ist die Botschaft

McLuhan stellt nicht nur eine Analyse der Wirkungen von Medien (seien sie nun elektrisch oder nicht) in verschiedenen Zeitepochen vor. Vor allem geht es ihm um die Wirkungen, die diese Medien auf die psychischen und sozialen Bedingungen der Menschen haben. In diesem Sinne ist auch der Satz "Das Medium ist die Botschaft" zu verstehen. Diese Phrase ist grundlegend für seine Medientheorie. In jedem Fall ist die Wirkung eines Mediums sehr viel wichtiger als das die Art des Mediums selber. Sein Paradebeispiel, um dieses zu untermauern ist das elektrische Licht. Als Medium der Kommunikation erweckt es kaum Aufmerksamkeit, weil es, mit McLuhans Worten, keinen Inhalt hat. Elektrisches Licht ist für ihn die pure Information. Es ist ein Medium ohne Botschaft, es sei denn es strahlt etwas an oder aus. Das heißt aber auch, daß der Inhalt jedes Mediums wiederum ein Medium ist. Der Inhalt des Mediums Schrift ist die Sprache, der Inhalt des Mediums Buch(druck) ist die Schrift. Das Medium ist die Botschaft, die es verbreitet, das heißt "... individuelle und gesellschaftliche Konsequenzen eines jeden Mediums resultieren aus der Strukturveränderung in der Umwelt des Menschen, die eben die Einführung eines neuen Mediums verursacht hat." Als Beispiel gelte hier die Einführung, bzw. Erfindung der Fließbandproduktion. Sie schaffte Arbeitslosigkeit, aber auf der anderen Seit auch Veränderungen im Arbeitsalltag, da der einzelne nun tiefer in die Arbeit und dadurch in das gesellschaftliche Zusammenleben verwickelt war. McLuhan nennt deswegen das Zeitalter der Mechanisierung mit der Maschinentechnik eine Technik des Zerlegens, des Aufteilens, auf der anderen Seite die Automationstechnik einbeziehend, dezentralisierend und in die Tiefe wirkend. Es ist also die Botschaft jedes Mediums oder jeder neuen Technologie die Veränderung des Maßstabs, bzw. der Wahrnehmung, die es der Situation des Menschen bringt, oder anders ausgedrückt: es geht um die psychischen und sozialen Auswirkungen. Als weiteres Beispiel, neben dem elektrischen Licht, sei hier die Erfindung der Eisenbahn genannt. Die Eisenbahn hat das Ausmaß bestimmter Funktionen gefördert und beschleunigt. So sind neue Arten von Städten und neue Arten von Arbeit und Freizeit geschaffen worden. Dabei ist es völlig irrelevant, wo die Eisenbahn fuhr, noch was sie transportierte. Aus den Beispielen wird klar, daß die Inhalte der Medien blind machen (können) für die Erkennung der Wesensart von Medien selbst.

Die Auswirkungen der Technik, speziell der Medien, verlagern das Schwergewicht in unserer Sinnesorganisation und die Gesetzmäßigkeit unserer Wahrnehmung ständig. Sie zeigen sich nicht, wie oft angenommen, in Meinungen und Vorstellungen. Geld, als Beispiel, ermöglicht den Handel mit dem Ausland. Handel mit dem Ausland bedeutet eine Ausweitung des persönlichen Sinneslebens und somit des Sinneslebens von Staaten, Völkern oder Gesellschaften. Diese Veränderung hängt nicht von einer Zustimmung oder Ablehnung der in dem Staat, Volk oder der Gesellschaft lebenden Menschen ab. Beispielsweise die Einführung der Stahlaxt bei den Naturvölkern in Brasilien durch die katholische Kirch führte zur Zerstörung der Stammesorganisation, da die Verfügbarkeit eines wichtigen Werkzeuges nun allen Mitgliedern der Gesellschaft offen stand, wobei es vorher ein Privileg der Männer war, mit Steinaxten das Leben zu beschicken. Auf der anderen Seite sorgt eine viel stärkere Beschleunigung (z.B. mit Elektrizität) dafür, daß es wieder zu stammesorganisatorischen Verhaltensweisen des intensiven Miterlebens kommt. Nur macht McLuhan hier den Fehler, traditionell, historisch und kulturell zusammengewachsene und sich entwickelte Stämme (wie z.B. in Brasilien) mit seiner Vision des einer einzigen Stammesorganisation, die des globalen Dorfes" zu vergleichen, obwohl es zwei verschiedene Dinge sind, wie man aber erst auf den dritten Blick feststellt, was wiederum an McLuhans Art und Weise zu schreiben liegt, seine Ideen sehr blumig, sensationell und innovativ vorzustellen.

Die Bezeichnung "Hybridisierung" verwendet McLuhan für die Vermischung, bzw. Kreuzung von zwei oder mehreren Medien. Dieser Begriff hat für ihn in erster Linie eine biologistische Bedeutungsebene. Kreuzung von Medien geschieht nämlich vornehmlich zur Steigerung der Leistung. Da für ihn Medien Ausweitungen unserer selbst sind, ist auch die Hybridisierung abhängig von den Menschen. Hybridisierung impliziert gewaltige Veränderungen und gewaltige psychische und soziale Auswirkungen . Er macht dies an zwei Beispielen klar. Der erste Musterfall bezieht sich auf die Kreuzung der Medien "Licht" und "Automobil". Durch die Hybridisierung dieser beiden Medien kommt es zu einer beträchtlichen Neuordnung in der Hinsicht, daß es jetzt für den Transport per Automobil irrelevant ist, ob es Tag oder Nacht ist. Transporte oder Reisen sind somit (Tages-)zeitunabhängig geworden. Ein weiteres Musterbeispiel stellt für ihn die Vermischung der Medien "Licht" und "Häuserbau" dar. Es ergibt sich dadurch eine Wende, von funktionalen Häusern mit Fenstern als Lichtspender zu der Möglichkeit, Häuser zu konstruieren, die keine Möglichkeit bereitstellen, Sonnenlicht hereinzulassen. Ebenso sind die Menschen nicht mehr auf Kerzen angewiesen.

Der Gedanke der Hybridisierung führt ihn zu der Folgerung, daß alle Medien, außer das Licht, paarweise vorkommen. Das eine Medium stellt dabei den Inhalt des anderen dar. Wie oben schon kurz erwähnt, verdeckt es so, nach McLuhans Meinung, die Wirkungsweise beider. Medien als Ausweitungen unserer Sinne schaffen also neue Verhältnisse innerhalb unserer Sinnesempfindungen und unter sich selber, wenn sie aufeinander einwirken, wie er es mit dem Begriff der Hybridisierung beschreibt.

Diesen Abschnitt zusammenfassend kann man also nicht sagen, es komme nur darauf an, wie wir die Medien verwenden. McLuhan meint, daß die elektrische Technologie die eigentlich prägenden soziale Kraft unseres Jahrhundert ist, indem sie unsere Nerven und Sinne global verbindet und somit Zeit und Raum abschafft. Ich denke, hier hat McLuhan eine wichtigen Beitrag zu sensiblen Gebrauch und Verständnis von Medien auch in unserer Zeit, beigetragen.

 

5. Sprache und Schrift

Wie in den vorangegangenen Teilen zum Teil schon angedeutet, stellt McLuhan ein evolutionäres Konzept der Menschheit dar. Nach seiner These ist die Menschheit durch drei kulturelle Stadien gegangen, um in ein viertes zu gelangen, dem er sich verschrieben hat. Der wichtigste Aspekt, der sich in allen Stadien herauskristallisiert, ist die Sprache. Das erste Zeitalter ist charakterisiert durch das nicht-alphabetisierte Stammesdasein, das er als oral, homogen, kollektiv, unrational und undifferenziert beschreibt. Das nächste Zeitalter, das nach der Erfindung des Alphabets einsetzte ist gekennzeichnet durch den Übergang vom gesprochenen Wort zum geschriebenen, und schließlich das dritte Zeitalter, in dem der Buchdruck dafür sorgte, daß sich die Welt nun visuell, fragmentarisch, individualistisch, rational und spezialisiert darstellt. McLuhan aber legt die Betonung auf die vierte Epoche, die für ihn eine Rückkehr ins erste Zeitalter bedeutet, allerdings auf einer qualitativ höheren Ebene. Wie wir später noch genauer sehen werde, sollen die neuen Medien nämlich die Schrift überflüssig machen, oder wie er es sagt (allerdings benutzt er selber dafür immer noch die Schrift), "...bringt dem Westen jetzt eine orale, dem Stammesdasein ähnliche Hör-Kultur..." Sprache und Schrift sind für diese These die Voraussetzungen, demzufolge werden diese Sachverhalte aus McLuhans Sicht im nächsten Abschnitt eingehend behandelt.

Für McLuhan ist die allererste ernstzunehmende Technik die Sprache. Sie ermöglicht es dem Menschen seine Umwelt in neuer Art und Weise zu begreifen, nämlich dergestalt, daß so etwas wie "Objektivität" im Handeln möglich wird. Als Beispiel nennt er hier die Metapher. Eine Metapher wird dadurch determiniert, daß eine Kette von Verbindungen durch eine andere Kette verstanden wird. Der Inhalt des Mediums Metapher sind Wörter, die wiederum Informationsmedien darstellen, die die Erfahrungen in nach außen gerichtete Sinnesempfindungen übertragen. Das Verstehen einer Sache durch eine andere funktioniert dadurch, daß mehrere Seiten des zu Verstehenden durch mehr als einen Sinn zur selben Zeit aufgenommen werden, so z.B. durch die Übertragung von visuellen Reizen in auditive und von auditiven in Bewegungs-, Geschmacks- und Geruchsempfindungen. Daraus schließt er die Existenz etwas, was er "common sense" nennt. "Common sense" sei die Fähigkeit, eine Form der Erfahrung eines Sinnes (z.B. des visuellen Sinnes) auf alle Sinne zu übertragen und das Ergebnis als Gesamteindruck zu präsentieren. Wie schon zu anderen Teilbehauptungen, legt McLuhan auch hier seine etwas ins Metaphysische gehende Behauptung zugrunde, alle Techniken seien Ausweitungen des menschlichen Körpers. Sie sollen auch die Macht haben, sich selber nachzufragen, so wollte niemand ein Auto, bevor es nicht erfunden wurde, das gleich gilt für die Erfindung des Fernsehens. Daraus folgert er, daß es ein Bedürfnis gibt, alle verfügbaren Sinne zu gebrauchen. Wenn nun neue Techniken wie das Radio oder der Fernseher als Ausweitungen der Sinne begriffen werden, entsteht somit das Bedürfnis auch alle diese möglichst immer zu benutzen. Diesen Gedankenstrang weitergedacht kommt man zu dem, was weiter oben beschrieben wurde, nämlich daß so Informationen aus aller Welt gesammelt werden können und das "globale Dorf" entstanden ist.

Es bleibt in dieser Argumentation allerdings kein Platz für interkulturelle oder historisch spezifische Unterschiede der Gesellschaften, Völker oder Nationen auf der Welt. Ein allgemein unterstelltes als gemeingültig geltendes Bedürfnis aller Menschen ist wohl auch schwer nachzuweisen. Dies ist für meine Geschmack eine sehr religiöse Sichtweise, die aber mit McLuhans Zuneigung zum Katholizismus durchaus übereinstimmt. Weiterhin ist dieser These der Umstrukturierung der Sinne eine Reihe anderer Argumente entgegenzusetzten. J. Miller macht darauf aufmerksam, daß "McLuhans Theorie [...] die Existenz eines psychischen Organs im Mittelpunkt des menschlichen Geistes voraus(setzt), in dem die Sinne zusammenwirken, um eine gemeinsame Basis der bewußten Erfahrung zu schaffen." Es ist so etwas eine Art deterministischer Erklärung des Bewußtseins, da eine an sich bekannte Tatsache, nämlich daß es sich beim menschliche Bewußtsein um ein vielfältiges, differenziertes Ganzes handelt, zu einer neuen Theorie erhoben wird, in dem Maßzahlen, oder man könnte auch von Gewichtungsfaktoren reden, den einzelnen Sinnen zugeschrieben werden, aus deren Multiplikation sich im Endeffekt der Zustand des menschlichen Bewußtseins herleiten lasse. McLuhan erhebt die Behauptung, daß durch die neuen (elektrischen) Medien sich die Intensität des Hörens vergrößert hätte, in der Form, daß sich die oben beschriebenen Maßzahlen zu Gunsten des auditiven Sinnes mit Hilfe des "common sense" verschoben hätten. Aber er gibt keine Erklärung wie diese passieren soll. Zudem ist es heute sicher immer noch so, daß Blindsein schlimmer wiegt als Taubsein, geschweige den ganz auf beides zu Gunsten des haptischen Sinnes zu verzichten.

Aus diesen und weiteren Gründen ist es verständlich, wenn Kritiker, wie es Dwight Macdonald einer ist, zu dem Urteil kommen, daß das Buch "Die magischen Kanäle" "... unreiner Unsinn, durch Sinn verfälschter Unsinn..."

Nichtsdestoweniger möchte ich die Idee der Sprache und die der Schrift weiterführen, nicht zuletzt um auf eine weitere Bedeutungsebene des Begriffes des "globalen Dorfes" aufmerksam zu machen.

McLuhans Ausgangspunkt bei der Behandlung der Sprache und der Schrift ist die Behauptung, daß in der Sprache, im Gegensatz zur Schrift, alle Sinne einbezogen seien. Um diesem Standpunkt Evidenz zu verleihen, führt er zwei Beispiele an, die bei näherem Hinsehen auf etwas ganz anderes verweisen, als für was er es benutzt. Zum einen sind da die Stammeskulturen, die primitiven Völker, in denen die starke Betonung des Visuellen fehlt, da es kein Lesen und Schreiben gibt. Der andere Beweis ist die Tatsache, daß man ein Wort nur einmal unverwechselbar schreiben, aber es mit sehr vielen verschiedenen emotionalen und bedeutungsmäßigen Färbungen aussprechen kann. Somit bietet die Schrift die Möglichkeit, mit einem objektiven Abstand von Gefühlen zu handeln.

Um seine Behauptung, analphabetische Völker hätten eine geringe visuelle Voreingenommenheit, zu untermauern, führt McLuhan die Tatsache an, daß z.B. afrikanische Zuschauer Filme häufig falsch interpretieren. Dies beweist aber lediglich den bekannten Sachverhalt, daß bestimmten Darstellungsweisen erst dann Bedeutung zugemessen werden kann, "...wenn man die sinntragenden Strukturen solcher Darstellungsweisen erlernt und verstanden hat." Sein zweites Beispiel wird dadurch entkräftet, daß der von ihm geschilderte Sachverhalt gerade das Herzstück der Interaktion und Kommunikation ist, und durch Deutung von Sprache erst so etwas wie Sinn entsteht, bzw. dieser dadurch gegeben wird. Darüber hinaus beschreibt er die Auswirkungen der neuen elektrischen Medien auf die Sprache, in dem er postuliert, daß die Elektrizität keine Wörter braucht und sie somit eine Ausweitung durch sich selbst in weltweitem Umfang ermöglicht. Seinem zukunftsgerichteten Vorstellungsvermögen entstammt auch die Vermutung, bzw., das Vertrauen, daß durch die Elektrizität (hier speziell Elektronengehirne) theoretisch jede Sprach in jede andere übersetzten können, was zu einer weltweiten Verständigung führe. Der nächste logische Schritt ist dann die Rationalisierung der Sprache bis zu ihrer Abschaffung und an ihre Stelle tritt das von McLuhan so sehr herbeigesehnte allgemeine Bewußtsein.

Im Gegensatz dazu baut die Schrift auf dem Alphabet auf. Durch die postulierte Ausweitung des Zentralnervensystems wird die Sprache eher begünstigt als die Schrift. McLuhans Hypothese sagt, daß das westliche Wertesystem auf dem geschriebenen Wort aufbaut und daß durch die Entwicklung elektronischer Kommunikationsmedien (hier hat er vor allem Radio, Fernsehen, Telefon vor Augen) dieses Wertesystem ins Wanken gerät. Er selber favorisiert eindeutig die symbolische Welt der auditiven Sprache. Er sagt, daß es keinen Sinn hat Symbole ins Schriftliche zu übertragen, da so die meisten Eigenschaften als Gruppenleitbild und / oder Erfahrungsinhalt genommen werden. Die Übertragung dieser These auf eine Stammesgesellschaft sieht ungefähr folgendermaßen aus. Man stelle sich den Effekt vor, wenn ein Mitglied einer Stammesorganisation, die ausschließlich auf den Gehörsinn ausgerichtet ist, lesen und schreiben lernt. Der Gemeinschaftssinn, der auf Gefühl und Zusammengehörigkeit beruht, wird nahezu ausgeschaltet. Der betreffende Mensch hat durchs Lesen und Schreiben die Möglichkeit, zu einem "zivilisierten Einzelmenschen" außerhalb der Stammesgesellschaft zu werden, also zu einem Einzelmenschen mit einheitlichen Einstellungen, Gewohnheiten und Rechten, die er mit allen anderen "zivilisierten Einzelmenschen" teilt.

Die bedeutungsfreien Buchstaben entsprechen bedeutungsfreien Lauten. Das führt zu einer strengen Teilung der visuellen und der auditiven Welt. McLuhan verdeutlicht diese Ideen in weiteren Verlauf an den verschiedensten Beispielen (Straßen, Zahlen, Kleidung, Wohnen, Geld, Uhr, Fotografie, etc.), dennoch bleibt er bei allen Ausführungen bei dem dargestellten Grundschema, daher halte ich es für nicht angemessen, auf weiter einzelne Beispiele einzugehen. Im abschließenden Teil soll der Versuch unternommen werden, McLuhans Ideen und Gedanke in die heutige Zeit zu transformieren und zu bewerten, inwieweit er Erscheinungen wie das Internet antizipiert hat und was es mit den virtuellen durch elektrische Medien vermittelten Realitäten, McLuhan würde von Verschiebungen in der Sinnesorganisation sprechen, auf sich hat. Kommt es zu einer "sprachlosen" Gesellschaft oder ist sie schon real geworden? Leben wir bereits im "globalen Dorf"?

 

6. Internet und virtuelle Realitäten als "globales Dorf" ?

McLuhan kann in der Hinsicht als Vordenker des Online Zeitalters gelten, als daß er den Begriff des "globalen Dorfes" geprägt hat. Denn in der Tat ist es so, daß die elektrischen Datenleitungen die Welt zu einem globalen Dorf zusammenschließen können. Nachrichten reisen mit Lichtgeschwindigkeit an jeden beliebigen Ort, und so kann jeder mit jedem kommunizieren. Räumliche Barrieren spielen keine Rolle mehr. Wenn jemand etwas zu sagen hat, kann er das zu jeder Zeit.

Ein weltumspannendes Netz, wie Marshall McLuhan es sich mit der Ausweitung des menschlichen Nervensystem ausgedacht hatte, gab es zu der Zeit, als er sein Buch "Die magischen Kanäle" veröffentlichte, allerdings noch nicht. Dennoch ist es ihm zuzutrauen, daß er etwas, das in diese Richtung geht, vorausgeahnt hat.

Heute, etwa 35 Jahre später, ist die Entwicklung elektrischer Medien an einen Punkt gekommen, in dem weltweit elektronische Netze zur Verfügung stehen. Die Frage ist, ob sich McLuhans Thesen vom "globalen Dorf" mit Beobachtungen in der heutigen Zeit verifizieren lassen, oder ob es sich nur um eine Illusion eines kanadischen, katholischen Literaturwissenschaftlers handelt.

Das Internet stellt das größte elektronische Netz weltweit dar. Als Internet bezeichnet man die Verbindung von Computern, die über ein bestimmtes Protokoll miteinander kommunizieren. Die Erfindung des Internets liegt einige Jahrzehnte zurück. Ende der sechziger Jahre entwickelte das amerikanische Verteidigungsministerium ein Computernetz, das vier Computer miteinander verband. Laut der Zeitschrift MAX war es die Absicht des Pentagon, ein Netz zu schaffen, daß nie, sogar bei einem atomaren Schlag, ausfallen sollte. Wenn einzelne Teile ausfallen, übernehmen andere, noch funktionstüchtige Teile deren Aufgaben automatisch. Durch den Gebrauch dieses Netzes von einigen wenigen Universitäten, veränderte es sich im Laufe der Zeit zu einem Austauschplatz von fachlichen und später von privaten Informationen. Die Entwicklungen im Bereich der Soft- und Hardware ermöglichten zum Ende der achtziger Jahre eine Popularisierung des Netzes, wodurch es den Namen "Internet" bekam. Im Jahre 1990 bestand das Internet aus 3.000 lokalen Netzwerken mit über 200.000 eingebundenen Computern. Im Januar 1992 betrug die Zahl der Rechner bereits 727.000. Experten gehen davon aus, daß sich die Zahl zirka alle sieben Monate verdoppelt. Im Juli 1995 waren es über 6,6 Millionen und im April 1996 zwischen 40 und 60 Millionen Computer weltweit.

Aus diesen Dimensionen ist zu entnehmen, daß die These, das Internet verändere das menschliche Leben, vor allem die sozialen und psychischen Beziehungen, von Bedeutung ist. Die Fragestellung soll sein, ob diese nicht zu bestreitenden Veränderungen mit den Gedanken von McLuhan harmonieren. Dabei werde ich mich vor allem auf einige Zeitungsartikel sowie Interviews mit "Experten" beziehen.

McLuhans Rolle als Vordenker des Online-Zeitalters beschränkt sich auf seine antizipatorischen Fähigkeiten, wie sie am Anfang des Kapitels dargestellt wurden. Seine Ideen von Sprache und Schrift beispielsweise bleiben auch im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert Visionen. Denn es gibt noch Sprache im Internet und es ist keinesfalls so, daß sich die Menschen mit einer Art "makroskopischer Gestik" verständigen. Einzige Einschränkung dieses Einwandes gegen McLuhan ist die Tatsache, daß im Internet vor allem eine Sprache, nämlich Englisch, gesprochen wird. Im Internet regiert vor allem die Schrift, was an den technischen Begebenheiten der Computer liegt. Die einzige Möglichkeit den Ausdruck zu verändern, besteht in der Variation von Groß- und Kleinschreibung. Es ist also noch ein langer Weg zur Rückkehr in die von McLuhan prophezeite Stammesorganisation mit besonders auditiver Orientierung.

Ich denke, daß der größte Schwachpunkt McLuhans Theorie darin besteht, daß er einen linearen Prozeß der einzelnen Zeitepochen schildert. Das hieße, daß das Zeitalter der Mechanisierung (mit allen Konsequenzen und Erscheinungsbildern) eindeutig und unwiderruflich vom Zeitalter der Elektrizität (ebenfalls mit allen Konsequenzen und Erscheinungsbildern) abgelöst wird. Schaut man auf die Gegenwart, ist dies nicht der Fall. Es existieren praktisch zwei "Welten" nebeneinander. Da ist zum einen die virtuelle Realität im Internet und zum anderen das reale Leben.

Zur virtuellen Realität des Internets zählt man Newsgoups, Chatrooms, Multi User Dungeons (Muds), mit Abstrichen auch das Verfahren der elektrischen Post (E-Mail), aber vor allem der Cyberspace. Newsgroups sind öffentliche Diskussionforen, an denen jeder, der einen Zugang zum Internet hat, teilnehmen kann. Es geht meistens um fachlich abgegrenzte Themen. Ein gewisser Informationswert ist einigen Newsgroups nicht abzusprechen. Für die virtuelle Realität charakteristischer sind die Chat Rooms. Ähnlichkeiten zu den Newsgroups sind erkennbar, dennoch geht es hierbei eher um die Kommunikation an sich und nicht so sehr um den Inhalt. Treffpunkt ist ein Fenster auf dem Computermonitor, in dem alle Sätze, die die Teilnehmer schreiben, augenblicklich erscheinen und von allen, die an dieser Chat Runde teilnehmen, gelesen werden können. Die Unterhaltung erfolgt ohne Zeitverzögerung. Es ist üblich an Chats unter Pseudonymen teilzunehmen, wobei keine Restriktionen oder Kontrollmechanismen gelten. So ist es kein Wunder, daß einige Menschen unter mehreren Namen und mit verschiedenen Charakteren diese Chat Rooms benutzen. Die Folgen für die sozialen und psychischen Beziehungen werden kontrovers diskutiert.

Die amerikanische Soziologin Sherry Turkle hat mehrfach zum Thema elektronische Netze und ihre Folgen für das menschliche Leben publiziert. In ihrem neuen Buch sagt sie, daß die neue Kommunikationstechnik die Menschen zwingen werde "...ihre Identitäten neu zu bestimmen und zu bewerten...". Ihrer Beobachtung von 1000 Mud-Stammkunden über Jahre ist zu entnehmen, daß sich die Einstellungen der Benutzer zum Computer und vor allem zu den virtuellen Realitäten erheblich verändert. In diesem Sinne ist die Äußerung eines Chat Room Benutzers zu verstehen, "´...Reales Leben ist nur ein Fenster unter vielen...`". Im Sinne McLuhans ist es nicht weiter nötig, auf die Inhalte der virtuellen Realitäten einzugehen, denn McLuhan hätte seine helle Freude an Chat Rooms, sind sie doch das Paradebeispiel für seine These, daß das Medium die Botschaft ist. Dennoch ist zu berücksichtigen, daß auch die extremsten Chater so etwas wie ein reales Leben, und das ist kein "globales Dorf". So kann man sagen, daß virtuelle Realitäten wie Chat Rooms oder Muds dem was ein globales Dorf sein soll ziemlich nahe kommen, obwohl viele Implikationen der Medientheorie McLuhans bis heute unerfüllt bleiben.

Nicht nur im Bereich des Mediums Computer wird es zunehmend schwerer zwischen virtuellen Realitäten und dem realen Leben zu unterscheiden. Die Frage nach dem Unterschied zwischen beiden ähnelt der Frage nach dem Unterschied zwischen Authentizität und Realität. Als Musterfall kann hier die Aktion des Journalisten T. Bormann gelten, der verschiedenen Fernsehsendern gefälschte "Augenzeugenberichte" verkaufte. Man kann sagen, daß die Zuschauer dieser Beiträge auch - zwar nicht bewußt - in einer virtuellen Realität lebten. Die Realität wird auf zusätzliche Art und Weise vom Medium Fernsehen geprägt. Bei den oppositionellen Demonstrationen in Belgrad, Bukarest oder Sofia waren Transparente in englischer Sprache zu sehen, obwohl die Schilder für die einheimische Bevölkerung, bzw. die einheimische politische Führung bestimmt war. Wo ist also die Grenze zwischen Wirklichkeit und Täuschung ? Die Wirklichkeit wird geformt in der globalen Wahrnehmung, ist aber auch, das zeigt das Beispiel der Demonstrationen, lokal vorhanden.

 

7. Schlußbetrachtungen

Es wurde versucht eine Brücke zwischen der Diskussion über Globalisierung und der Medientheorie des "globalen Dorfes" von Marshall McLuhan zu schlagen und mit der Erscheinung des Internets in der heutigen Zeit in Verbindung zu bringen. Dabei ist klar geworden, daß sich viele Teilthese, aber auch die Hauptthese vom "globalen Dorf" nicht bestätigen lassen. Allerdings muß man der Fairneß wegen sagen, daß über 30 Jahre nach Erscheinen des Hauptwerkes McLuhans vergangen sind, und retrospektive Betrachtungen immer einfacher sind als prospektive.

Dennoch existiert für eine kleine Minderheit ein globales Dorf in Form von Chat Rooms, in der es eine eigene Sprache gibt. Aber der großen Mehrheit fehlt der Zugang zu den entsprechenden Ressourcen. So verfügen nach einer aktuelle Studie 43% der Deutschen zu Hause oder am Arbeitsplatz über einen Personalcomputer. Demgegenüber verfügen 87% der Deutschen zu Hause oder am Arbeitsplatz über einen Anschluß an das Internet oder einen Online-Dienst. Zu vermuten ist, daß diese Zahlen außerhalb der westlichen Welt erheblich stärker gegen den Gedanken einer vernetzten Welt sprechen, in der Raum und Zeit aufgehoben ist und jeder jede beliebige Information von überall abrufen kann. Es ist sicher nur ein Zwischenbericht und es ist schwer Prognosen aufzustellen. Jedenfalls ist die McLuhansche These des "globalen Dorfes" bereits hier gescheitert. Das heißt aber nicht, daß er nicht wertvolle Gedanken ausgesprochen, bzw. aufgeschrieben hat. Der Idee, daß das Medium die Botschaft ist, ist auf jeden Fall einiges abzugewinnen, wenn man sie relativiert. In der übertriebenen Darstellungsweise von McLuhan allerdings ist sie ebenfalls schwer haltbar. Aus der geschichtlichen Betrachtung der Ideen McLuhans ist es nicht verwunderlich, daß seine Ideen in so großem Maße die Fachwelt und später auch das öffentliche Leben beschäftigt haben. Die Debatte über Medien zieht sich bis in die heutige Zeit und sie ist nicht leiser geworden. Dennoch fällt es schwer zu entscheiden, ob McLuhan eher ein "... Verdreher unreifer Köpfe, der die Empfänglichkeit der Jugend fehlleitet..." oder eher der "... wichtigste Denker seit Newton, Darwin, Freud, Einstein und Pawlow..." ist. Ich vermute, er ist eher das erste.

 

8. Literaturverzeichnis

Der SPIEGEL, Heft 52, 1996.

Kummer, Elke: Indem wir die Technologie leben, werden wir zu ihrem Servomechanismus

Lash, Scott, Urry, James: Economics of Sign and Space, London (Sage) 1994.

Macdonald, Dwight: Er hat sich aus allen Kulturen, von der Höhlenmalerei bis zur Zeitschrift MAD, die passenden Stücke herausgerissen, mit denen er die Ruine seines Systems abstützen kann.

Maier, Gunther: In 8 Sekunden um die Welt: Kommunikation über das Internet, Bonn - Paris, 1995.

MAX, Heft 4, 1996.

McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, "understandig media" Econ-Verlag Düsseldorf, Wien 1968.

Miller, Jonathan: Marshall McLuhan, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1972.

SPIEGEL special, Heft 3, 1997.

Stearn, Herald Emanuel: McLuhan - Für und Wider, 1969, Econ Verlag, Düsseldorf und Wien.

Turkle, Sherry: Life on the Screen, New York, 1996.

Wiesenthal, Helmut: Globalisierung - Soziologische Koordinaten eines unbekannten Terrains, Berliner Debatte / Initial 5, 1996.