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Gliederung


1. Einleitung

2. Das italienische Maestà-Retabel

3. Ikonographische Erweiterungen des Marienbildes seit 1300
3.1 "Maria lactans" und "Maria dell´umilità"
3.2 Maria als "Apokalyptisches Weib", vgl. 5. "Madonna auf der Mondsichel"
3.3 Madonna als Himmelserscheinung
3.4 "Maria-Ecclesia", j. v. Eyck Kirchen-Madonna, um 1430

4. Sondertypen im späten Mittelalter
4.1 Schutzmantelmadonna
4.2 Die Mondsichel- und Strahlenmadonna, vgl. 5. "Madonna auf der Mondsichel"
4.3 Die Rosenkranzmadonna
4.4 Die Gottesmutter über dem Löwen Juda

5. Sondertyp: Die "Madonna mit dem Rosenstrauch"
5.1 Allgemeine Daten - formale Beschreibung - zeitliche Einordnung
5.2 Die "Madonna mit dem Rosenstrauch" - ikonologische Betrachtung
5.2.1 Die Rosensymbolik in Antike und Christentum
5.2.1.1 Antike
5.2.1.2 christlicher Symbolgehalt allgemein
5.2.2 Rosensymbolik im Bezug auf die Rosenstrauchmadonna
5.2.3 Der Rosenstrauch als "Wurzel Jesse" Allegorie

6. Sondertyp: Die "Madonna auf der Mondsichel"
6.1 Allgemeine Daten - formale Beschreibung - zeitliche Einordnung
6.2 Die "Madonna auf der Mondsichel" - ikonologische Betrachtung
6.2.1 Die Mondsymbolik in Antike und Christentum
6.2.1.1 Antike
6.2.1.2 christlicher Symbolgehalt allgemein
6.2.2 Der Mond in seiner Bedeutung im Bezug auf Maria
6.2.3 Die Apokalypse des Johannes und das "Apokalyptische Weib"
6.3 Zusammenfassung

7. Weitere Sondertypen
7.1 Maria im Rosenhag, Stefan Lochner
7.2 Madonnen des Matthias Grünewald
7.3 Raffaels Sixtinische Madonna
7.4 Madonna in der Glorie
7.5 Maria in der Passion

8. Die sog. "Schöne Madonna"

 

1. Einleitung[1]
Seit der Synode von Antiochia im Jahre 341 n. Chr., in dem die Eigenschaft Marias als "Theotokos", d.h. als "Gottesgebärerin", festgeschrieben wurde, erfreuten sich Mariendarstellungen immer größerer Beliebtheit. Hierfür mag neben der Rolle Marias in der christlichen Heilslehre auch die Tatsache ausschlaggebend sein, daß das Christentum nun in eingeschränktem Umfang eine den heidnischen Kulten schon immer vertraute "Muttergottheit" aufweisen konnte.
Zunächst übernahm man die aus der byzantinischen Kunst bekannten Typen von Marienikonen, da man von der Authenzität diser Darstellung überzeugt war. Hierbei gab es zunächst nur stilistische, weniger ikonographische Unterschiede zu den "Prototypen" der Ostkirche.
In zunehmendem Maße wurden jedoch die bloße Nachahmung aufgegeben und durch westliche Eigenschöpfungen ersetzt. Diese beziehen sich auf im wesentlichen drei Bereiche:[2]
* Ausbildung von Sondertypen
* Sonderformen im Bezug auf das Verhältnis der Mutter zum Kind
* rasche Um- und Ausgestaltung byz. Vorbilder, um andere theologische
Gedanken auszudrücken, anderen liturgischen Funktionen zu dienen
Hierbei wurde nie lange an einem bestimmten Typus festgehalten und die Mariendarstellung erfuhr im laufe der Jahrhunderte eine mannigfaltige ikonographische Ausgestaltung.
Erst seit dem 10. Jahrhundert beginnt die vollplastische Darstellung der Gottesmutter mit der sog. "Goldenen Madonna", die ein Kölner Meister für das Damenstift in Essen zwischen 973 und 982 schuf. Im Kirchenbau, vor allem in der Portalplastik, findet sich die Marienskulptur wieder. Die Ausbreitung der Marienskulptur als freistehende Vollplastik bleibt anfangs auf Klöster und Damenstifte beschränkt und breitet sich seit Mitte des 12. Jahrhunderts in zunehmendem Maße aus.[3] Das Marienthema schmückt in gemalter Form dieser Zeit auch die flächigen Wände der romanischen Kirchen und wird im gotischen Kirchenbau später zum beliebten Thema der Glasmalerei der Kirchenfenster.
Ab dem 13. Jahrhundert macht sich eine immer deutlicher werdende Bedeutungsverschiebung bemerkbar: Maria gewinnt in Hinsicht auf das Jesuskind in der Darstellungsweise immer mehr an Bedeutung.[4]
Hier beginnt die Ausformung zahlreicher bildlicher Darstellung in gemalter, aber auch vollplastischer Form, deren Darstellungsweise durch Geisteshaltungen und Lehren wie die Mystik des Bernhard von Clairvaux und die Marieologie dieser Zeit beeinflußt ist.[5]
Auf zwei Sondertypen, die "Madonna mit Rosenstrauch", BNM, um 1330 und die "Madonna mit Mondsichel", BNM, um 1470 soll der ikonographische Schwerpunkt dieses Referates liegen, wobei die wichtigsten anderen Madonnentypen kursorisch vorgestellt werden.

2. Das italienische Maestà-Retabel[6]
Bei brennpunktweise starker Marienverehrung bei bestimmten Orden wie z.B. den Franziskanern und Dominikanern in Siena, Florenz, Astoja und Arezzo kam es in Italien im 13. Und 14. Jhd. zur Aufstellung besonders großformatiger Mariendarstellungen als Altarretabeln.
Berühmteste Beispiele hierfür sind wohl die Maestà-Darstellungen von Giotto, Cimabue, Duccio und Simone Martini.
Die stilistische Loslösung von den byzantinischen Vorbildern geht hier langsamer voran als in der Kunst nördlich der Alpen.
Zunächst findet der Kathedra-Typus häufige Anwendung, geht dann in den Hodegetria-Typus über, wobei dieser auf die thronende Darstellung der Gottesmutter übertragen wird.
Von der byz. Form der Halbfiguren- oder stehenden Darstellung weicht man hier also ab und, was auch in der byz. Kunst für diesen Typ nicht bekannt war, man krönt Maria und das Kind.
Den Höhepunkt dieser Kunst erreicht Giotto mit einer 3,27 m hohen Tafel für die Kirche SS. Ognissanti in Florenz, die er im Anschluß an seine Arenakapellenfresken zwischen 1306 und 1310 gemalt hat.
Während nördlich der Alpen wenige solche Altarbilder in dieser Zeit geschaffen werden, da die szenische und vollplastische Darstellungsweise hier überwiegt, entwickelt sich in Italien schon früh die Vorliebe für das Madonnenbild.
Hier beginnt die Neuinterpretation der überkommenen byzantinischen Typen.

3. Ikonographische Erweiterungen des Marienbildes seit 1300[7]
Im 12. Jhd. bleibt die Psychologisierung des Verhältnisses der Mutter zum Kind Hauptgedanke in der Darstellung.
Ab ca. 1300 bildet sich die "autonome Darstellung der Gottesmutter mit dem Kind zum bevorzugten Gegenstand des Andachtsbildes.."[8] heraus.
Die wichtigsten ikonographischen Veränderungen sollen hier kurz dargestellt werden.

3.1 "Maria lactans" und "Maria dell´umilitá" [9]
Bsp.: Simone Martini, "Maria lactans", um 1330, Berlin
Bis 1300 bleibt die Lactans-Darstellung ebenso selten wie die nackte Darstellung des Christuskindes, tritt von diesem Zeitpunkt an jedoch häufig in der europäischen Kunst auf.
Das stillen des Kindes weist auf die menschliche Seite Christi und die irdische Mutterschaft Marias hin.
Die "Maria lactans" wird in der niederländischen Malerei des 15. Jhd. genauso wie die Verkündigungsszene in einen Wohnraumr versetzt. Dort weisen viele attributive Gegenstände auf Eigenschaften Marias hin.
Das o.a. Bild des Simone Martini zeigt die stillende Gottesmutter und gilt zugleich als frühestes Beispiel der "Demutsmadonna", die sie sich auf dem Boden niedergelassen hat, was im Gegensatz zu Darstellungen als z.B. thronende Muttergottes steht.

3.2 Maria als "Apokalyptisches Weib"
siehe "Madonna auf der Mondsichel"

3.3 Die Madonna als Himmelserscheinung[10]
Bsp.: wie zuvor
Dieser Typus gründet sich zum einen auf die Vision des Johannes auf Patmos (Apk 12,1), wobei das im Sonnengewand erschienene Weib als Maria gedeutet wird, zum anderen auf die Vision des Kaiser Augustus, der von einer Seherin (später als tiburtische Sybille bezeichnet) auf eine Erscheinung der Gottesmutter am Himmel hingewiesen wurde.
Das im 15. Und 16. Jhd. vor allem als Skulptur verbreitete Motiv steht in naher Verwandtschaft zur Mondsichel- und Strahlenmadonna.

3.4 "Maria Ecclesia" [11]
Bsp: Jan van Eyck, sog. "Kirchen Madonna", um 1430, Berlin
Maria wird durch einzelne Attribute und Hinweise als Sinnbild der Kirche des Neuen Bundes interpretiert.
In Jan van Eycks Bild befindet sich die gekrönte Gottesmutter mit Sohn in einem Kirchenraum, den sie, da überproportional groß dargestellt, zum großen Teil ausfüllt.
Licht fällt durch die Kirchenfenster und läßt Marias Krone leuchten. Während das Licht hier das Sinnbild der Reinheit der hl. Jungfrau verdeutlicht, weist die Krone auf die gekrönte Himmelskönigin hin. Gleichzeitig ist das Licht auch ein Hinweis auf das ewige Licht der göttlichen Herrlichkeit.
Die Kirche ist als himmlisches Jerusalem oder Paradies zu verstehen, so daß Maria und Christus an diesem Ort als vereinigt zu sehen sind. Dies stellt einen Verweis auf die zukünftige Kirche dar.

4. Sondertypen im späten Mittelalter

4.1 Die "Schutzmantelmadonna"[12]
Bsp.: Michael Erhart, Schutzmantelmad., 1480, Berlin
Die "Schutzmantelmadonna" ist eine Darstellung, die auf dem Typus der "Maria advocata" und der "Mater misericordiae" fußt. "Maria advocata", die Fürsprecherin bei ihrem Sohn und bei Gott und die "Mater misericordiae", die barmherzige Gottesmutter, sind bis ins 9. Jhd. zurückgehende Vorstellungen von der Stellung Marias, die sie zwar mit den anderen Heiligen teilt, aufgrund ihrer auserwählten Bedeutung als "Mutter Gottes" jedoch noch über diese erhebt. Außerdem ist auch der Gedanke des "Mantelschutzes", der im Mittelalter von hochgestellten Persönlichkeiten, vor allem Frauen, den "Schutzbedürftigen" und "Rechtlosen" gewährt werden konnte auf Maria übertragen wurde.
Während mit dem Schutz zunächst vor allem die Fürbitte beim Jüngsten Gericht gemeint war, finden sich Darstellungen beim Gericht nur selten.
Anfangs bleiben die Personen, die unter Marias Mantel dargestellt werden nicht individualisiert und stehen für die Allgemeinheit, für die um Fürsprache gebeten werden soll.
Später werden die Dargestellten, meistens die Stifter des Bildes, jedoch als erkennbares Individuum dargestellt.

4.2 Die Rosenkranzmadonna[13]
Bsp.: Caravaggio, 1607, KHM Wien
Das Rosenkranzgebet geht auf den Kartäuserorden zurück, in den Adolf von Essen (?-1439)
im Jahre 1398 eintrat. Dieser übertrug den Mittelalterlichen Begriff "Rosarium", eine Bezeichnung für höfische Liebeslieder, auf die Verehrung "unserer lieben Frau".
Das Rosenkranzgebet wurde als Meditationsebene über das Leben Jesu und seiner Mutter Maria aufgefaßt und beginnt mit den ersten Worten der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel an Maria ("Ave Maria").
In der bildenden Kunst gibt es vornehmlich drei Motive der Rosenkranzmadonna:
* die Spendung von Rosenkränzen, wobei die Spendungsrichtung entweder von Maria an den Betenden oder umgekehrt sein kann
* Maria als Rosenkranzkönigin, wobei Maria z.B. von Engeln gekrönt dargeastellt wird und über der restlichen Szenerie schwebt oder auf einem Thron sitzt
* das Rosenkranzgebet, wobei dem Kranz die fünf Wunden Christi oder die neutestamentlichen Szenen aus dem Jesusleben eingefügt sind.

Die Rosenkränze werden zumeist mit weißen und roten Rosen im Wechsel abgebildet, Sinnbilder für die Reinheit Marias und die Compassio (Mitleid) bei der Passion Jesu.
Oft finden sich Darstellungen, die mit dem Typus der "Mondsichel-" und "Strahlenmadonna"
vermischt sind.

4.3 Die Gottesmutter über dem Löwen Juda[14]
Bsp.: Wessobrunner Steinfigur, um 1250, BNM München
Bei diesem Darstellungstyp setzt die stehende, selten auch die thronende Madonna, ihre Füße auf einen Löwen und einen Drachen.
Während der Drache unter dem Fuße Marias die Überwindung des Bösen ausdrücken möchte, geht der Löwe auf eine Weissagung Jakobs beim sogenannten Jakobssegen (1 Mos 49,9 f.) an seinen Sohn Juda zurück. Letzteren bezeichnet er als einen Löwen, aus dem ein Held hervorgehen wird, dem die Völker anhängen werden. Damit ist der Löwe Sinnbild des Königs David, auf dem wiederum die Herkunft Jesu zurückzuführen ist. Auch die Herkunft Marias aus dem Königshause Davids wird damit betont.
Auch in der Apokalypse (Apk 5,5) findet sich eine Stelle in der "Christus am Thron Gottes als sieghafter Löwe aus dem Geschlecht Juda" bezeichnet wird.
In anderen Darstellungen wird Maria von jenem Löwen getragen.

5. Die "Madonna mit dem Rosenstrauch"

5.1 Allgemeine Daten - formale Beschreibung - zeitliche Einordnung
Bei der nun näher auf ihren ikonologischen Sinngehalt hin untersuchten Madonnendarstellung handelt es sich um eine sog. Hausmadonna, also einer zur privaten Andacht bestimmten Vollplastik. Sie steht damit im Gegensatz zu Skulpturen denen in der Liturgie sakrale Bedeutung zukommt.[15]
Die Kalksteinfigur stammt aus Straubing, wird auf ca. 1320-1330 datiert und befindet sich heute im Bayerischen Nationalmuseum München.
Aus der Bodenplatte erwächst, vor der stehenden Jungfrau, ein Stamm empor, dessen untere Äste abgeschnitten sind. Im Bereich seiner Krone blühen einige Rosenblüten auf, die das Christuskind gleichsam einbetten. Dieses trägt auf seinem Kopf einen kleinen Kranz aus vier Rosen.
Maria trägt die Himmelskrone über ihrem Schleier, hat aber kein Zepter, sondern legt ihre rechte Hand auf den Rosenstrauch.[16]
Vorgänger der Darstellung finden sich frühestens im 3. Jahrzehnt des 14. Jhd. Deren Vorläufer wiederum an Pfeilermadonnen vom späten 13. Jhd. am Oberrhein, z.B. am Portal des Freiburger Münsters.[17]
Hierbei bildet den literarischen und geistigen Hintergrund dieses Themas neben den biblischen Themen zum einen die Mariendichtung des 13. Jhd. und zum anderen die Rosenmystik des Heinrich Seuse sowie auch die profane Blumensymbolik[18]
Die Madonna entstand im Umkreis von Regensburg, das im 14. Jhd. ein Zentrum der Marienverehrung war. Sie "...vermittelt den Eindruck einer heiteren Daseinsfreude." und wird von Gertrud Schiller als "...von populärer Mystik geprägt..." bezeichnet.[19]

5.2 Die "Madonna mit dem Rosenstrauch" - ikonologische Betrachtung

5.2.1 Die Rosensymbolik in Antike und Christentum

5.2.1.1 Antike
Die Rose war wegen ihrer Schönheit der Liebesgöttin Aphrodite/Venus geweiht, wobei die rote Rose aus dem Blut des Adonis entstanden sein soll. Sie war ein Symbol für Liebe, Zuneigung, der Fruchtbarkeit, aber auch ein Symbol für die Verehrung der Toten.
Genauso wie dem Veilchen wurde ihr eine kühlende Wirkung auf das Gehirn zugesprochen und daher zum Bekränzen von Festteilnehmern bei Gelagen verwendet. Auch Dionysos/Bacchus wird mit Rosen bekränzt dargestellt.[20]

5.2.1.2 Christlicher Symbolgehalt allgemein[21]
Die Zuordnung der Rose als Symbol zu Maria ist begründet durch zwei wesentliche Stellen im Alten Testament der Bibel. Es handelt sich dabei zunächst um die in Jericho gepflanzten Rose (Sir 24,14), die das Sinnbild ewiger Weisheit ist und mit Maria verglichen wird. Ferner gilt die
Weissagung des Propheten Jessaja, genauer Jes. 11,1), wonach aus der Wurzel Jesse ein Reis hervorgehen werde, als Grundlage der Rosensymbolik im Zusammenhang mit Maria.
Bevorzugtes Marienattribut ist die dornenlose Pfingstrose, da die paradiesischen Rosen angeblich keine Dornen hatten, welche erst mit dem Sündenfall zur Rose hinzukamen. Maria ist durch die dornenlose Rose als Immaculata und frei von der Erbsünde ausgezeichnet.
Die Dornen werden als Sinnbild der Sünde gesehen, und hier läßt sich auch leicht die typologische Gegenüberstellung des Bernhard von Clairvaux von Eva und Maria verstehen.
Die weiße Rose gilt als Symbol der Reinheit und Jungfräulichkeit Marias, während die rote Rose mit der Anteilnahme (Compassio) Marias an der Passion ihres Sohnes, aber auch mit der Passion und dem Blut Christi selbst assoziiert wird. Hierbei kann eine Fünfzahl an vorhandenen Rosen auf die fünf Wunden des Heilands hinweisen
Zu einem Kranz gewunden versinnbildlichen rote und weiße Rosen die Auserwählung Marias zur Gottesgebärerin.
Tritt in der Mariendarstellung sowohl die weiße Lilie als auch die rote Rose auf, so wird damit sowohl auf die Jungfräulichkeit und Reinheit Marias als auch auf die Passion Christi verwiesen.

5.2.2 Rosensymbolik im Bezug auf die Rosenstrauchmadonna
Das in der Krone des Strauches sitzende Jesuskind ist die Blüte des Rosenstrauches und damit zugleich der Wurzel Jesse. Mehr dazu unter Punkt 5.2.3.
Maria, die mit der Himmelskrone ausgestattet ist, trägt jedoch kein Zepter und auch ihr lächelnder Gesichtsausdruck zeigt nicht eine hoheitsvolle Himmelskönigin, sondern eine sich liebevoll dem Sohn zuwendende Mutter ("Mater sponsa").
Auf dem Haupt des Christuskindes befindet sich ein kleines Kränzlein mit vier Rosen, die ihn als Blüte des Rosenstrauches ausweisen, die Vierzahl der Rosen bedeutet nach den Mystikern die vier Wunden Jesu, die durch Rosen versinnbildlicht werden.[22]

5.2.3 Der Rosenstrauch als "Wurzel Jesse" Allegorie[23]
Als erstes kann die "Wurzel Jesse" als Sinnbild der Inkarnation Jesu Christi, als Messias aus dem Königshauses Davids, getreu der Prophezeiung Jesajas (Jes 11,1 f.) gesehen werden.
Hierbei bezeichnet die Wurzel (lat. Radix) Jesse, den Vater Davids, der Stamm (der Reis=lat. virga) steht für Maria (lat. Virgo=die Jungfrau) und die Blüte (lat. flos) steht für Christus.
Maria ist gleichgesetzt mit dem Stamm des Rosenstrauches, und während aus ihr Christus hervorgeht, so gehen aus dem Stamm Rosenblüten hervor.
Insgesamt lassen sich drei Sinndeutungen der "Wurzel Jesse" Darstellung finden:
* Die Versinnbildlichung der Abstammung Jesu von Jesse, dem Vater Davids.
* Die Abstammung Marias aus ebendiesem Stamme
* Die Darstellung als die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie.

6. Die "Madonna auf der Mondsichel"

6.1 Allgemeine Daten - formale Beschreibung - zeitliche Einordnung
Die sich im Bayerischen Nationalmuseum in München befindliche "Madonna auf der Mondsichel" wird auf die zeit um 1470-80 datiert und stammt aus Ulm.
Maria steht auf einer Mondsichel. Das Jesuskind sitzt auf ihrem Arm.
Dabei handelt es sich um eine verselbständigte Darstellung der Muttergottes, die aus dem visionären Zusammenhang, nämlich der Apokalypse des Johannes, herausgetreten ist.
Seit dem 3. Drittel des 14. Jahrhunderts kommt sie als plastische Figur vor und tritt seit Mitte des 15. Jhd. häufig auf.

6.2 Die "Madonna auf der Mondsichel" - ikonologische Betrachtung

6.2.1 Die Mondsymbolik in Antike und Christentum[24]

6.2.1.1 Antike
Aufgrund seiner wechselhaften Gestalt am Himmel galt der Mond in der Antike als Symbol des Werdenden und des Vergehenden. Als Fruchtbarkeitssymbol war er bekannt, da er durch seinen Zyklus für das An- und Abschwellen der Wassermassen und somit für die Überschwemmung des Landes verantwortlich war.
Der Mond war als Attribut erst der Göttin Selene/Luna zugeordnet und wurde auf die Jagdgöttin Artemis/Diana übertragen. Diana galt als strenge Bewahrerin ihrer Jungfräulichkeit, als Fruchtbarkeitsspenderin und als Beschützerin der Neugeborenen.

6.2.1.2 Christlicher Symbolgehalt allgemein
Die Bibel verwendet den Mond als Gott begleitenden Planeten (Jes 30,26; Offb 21,23).
Im "Mysterium Lunae" erfolgt die Gleichsetzung der drei Mondzustände sterbend, zeugend und gebärend mit der "Ecclesia":
* "sterbend in der Finsternis der neumondlichen Begegnung mit dem Bräutigam"
* "mütterlich lebenzeugend in ihrem aus dem Tod des Neumondes emporwachsenden Erleuchtetwerden"
* "strahlend in ihrem immer wieder neu erreichten Vollmondglanz"
Eine weitere Deutung des Mondes ist die Zuordnung zu Johannes dem Täufer, der als letzter Prophet des AT den Messias angekündigt hat, und dessen Prophezeiung sich erfüllen wird. Der Mond wird ihm und damit dem Alten Testament zugewiesen, während die Sonne das Zeichen der Erlösung und des Neuen Bundes ist. Somit stehen sich typologisch der Mond (Synagoge) und die Sonne (Ecclesia) gegnüber.

6.2.2 Der Mond in seiner Bedeutung im Bezug auf Maria
Da Maria als Gottesgebärerin Jesus, die Sonne, also den Neuen Bund hervorbringt, erhebt sie sich über den Alten Bund und damit über den Mond. So stellt sie sich auf den abnehmenden Mond als Sockel in der bildlichen Darstellung und damit im übertragenen Sinne als Ecclesia auf den Alten Bund als Unterbau für den Neuen Bund.

6.2.3 Die Apokalypse des Johannes und das "Apokalyptische Weib"[25]
Die Vision des hl. Johannes auf Patmos (Apk 12,1 ff.) beschreibt eine Frauengestalt die am Himmel schwebt, ganz in das Licht der Sonne gekleidet, mit zwölf Sternen bekrönt und auf einer Mondsichel stehend, die ein Kind gebiert, das wiederum ein Drache zu verschlingen droht.
Die Deutung dieser Vision sieht die apokalyptische Frau als Sinnbild der Kirche, die Sonne als Christus, den Mond in Erinnerung an Johannes den Täufer, als Taufbad oder an alles Vergängliche der Erde gemahnend. Die zwölf Sterne symbolisieren zunächst die Tierkreiszeichen, später dann die zwölf Apostel. Die Geburt des Kindes beschreibt den Taufakt, der Drache stellt Satan dar.
Das "Apokalyptische Weib" trägt erst ab dem 12. Jhd. die Züge Marias und wird noch als "Ecclesia" gedeutet.
Auch nach der vollkommenen Verselbständigung des Motives ohne den apokalyptischen Kontext, wird die Mondsichel oft mit einem nach oben gerichteten, männlichen Gesichtsprofil dargestellt, das als Satan bzw. der Drache in der Vision des Johannes interpretiert wird.[26]

6.3 Zusammenfassung
Folgende Inhalte sind im Motiv der "Madonna auf der Mondsichel" enthalten:
* Maria als jungfräuliche Mutter Jesu mit dem Mond als Fruchtbarkeitssymbol, aber auch als Symbol im antiken Sinne für Jungfräulichkeit und für das Beschützen des Jesuskindes
* Maria als "Ecclesia", die auf den Mond als Symbol des AT tritt als Zeichen für die "Neue Kirche"
* Maria als "Apokalyptisches Weib" gemäß der Vision des hl. Johannes auf Patmos, an das "Jüngste Gericht" gemahnend

7. weitere Sondertypen

7.1 Maria im Rosenhag[27]
Bsp.: Stefan Lochner, "Maria im Rosenhag", um 1450, WRM Köln
Aus der "Demutsmadonna", die auf dem Erdboden sitzt, in einer Landschaft oder Garten, entwickelt sich die Rosenhagmadonna, indem als marianische Attribute die Rosen oder Rosenhecken dem Bild hinzugefügt werden (vgl. zur Symbolik 4.2.1 und 4.2.3).
Eng verwandt ist die Darstellung im "hortus conclusus" (verschlossener Garten), der das Paradies und zugleich die Jungfräulichkeit Marias versinnbildlichen soll.

7.2 Madonnen des Matthias Grünewald[28]
Bsp.: "Isenheimer Altar", Colmar, 1513-1515 und "Stuppacher Madonna, 1517-1519
Beide Darstellungen gehen auf die Offenbarungen der hl. Brigitta von Schweden zurück, die 1492 erstmals gedruckt und veröffentlicht wurden. Grünewalds Bilder stellen laut Gertrud Schiller Höhepunkte in der Tafelmalerei am Beginndes 16. Jhd. dar und können nur in Kenntnis der Visionen Brigittas gedeutet werden.
Auf dem Isenheimer Altarbild vereinigt Grünewald die Menschwerdung Christi, die symbolische Ankündigung der Passion und marianische Symbole in einer Landschaftsdarstellung.
Ausgehend vom Typus "Maria im Rosenhag" verzichtet Grünewald auf diese Darstellung und läßt neben Maria einen Rosenstrauch emporwachsen, der drei rote Rosen trägt( vgl. zur Symbolik 4.2.1 und 4.2.3). Der hinter Maria blühende Strauch hat keine Dornen.
Durch die reiche Ausstattung mit allen möglichen Attributen und Sinnbildern, z.B. das Kirchengebäude als Gottesstadt (himml. Jerusalem), der kleine See, in dem sich der Himmel spiegelt, als "speculum sine macula" (lauretanische Litanei), Paradiespflanzen wie Zypresse Zeder, Palme und Ölbaum, wird eine Gesamtdarstellung aller Aspekte im Bezug auf Maria und Jesus versucht.
Auf dem Stuppacher Bild wird Maria als Beschützerin der Kirche dargestellt. Maria hatte sich in Brigittas Vision als Regenbogen bezeichnet, den Grünewald auf dem Bild über Maria und dem Kind abgebildet hat. Beide, sowohl Brigitta als auch Grünewald lebten in Zeiten, als die Kirche in Bedrängnis war: Bei Brigitta (um 1370) das Schisma, bei Grünewald die drohende Reformation. Die Kirche im Hintergrund verdeutlicht Marias Darstellung als "Ecclesia" während sie gleichzeitig attributiv als Gottesmutter ausgezeichnet ist.

7.3 Raffaels Sixtinische Madonna[29]
Bsp.: Sixtinische Madonna, ca. 1513, Dresden GAM
Raffaels Sixtina steht in der Tradition der in einer Lichtgloriole auf Wolken am Himmel erscheinenden, thronende Muttergottes, der am Boden der kniende Stifter gegenübersteht.
Bei Raffael ist Maria jedoch stehend ausgeführt. Sie bringt das Christuskind den Verehrenden zur Anbetung dar, das alte Motiv der frühen Madonnendarstellungen. Die Madonna ist jeder Zeit und jedes Raumes enthoben, keine der vorerwähnten Funktionen wird speziell herausgehoben, womit beim Betrachter alle Arten der marianischen Darstellungsweisen im Geiste aktiviert werden: "Mater Dei", "Regina Coeli", "Advocata", "Ecclesia" und "Sponsa Dei".
Raffaels künstlerische Hauptleistung liegt bei der Sixtina im dreizonigen Aufbau des Motives: Engelchen - Adorant und hl. Barbara - Gottesmutter

7.4 Madonna in der Glorie[30]
Diese Darstellung ist meist mit der Legende des Kaisers Augustus und einer Sibylle, einer Antiken Seherin, in Zusammenhang gebracht:
Augustus befragte die Sibylle, ob je ein Mensch größer sein werde als er, worauf die Sibylle sagte, daß nach ihm ein jüdischer Knabe herrschen werde.
Am Tag der Geburt Christi zeigte die Sibylle dem Kaiser eine Himmelserscheinung der von der Sonne umstrahlten Maria mit Kind, woraufhin Augustus das Kind anbetete.
Ab dem 13. Jhd bezeichnete man die Sibylle in dieser Legende als "tiburtische", während man zuvor dieselbe für die berühmte Seherin Pythia gehalten hatte.

7.5 Maria in der Passion[31]
Aufgrund der Erwähnung Marias bei Joh 19,26 f. in der Passionsgeschichte und ihrer Verkörperung der Compassio, dem Mitleid mit den Schmerzen ihres Sohnes, wurde Maria sehr häufig in folgenden Dartellungen abgebildet:
* Christus am Kreuz
* Kreuzabnahme
* Beweinung
* Grablegung

8. Die "Schöne Madonna"
Bsp.: Krumnauer Madonna, um 1400, KHM Wien
Die sog. "Schöne Madonna" bezeichnet das Ergebnis einer bestimmten Stilentwicklung im Bereich der Madonnendarstellung, weniger in ikonographischer Hinsicht, als im Bezug auf die künstlerische Ausfertigung des Kunstwerkes.
Der Begriff "Schöner Stil", "Internationaler Stil" oder auch "Weicher Stil" bezeichnet die Stilrichtung der Malerei und Bildhauerei in der Zeit von ca. 1380 bis ca. 1430. Meist wird dieser Begriff für den damals deutschsprachigen Bereich (bes. Böhmen, Österreich und Südpolen) verwendet.
Charakteristisch dafür ist die Tendenz zur Auflösung der Formenstrenge und zur rhythmischen Linienführung. Auffallend ist die Umrißgestaltung, wobei oft plastisch durchgearbeitete Faltenkaskaden den Körperaufbau in nahezu wellenförmigem, schwingendem Rhythmus beleben.[32]
In vielen Kunstgeschichtsbüchern wird für die bewegte Körperform der Begriff des gotischen "S-Schwung" verwendet.
Hauptbeispiel für die "Schöne Madonna" ist die "Krumnauer Madonna", die um 1400 entstand.
Maria ist stehend dargestellt und trägt das Jesuskind, indem sie einen ihrer Arme unter ihrem Kleid hält. Mit der anderen Hand versucht sie, das äußerst lebendige Kind festzuhalten.
Formal dient das Gewand mit seinen Muldenfalten zur Entmaterialisierung der Körperformen. Das Obergewand ist meist aus dickem Stoff, die Falten sammeln sich zur Körpermitte und laufen in bewegtem Linienspiel aus.
Beidseitige Faltenkaskaden, die den Kontrapost verwischen, lösen die Körperlichkeit der hl. Jungfrau auf.[33]


Literaturliste


* Die Bibel, Einheitsübersetzung, Herder, Stuttgart 1980
* Herder Lexikon der Symbole, Freiburg 1992
* LCI - Lexikon der christlichen Ikonographie, Hrsg.: Engelhard Kirschbaum, 8 Bde., Freiburg-Basel-Wien 1968-1976
* Lexikon der Kunst, Karl Müller Verlag, 12 Bde., Erlangen 1994
* Marienlexikon, Institutum Marianum Regensburg, 5 Bde
* Schiller, Gertrud: "Ikonographie des christlichen Kunst", 4 Bde., Gütersloh 1966-1976
* Thiele, Carmela: DuMont´s Schnellkurs Skulptur, Köln 1995


[1] LCI - Lexikon der christlichen Ikonographie, Hrsg.: Engelhard Kirschbaum, 8 Bde., Freiburg-Basel-Wien 1968-1976LCI, Bd. 3, S. 181 f.
[2] LCI, Bd. 3, S. 182
[3] Schiller, Gertrud, Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. 4,2, S 179 ff., Gütersloh 1980
[4] Schiller, Bd. 4,2, S. 185
[5] Schiller, Bd. 4,2, S. 187
[6] Schiller, Bd. 4,2, S.188-191
[7] Aufbau nach Gertrud Schiller, Bd. 4,2, S. 179-217
[8] Schiller, Bd. 4,2, S. 188
[9] Schiller, Bd. 4,2, S. 191
[10] Schiller, Bd. 4,2, S. 194
[11] Schiller, Bd. 4,2, S. 195
[12] Schiller, Bd. 4,2, S. 195 ff.
[13] Schiller, Bd. 4,2, S. 199-204
[14] Schiller, Bd. 4,2, S. 204/205
[15] Marien Lexikon, Institutum Marianum Regensburg, Bd. 5, S. 567
[16] Schiller, Bd. 4,2, S. 206
[17] Schiller, Bd. 4,2, S. 205
[18] Schiller, Bd. 4,2, S. 205
[19] Schiller, Bd. 4,2, S. 206
[20] Becker, Udo, "Lexikon der Symbole", Freiburg 1992, S. 226/243
[21] Marienlexikon, Inst. Mar. Rgb., S. 550
[22] Schiller, Bd. 4,2, S. 205 f.
[23] Schiller, Bd. 1, S. 26 ff.
[24] Marienlexikon, Inst. Mar. Rgb., S. 74
[25] Schiller, Bd. 4,1; 1. Aufl., Gütersloh 1976, S. 77-83
[26] Schiller, Bd. 4,2, S. 199
[27] Schiller, Bd. 1, S. 206-210
[28] Schiller, Bd. 1, S. 210-213
[29] Schiller, Bd. 4,2, S. 213-215
[30] Schiller, Bd. 4,2, S. 215-216
[31] Schiller, Bd. 4,2, S. 216-217
[32] Lexikon der Kunst, Karl Müller Verlag, 12 Bde., Erlangen 199, Bd. 12, S. 243 f.
[33] Thiele Carmela, DuMont´s Schnellkurs Skulptur, Köln 1995, S. 67 f.