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§;INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
1 Tourismusentwicklungen
5 Beispiele aus der Praxis
Einleitung
Alle Welt reist. Schon 1873 übertrieb Fontane: "Zu den Eigentümlichkeiten unserer Zeit gehört das Massenreisen. Sonst reisten bevorzugte Individuen, jetzt reist Jeder und Jede." Bis heute vereist aber nur ein Viertel der Weltbevölkerung. Reisen sollen sie allerdings alle - so die Forderung in einer Vorlage der SPD-Fraktion 1992.
Die Reislust in den letzten hundert Jahren ist nicht nur auf die veränderten ökonomischen und sozialen Faktoren zurückzuführen, sondern auch durch das kosmopolitisch orientierte Bevölkerungsverhalten. Der technische Fortschritt hat die Welt kleiner gemacht. Reisen stellt heute ein Allheilmittel gegen die Zivilisationskrankheiten Streß, Vereinsamung und allgegenwärtiges, multikausales Unwohlsein dar.
Das der weltweit ansteigende Tourismus erhebliche Probleme nach sich zieht, ist unschwer zu erahnen. Die für die Masse errichteten touristischen Zentren, verschandeln schönste, unberührte Landschaftszonen ebenso, wie sie traditionelle Strukturen zerstören. Ursprüngliche Traditionen und Kultur verkommen zu folkloristischen Abendveranstaltungen für den Neckermann-Touristen. Es wird aber noch dramatischer, wenn ganze Alpentäler unbewohnbar werden, weil sich die Skipisten statt des erosionshemmenden Waldes in reißende Sturzbäche verwandeln und alles auf dem Weg ins Tal mit sich reißen. Ein weiteres Problem stellt die gewachsene Mobilität und Freizeit der Bevölkerung dar, die die Reiseintensität und Reisehäufigkeit vorantrieb und damit verbundene neue, ungeahnte Umweltschäden verursacht. Jeder Reisende, sei es der Geschäftsreisende, der Öko-Rucksacktraveller, der Cluburlauber oder der allseits verteufelte Chartertourist; sie alle bilden einen unaufhörlichen Strom, den Massentourismus. Demgegenüber entstand seit Beginn der 80er Jahre eine Gegenbewegung, der sogenannte "Sanfte" Tourismus, mit dem sich Vorstellungen eines umwelt- und sozialveträglichen Tourismus verbinden, die zu einer "Lösung", zumindest aber Entschärfung der damit verbundenen, bestehenden Probleme führen sollen.
Neben dem veränderten
Freizeitverhalten haben Einkommensteigerungen, Wirtschaftswachstum und
die zunehmende individuelle Mobilität zu einer Zunahme des Reiseverkehrs
geführt. Damit einher gehen die veränderten sozioökonomischen
Faktoren wie Haushalts-, Alters- und Erwerbsstrukturen und das Bevölkerungswachstum.
Zahlen der letzten
dreißig Jahre belegen einen rapiden Anstieg der Reiseintensität
und -häufigkeit, die mit zur Entstehung des Massentourismus in seiner
heutigen Form beigetragen haben. Siehe Anhang Abb.2:. Reise-/Kurzreiseintensität
und Reisehäufigkeit sowie Entwicklung der Reiseintensität
1954-1992
So hat sich die
der Anteil der Reisenden an der Gesamtbevölkerung über 14 Jahre
von 1954 bis 1989 von 24% auf 66,8% erhöht. Das entspricht einer Steigerung
der Reisenden von 9,3 Mio auf 32,6 Mio jährlich. Dabei sind aus statistischen
Gründen die Reisen der Bürger in den Neuen Bundesländern
unberücksichtigt geblieben. Jedoch zeigt hier die Entwicklung nochmal
eine erhebliche Steigerung.
Horst-Martin Müllenmeister gibt folgende Definition: "Massentourismus, das sind die Leute, die immer in Gruppen herumlaufen. Die auf Anweisung reisen, essen, schlafen, besichtigen, marschieren. Die einem Reiseleiter unterstehen, den die Kolonne gleichermaßen fürchtet und ersehnt. (...) Existenzen, die unfähig sind zum selbständigen Sehen, Denken und Erleben.
Mit der infrastrukturellen
Erschließung der Tourismusziele wird eine Region industrialisiert
und die Bedürfnisse der Bewohner werden geweckt bzw. verstärkt.
Zu dieser Erschließung gehört der Ausbau der Bettenkapazität,
der Restaurationen, der verkehrstechnischen Voraussetzungen (Straßen,
Schienen, Flughäfen, Häfen) und der entsprechenden Verkehrsmittel
und Versorgungsstrukturen (Energie, Kanalisation, Fernmeldeeinrichtungen,
Krankenversorgung, Ausbildungsstätten, Kultureinrichtungen etc.).
Damit verbunden ist ein intensiver Landschaftsverbrauch und eine Landschaftsbelastung,
bis hin zur Überlastung und den entsprechenden Umweltschäden.
Der Ausbau der Infrastruktur
ist damit Teil eines Teufelskreises: Weitere Erschließung der Urlaubsgebiete
nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien ziehen weitere Urlauber
nach sich und diese rechtfertigen wiederum noch mehr infrastrukturelle
Verbesserungen. Dazu zählt auch die Möblierung der Landschaft
mit immer neuen Freizeit- und Sporteinrichtungen.
Das Wirtschaftswachstum
und der gestiegene Wohlstand verstärken die Bedürfnisse der Bevölkerung
und den Zuzug von Arbeitsuchenden aus weniger entwickelten Regionen.
"Erhebliches Konfliktpotential
ist da angelegt, wo es im Zuge touristischer Entwicklungen zu verschiedenen
soziokulturellen Folgeproblemen in den Zielgebieten des Tourismus kommt.
(...) Zum Konflikt wird die Konfrontation von Einheimischen und Touristen
da, wo die touristische Erschließung Überfremdungs- und Entfremdungserscheinungen
zur Folge hat, die an der kulturellen Identität einer Bevölkerung
zerren."
Durch die Entwicklung
zur einer modernen Industriegesellschaft und durch die Konfrontation der
Einheimischen mit dem Lebensstil der Reisenden, verlieren traditionelle
Bräuche und Sitten schrittweise an Bedeutung und verkommen im schlimmsten
Fall zu Folklore, die des abends in der Hotel-Lounge den Chartertouristen
vorgeführt wird.
Schädigungen durch den Tourismus sind zuerst an der Natur zu beobachten. Die Folgen der hemmungslosen Abholzung in den Alpen beispielsweise. Die Auswirkungen der Rodungen für immer neue Skipisten und Lifte sind hinlänglich bekannt. Lawinengefahr und Bodenerosion haben bedrohliche Ausmaße angenommen. Die Verkehrsstränge, Straßen und Eisenbahnlinien, aber auch zahlreiche Talsiedlungen sind gefährdet.
Ein Beitrag des Zukunftforschers Robert Jung in der Zeitschrift GEO 1980 warf zum ersten Mal den Begriff des "Sanften Tourismus" auf und entfachte eine Diskussion, die in unseren Tagen noch lange nicht beendet ist.
Der Begriff verbindet die Vorstellung eines umwelt- und sozialverträglichen Tourismus, der zu einer Lösung, zumindest aber Entschärfung der bestehenden Probleme des Tourismus führen soll. Mehrere Definitionen werden heute verwendet:
"Ein Denken und Handeln in ‘Schonung’ ist Maßstab eines sozial und umweltverträglichen Tourismus. Es ermöglicht die Inwertsetzung peripherer Räume für den Fremdenverkehr bis hin zu Korrekturen des konventionellen Tourismus unter Einfluß innovativer Pionierformen der Erholung."
"Ein von der Quantität her allenfalls mäßig ausgebildeter Fremdenverkehr, konkreter ‘Gästeverkehr’, der bei distanzierter Integration des Gastes wirtschaftliche Vorteile für den Einheimischen und gegenseitiges Verständnis des Einheimischen und Gastes füreinander schafft sowie weder die Landschaft, noch die Soziokultur des besuchten Gebietes beeinträchtigt."
"[Die internationale Alpenschutzkommision versteht unter "Sanftem" Tourismus:] ...einen Gästeverkehr, der gegenseitiges Verständnis des Einheimischen und Gastes füreinander schafft, die kulturelle Eigenart des besuchten Gebietes nicht beeinträchtigt und der Landschaft mit größtmöglicher Gewaltlosigkeit begegnet. Erholungssuchende im Sinne des Sanften Tourismus benützen vor allem die in einem Raum vorhandenen Einrichtungen der Bevölkerung mit und verzichten auf wesentliche zusätzliche landschaftsbelastende Tourismuseinrichtungen."
"Sanfter" Tourismus verlangt die volle Anwendung der bestehenden Umweltschutzbestimmungen und in vielen Fällen ihre Verschärfung. "Sanfter" Tourismus bedeutet sofortigen Erschließungsstop und wo notwendig Rücknahme touristischer Erschließung zur Wiederherstellung natürlicher und naturnaher Ökosysteme. "Sanfter" Tourismus heißt: Volle Anwendung des Verursacherprinzips auch bei Schäden durch Tourismus.
Zu möglichst
geringen Beeinflussungen des Naturhaushaltes gehört eine einfache
Infrastruktur, wobei die vorhandene Infrastruktur eingebunden und effizienter
ausgenutzt werden sollte. Ein weiterer Punkt ist die Förderung nicht-technischer
Erholungsaktivitäten. Damit sind sämtliche Aktivitäten unter
der Einbeziehung von motorisierten Verkehrsmitteln gedacht bzw. Sportarten,
deren Peripherie einen Eingriff in die Natur darstellt (Tennisplätze,
Golfplätze, Skigebiete etc.).
Weiterhin ist es
aus verkehrstouristischer Sicht: sinnvoll:. Autofreie Ferienorte, Park
& Ride System und wie zum Beispiel Florenz: Angebot alternative Verkehrsmittel
(hier kostenlose Fahrräder) um in das touristische Zentrum zu gelangen.
Um die wenigen landschaftlichen Ressourcen zu schonen, sollten Erschließungsmaßnahmen auf unbedingt notwendige begrenzt und wertvolle Landschaftsräume freigehalten werden. Dazu zählt die Vermeidung einer verdichteten Bebauung und besonders eine räumliche Eingrenzung des Baulandes. Auch die Installation von technischer "Möblierung" der Landschaft durch immer neue Lifte und Seilbahnen beispielsweise oder der Ausbau der verkehrsorientierten Infrastruktur sollten tunlichst vermieden werden.
Der Tourismus sollte nur dort entwickelt werden, wo in der Region ein echtes wirtschaftliches Bedürfnis besteht. Einheimische Erwerbszweige sollten in jedem Fall Vorrang vor dem Tourismus haben, um das Wirtschaftsgefüge nicht zu zerstören und die Region möglicherweise von einem saisonalen Geschäft abhängig zu machen.
Die Einheimischen sollten stets die politische und wirtschaftliche Kontrolle über die Tourismusentwicklung ihrer Region behalten, um eine Einflußnahme durch auswärtige Investoren zu verhindern und die Stabilität des Wirtschaftsgebietes zu sichern. Dies gilt insbesondere über die Vergabe und Verwendung von Grund und Boden. Hierzu bedarf es einer kontinuierlichen Information und Motivation der Einheimischen und ein stärkeres Maß an Partizipation der regionalen Bevölkerung in Planungs- und Entscheidungsprozesse.
Es muß ein Schutz vor einer übermäßigen Beeinflussung der lokalen Kultur vor dem Tourismus gewährt werden. Dazu zählen wie schon erwähnt der Erhalt der traditionellen Architektur, der Landwirtschaft und des traditionellen Gewerbes. Allgemein ausgedrückt eine bewußte Erhaltung und Förderung der landestypischen Strukturen und Werte und keine Verkitschung und Vermarktung des Brauchtums.
Reisen bildet. Dieser Ausspruch ist so alt wie die Menschheit; der Urlaub dient somit auch der Weiterbildung. Die Konfrontation mit anderen Kulturen und Lebensstilen sollte dem Besucher den Blick für ein kosmopolitisches Bewußtsein geben und seinen Bildungs- und Verständnishorizont erweitern. Vor allem sollte der Besuch fremdartiger Kulturen einen Beitrag zu toleranterem Denken leisten.
Durch naturbezogene Erholungsaktivitäten kann das Verhältnis zur Umwelt und das Verständnis für Flora und Fauna wieder verbessert werden. Umweltfreundliche Sportarten (Wandern, Fahrradfahren, Segelsportarten, Schwimmen, etc.) können dazu beitragen.
Hartes
Reisen
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Sanftes Reisen |
Massentourismus
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Einzel-, Familien- und Freundesreisen |
Wenig
Zeit
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Viel Zeit |
Schnelle
Verkehrsmittel
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Angemessene (auch langsame) Verkehrsmittel |
Festes
Programm
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Spontane Entscheidungen |
Außengelenkt
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Innengelenkt |
Importierter
Lebensstil
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Landesüblicher Lebensstil |
"Sehenswürdigkeiten"
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Erlebnisse |
Bequem
und passiv
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Anstrengend und aktiv |
Wenig
oder keine geistige Vorbereitung
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Vorrübergehende Beschäftigung mit dem Besuchsland |
Keine
Fremdsprache
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Sprachen lernen |
Überlegenheitsgefühl
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Lernfreude |
Einkaufen
(Shopping)
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Geschenke mitbringen |
Souvenirs
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Erinnerungen, Aufzeichnungen, neue Erkenntnisse |
Knipsen
und Ansichtskarten
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Fotografieren, Zeichnen, Malen |
Neugier
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Takt |
Laut
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Leise |
Als Musterbeispiele für zunächst "sanften" Tourismus mit dem Bedürfnis der Reisenden nach solchem und daraus entstehendem Massentourismus lassen sich die vor ca. zehn Jahren entdeckten Surfreviere in Entwicklungsregionen (Dominikanische Republik, Venezuela, Kapverdische Inseln, etc.) anführen.
Vor einigen Jahren vom Magazin SURF als windsicheres, ideales Windsurfrevier entdeckt, war das Dorf Cabarete im Norden der Dominikanischen Republik zunächst ein Idealbeispiel für eine "sanfte Art" des Tourismus. Am Ort waren seit Jahren einige wenige teure Hotels vorhanden, die in karibischer Bauweise und ohne abgrenzende Anlagen direkt im Dorf, bzw. am Wasser lagen. Desweiteren boten sich kleine Pensionen mit einfachen Zimmern im Dorf an. Charme und Flair lagen in dem ungestörten Zusammenleben der Dorfbewohner mit den Gästen, die ihrem naturverbundenem Sport nachgingen. Nach der Veröffentlichung des "Geheimtips" stieg das Besucherinteresse nachhaltig an und Surfreiseveranstalter begannen zunächst Zentren mit der sportlichen Infrastruktur zu errichten (Windsurfstationen). Die Nachfrage nach Betten wurde ungebremst durch neue Hotelbauten im Hinterland befriedigt und der öffentliche Strand entwickelte sich bald zum Anziehungsmagneten für die Einheimischen, die dort als Händler oder Dienstleister auftraten. Waren die geschlossenen Hotelburgen für die Bevölkerung aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich, so konzentrierte sich das Nachtleben in einer (Tanz-)Bar am Strand, die dann auch von einheimischen Prostituierten besucht wurde. Heute ist die Bucht überfüllt, das Hinterland zugebaut und die Drogenkriminalität und Prostitution bewirkt, daß einige Veranstalter sich wieder davon abwenden und so eine Zivilisationswüste hinterlassen, die mit der Masse der Billigurlauber versucht zu überleben.
Auf der Insel Juist ist der Sanfte Tourismus in diversen Bereichen bereits realisiet. Die Grundideen des ‘sustainable developments’ werden hier schon seit Beginn des Tourismus auf der Insel umgesetzt. Die Bebauung des Ortes orientiert sich an historischen Traditionen. mehrgeschossige Gebäude werden nur in Ausnahmefällen genehmigt. Insbesondere seit Beginn der 70er Jahre wurde in Anlehnung an traditionelle Bauweisen des Seebades die städtebauliche Entwicklung bewußt gesteuert. Der Verbrauch an Naturrecourcen wird seit über 150 Jahren in diesem Seebad in den engen Grenzen gehalten. Um natur- und sozial-unverträgliche Belastungssituationen zu vermeiden, wurde das Angebot an Gästebetten von 1979 bis 1988 von ca. 9.000 auf 7.400 reduziert. Darin spiegelt sich eine der klassischen Ansätze des Sanften Tourismus: Der allmählich vollzogene Rückbau. Auch die Verkehrspolitik der Insel ist umweltpolitisch motiviert: Auf moderne Kfz, selbst solche mit Elektro-Antrieb wurde zugunsten traditioneller Pferdefuhrwerke verzichtet. Im Konsumgüterbereich wurden auch in den Versorgungseinrichtungen und Märkten Einwegverpackungen und Plastiktüten weitgehend abgeschafft und durch umweltfreundlichere Verpackungsarten ersetzt. Die kommunale Kläranlage wurde insoweit erweitert, daß seit 1989 eine vollbiologische sog. ‘Dritte Stufe’ dazugehört. Der Müll wird bereits seit Ende der 80er Jahre getrennt und auf dem Festland entsorgt. Auf der Insel wird seit Jahren der Umweltgedanke auch in der Bildung und Information groß geschrieben. "Eine 1988 durchgeführte Gästebefragung ergab, daß die positive Wahrnehmung der Inselumwelt zu den stärksten Gründen gehörte, auf der Insel Juist einen Urlaub zu verbringen."
Allein der Name des Dorfes ist für viele ein Reizwort: Kampen/Sylt steht als Synonym für Schickeria und Champagnerorgien. Von der Presse stets angefeindet und kritisiert, gelingt es dort jedoch seit Jahrzehnten "Sanften" Tourismus über das Angebot zu steuern und zu betreiben. Dabei werden einfache Maßnahmen angewandt und vor allem rigoros durchgesetzt.
Eine zentrale Frage und Befürchtung geht dahin, ob Angebote eines "Sanften" Tourismus möglicherweise nur kurzfristig auf eine entsprechende Nachfrage stoßen oder ob dieser sich auch langfristig in den Köpfen der Reiseveranstalter und Nachfrager etablieren kann. Zentrales Anliegen für Umweltschützer und Anbieter ist dabei die Stabilisierung eines konstanten Nachfrageniveaus.
In engem Zusammenhang mit diesem Aspekt steht die Frage, inwieweit der "Sanfte" Tourismus möglicherweise Gefahr laufen kann, lediglich zur Initialzündung eines sich daraus entwickelnden "Harten" Tourismus werden kann. Diese Befürchtung ist insofern berechtigt, als tatsächlich nicht auszuschließen ist, daß Projekte eines "Sanften" Tourismus dazu dienen können, zunächst einmal touristische Entwicklungen einer Region einzuleiten. Auf diese Weise kann eine Region "markfähig" gemacht werden und anschließend durch die Öffnung gegenüber weiteren Erschließungen zu einem "Harten" Tourismus zu gelangen. Dieser Gefahr muß dadurch entgegengewirkt werden, indem von vornherein Kapazitätsgrenzen hinsichtlich des Ausbaus der Infrastruktur und der Bettenkapazität festgesetzt werden.
Ein weiteres Problem bildet schließlich auch die Konkurrenz unter benachbarten Gemeinden und Regionen. Auch bei den wohlwollensten Plänen ist es möglich, daß weniger aufgeklärte Nachbargebiete aus wirtschaftlichem Druck einem ungehinderten Tourismus Tür und Tor öffnen und so alle Bemühungen zunichte machen. Veränderungen auf der Bewußtseinsebene der Bereisten müssen daher durch Erziehung und Bildung Einfluß auf die Entwicklung des Tourismus in der ganzen Region nehmen und daher flächendeckend sein.
Ein Rückbau in in den letzten zwanzig Jahren besonders verdorbenen Gebieten wie den Kanarischen Inseln beispielsweise ist für die Zukunft dringend erforderlich, um der Gefahr der Verödung entgegenzuwirken. Dies ist natürlich nicht im Sinne der zahlreichen nicht ortsansässigen Investoren, denen die Amortisation und Rendite ihrer Geldanlage natürlich mehr am Herzen liegt, als die längerfristige Entwicklung der Region. Hier lassen sich jedoch durch harte und kostspielige Umweltauflagen der dortigen Regierungen Handlungszwänge ins Leben rufen, die nach dem Verursacherprinzip eine Regulierung zu Gunsten der Landschaft ermöglichen.
Sollte dies nicht gelingen, bleiben für die Zukunft nur noch die Alternativen der künstlichen Erholungswelten nach dem Vorbild Disney’s oder der Center Parcs. Mit diesen ist man der Lage, all das was einen Aufenthalt in der Natur attraktiv und erstrebenswert macht nun selbst umweltschonend zu kreiieren - angenehme Temperaturen, künstliches Sonnenlicht, ungefährlicher Aufenthalt in jeder beliebigen Landschaft (Meeresküste, Gebirge, Täler) und dies zu jeder Jahreszeit, Abenteuer inclusive. Die Frage, ob dieses Huxley’sche "Fühlkino" erstrebenswert ist, muß sich jeder selbst beantworten.
gruppe neues reisen e.V. (Hrsg.)(1991) Sanfter Tourismus - ein Schlagwort mehr?, Reisebriefe - Schriften zur Tourismuskritik, Bd. 17/18, Göttingen, Berlin, Hannover, München, Bonn
gruppe neues reisen e.V. (Hrsg.)(1994) Massentourismus - Ein reizendes Thema, Reisebriefe - Schriften zur Tourismuskritik, Bd. 23, Berlin, Osnabrück, Hannover
Opaschowski; H. W. (1991) Ökologie von Freizeit und Tourismus - Freizeit und Tourismusstudien, Opladen, Leske + Budrich
Österreichischen Alpenverein (1989) Sanfter Tourismus Theorie und Praxis, Fachbeiträge aus der Serie: Alpine Raumordnung Nr. 3, Innsbruck
Steinecke, Albrecht (Hrsg.) (1989) Tourismus - Umwelt - Gesellschaft, Bielefeld
Mose; Ingo (Hrsg.) (1992) Sanfter Tourismus konkret, Oldenburg