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Inhaltsverzeichnis



 


1

Einleitung



2

Vom Lesen und Schreiben

2.1

Quellen Nietzsches

2.2

Der Stil des Zarathustra

2.3

Der Typus Zarathustra





3

Über den Menschen

3.1

Der gottesgläubige Eremit und der Tod Gottes

3.2

Der letzte Mensch und die Menschen der Stadt "Bunte Kuh"

3.3

Vom höheren Menschen zum Übermenschen

3.3.1

Kontrastbilder





4

Über Nietzsches Blickwinkel auf den Menschen

4.1

Die Wirklichkeit von Denkmöglichkeiten

4.2

Nietzsche als Psychologe und Philosoph

4.3

Nietzsches Psychologie bei Karl Jaspers




5


Schlußbemerkung




6


Literaturverzeichnis


1 Einleitung
Schlagworte Friedrich Nietzsches sind weit bekannt: "Gott ist tot", "Der Übermensch", "Wille zur Macht", "Ewige Widerkehr des Gleichen". Daß man meist nur diese Schlag-worte kennt, macht Nietzsche zu einem Mythos von dem eine große Faszination ausgeht. Das trifft auch auf mich zu. Durch diese Arbeit über Nietzsches "Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen" erhoffe ich mir ein klareres Bild von ihm. Insbesondere ich will das Menschenbild im Zarathustra darstellen. Dies ist auch für Landmann die zentrale Fragestellung bei Nietzsche: "Die Frage nach dem Menschen bestimmt alle übrigen Fragestellungen Nietzsches"[1]. Auch im Zarathustra ist dies die Hauptfrage. Zarathustra der einsame Weise will zu den Menschen hinab, um ihnen seine Erkenntnis zu überbringen.Es beginnt ein langes Wechselspiel zwischen der Aussaat seiner Erkenntnisse unter den Menschen und dem Rückzug in die Einsamkeit. Das Buch besteht aus zwei Ebenen. Auf der einen kann man diese Geschichte sehen, auf der anderen Gedanken über das Dasein des Menschen. Der Zarathustra ist also eine Art philosophischer Roman. Das Bild vom Dasein des Menschen ist vielfältig, weil Nietzsche die Realität auch vielfältig sieht: "Denn so redet mir die Gerechtigkeit. 'die Menschen sind nicht gleich'."[2] An den gewöhnlichen Menschen kann Nietzsches Zarathustra nicht viel Gutes finden:


"Wer alles bei den Menschen begreifen wollte, der müßte alles angreifen. Aber dazu habe ich
zu reinliche Hände. Ich mag schon ihren Atem nicht einatmen; ach, daß ich so lange unter ihr-
em Lärm und üblen Atem lebte."[3]


Wenn er dann doch noch etwas Gutes am Menschen sieht, so daß man bei vielen niedrigen Menschen auch wenige Höhere vorfindet, weshalb er auch die Ungleichheit der Menschen befürwortet. Solch ein Höherer zu werden, was in dem Bild des Übermenschen gipfelt, ist Nietzsches Lösung, um dem ganzen Niedrigen am menschlichen Leben entfliehen zu können:


"An den Menschen klammert sich mein Wille, mit Ketten binde ich mich an den Menschen, weil es mich hinaufreißt zum Übermenschen: denn dahin will mein andrer Wille."[4]
Meine Arbeit wird, nach der Behandlung einiger hermeneutischer Fragen, mit Nietzsches Menschenbild im Zarathustra beginnen. Es werden die wichtigsten Menschentypen dargestellt. Diese Darstellung führt automatisch zu Nietzsches Idealbild des Übermenschen. Doch vorerst ist den hermeneutischen Problemen bei der Befassung mit Nietzsche nachzugehen. Besonders wichtig ist bei der Beschäftigung mit Nietzsche die Sekundärliteratur. Durch sie wird einem erst Vieles klar, Zusammenhänge werden deutlich, die man sonst übersehen hätte. Besonderes Augenmerk möchte ich in meiner Arbeit auf folgenden Punkt lenken, auf den mich Kaufmann aufmerksam gemacht hat:


"Sodann sind es einige Aspekte von Nietzsches Kritik am modernen Menschen wert, daß man sie ernsthaft in Erwägung zieht. Die Zahl der Menschen nimmt ständig zu, die merken, daß die bloße Aneinanderreihung von Vergnügungen sie nicht glücklich macht und daß ihre Ziele ihrem Leben keinen bleibenden Sinn geben."[5]
Nietzsche gab sich nicht leicht mit Antworten auf seine grundsätzlichen Fragen zufrieden. Er ging ihnen mit großer Ernsthaftigkeit nach und die jeweiligen Überlegungen bedeuteten ihm sehr viel:
"Aber für ihn (Nietzsche) waren die Gedanken Ereignisse; wie wir schon gesagt haben, waren sie sein ganzes Leben."[6]


Daher ist ihm das viele Oberflächliche am Menschen wohl ein um so größerer Dorn im Auge: "O Menschenwesen, du wunderliches! Du Lärm auf dunklen Gassen (...) zu viel Vordergrund ist an allen Menschen - was sollen da weitsichtige Augen !"[7] Gerade weil Nietzsche aus seinem Menschenbild Konsequenzen für seine Ziele und Werte zieht, ist zu fragen ob es zutrifft. Die Lebendigkeit der Gedanken Nietzsches mag anregen, aber sie muß mit Vorsicht behandelt werden. Gut sind an Nietzsches Philosophie vor allem die Fragen, die er aufwirft, und denen er sich mit großer Ernsthaftigkeit stellt.

2 Vom Lesen und Schreiben
Im Zarathustra gibt es einen eigenen Abschnitt "Vom Lesen und Schreiben". Hier und durch andere ergänzende Stellen wird klar, was sich Nietzsche für Leser wünschte. Seine Einstellung zu dieser Frage kann als Konsequenz aus der Tatsache gesehen werden, daß Gedanken für Nietzsche Erlebnisse waren, die er durchlebte. So fordert er, daß etwas mit soviel persönlicher Anteilnahme geschriebenes wie sein Zarathustra auch entsprechend gelesen werden muß:


"Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, daß Blut Geist ist. Es ist nicht leicht möglich fremdes Blut zu verstehen: ich hasse die lesenden Müßiggänger. (...) Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden."[8]
Der Leser soll versuchen die Gedanken des Schreibers nachzuerleben, und beim Schreiber muß dem Geschriebenen auch eine erlebte Gedankenwelt gegnüberstehen. So sagt auch Jaspers in seiner

Untersuchung über Nietzsche:
"Es liegt im Wesen der in Nietzsche offenbarten Gehalte, daß sie sich nur dem zeigen, der sie von sich aus entgegenbringt. Daher kann Nietzsches Denken einmal leer erscheinen und dann an das tiefste ergreifen."[9] Nietzsche will keinen Leser der ihm alles gläubig ohne eigenes Nachdenken abnimmt. Das belegen viele Stellen im Zarathustra. So schickt er seine Jünger am Ende des Ersten Buches von sich weg: "Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man immer nur der Schüler bleibt. Und warum wollt ihr nicht an meinem Kranze rupfen? (...) Nun heiße ich euch mich verlieren und euch finden; und erst, wenn ihr mich alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren."[10]

2.1 Quellen Nietzsches
Nietzsches Werke wurden lange durch die manipulierte Herausgabe seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche verfälscht. Erst die von Colli und Montinari herausgegebe Ausgabe bietet eine wissenschaftliche Basis, so daß man sicher sein kann, Nietzsches Werke und nicht die seiner Schwester zu lesen. Hier liegt allerdings ein gewisser Makel meiner eigenen Arbeit, da ich nicht diese Ausgabe, sondern die von Karl Schlechta als Originaltext gelesen habe und daher auch in meiner Arbeit verwende.


Montinari legt in seiner Kritischen Studienausgabe in einem Kommentarband die im Zarathustra verwendeten Quellen Nietzsches dar.[11] Nietzsche zitiert oft andere Werke im Zarathustra: "Nietzsche ist ein besessener Leser, greift jeden Satz des 19.Jahrhunderts auf und denkt ihn radikal zu Ende."[12] Bei einer wissenschaftlichen Behandlung seines Zarathustras wäre es daher sinnvoll diesen Kommentarband zu benutzen:


"Noch immer jedoch -auch und gerade seit der großen Ausgabe von Colli und Montinari -ist es nicht leicht, Nietzsche zu lesen; erschließen doch oft erst die Kommentarbände den Text und decken auf, daß wir häufig ganz andere Autoren unter dem Namen Nietzsche lesen."[13]


Da ich auch diese Kommentarbände nicht verwende, ist meine Arbeit also etwas von den Anforderungen an eine wissenschaftliche Textuntersuchung entfernt. Ich folge eher den Forderungen Nietzsches und versuche seine Gedanken nachzuvollziehen, ohne mir Gedanken über ihre Herkunft zu machen. Somit ist auch die Auswahl der Textstellen aus dem Zarathustra eine subjektive, da ich die verwende, welche ich anhand eigener Erfahrungen nachvollziehen kann. Es wird also einiges wichtige nicht behandelt, was auch im Umfang der Arbeit begründet ist. Hier wäre die Aufgabe für eine weitere Arbeit, die die Fragestellung dann wissenschaftlicher angehen könnte. Bei meiner jetzigen Vorgehensweise erhoffe ich mir den Vorteil einer größeren Anregung für eigene Gedanken. Der Nachteil ist, daß ich der Forderung von Schmidt/ Spreckelsen nicht nachkommen kann:


"Nietzsches Buch ist ein Geflecht wechselseitiger Verweise und solcher auf andere Werke.
Das Buch und der Typus Zarathustra stellen die Aufgabe, diesen Verweisen nachzugehen."[14] Dies wäre die Arbeit für einen Fortgeschrittenen. Bei mit geht es mehr darum, einen eigenen, ersten Zugang zu Nietzsches Denken zu finden.

2.2 Der Stil des Zarathustra
Nietzsche drückt im Zarathustra viel durch Stimmungen aus. Die Szenen der einzelnen Handlungen bzw. Überlegungen unterstützen jeweils die Bedeutung und oft wird mit Abscheu oder Freude angezeigt, was als gut oder was schlecht bewertet wird. Schmidt/ Spreckelsen berufen sich auf Nietzsche selbst, wenn sie den Stil als eine wichtige Frage ansehen:
"Den Gedanken verbessern - Den Stil verbessern - das heisst den Gedanken verbessern, und gar Nichts weiter! - Wer dies nicht sofort zugiebt, ist auch nie davon zu überzeugen."[15] Der Stil ist also unmittelbarer Teil der Gedanken im Zarathustra und muß mitbeachtet werden. Zarathustra redet fast ausschließlich in Bildern und Gleichnissen. Daher meinte Nietzsche auch, daß Zarathustra "Ein Buch für Alle und Keinen" ist. Wer die Gleichnisse Nietzsches und die häufigen Verweise innerhalb des Buches nicht zu deuten weiß, kann Nietzsche nicht verstehen. Nur wer mit den Stimmungen und Gedanken eigene Erfahrungen verbinden kann versteht Nietzsche. Der Stil teilt etwas mit, das sich nicht in den geäußerten Gedanken erschöpft. Schmidt; Spreckelsen sprechen von einer "philosophischen Stimmung". Zarathustra verwirft eine Weisheit der Menschen nach der anderen. Und das, so Schmidt; Spreckelsen, ohne die in anderen Werken übliche Polemik. Es wird jeweils kalt als Tatsache festgestellt, daß hier wieder etwas verworfen werden müsse. Schmidt; Spreckelsen zitieren wieder Nietzsche selbst und kommmentieren ihn anschließend:


" (Zuerst das Nietzsche Zitat) 'Ein Irrthum nach dem anderen wird gelassen auf's Eis gelegt, das Ideal wird nicht widerlegt - es erfriert.' Nietzsche faßt hier die Radikalität seiner Aufklärung als Kälte. Die radikal aufgeklärte Erkenntnis ist kalt - ohne Ideal, ohne Gott und ohne daß 'redliches' Denken eine Alternative dazu finden könnte."[16]

2.3 Der Typus Zarathustra
Eng mit diesen wichtigen Stilfragen hängt die Frage zusammen, wer dieser Zarathustra eigentlich ist, wen er darstellt. Dazu ist hier schon etwas Grundsätzliches, über Nietzsches Redeweise vom Menschen zu sagen. Denn auch Zarathustra ist ja ein Mensch. Nietzsche hat seine eigene Art, auf die Frage "Was ist der Mensch" zu antworten. Er fragt nicht nach dem Menschen im allgemeinen, denn die Menschen erscheinen ihm viel zu unterschiedlich. Er wendet sich strikt gegen Gleichmacherei. Statt dessen spricht er von Menschentypen: "Zarathustra steht für einen Typus."[17] Was für ein Typus ist das? Dieser Typus wandelt sich im Laufe des Buches. Die verschiedenen Bilder bilden gegeneinander Kontraste. Im letzten Buch trifft Zarathustra dann auf Verkörperungen dieser einzelnen Bilder, es sind die höheren Menschen, das Zwischenziel auf dem Weg zum Übermenschen. Und so antwortet Zarathustra selbst auf die Frage, wer er denn nun sei so:
"Und auch ihr fragtet Euch oft 'wer ist uns Zarathustra? Wie soll er uns heißen?' Und gleich mir selber gabt ihr euch Fragen zur Antwort. Ist er ein Versprechender? Oder ein Erfüllter? Ein Erobernder? Oder ein Erbender? Ein Herbst? Oder eine Pflugschar? Ein Arzt? Oder ein Genesender? Ist es ein Dichter? Oder ein Wahrhaftiger? Ein Befreier? Oder ein Bändiger? Ein Guter? Oder ein Böser? "[18]
Zarathustra gibt Fragen zur Antwort. Und er nennt sehr verschiedene Typen als Charakterisierung Zarathustras. So ist es wohl sinnvoller, die einzelnen Typen zu behandeln und zu fragen, warum Zarathustra nicht bei einem von ihnen stehen bleibt. Dies hat der Abschnitt über den höheren Menschen zur Aufgabe.

3 Über den Menschen
Es gilt nun die verschiedenen Menschentypen, die Nietzsche sieht, darzustellen. Wegen der Fülle der Personen muß ich mich auf einige wichtige beschränken. Als Einleitung diene folgendes Zitat von Karl Jaspers:
"Bilder vom Menschen sind entweder Beschreibungen von Typen seiner Wirklichkeit, oder sie sind Entwürfe seiner Möglichkeit. Die von Nietzsche gezeichneten Bilder liegen auf beiden Ebenen. Die erste zeigt eine große Mannigfaltigkeit von Gestalten des Daseins: Soziologische Typen wie den Kaufmann, den Priester, den Gelehrten, ferner charakterologische Typen. Diese psychologischen Betrachtungen bedürfen in ihrem Reichtum keines Referates und keiner Ordnung. Das Wesentliche ist, daß schon bei der psychologischen Darstellung jedesmal ein Ungenügen mitspricht: der Blick drängt zum 'höheren Menschen'. Die zweite Ebene zeigt daher Gestalten des Hinauswachsens der Menschen über ihr bloßes Dasein."[19]

3.1 Der gottesgläubige Eremit und der Tod Gottes
Als erstes trifft Zarathustra, noch während seines ersten Abstieges aus seiner ersten Höhle zu den Menschen, auf einen einsam lebenden, gottesgläubigen Greis. Der Greis stellt zunächst fest, daß sich Zarathustra sehr verwandelt hat. Ging er einst als nieder- geschlagener Mann in die Einsamkeit, so kommt er nun, um die Menschen zu belehren. Das ist dem Greis unverständlich, denn er floh gerade vor den Menschen in die Einsamkeit: "...ein Erwachter ist Zarathustra: was willst du nun bei den Schlafenden?"[20] Der Greis bzw. Heilige kann es nicht verstehen, daß man aus der Einsamkeit wieder zu den Menschen zurück will, denn von Menschen hat man nur Enttäuschungen zu erwarten. Er preist lieber seinen Gott: "Jetzt liebe ich Gott: die Menschen liebe ich nicht. Der Mensch ist mir eine zu unvollkommene Sache."[21] Zarathustra kann es nicht fassen, daß hier noch jemand mit ganzer Seele Gott anbetet. Für ihn ist der Greis ein Relikt aus einer anderen Zeit. Denn für Zarathustra ist es klar, daß Gott keine Bedeutung mehr hat bei den gewöhnlichen Menschen:
"Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch nichts davon gehört, daß Gott tot ist!"[22]


Zum einen wird mit diesem Abschnitt der erste Menschentyp beschrieben. Er wird hier als aussterbender Typus dargestellt. Es ist der fromme Gottesgläubige. Er wird hier negativ beschrieben, da er Gott nur als Zuflucht vor den Menschen benötigt. Er flieht vor der harten Realität unter den Menschen in die Einsamkeit zu Gott. Hier wird also gleich ein ganz bestimmtes Gottesbild vermittelt. Zum anderen wird mit diesem Abschnitt die Ausgangsposition des gesamten Buches geklärt: "Gott ist tot!" Es ist zwar noch nicht zu allen vorgedrungen, aber es ist eine Tatsache, der die Menschen sich zu stellen haben. Gott hat keine wirkliche Bedeutung mehr für den einzelnen Menschen: "Das Buch stellt sich den Folgen des 'Todes Gottes'."[23] Die positiven Folgen werden in der gewonnenen Freiheit gesehen, die durch Nietzsches einengendes Gottesbild bewirkt wird. Die negativen Folgen sind im Wegfall alter Sicherheiten begründet:


"In dem gleichen Maße aber, wie die Welt 'ungöttlicher' wird, wird sie auch 'unmenschlicher. (...) In dem Augenblick nämlich, in dem der Glaube an Gott als den Schöpfer der Welt fortfällt, ist auch die Welt nicht mehr auf den Menschen hingeordnet ... ."[24]


Alle nun folgenden Menschentypen sind Versuche oder Möglichkeiten, nach dem Tode Gottes zu leben. Nietzsche setzt sich hier also intensiv mit den Folgen der Bedeutungslosigkeit Gottes auseinander, die seiner Meinung sehr schwerwiegend sind:
"Die Konsequenzen der Tat fallen auf die Täter zurück: durch die Ermordung Gottes entziehen sie allen ihren bisherigen Sinnstiftungen und Wertmaßstäben die Grundlage."[25]
Die Menschen sind die Mörder Gottes. Speziell steht dafür im Zarathustra der "hässlichste Mensch". Er ertrug es nicht, daß Gott den Menschen ganz durchschauen konnte und seine ganze Häßlichkeit sah: "Aber er - mußte sterben: er sah mit Augen, welche alles sahn - er sah des Menschen Tiefen und Gründe, alle seine verhehlte Schmach und Häßlichkeit."[26]

3.2 Der letzte Mensch und die Menschen der Stadt "Bunte Kuh"
Als nächstes kommt Zarathustra in die Stadt "Die bunte Kuh". Dort will er den Menschen nun sein Geschenk in Form seiner Lehren darbringen. Doch schnell merkt er: "...sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren."[27] Nachdem sie seine Lehre vom Erstrebenswertesten "dem Übermenschen" nicht verstanden, zeichnet er ihnen das Bild, von dem was sie ohne solch ein Ziel werden: Das Bild vom letzten Menschen. Dieser letzte Mensch kennt kein Risiko mehr, er verkörpert das Verlangen nach Bequemlichkeit und Faulheit. Dauerhaftes Glück ohne Gefahren und ohne etwas dafür zu tun, so lautet seine Lebensmaxime:


"Wir haben das Glück erfunden - sagen die letzen Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben; denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme. (...) Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, daß die Unterhaltung nicht angreife."[28] Was von Zarathustra als Warnung gemeint ist, gefällt den Bewohnern der Stadt "Die bunte Kuh". Sie hätten gern das Leben dieses letzten Menschen, es entspricht ihrer Vorstellung eines guten Lebens. Kaufmann betont, daß es für Nietzsche eine große Herausforderung war, den Idealen seines Zeitalters entgegenzutreten. In diesem letzten Menschen sieht er die Konsequenz dieser Ideale. Erfolge von Technik und Wissenschaft verbreiteten damals großen Optimismus: "Aber Nietzsche brandmarkte das Zeitalter als nihilistisch."[29] Er erkennt in diesen Dingen, durch die man nur mehr Be-quemlichkeit und Sicherheit erlangen will keinen Wert. Wie man seiner Meinung nach mit Blut schreiben solle, hat auch alles nur einen Wert wenn es durchlebt und erkämpft wird. Wissenschaft und Technik scheinen ihm dagegen, dem Leben gerade das Ungewisse und Spannende zu nehmen. Dieses Ideal der Menschen der Stadt "Die bunte Kuh" zeigt sich in ihrer Flucht in Vergnügen und Ablenkung. Das kann Zarathustra nicht gut heißen:


"Wer sich stets viel geschont hat, der kränkelt zuletzt an seiner vielen Schonung. Gelobt sei, was hart macht! Ich lobe das Land nicht, wo Butter und Honig - fließt ! "[30]


Denn nur Anstrengung schafft Wert. Zarathustra liebt Gipfel und die Täler um der Gipfel willen. Denn Täler machen die Gipfel noch schöner. Wenn alles gleich ist, wird alles leer und wertlos. Die Trostlosigkeit dieses Lebensbildes wird im Abschnit "Der Wahrsager" im Dritten Teil des Zarathustras geschildert:


"Eine Leere erging, ein Glaube lief neben ihr: 'alles ist leer, alles ist gleich, alles war!' Und von den Hügeln klang es wieder: 'alles ist leer, alles ist gleich, alles war!' Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden alle Früchte uns faul und braun? (...)Alle Brunnen versiegten uns, auch das Meer wich zurück. Aller Grund will reißen, aber die Tiefe will nicht schlingen! 'Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken könnte': so klingt unsre Klage - hinweg über flache Sümpfe."[31] Es wird deutlich wie für Nietzsche einzelnen Dingen oder Idealen beim Menschen Wert zukommt und wie wichtig es ist, daß Dinge Wert haben. Streit um Wert ist nach Nietzsche ein Streit um Geschmack und Schmecken und so verkörpern verschiedene Menschentypen auch unterschiedliche Geschmackstypen:
"Und ihr sagt mir, Freunde, daß nicht zu streiten sei über Geschmack und Schmecken? Aber alles Leben ist Streit um Geschmack und Schmecken! Geschmack: das ist Gewicht zugleich
und Waagschale und Wägender; und wehe allem Lebendigen, das ohne Streit um Gewicht und Waagschale und Wägende leben wollte! "[32]

3.3 Vom höheren Menschen zum Übermenschen
Welche Menschentypen bilden nun die nächste Stufe. Es ist klar, daß sie alle diesen Streit um Geschmack und Schmecken befürworten müssen, wenn sie sich von den bisherigen Menschentypen und insbesondere dem "letzten Menschen" abheben sollen. An einer Stelle im Dritten Teil trifft Zarathustra auf Seefahrer. Seefahrer stehen für Mut und Weltenentdeckungslust. Sie gefallen Zarathustra daher schon viel besser als die Bewohner der Stadt "Die bunte Kuh" mit ihrem Ideal des letzten Menschen. Es ist hier offensichtlich wie Nietzsche Inhalt und Stil ergänzend gebraucht. So redet Zarathustra wohlgefällig zu den Seefahrern:


"Euch den kühnen Suchern, Versuchern, und wer je sich mit listigen Segeln auf furchtbare Meere einschiffte, - euch, den Rätsel-Trunkenen, den Zwielicht-Frohen, deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde gelockt wird: denn nicht wollt ihr mit feiger Hand einem Faden nachtasten; und, wo ihr erraten könnt, da haßt ihr es, zu erschließen."[33]


Die Seefahrer begeben sich auf das Meer, das für Ungewißheit und neue Ufer steht. Sie suchen das Risiko und neue Betätigungsmöglichkeiten für ihren Mut: "Zarathustra aber war ein Freund aller solchen, die weite Reisen tun und nicht ohne Gefahr leben mögen."[34]


Diese Seefahrer und andere Menschentypen im Zarathustra besitzen Charaktermerk-male, die auf einen bestimmten Menschentypus hinweisen: den Übermenschen. Wenn man die entsprechenden Charaktermerkmale zusammenträgt, erhält man daher auch ein gutes Bild vom Übermenschen. Für Zarathustra sind diese höheren Menschen aber noch nicht der Übermensch selbst, da sie jeweils nur einige Merkmale von ihm besitzen und sonst normale Menschen sind. So haben die Seefahrer zwar Mut und sind Entdecker, aber sie sind nicht im vollen Sinne "Schaffende". Unter Schaffenden versteht Nietzsches Zarathustra die Setzer neuer Werte, was gerade nach dem Tode Gottes nötig ist. Vor Gott waren alle Menschen gleich, nun gibt es Hierarchien. Das große Ziel ist es die oberste Stufe zu erlangen: den Übermenschen. Dazu muß alles niedrige am Menschen überwunden werden. Dies schaffen jedoch nur wenige, übrig bleiben viele, die gescheitert sind. An ihnen ist nur gut, daß aus ihrer Masse ein Über-mensch entspringen konnte:


"O meine Brüder , was ich lieben kann am Menschen, das ist, daß er ein Übergang ist und ein Untergang. Und auch an euch ist vieles, das mich lieben und hoffen macht."[35] Zarathustras Ziel auf seinen Wanderungen ist es also, an den Menschen das zu finden, was er lieben kann und aus dem was er lieben kann setzt sich der Übermensch zusammen. So finden sich im letzten Teil des Zarathustra die verschiedenen Typen des Höheren Mensch zusammen. Für die übrigen Menschen hat Zarathustra nur Ekel übrig, denn der Mensch ist nach dem Tode Gottes etwas niedriges. Erst durch das Ideal sich immer weiter zu verbessern, wird der Mensch wieder etwas achtenswertes. Der große Ekel vor dem Menschen nach dem Tode Gottes wird also durch das Ideal des Übermenschen überwunden.


Was für Merkmale findet man noch bei höheren Menschen, außer den bisherigen: Mut, Setzen neuer Werte, Entdeckungsfreude? Erwähnenswert ist hier das Merkmal des Tanzes. Tanz steht für Leichtigkeit, Freude. Zarathustra will also nicht den ernsten, langweiligen, disziplinierten Bürokraten, sondern den leichtfüßigen, lachenden:


"Welches war hier auf Erden bisher die größte Sünde? War es nicht das Wort dessen, der sprach: Wehe denen, die hier lachen! (...) Krumm kommen alle guten Dinge ihrem Ziele nahe. Gleich Katzen machen sie Buckel, die schnurren inwendig vor ihrem nahen Glücke - alle guten Dinge lachen. Der Schritt verrät, ob einer schon auf seiner Bahn schreitet: so seht mich gehn! Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt."[36]


Zarathustras Leitspruch ist "Werde der Du bist". Es gilt seine Möglichkeiten auszuschöpfen bzw. ungeahnte Möglichkeiten in sich zu entdecken, und so die bisherigen vermeintlichen Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu verschieben. Hier liegt das unzureichende am höheren Menschen. Er versucht wohl im manchen Bereichen das Mögliche zu erreichen, aber damit gibt er sich dann zufrieden. Der höhere Mensch kann nicht über sich hinauswachsen:


"Ihr höheren Menschen, euer Schlimmstes ist: ihr lerntet alle nicht tanzen, wie man tanzen muß - über euch hinweg tanzen! Was liegt daran, daß ihr mießrietet! Wie vieles ist noch möglich! So lernt doch über euch hinweg lachen! Erhebt eure Herzen, ihr Tänzer, hoch! höher! Und vergeßt mir auch das gute Lachen nicht!"[37]


Es ist der Wille der den Menschen bewahren soll, sich mit seinen bisherigen Errungenschaften zufrieden zu geben. Man darf nach Zarathustras Lehre nie mit dem Erreichten zufrieden sein: "O du mein Wille! Du Wende aller Not, du meine Notwendigkeit! Bewahre mich vor allen kleinen Siegen!"[38] Nach dem Tode Gottes darf man die gewonnene Freiheit nicht an ein Götzenbild verlieren. Zarathustras Idealmensch nimmt sich selbst nicht zu ernst, denn wer sich selbst zu ernst nimmt führt kein schönes Leben. Leichtigkeit, Freude, Lachen kennzeichnen dagegen ein schönes Leben, das befreit ist von einem beengenden Gott. Dem widerspricht nicht, daß Zarathustra auch Härte vom Übermenschen fordert. Denn die alten Tafeln bzw. Werte sind weg und nur wer nun hart und selbstbewußt ist kann sich neue Werte setzen, die ohne höhere Hilfe eines Gottes Halt geben: "Die Schaffenden nämlich sind hart. (...) Diese neue Tafel, o meine Brüder, stelle ich über euch: werdet hart!"[39] Die Siege und Erfolge die Zarathustra meint, sind nicht die der in der Öffentlichkeit Berühmten und Erfolgreichen. Es sind vielmehr Siege des Einzelnen über sich selbst, die zu einer Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit führen. Der Einzelne wird sich seiner selbst bewußt und schafft sich Werte. Solche Menschen bestimmen den Lauf der Welt und nicht die öffentlich bekannten:
"Um die Erfinder von neuen Werten dreht sich die Welt -unsichtbar dreht sie sich. Doch um die Schauspieler dreht sich das Volk und der Ruhm: so ist es der Welt Lauf. (...) Voll von feierlichen Possenreißern ist der Markt -und das Volk rühmt sich seiner großen Männer! das sind ihm die Herrn der Stunde."[40] Wer dagegen zu einem Erfinder neuer Werte werden will und nicht zu einem Schauspieler, der entfernt sich besser vom Lärm des Marktes, so Zarathustra, und flieht wie er in die Einsamkeit, um ab und zu seine Saat auszustreuen. In den auf dem Markt Erfolgreichen kann man zu einem Teil auch den höheren Menschen wiederentdecken. So bilden sich die Eigenschaften des Übermenschen auch oft im Kontrast zu diesen.

3.3.1 Kontrastbilder
Zarathustra kann als einer gesehen werden, der bemüht ist ein Übermensch zu werden. Er sucht daher die Abhebung von denen, die dieses Ziel nicht verfolgen. Dies sind zuerst die "berühmten Weisen". Sie sind allgemein anerkannt und berühmt und anstatt Sicherheiten infrage zu stellen, ist es ihr Ziel diese zu stützen. Zarathustra kann dagegen als freier Geist aufgefaßt werden:


"Der 'Geist' in diesem Sinne der, 'freie Geist' stellt alle Sicherheiten, alle für allgemein wahr und verbindlich gehaltenen Perspektiven in Frage. Konsequenterweise wird er als gefährlicher Unruhestifter bekämpft."[41] An den berühmten Weisen kann positiv gesehen werden, daß sie Sicherheit und Orientierung geben, was zur Entwicklung menschlicher Gesellschaften beiträgt:
"...der Mensch muß von Zeit zu Zeit glauben, zu wissen, warum er existiert, seine Gattung kann nicht gedeihen, ohne ein periodisches Zutrauen zu dem Leben."[42]


Der freie Geist stört diese Sicherheit, erst ein selbstsicheres Leben, welches solche gesetzten Sicherheiten nicht mehr benötigt, fühlt sich vom freien Geist nicht mehr bedroht. Es sieht ihn vielmehr als willkommene Abwechslung an. Der freie Geist ist also nötig, um ständig zu prüfen, wie weit sich der Mensch schon entwickelt hat. Im Gegensatz zum unsicheren Menschen der keine Infragestellung seiner Sicherheit verträgt, kennt der "Gewissenhafte des Geistes" "...den prüfenden und infragestellenden Geist, der sich selbst ins Leben schneidet. Die Prüfungen haben bei ihm jedoch ein Ziel: Er geht auf den Grund, versucht durch immer hartnäckigeres Suchen wenigstens einen sicheren Ausgangspunkt zu finden."[43] Zarathustra stellt den berühmten Weisen seine wilde Weisheit entgegn, die durch Mut und Entdeckungslust der Seefahrer charakterisiert wird und kritisiert die Willkürlichkeit des Frageabbruchs bei den Gewissenhaften es Geistes, so läßt er einen von diesen sagen: "Wo meine Redlichkeit aufhört, bin ich blind und will auch blind sein."[44]


Für Zarathustra gibt es keinen unvoreingenommenen Blickwinkel, wie ihn die Gelehrten oder die "Rein-Erkennenden" anstreben. Er legt sich das Leben vielmehr so aus, daß es am erstrebenswertesten erscheint:


"Das Erkennen Zarathustras ist weder interesseloses Erkennen noch verzichtet er dabei auf die eigene Auslegung und Perspektive. Er legt das 'Leben' willentlich so aus, daß es ins beste Licht gerückt erscheint. Diese Perspektive ist die einer Arbeit an der möglichen Selbstvervollkommnung des Lebens."[45]


Nietzsche versucht mit Zarathustra den Gegenentwurf zu einem orientierungslos freien Geist zu gestalten:


"Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich hören und nicht, daß du einem Joche entronnen bist. (...) Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?"[46]

4 Über Nietzsches Blickwinkel auf den Menschen
In Nietzsches Zarathustra wird die Vielfältigkeit der Menschen betont. Diese vielfältigen Menschen werden auf Merkmale geprüft, die zum Idealbild eines positiven Lebens nach dem Tode Gottes passen. Nietzsche beläßt es nicht bei einer bloßen Beschreibung der vielfältigen Menschentypen, er bewertet sie auch. Grundlage der Bewertung von guten und schlechten Merkmalen von Menschen ist der Geschmack. Der Zarathustra hat also als philosophische Basis eine Ästhetik. Es ist daher eine wichtige Frage, wie im Zarathustra auf die Menschen geblickt wird, da so die jeweiligen Werturteile selbst beurteilt werden können.

4.1 Die Wirklichkeit von Denkmöglichkeiten
Wie ich schon erwähnte hatten Gedanken für Nietzsche eine große Erlebnisrealität. So finden sich im Zarathustra einige Menschentypen, die Extreme darstellen, die in reiner Form in der Realität nicht anzutreffen sind. Die Relevanz dieser Menschentypen liegt darin, Tendenzen in den reellen Menschen zu offenbaren. Wenn man diese Tendenzen isoliert betrachtet, ergibt sich eben der jeweilige Extremtyp. Durch diese Betrachtungsweise läßt sich die jeweilige Tendenz bzw. Eigenschaft besser bewerten. Beispiele für diese extremen Menschentypen sind der letzte Mensch und die jeweiligen Spielarten des höheren Menschen. Sie sind zwar gedanklich möglich, aber kommen in Reinform in der Realität wohl nie vor. Trotzdem haben sie eine große Wirksamkeit: "Deutlich wird, daß allein die Möglichkeit einer entsprechenden Perspektive schon ihre Wirksamkeit entfalten kann."[47] Jaspers sieht bei Nietzsche den Menschen als Wesen der Möglichkeiten dargestellt. Im Unterschied zu den Tieren, die alle ihre feste Rolle und ihr festes Wesen haben, ist der Mensch "unfertig". Er ist 'das noch nicht festgestellte Tier'[48]. Nietzsche sieht darin nach Jaspers zum einen gerade die Krankheit des Menschen, denn er sehe sich durch Wahn und Illusion in einer Sonderstellung in der Natur. Hier liegt zugleich Größe und Wert des menschlichen Wesens, er selbst schafft sich diese Sonderstellung indem er sich dieses Bild von sich schafft.


Auch wenn Nietzsche die Daseinsmöglichkeiten des Menschen bewertet, verwendet er Denkmöglichkeiten. So ist ein wichtiger Maßstab der Gedanke der ewigen Wiederkehr. Im Gedanken der ewigen Wiederkehr des Gleichen wird die Möglichkeit gedacht, daß alles wieder kommt und alles genau so wieder kommt, wie es vorher kam. Bei dieser Denkmöglichkeit kommt es darauf an, sein Leben möglichst gut zu gestalten, da es ja immer wieder gelebt werden muß. Das Leben sollte so gut sein, daß man es gern noch einmal leben würde: "War das das Leben? Wohlan! Noch ein Mal !"[49] Die Denkmöglichkeit in der Nietzsche dies verwirklicht sieht ist der Übermensch. Er entdeckt, schafft, lacht. Er bewältigt sein Leben mit großer Leichtigkeit und schafft dabei noch Großes nämlich neue Werte. Der Übermensch stellt für Nietzsche das Idealbild eines Menschenlebens ohne Gottesbezug dar.

4.2 Nietzsche als Psychologe und Philosoph
Nietzsche macht mehr spezielle Aussagen über die jeweiligen Menschen, als allgemeine Wesensaussagen über die Gattung Mensch. Nur indirekt läßt sich aus dem Gesagten auf eine allgemeinere Ebene schließen. Zu Recht nennt der amerikanische Philosoph Walter Kaufmann Nietzsche einen Philosophen und Psychologen. Während sonst philosophische Anthroplogie ihre Kernfrage "Was ist der Mensch" auf einer recht allgemeinen Ebene behandelt und eher das Einheitliche und Gleiche am Menschen sieht, behandelt Nietzsche die Unterschiede zwischen den Menschen:


"Es sei hier darauf hingewiesen, daß Nietzsche keine Wesensbeschreibung der 'Gattung' Mensch geben will (und nach seiner Konzeption auch gar nicht geben kann), sondern daß er nur Möglichkeiten im Menschen aufweist, die zugleich Forderungen an den Menschen bedeuten, die nur in einzelnen, wenigen realisiert sind, denen er allein aber das Wort 'Mensch' - Nicht-mehr-Tier zugestehen will."[50]
Die Vielfalt an Menschentypen scheint Nietzsche zu faszinieren: "Nietzsche bejaht gerade den Gegensatz- und Widerspruchscharakter des menschlichen Wesens."[51] Im Zarathustra werden die Tendenzen die in einem Menschen, in isolierter Form von den anderen Tendenzen, aufeinandertreffen dargestellt. Beim letzten Menschen ist z.B. das Verlangen nach Bequemlichkeit und gleichzeitigem Glück ausgedrückt. Doch vor dem Gedanken der ewigen Wiederkehr können alle diese Lebensentwürfe nach dem Tode Gottes nicht bestehen. Daher wird der Übermensch entworfen. Was dieser Übermensch ist, bleibt zu einem guten Teil unklar. Landmann versucht Nietzsches Vorstellungen so zusammenzufassen:


"Der Übermensch ist das Wesen einer absoluten und vollkommenen Daseinsbejahung, und zwar einer Bejahung des Daseins, 'so wie es war und ist', als vieldeutiges, widersprüchliches, sinn- und zielloses, durch nichts außer sich selbst zu rechtfertigendes."[52] Für diese übermenschliche Daseinsbejahung stehen bei Nietzsche die bereits angesprochenen Begriffe Lachen, Tanz, Schaffen. Wenn Nietzsche sich so viel mit den Wesenstendenzen und Marotten der einzelnen Menschen beschäftigt, so ist er doch noch Philosoph. Denn von den vielfältigen Daseinsformen der Menschen kommt er doch noch auf eine philosophische Ebene. Um auf diese philosophische Ebene zu kommen, die die Frage nach dem Wesen der Gattung Mensch beinhaltet, muß für ihn erst der einzelne Mensch in seinem einzelnem Leben verstanden werden. Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart des Menschen gehören für Nietzsche zusammen:


"Die alte Frage: 'Was ist der Mensch?' ist für Nietzsche zugleich die Frage: 'Was war der Mensch, was ist der Mensch nicht, was kann und was soll der Mensch sein?', vor allem aber
die Frage: 'Was wird der Mensch?'."[53]

4.3 Nietzsches Psychologie bei Karl Jaspers
Philosophische Anthropologie sind Gedanken des Menschen über den Menschen. Jaspers macht zwei verschiedene Haltungen des Menschen zu sich selbst aus, in denen der Mensch sich dann Gedanken über sich selbst machen kann. Er kann einmal sein faktisches Dasein betrachten und er kann es zum anderen nach Maßstäben bewerten und sich Forderungen stellen, durch welche er erst er selbst wird. Beide Haltungen gehören unmittelbar zueinander: "Doch er kann im Grunde das eine nicht ohne das andere tun."[54] Obwohl beide notwendig sind, sieht Jaspers ihre Trennung zunächst als sinnvoll an:


"Dann nennt man die das Dasein betrachtende Weise Anthropologie und Psychologie, die seinem Wesen fordernde Weise Philosophie. Psychologie untersucht, stellt fest, sagt voraus.Philosophie appelliert, entwirft Möglichkeiten, öffnet den Raum der Entscheidung. Aber in aller Psychologie des Menschen ist schon heimlich das Interesse der Möglichkeiten und der Appell andas Selbstwerden gegenwärtig.Und in aller Philosophie bleibt Psychologie ein Mittel des Ausdrucks,eine Voraussetzung, ohne die das appellierende Denken leiblos würde."[55] In diesem schönen Zitat wird der Zusammenhang zwischen Nietzsches Psychologie und Philosophie noch einmal auf den Punkt gebracht. Ich gehe nun der Zusammenfassung Jaspers über die Psychologie Nietzsches nach, die sich nicht nur auf den Zarathustra bezieht und die Grundlinien dieser Psychologie erfassen will. Jaspers sieht ein Schema mit zwei Grundelementen in Nietzsches Psychologie. Zum einen die Frage wie der Mensch sich zu sich selbst verhält. Und zum anderen die Frage nach dem Wirken und der Umsetzung der Triebe. Zuerst wird festgestellt, daß der Mensch sich selbst, wie auch den anderen Menschen, nie wirklich sehen und richtig einschätzen kann:


"Wie wir uns sehen, das erwächst nur zu geringem Teil aus der Wirklichkeit unseres Seins und Verhaltens.Es wird uns vielmehr vom Anderen suggeriert. Uns geben dafür 'Dichter und Künstler erst die Schemata'."[56]

Ohne uns also wirklich selbst zu kennen, vollziehen wir doch ständig Selbstbewert-ungen. Nur bei wenigen fällt die Selbsteinschätzung positiv aus. Bei manchen ist sie in einer "nützlichen Blindheit" für ihre Fehler und Schwächen begründet und die anderen müssen sich den "Glauben an sich" erkämpfen: "...alles was Sie Tüchtiges tun, ist ihnen zunächst ein Argument gegen den Skeptiker, der in ihnen haust."[57] Diese Menschen sind die "großen Selbst-Ungenügsamen", sie leben unter hohen Maßstäben und müssen sich den Glauben an sich selbst immer wieder neu erkämpfen. Doch: "Das alles aber ist das Seltene."[58] Der allgemein anzutreffende Zustand der Selbsteinschätzung des Menschen ist für Nietzsche, so Jaspers, vielmehr 'das innerliche Mißtrauen'. Darüber darf nicht das geschauspielerte Selbstbewußtsein der meisten Menschen hinwegtäuschen, denn: 'es hat sich berauscht, um nicht zu zittern."[59] Neben dieser ersten Selbstbewertung, die sich zwischen den Polen des An-Sich-Glaubens und des Sich-Mißtrauens vollzieht, gibt es auch eine, die sich zwischen den Polen der Achtung-vor-sich selbst und der Selbstverachtung vollzieht. Der Selbst-verächter schämt sich im Grunde seines Daseins. Dieser Zustand eines Menschen ist auch für seine Mitmenschen schlecht, da er in einen ständigen Zustand der Feindselig-keit gerät. Während die Selbstverachtung ein einseitiger Blickwinkel auf das Schlechte an sich selbst ist, ist der Blickwinkel der Achtung-vor-sich-selbst für Nietzsche ein Blickwinkel auf die eigene Möglichkeit, die sich in manchen Situationen und Augen-blicken zeigt: 'ein jeder hat seinen guten Tag, wo er sein höchstes Selbst findet."[60] Doch sieht Nietzsche hier die Gefahr, daß der Mensch sich selbst zum Götzen macht.
Die Unmöglichkeit unsere eigene Wirklichkeit so zu sehen wie sie ist, läßt uns in ständiger Selbsttäuschung über uns selbst leben. Jaspers untersucht nun, was für Gründe Nietzsche für diese grundlegende Selbsttäuschung des Menschen angibt. Als erstes wird die Sprache angeführt, da hier ein Schema der Weise unsere Selbstbe-trachtung und -bewertung bereits beim ersten Vollzug derselben als vorausgesetzt angenommen werden muß: "Die Sprache bestimmt das Schema, unter dem wir uns erblicken."[61] Außerdem setze sich, so gibt Jaspers Nietzsche wieder, jeder die Maßstäbe und Grundsätze, die seinem Wesen entsprechen. Ein weiterer Grund für unsere prinzipielle Selbsttäuschung wird schließlich darin gesehen, daß wir unser ganzes Handeln und Denken von seinem Erfolg her bewerten. Die achtungswürdigste Tat werde bei ihrem Mißerfolg als schlecht bewertet und eine verachtungswürdige bei Erfolg als gut: 'Der Erfolg gibt oft einer Tat den vollen Glanz des guten Gewissens,ein Mißerfolg legt den Schatten von Gewissensbissen über die achtungswürdigste Handlung.'[62] Zuletzt werden noch zwei weitere Argumente angeführt: Zum einen ist es eine starke Tendenz im Menschen, daß ihm das Bild seiner Vergangenheit angenehm sein solle. Daher werde Negatives oft verdrängt und Positives verklärt. Und zum anderen bestimmen letztlich sehr die Meinungen anderer über uns unser Selbstbild.Die Folgen dieser fundamentalen Selbsttäuschung des Menschen sieht Nietzsche nach Jaspers so: "Die Folge der Selbsttäuschungen ist, daß das Selbst, für das wir bewußt leben, durchweg nicht unser wirkliches Selbst ist: die allermeisten leben ihr Leben lang 'nur für das Phantom für ego...'."[63]
Trotz aller Selbsttäuschung räumt Nietzsche, so Jaspers, dem Menschen die Fähigkeit ein, sich selbst gestalten zu können. In dieser Fähigkeit sieht Nietzsche den höchsten Wert des Menschen:
"Sich selbst zu gestalten scheint die höchste Möglichkeit des Menschen: 'Im Menschen ist Geschöpf und Schöpfer vereint'."[64]


Voraussetzung für diese Selbstgestaltung des Menschen ist seine Selbstbeherrschung. Er darf nicht zum bloßen Spielball seiner Triebe werden. Der Mensch ist für Nietzsche vielen Trieben ausgesetzt, von denen er nur die "gröbsten" mit Namen benennen kann. Besonders ihre Wirkweise ist dem Menschen meist unbekannt:


"Der Mensch kennt kaum die Triebe, von denen er ständig bewegt ist. Nur für die gröberen hat er Namen. Ihre Zahl und Stärke, ihre Ebbe und Flut, ihr Spiel und Widerspiel und vor allem die Gesetze ihrer Ernährung bleiben ihm unbekannt."[65] Die Triebe streben danach, sich ganz ausleben zu können. Dies ist wegen ihrer Ent-gegengesetztheit und aufgrund der jeweiligen Situation nicht möglich. Nach Nietzsche finden jedoch alle unterdrückten Triebe einen Ausweg, sie wenden sich ins Innere des Menschen und verändern sein Wesen:


"Die Unterdrückung der Triebe verwandelt Zustand und Wesen des Menschen: 'Alle Instinkte, welche sich nicht nach außen entladen, wenden sich nach innen - damit wächst erst das an den Menschen heran, was man später seine 'Seele' nennt. Die ganze innere Welt, ursprünglich dünn wie zwischen zwei Häute eingespannt, ist in dem Maße auseinander und aufgegangen, hat Tiefe, Breite, Höhe bekommen, als die Entladung des Menschen nach außen gehemmt worden ist."[66]


Alle diese vielfältigen Triebe: "Die Namen der Triebe sind zahllos: Lustbedürfnis, Kampfbedürfnis, Machtwille, agonales Bedürfnis, Wille zur Wahrheit, Erkenntnistrieb, Bedürfnis nach Ruhe, Herdeninstinkt usw."[67] führt Nietzsche nun auf eine Grundkraft zurück: Den Willen zur Macht. Die Triebe sind wichtige Beweggründe für unser Denken und Handeln. Wenn Nietzsche alle Triebe auf eine Grundkraft zurückführt, dann ist diese ein Grundelement des Lebens. So will Nietzsche mit dem Gedankenexperiment des Willen zur Macht eine Deutungsvariante für das Leben als Ganzes an die Hand geben: "Wo ich Lebendiges fand, da fand ich Willen zur Macht." Es geht beim Willen zur Macht nicht nur um den Selbsterhaltungstrieb und um Raffgier nach politischer und wirtschaftlicher Macht. Der Wille zur Macht bezeichnet vielmehr die Grunddynamik des Lebens: alles verändert sich und alles muß sich verändern:


"Zarathustra gibt mit dem Willen zur Macht eine Deutung des 'Lebendigen'. Die Beobachtungen, die er gemacht haben will, widersprechen der Annahme, Lebendiges werde lediglich durch eine Art Selbsterhaltungstrieb motiviert. Schon das Maß der Selbstentäußerung oder Unterwerfung seitens der 'Dienenden' übersteigt, so gesehen, das Überlebensnotwendige. Auf der anderen Seite findet sich bei den 'Grössten', welche viel zu verlieren haben, die - aus der Sicht einer Bestandserhaltung überflüssige - Tendenz, um eines Zuwachses willen alles aufs Spiel zu setzen."[68]


Der Wille zur Macht will eine allgemeine Grundtendenz des Lebens bezeichnen. Im Willen zur Macht wird das menschliche Leben so gesehen: Ein Setzen von Per-spektiven gehört unvermeidlich zum Leben. Sollen diese Perspektiven auf einen Begriff gebracht werden, so ist ein mächtiger Akt universeller Perspektivsetzung nötig. Um alles diesem Begriff unterzuordnen, bemächtigen sich die Menschen des "Seienden", indem sie es zu dem machen, was sie in ihm sehen wollen. Der Mensch gibt den Dingen so einen Wert. Die Dynamik des Lebens will es, daß diese Werte verändert werden. Diese Veränderung der bestehenden Werte wird durch Machtausübung der Setzer der neuen Werte erreicht. Daß diese Veränderung der bestehenden Werte durch Machtausübung der Grundtrieb aller Menschen ist, bezeichnet Nietzsche mit dem Schlagwort "Willen zur Macht". Keine Wertsetzung gilt für immer, alles wandelt sich:


"Wahrlich, ich sage euch: Gutes und Böses, das unvergänglich wäre - das gibt es nicht ! Aus sich selber muß es sich immer wieder überwinden. Mit euren Werten und Worten von Gut und Böse übt ihr Gewalt, ihr Wertschätzenden; und dies ist eure verborgene Liebe und euer Seele Glänzen, Zittern und Überwallen."[69]


Die Setzer der neuen Werte sind die "Schaffenden". Sie geben die neuen Maßstäbe des Lebens vor und sind damit dem Übermenschen nahe, denn sie entwerfen neue Möglichkeiten und Lebensperspektiven. Sie tun dies allein, ohne einen Gott, und sind daher vollkommene Herren über ihr Leben: Sogar ihre Wertmaßstäbe entwickeln sie selbst. Damit ist auch das letzte Schlagwort, das man mit Nietzsche verbindet, zumindest im Ansatz, geklärt. Nietzsche selbst hat dafür gesorgt, daß man diese Begriffe nicht ganz aufklären kann. Stellvertretend für alle Nietzsche Schlagwörter sei noch mal an den Übermenschen erinnert. Hier wird auch klar, warum man Nietzsches Schlagwörter nicht vollständig aufklären kann. Es geht mehr um Stellung und Aufgabe der Schlagwörter:
"Was Nietzsche im Übermenschen sieht, bleibt -als Bild- unbestimmt. Das Gewicht des Gedankens liegt in der Stellung der Aufgabe. Aber auch diese kann nur unbestimmt angegeben werden: Nietzsche fordert, daß der Mensch den Blick überhaupt in diese Höhe werfe. Er verlangt von denen, die nichts lieber tun als den großen Menschen zu verstehen: 'Eure Kraft sollte die sein, noch hundert Meilen höhere Wesen über ihnen zu sehen !"[70]

5 Schlußbemerkung
Zum Schluß möchte ich darüber reflektieren, was die Gedanken Nietzsches über den Menschen für eine christliche Philosophie des Menschen bedeuten. Zunächst ist die große egensätzlichkeit,zwischen Nietzsches Philosophie und einer christlichen Philosophie festzustellen. Keine Philosophie fängt am Nullpunkt an, es gibt bereits anerkannte Denkmuster und Weltordnungen anhand denen erst philosophiert werden kann.[71] Ein chrsitlicher Philosoph wird alles durch seine christliche Brille sehen. Sein Christentum ist kein mathematisches Axiom für ihn, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil seiner selbst. Ohne es wäre er nicht das, was er ist. Jedoch muß er als Philosoph sich eben dieser Präsumption seines Denkens bewußt sein und auch darüber reflektieren. Dazu gehört es auch, sich des Bildes bewußt zu sein, das andere vom Christentum haben und zu vergleichen, ob Elemente daraus auch bei ihm verhaftet sind. So kann der Atheismus des anderen ein fruchtbarer Anstoß sein, sich mit den Fehlern im eigenen christlichen Wesensbild auseinanderzusetzen.


Solch ein fruchtbarer Anstoß ist meines Erachtens auch Nietzsches Zarathustra. Im Zarathustra wird von einer der christlichen Philosphie entgegengesetztem Ausgangs- situation aus philosophiert: Gott ist tot. Wie ich bereits feststellte, stellt sich das Buch den Folgen der Gottesbezugslosigkeit des modernen Menschen. Es wird versucht ein positiver Entwurf des menschlichen Lebens ohne einen sichernden, aber auch einengenden, Gottesbezug zu denken. Eine Auseinandersetzung mit diesem areligiösen Lebensentwurf kann helfen, die eigenen Konturen seines christlichen Lebensentwurfes festzustellen und auf Ungereimtheiten zu prüfen.


Auf gravierende Unterschiede zwischen einer christlichen Philosophie vom Menschen und Nietzsches Philosophie war ich gefaßt. Verblüfft haben mich dagegen anzutreffende große Gemeinsamkeitem im Denken der beiden Richtungen. Beide stellen Gegenentwürfe zum modernen Leben dar. Während Nietzsche das moderne Leben am Maßstab der ewigen Wiederkehr als unzureichend ausmacht, ist das meiste im modernen Leben wertvolle, wie Erfolg, Reichtum, Luxus, in einem christlichen Lebensentwurf unwesentlich oder sollte es zumindest sein. Beide kritisieren den Zeitgeist. Vieles was Nietzsche an seiner Zeit kritisierte, könnte heute von christlicher Seite gesagt werden.


Wie ist Nietzsches psychologischer Ansatz einer philosophischen Anthropologie, zusammenfassend zu bewerten? Splett macht darauf aufmerksam, daß ein Blickwinkel, der das psychologische Element betont, auch große Gefahren hat:
"Die Frage, warum jemand (vielleicht gar: unvermeidlicherweise) sagt, was er sagt, ist scharf von jener zu unterscheiden, ob zutreffe, was er sagt. Und fundamentaler, so jetzt die These, ist die zweite, also die nach den Gründen, statt den Ursachen einer Behauptung. Daß heute die Gegenthese verbreiteter und oft wie selbstverständlich in Geltung zu sein scheint, führt uns wieder zu Nietzsche.
Wo man jedoch derart für den Primat psychologischen Zugangs plädiert, sollte dies klar sein: 'Das Gespräch hört damit auf, zu sein, was es war: Verständigung über die Sache' (...). Was aber ist nun in Nietzsches Kritik die Sache?"[72]

Bleibt die Forderung, daß man nicht nur das sieht, was man nachvollziehen kann und was einem zutreffend erscheint, sondern auch das Nicht-Zutreffende in Nietzsches Philosophie ortet.

6 Literaturverzeichnis
Bucher, Rainer, Nietzsches Mensch und Nietzsches Gott: Das Spätwerk als philosophisch- theologisches Programm, Frankfurt a.M.; Bern; New York 1986.
Jaspers, Karl, Nietzsche, Einführung in das Verständnis seines Philosophierens, Berlin/Leipzig 1936.
Kaufmann, Walter, Nietzsche: Philosoph, Psychologe, Antichrist, Darmstadt 1982.
Landmann, Michael, De Homine, Der Mensch im Spiegel seines Gedankens, Freiburg;München 1962.
Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.), Über Friedrich Nietzsche: eine Einführung in seine Philosophie, Frankfurt am Main 1985.
Montinari, Mazzino, Nietzsche lesen, Berlin/ New York 1982.
Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen, München 1967.
Nietzsche, Friedrich, Sämtliche Werke - Kritische Studienausgabe, München/ Berlin 1980.
Nietzsche, Friedrich, Werke, Kritische Gesamtausgabe, Berlin/ New York 1991.
Picht, Georg, Nietzsche, Stuttgart 1988.
Pieper, Annemarie, Ein Seil geknüpft zwischen Tier und Übermensch: Philosophische
Erläuterungen zu Nietzsches erstem "Zarathustra", Stuttgart 1990.
Schmidt; Spreckelsen, Nietzsche für Anfänger: Also sprach Zarathustra, München 1995.
Volpi / Nida Rümelin (Hrsg.), Lexikon der philosophischen Werke, Stuttgart 1988.


[1] Landmann, Michael, De Homine - Der Mensch im Spiegel seines Gedankens, Freiburg/München 1962, 510.
[2] Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen, München 1967, 104.
[3] Nietzsche, 185.
[4] Nietzsche, 145.
[5] Kaufmann, Walter, Nietzsche: Philosoph, Psychologe, Antichrist, Darmstadt 1982, XVI.
[6] Aus M.Montinaris Notizen; Zitiert in: Schmidt; Spreckelsen, Nietzsche für Anfänger - Also sprach Zarathustra, München 1995, 43.
[7] Nietzsche, 185.
[8] Nietzsche, 43.
[9] Jaspers, Karl, Nietzsche, Einführung in das Verständnis seines Philosophierens, Berlin/ Leipzig 1936, 104.
[10] Nietzsche, 81.
[11] Diese Untersuchungen wurden von Marie-Luise Haase in der Kritischen Gesamtausgabe weitergeführt.
[12] Schmidt; Spreckelsen, 22.
[13] Schmidt; Spreckelsen, 21.
[14] Schmidt; Spreckelsen, 52.
[15] Nietzsche zitiert in: Schmidt; Spreckelsen, 36.
[16] Schmidt; Spreckelsen, 41.
[17] Schmidt; Spreckelsen, 44.
[18] Nietzsche, 142.
[19] Jaspers, 139-140.
[20] Nietzsche, 12.
[21] ebd.
[22] Nietzsche, 13.
[23] Schmidt; Spreckelsen, 59.
[24] Landmann, 513.
[25] Schmidt; Spreckelsen, 56.
[26] Nietzsche, 268.
[27] Nietzsche, 18.
[28] Nietzsche, 19.
[29] Kaufmann, 112.
[30] Nietzsche, 154.
[31] Nietzsche, 136-137.
[32] Nietzsche, 120.
[33] Nietzsche, 156.
[34] ebd.
[35] Nietzsche, 289.
[36] Nietzsche, 296-297.
[37] Nietzsche, 299.
[38] Nietzsche, 217.
[39] ebd.
[40] Nietzsche, 54-55.
[41] Schmidt/ Spreckelsen, 101.
[42] Nietzsche zitiert bei Schmidt/ Spreckelsen, 103.
[43] Schmidt/ Spreckelsen, 104.
[44] Nietzsche, 252.
[45] Schmidt/ Spreckelsen, 1995, 115-116.
[46] Nietzsche, 65.
[47] Schmidt/ Spreckelsen, 168.
[48] Zitiert bei Jaspers, 109.
[49] Nietzsche, 158.
[50] Landmann, 525.
[51] Landmann, 511.
[52] Landmann, 530.
[53] ebd.
[54] Jaspers, 107.
[55] ebd.
[56] Jaspers, 112.
[57] ebd.
[58] ebd.
[59] Nietzsche zitiert bei Jaspers, ebd.
[60] Nietzsche zitiert bei Jaspers, ebd.
[61] ebd.
[62] Nietzsche zitiert bei Jaspers, 112-113.
[63] Jaspers, 113.
[64] ebd.
[65] ebd.
[66] Jaspers, 114.
[67] Jaspers, 116.
[68] Schmidt; Spreckelsen, 152-153.
[69] Nietzsche 118.
[70] Jaspers, 145-146.
[71] Vergl. Splett, Jörg, Gotteserfahrung im Denken, Freiburg/ München 1995. Dort insbesondere das erste Kapitel "Christliche Philosophie".
[72] Splett, Jörg, Nietzsche als Psychologe und Antichrist, In: Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.), Über Friedrich Nietzsche: eine Einführung in seine Philosophie, Frankfurt am Main 1985, 101-102.