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Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung

2

Die Methodologie Milton Friedmans

2.1

Das Verhältnis von normativer und positiver Ökonomie

2.2

Ausarbeitung einer positiven Ökonomie

2.3

Beispiele für die Bedeutungslosigkeit der Annahmen einer Theorie

2.3.1

Das Fallgesetzbeispiel

2.3.2

Beispiel der Blätterdichte um einen Baum

2.3.3

Das Billardspieler Beispiel

2.3.4

Beispiel der Gewinnmaximierung

2.4

Bedeutung der Annahmen

2.4.1

Der Gebrauch der Annahmen in der Darstellung einer Theorie

2.4.2

Der Gebrauch der Annahmen als indirekter Gültigkeitstest

2.5

Die Hauptthese Friedmans

3

Beurteilung

3.1

Beurteilungsgrundlagen

3.2

Ziele der Wirtschaftswissenschaften

3.2.1

Realwissenschaftlich oder formalwissenschaftlich ?

3.2.2

Gesetzeshypothesen als oberstes Ziel

3.3

Verfahren der Gültigkeitsprüfung

3.3.1

Problemaufweis

3.3.2

Der Logische Positivismus

3.3.3

Der Kritische Rationalismus

3.3.4

Unterschiede zwischen Friedman und Popper?

3.3.5

Der Instrumentalismus

3.4

Konsequenzen falscher Annahmen

3.4.1

Verwendung falscher Anwendungsbedingungen

3.4.2

Verwendung falscher Gesetzeshypothesen

3.5

Probleme realwissenschaftlicher Wirtschaftswissenschaft

3.5.1

Abstraktion

3.5.2

Komplexität

3.5.3

Konsequenzen

3.5.4

Fortschritt in der Wirtschaftswissenschaft

3.5.5

Werurteilsproblematik

4

Schlußbemerkung

5

Literaturverzeichnis

1 Einleitung
Wissenschaftstheorie ist die philosophische Reflexion über die Grundlagen von Wissenschaften. Sie ist notwendig, weil eine Wissenschaft, deren "Wissenschaftlichkeit" bei ihren eigenen Grundlagen endet, sich nur noch willkürlich als Wissenschaft verstehen kann. Jede Wissenschaft muß also klären, was sie unter "Wissenschaftlichkeit" versteht und mit welchen Methoden sie diese sicher erreichen kann. Will man dies für die Wirtschaftswissenschaften klären, stößt man auf größere Probleme als in vielen anderen Wissenschaften. Denn während die Physik es mit dem immer gleichen Gegenstand der Natur zu tun hat, in den sie im Laufe ihres Fortschritts immer weiter vordringt, hat die Wirtschaftswissenschaft es mit dem sich ständig wandelnden Wirtschaftsgeschehen zu tun. Nur ihre Aufgabe bleibt dieselbe: Sie soll Entscheidungshilfen für das Wirtschaften mit knappen Gütern bereitstellen. Und dies kann sie, wenn sie die Konsequenzen der verschiedenen Entscheidungen systematisch beschreibt und erklärt, was aufgrund der Komplexität vieler Sachverhalte nicht einfach ist. Wenn sie "Entscheidungshilfen" geben will, heißt das jedoch nicht, daß sie genau vorgibt, was der Einzelne zu tun hat, wenn er sich wirtschaftlich verhalten will. Sie kann lediglich das zur Erreichung eines bestimmten Zieles adäquate Mittel angeben. Und da dies schon schwer genug ist, wie sich im Laufe dieser Arbeit zeigen wird, fragt die Wissenschaftstheorie, wie sie das am besten machen kann. Nach den Zielen selbst fragt die moderne Ökonomie kaum, das wird auch Thema der Arbeit sein.

Breinlinger sagt in seiner wissenschaftstheoretischen Arbeit: "Wissenschaftstheorie ist somit Theorie über Theorien", und meint damit, daß es auch hier keine allseits anerkannte Theorie gibt, die besagt, was "wissenschaftlich" ist. Schon die Vorgehensweisen unterscheiden sich. Die eine Richtung sagt z.B., daß Wissenschaftstheorie einer Wissenschaft von außen vorschreiben könne, was wissenschaftlich sei. Während eine andere Richtung sagt:

"...der Wissenschaftstheoretiker kann nicht so vorgehen, daß er durch Apriori- Betrachtungen ein Bild oder einen Begriff von der 'wahren Wissenschaft' entwirft und erst im zweiten Schritt die tatsächlich vorfindbaren Wissenschaften daraufhin überprüft, ob und in welchem Grade der Approximation sie seinem Idealbild genügen. Würde er in dieser Weise verfahren, so würde er sich vermutlich sehr bald in wirklichkeitsfremden Spekulationen verlieren."

Diesen Auffassungen liegen verschiedene Konzeptionen von wissenschaftlicher Wahrheit zugrunde, mit denen sich diese Arbeit später beschäftigen wird. Da hier die Diskussion auf die Ebene solch grundsätzlicher Wahrheitsfragen kommt, wird klar, daß

Wissenschaftstheorie philosophisch ist. Es geht nach Kant um eine der Hauptfragen der Philosophie: "Was können wir wissen?". Die heute vorherrschende wissenschaftstheoretische Richtung in den Wirtschaftswissenschaften ist der Kritische Rationalismus Poppers. Aber dies ist ein recht anspruchsvolles Programm, das in der Wissenschaftspraxis nur schwer zu verwirklichen ist. Das liefert auch den ersten Grund, der für eine Beschäftigung mit der Methodologie des Nobelpreisträgers Milton Friedman spricht. Denn dieser sieht sich selbst auf der Linie Poppers, aber ist nicht so anspruchsvoll. Es könnte also eine praxisrelevantere Alternative sein:

" Der Kritische Rationalismus kann als eine für die Sozialwissenschaften und speziell die Wirtschaftswissenschaften überaus anspruchsvolle methodologische Konzeption betrachtet werden. Dadurch läßt sich auch die Feststellung erklären (z.B. von Kuhn), daß der Kritische Rationalismus theoretisch in weiten Kreisen der Realwissenschaft akzeptiert ist, in der Wissenschaftspraxis aber sehr oft von seinen Regeln abgewichen wird. Friedmans methodologische Konzeption scheint eine einfacher erfüllbare Alternative darzustellen. Aber es wird zu prüfen sein, ob damit die gesteckten Ziele überhaupt, und wenn ja, ebenso gut zu erreichen sind."

Besonders interessiert an Milton Friedmans Essay "The Methodology of Positive Economics" aber dessen Kernaussage. Er behauptet dort, daß die Tatsache vom Vorkommen vieler falscher Annahmen in den Wirtschaftswissenschaften, z.B. die realitätsferne Annahme vollkommener Markttransparenz der Wirtschaftssubjekte oder die Sicht der Wirtschaftssubjekte als "homo oeconomicus", nicht besagt ,daß die darauf aufbauenden Theorien falsch sind, sondern oft mit dem Vorkommen einer guten Theorie korreliert. Eine Diskussion, die auch heute aktuell ist und weiterhin aktuell sein wird, da die Wirtschaftstheorie immer noch auf solchen falschen Annahmen aufbaut.

Die Bedeutung der Frage, ob dies zulässig ist, ist vergleichbar mit einer falschen Landkarte. Denn Wirtschaftswissenschaft will Entscheidungshilfen anbieten, wenn diese jedoch falsch sind, kann es zu schwerwiegenden Folgen kommen, wenn sich die Wirtschafts-, Geld- und Finanzpolitik tatsächlich nach ihnen richten: "...Fehler der Wirtschaftspolitik können katastrophale Folgen haben...". Es geht der Politik dann wie einem Schiff, das nach einer falschen Karte navigiert. Ich werde in meiner Arbeit zunächst die Methodologie Milton Friedmans erläutern. Anschließend gilt es im zweiten Kapitel zu sehen, inwieweit man methodologische Konzeptionen überhaupt beurteilen kann. Dem schließt sich eine Beurteilung an, die sich vor allem nach Thomas Schüz Dissertation "Falsche Annahmen in der

Wirtschaftstheorie" richtet. Mein Vorgehen im Einzelnen rechtfertige ich an der jeweiligen Stelle.

2 Die Methodologie Milton Friedmans
Es geht in Friedmans Essay um methodologische Probleme, die bei der Konstruktion einer klaren positiven Wissenschaft aufkommen. Und insbesondere darum, wie zu entscheiden ist, ob eine vorgeschlagenen Theorie oder Hypothese vorläufig als wahr akzeptiert werden soll.

2.1 Das Verhältnis von normativer und positiver Ökonomie
Friedman beginnt mit einer Unterscheidung der verschiedenen wissenschaftlichen Bereiche der Wirtschaftswissenschaften, die er von Keynes übernimmt. Als erstes nennt er die "positive Wissenschaft", welche die wirtschaftliche Wirklichkeit mit all ihren Interdependenzen systematisch und überschaubar darstellen soll. Sie dient der Beantwortung der Frage "Was ist?". Es folgt die "normative oder regulierende Wissenschaft", die Kriterien für das "Was sein soll" diskutiert. Wobei unklar bleibt, ob er darunter eine ökonomische Wertelehre, eine ethische Zielbestimmung oder beides versteht. Schließlich fehlt noch ein System von Regeln (an art) für die Erreichung eines gegebenen Zieles, womit wohl die technologische Umsetzung der Theorien gemeint ist.

Zwischen dem normativen und dem positiven Wissenschaftsbereich macht Friedman große Verwirrung aus, die sehr negative Folgen habe. Viele "self-proclaimed 'experts'", versuchen ihre eigene normative Richtung als Ergebnisse der positiven Wissenschaft auszugeben. Dagegen ist es eigentlich erstmal umgekehrt, da die Ergebnisse (conclusions) der positiven Wissenschaft unmittelbar relevant sind für normative Probleme. Denn die positive Wissenschaft soll aufzeigen, was passiert, wenn man sich für diese oder jene Handlung bzw. Aktion entscheidet, wonach sie dann erst normativ beurteilt werden können:

" Normative economics and the art of economics, on the other hand, cannot be independent of positive economics. Any policy conclusion necessarily rests on a prediction about the consequences of doing one thing rather than another, a prediction that must be based -implicitly or explicitly- on positive economics."

Aber diese Basierung des Normativen auf der positiven Wissenschaft ist nicht eine Eins-zu-Eins Beziehung in dem Sinne, daß man sich nur noch für genau eine Handlung vernünftig entscheiden kann. Zwei Politiker mögen in den Konsequenzen einer Gesetzgebung übereinstimmen,aber trotzdem wird sie der eine als unwünschenswert erachten und der andere als wünschenswert. Auch wenn Übereinstimmung über die ökonomischen Konsequenzen der Gesetzgebung nicht politische Differenzen aufheben würde: "... it would certainly go a long way toward producing consensus".

Das Erreichen einer klaren positiven Wirtschaftswissenschaft ist also nach Friedmans Meinung ein sehr erstrebenswertes Ziel, um die Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft als Entscheidungshilfe besser gewährleisten zu können. Denn:

" I venture the judgement, however, that currently in the Western world, and especially in the United States, differences about economic policy among disinterested citizens derive predominantly from different predictions about the economic consequences of taking action -differences that in principle can be elimiminated by the progress of positive economics- rather than from fundamental differences in basic values, differences about which men can ultimately only fight."+

Es ist also eine positive Ökonomie erstrebenswert, die im Sinne einer Naturwissenschaft alle Konsequenzen politischen Handelns "objektiv" bestimmen kann. Friedman sieht zwischen Ökonomie und Naturwissenschaft auch keine grundsätzliche Trennungslinie. Es gebe zwar spezielle Probleme, die daher kommen, daß Ökonomie von Beziehungen menschlicher Wesen handelt und der Forscher selbst in einem intimeren Sinn als in den Naturwissenschaften Teil des Gegenstandes seiner Untersuchung ist. Aber eben für diesen Bereich sei dem Wirtschaftswissenschaftler ja auch eine entsprechende Datenmenge verfügbar, so daß dieses Problem lösbar sei. Weitere Probleme, die Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften voneinander trennen und die Friedman hier nicht erwähnt, werde ich am Ende meiner Arbeit darlegen. Hier geht es mir nur um eine Wiedergabe von Friedmans Methodologie, die ich jedoch mit Erklärungen ergänze. Auch findet sich nach der Darstellung mancher Abschnitte von Friedmans Essay eine Kritik von mir. Dies erscheint mir auch in einem eigentlich nur darstellenden Teil sinnvoll. Denn zum einen handelt es sich meist um Abschnitte, die später nicht im Mittelpunkt der Beurteilung stehen und zum anderen sind sie dem Leser hier präsenter, so daß er meine Kritik besser nachvollziehen kann.

Ich denke es ist mit diesem ersten Teil klar geworden, worum es Friedman im restlichen Ablauf seines Essays gehen wird: Um die Ausarbeitung einer klaren positiven Ökonomie, von der er sich vieles verspricht.

2.2 Ausarbeitung einer positiven Ökonomie
Im Idealfall sollen nur Aussagen über das, was ist, bzw. über das, was sein wird, als zur positiven Ökonomie gehörend verstanden werden. Zur positiven Ökonomie gehört damit auch die Suche nach Theorien zur Erklärung beobachteter Ereignisse, auf deren Basis dann Prognosen über die Konsequenzen künftiger wirtschaftlicher Aktionen getroffen werden können: "Prognosen sind, methodisch gesehen, nichts anderes als theoretische Erklärungen." Auch Friedman sieht dies so:

" The ultimate goal of a positive science ist the devolopment of a 'theory' or 'hypothesis' that yields valid and meaningful (...) predictions about phenomena not yet observed. "

Eine solche Theorie ist nach Friedmans Meinung eine komplexe Mischung zweier Elemente. Das erste Element ist eine "Sprache" (language), deren Funktion es ist, ein gutes Ablage-System für die Organisation des empirischen Materials bereitzustellen. Man kann dieses Element allgemeiner auch als die formale Logik verstehen. Das Zweite ist das empirische Beweismaterial bzw. die daraus gebildeten Hypothesen, die die Grundzüge der komplexen Wirklichkeit festhalten sollen. Ohne eines der beiden Elemente, so Friedman, ist keine gute Theorie möglich. Ohne empirisches Beweismaterial und nur auf reiner Logik beruhend, wäre die Theorie ein reines Gedankenspiel und dürfte keine Relevanz für die Realität beanspruchen. Solche Theorien verfehlen das Ziel der Wirtschaftswissenschaften, eine Entscheidungshilfe zu sein. Aber ganz ohne die Einbeziehung der Logik kann keine gute Theorie konstruiert werden. Denn, so betont Friedman, ohne Logik könne nicht gezeigt werden, daß die Kategorien des "analytischen Ablage-Systems" sinnvoll sind bzw. ein Gegenstück in Form einer entsprechenden Klasse von Phänomenen in der Realität haben. Auch wird viele Erkenntnis in einer Wissenschaft über Schlußfolgerungen der Form a® b gewonnen. Dieses Verfahren ist jedoch nur zulässig, wenn a der empirischen Realität entspricht und der Schluß auf b logisch zulässig ist. Friedman vertieft nun die Frage, wie eine Theorie zu beurteilen ist. Entscheidendes Kriterium ist für ihn die Voraussagekraft der Theorie, die aus einer Sammlung stichhaltiger Hypothesen, für die Klasse von Phänomenen für deren Erklärung sie konstruiert wurde, besteht:

" Viewed as a body of substantive hypotheses, theory is to be judged by its predictive power for the class of phenomena which it is intended to 'explain'. "

Konkret wird die Voraussagekraft einer Theorie durch den Vergleich ihrer Voraussagen mit der Erfahrung beurteilt. Eine Theorie ist für Friedman dann 'richtig' oder 'falsch' bzw. vorläufig 'akzeptiert' oder 'zurückgewiesen'. Empirisches Beweismaterial kann eine Hypothese niemals 'beweisen', es kann nur ihre Widerlegung scheitern. Die Hypothese ist dann durch die Erfahrung 'bestätigt':

" The hypothesis is rejected if its predictions are contradicted ('frequently' or more often than predictions from an alternative hypothesis); it is accepted if its predictions are not contradicted; great confidence is attached to it if it has survived many opportunities for contradiction."

Dieses Zitat spricht auch schon das nächste Problem an: Wie ist zwischen alternativen Hypothesen auszuwählen? Denn, so bemerkt Friedman, die Gültigkeit einer Hypothese ist nicht von sich aus ein ausreichendes Kriterium zur Auswahl unter alternativen Hypothesen. Für jede Frage gebe es eine unendliche Anzahl von Hypothesen. Zwar kann man einen große Anzahl durch logische und empirische Prüfung ausschließen und die Hypothesen nach ihrer 'Einfachheit' und 'Ergiebigkeit' beurteilen. Denn auch über diese beiden Kriterien gibt es, nach Friedmans Meinung, einen breiten Konsens:

" A theory is 'simpler' the less the initial knowledge needed to make a prediction within a given field of phenomena; it is more 'fruitful' the more precise the resulting prediction, the wider the area within which the theory yields predictions, and the more additional lines for further research it suggests."

Aber letztendlich muß die Wahl zwischen alternativen Hypothesen nach Friedmans Ansicht willkürlich sein. Dies liegt an der Unfähigkeit der Sozialwissenschaften, die Voraussagen einer Theorie anhand sogenannter 'kontrollierter Experimente' zu testen. Wieder sieht Friedman hierin keine grundlegende Differenz zwischen Sozial- und Naturwissenschaften, denn die Unterscheidung zwischen einem kontrollierten und einem unkontrollierten Experiment sei höchstens graduell. Man könne kein Experiment ganz kontrollieren, und im Gegenzug sei jede Erfahrung in einem gewissen Sinne kontrolliert, da einige störenden Einflüsse innerhalb ihres Verlaufes relativ konstant sind. Aber diese letztere Erfahrung liefert eben nur schwer zu ordnendes und zu analysierendes Beweismaterial, so daß es vielen einfacher erscheine, entweder 'reine' Theorien auf nur logischer Basis zu konstruieren oder bestehende Theorien anstatt durch die Konsistenz ihrer 'Implikationen' mit der Realität, durch die Konsistenz ihrer 'Annahmen' mit der Realität zu testen. Diese beiden Auswege befinden sich auf zwei verschiedenen Ebenen wissenschaftlicher Arbeit: Der Erste betrifft die Konstruktion von Theorien und der Zweite den Test ihrer Gültigkeit. Der Zusammenhang zwischen den beiden Ebenen besteht darin, daß die Widerlegung einer bisher anerkannten Theorie der Stimulus zur Konstruktion einer neuen Theorie ist oder zumindest zur Verbesserung der alten Theorie, so Friedman.

Damit ist der Übergang zum Hauptthema von Friedmans Essay erfolgt: Es ist die Frage nach der Möglichkeit des Gültigkeitstest einer Theorie durch den Vergleich ihrer 'Annahmen' mit der Realität. Friedman behauptet, daß dies ein Ausweg vieler Wissenschaftler sei, um den angesprochenen Schwierigkeiten von Sozialwissenschaftlern bei der Erlangung, Sammlung und Ordnung neuen Beweismaterials zu entgehen. Sein Urteil über diesen vermeintlichen Ausweg ist vernichtend: " This widely held view is fundamentally wrong and productive of much mieschief." Denn weit entfernt von der Bereitstellung einer einfacheren Möglichkeit zur Trennung von gültigen und ungültigen Hypothesen, werde hier nur viel intelektuelles Bemühen fehlgeleitet und die Weiterentwicklung der positiven Ökonomie behindert, da der Konsens über die Frage erschwert wird, welche Theorien denn nun vorläufig als gültig akzeptiert sind. Denn die einen beurteilen die Gültigkeit einer Theorie dann nach der Konsistenz der Implikationen mit der Erfahrung und die anderen nach der Konsistenz der Annahmen mit der Erfahrung, was wohl unterschiedliche Resultate zur Folge hat. Friedman sieht diesen zweiten Weg nicht nur als falsch an, sondern meint, daß fast genau das Gegenteil der Fall ist: Bei wirklich wichtigen und bedeutenden Hypothesen werde man 'Annahmen' finden, die ungenaue Wiedergaben der Realität seien und es gelte sogar: "...the more significant the theory, the more unrealistic the assumptions...". Aber er schränkt dies in einer Fußnote doch etwas ein, wenn er sagt, daß umgekehrt unrealistische Annahmen keine bedeutende Theorie garantieren würden. Friedmans Meinung ist also, daß bei immer bedeutenderen Theorien die Annahmen immer unrealistischer würden. Genauso gibt es aber auch schlechte Theorien mit sehr unrealistischen Annahmen. Er widerspricht sich hier nicht, da er ja für den Weg eintritt, zuerst die Gültigkeit einer Theorie anhand des empirischen Beweismaterials zu prüfen.Erst nach der Gültigkeitsprüfung stellt sich für Friedman heraus, daß die als "bedeutungsvoll" eingestuften Theorien immer auf relativ realitätsferneren Annahmen beruhen. Warum ist das aber so? Darauf antwortet Friedman:

"The reason is simple. A hypothesis is important if it 'explains' much by little, that is, if it abstracts the common and crucial elements from the mass of complex and detailed circumstances surrounding the phenomena to be explained and permits valid predictions on the basis of them alone. To be important, therefore, a hypothesis must be descriptively false in its assumptions; it takes account of, and account for, none of the many other attendant circumstances, since its very success shows them to be irrelevant for the phenomena to be explained."

Eine Hypothese ist seiner Ansicht nach also wichtig, wenn sie Vieles mit Wenigem erklärt. Das tut sie, wenn sie nur die für den zu erklärenden Phänomenbereich wichtigen Elemente der Realität abstrahiert bzw. in ihre Annahmen aufnimmt und auf deren Basis gültige Voraussagen für den angezielten Phänomenbereich bereitstellt. Für den Phänomenbereich irrelevante Realitätsaspekte werden ausgeschlossen. Dadurch wird die Hypothese aber unrealistisch in Bezug auf eben die Elemente, die sie ausschließt. Je weniger Grundlinien der Realität die Annahmen der Theorie beachten, um so höher steigt ihr "Falschheitsgrad". Die richtige Frage in Bezug auf die Annahmen einer Theorie, ist nach Friedmans Meinung also nicht, ob sie realistisch sind, sondern ob sie ausreichend gute Annäherungen für den jeweils angestrebten Zweck sind. Und dies kann nach Friedman nur festgestellt werden, wenn man prüft, ob eine Theorie ausreichend genaue Voraussagen erbringt. Denn wenn die Theorie erfolgreich ist, sind die Annahmen offensichtlich gut gewählt.

2.3 Beispiele für die Bedeutungslosigkeit der "Annahmen" einer Theorie
Zur Erinnerung: Bisher hat Friedman in seinem Essay die Vorteile der Entwicklung einer klaren positiven Ökonomie verdeutlicht. Und anschließend ausgeführt, was darunter genauer zu verstehen ist: Nämlich die Konstruktion von Theorien, die möglichst gute Voraussagen für ihren Phänomenbereich erbringen, sowie damit verbunden den Test ihrer Gültigkeit durch den Vergleich der Voraussagen mit der Erfahrung. Abgelehnt hat er dagegen den Test einer Theorie durch die Feststellung des Realismus ihrer Annahmen. Seine Begründung dafür war, daß es nicht auf den Realismus der Annahmen ankommt, sondern auf die Frage, ob die auf den Annahmen beruhende Theorie gute Voraussagen erbringt. Hat die Theorie eine gute Voraussagekraft, dann hat sie auch gute Annahmen, die aber realitätsfern sein können. Aber sie sind falsch, in Bezug auf Phänomenbereiche, zu deren Erklärung die Theorie nicht konstruiert wurde.

Nun gibt Friedman einige Beispiele für Theorien mit falschen Annahmen, die trotzdem gute Voraussagen erzielen. Zum besseren Verständnis ist aber zunächst die Frage zu klären, was Friedman eigentlich unter den Annahmen einer Theorie versteht. Er macht selbst auf die Mehrdeutigkeit des Begriffes "Annahmen" aufmerksam: "...we have seen that a theory cannot be tested by the 'realism' of its 'assumptions' and that the very concept of the 'assumptions' of a theory is surrounded with ambiguity." Aber es wäre doch für eine Auseinandersetzung mit den Thesen Friedmans von großer Hilfe, wenn man die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes "Annahmen einer Theorie" wüßte und unterscheiden könnte, welche Bedeutung er wo benutzt. Ich halte mich im Folgenden an die Unterscheidung von Schüz:

" In der Literatur werden im Zusammenhang mit Friedmans Essay meist zwei Arten von Annahmen unterschieden: Anwendungsbedingungen und Gesetzeshypothesen."

Anwendungsbedingungen (Antezedensbedingungen), so erläutert Schüz, sind fester Bestandteil einer Hypothese. Sie geben an, unter welchen Bedingungen die Hypothese angewendet werden darf, z.B. nur unter vollkommener Konkurrenz. Wird sie unter anderen Bedingungen angewendet, ist kein Vertrauen in die Ergebnisse gerechtfertigt. Und unter Gesetzeshypothesen versteht man entweder '...oberste Hypothesen, aus denen die übrigen Hypothesen eines theoretischen Aussagesystems abgeleitet werden können' oder einen "...Teil der Prämissen für die Deduktion von Erklärungen und Prognosen singulärer Sachverhalte." Ich werde bei den folgenden Beispielen Friedmans immer angeben, um welche Art einer Annahme es sich handelt.

2.3.1 Fallgesetzbeispiel
Friedman fängt mt einem einfachen Beispiel an. Es ist einfach, da es rein physikalisch ist, ohne die Komplikationen bereitenden Besonderheiten der Ökonomie. An diesem Beispiel erläutert er seine Auffassung, "...daß eine Gesetzeshypothese, trotz falscher Anwendungsbedingungen, prognostisch leistungsfähig sein kann". Das Fallgesetz besagt, daß ein beliebiger, in einem Vakuum fallender Körper, die Strecke s= 1/2 gt
2 zurücklegt. Wobei t die Zeit und g die Erdanziehungskonstante ist. Friedman sagt nun, daß die Formel auch für einen Ball gilt, der vom Dach eines Gebäudes geworfen wird. Die Anwendungsbedingung fordert dagegen das Vorliegen eines Vakuums. Die Gültigkeit der Hypothese durch ihre Annahmen zu testen, würde in diesem Fall wohl bedeuten, so Friedman, den aktuellen Luftdruck zu messen und zu entscheiden, ob er nah genug bei Null ist. Dazu benötigt man einen externen Vergleichsstandard, auf dessen Basis man die Abweichung des Luftdrucks von der Vakuumgröße Null als "klein" oder "groß" beurteilen kann. Dieser Vergleichsstandard kann nur die Luftdruckgröße sein, bei dem die Theorie nicht mehr genügend genaue Voraussagen erbringt. Das verlagert aber nur das Problem: Was heißt "genügend genau"? Wie groß muß die Differenz zwischen gemessener und nach der Formel berechneter Zeit sein, damit sie nicht mehr "genügend genau" ist? Friedman sieht zwei externe Vergleichstandards auf deren Basis man das beurteilen kann. Nämlich den Vergleich mit alternativen Theorien, die entweder gleichermaßen akzeptierbar sind, oder den Vergleich mit Theorien, die bessere Voraussagen bei höheren Kosten erzielen. Nachdem er diesen Weg des Gültigkeittests einer Hypothese durch ihre Annahmen aufgezeigt hat, geht er auf eine grundsätzlichere Ebene. Er bestreitet nun, daß das Vorliegen eines Vakuums überhaupt eine Annahme des Fallgesetzes ist. Denn es gebe auch andere Annahmesysteme, die die gleiche Formel ergeben würden. Damit wird dieAnwendungsbedingung "Vorliegen eines Vakuums" aber beliebig, man muß sich nicht mehr an sie halten:

" The history of this formula and its associated physical theory aside, is it meaningful to say that it assumes a vacuum? For all I know there may be other sets of assumptions that would yield the same formula. The formula is accepted because it works, not because we live in an approximate vaccum -whatever that means."

Das eigentliche Problem, so sagt Friedman direkt nach diesem Zitat, sei es, das Ausmaß der Fehler einer Hypothese in ihren Voraussagen unter vielfältigen Umständen zu bestimmen. Diese Bestimmung sei selbst ein essentieller Teil der Hypothese. Hier bleibt für mich eine Frage offen: Ich frage mich, wie sich diese Bestimmung der Umstände, unter denen eine Theorie arbeitet von einer Anwendungsbedingung unterscheidet. Auch wenn sie sich von ihr unterscheidet, kann das Annahmensystem bzw. die Anwendungsbedingungen wohl kaum so beliebig sein, wie Friedman weismachen will. Denn er selbst sagt, daß dies ein essentieller Teil einer Theorie ist.

2.3.2 Beispiel der Blätterdichte um einen Baum
Auch die Blätterdichte um einen Baum scheint ein rein naturwissenschaftliches Beispiel zu sein. Friedman wagt hier aber den Übergang auf die Besonderheiten. der Wirtschaftswissenschaften, indem er menschliche Eigenschaften in die Annahmen der Theorie einschleust. Eigenschaften die einem Baum offensichtlich nicht zukommen und daher im Bezug zur Realität falsch sind. Friedman will zeigen, daß eine Theorie über die Blätterdichte eines Baumes auch mit solchen falschen Annahmen gute Voraussagen erzielen kann; genauso gute wie sie ohne diese Annahmen erzielt hätte, was die Irrelevanz der Annahmen bedeuten würde. Genauer geht es hier um die Irrelevanz der Gesetzeshypothesen, während es im vorherigen Beispiel um die Irrelevanz der Anwendungsbedingungen ging. Friedman will anhand des folgenden Beispiels zeigen, daß aus falschen obersten Hypothesen (Gesetzeshypothesen) wahre niedere Hypothesen abgeleitet werden können.Es geht um die Voraussage der Blätterdichte eines Baumes unter verschiedenen Voraussetzungen. Insbesondere bezieht sich dies auf die Lage des Baumes und die dortige Sonneneinstrahlung. Friedman nimmt in drei unrealistischen Gesetzeshypothesen, der für diese Voraussage konstruierten Theorie, an, daß die Blätter sich so um den Baum ausrichten, als ob sie danach streben würden, die rezipierte Sonnenlichtmenge zu maximieren. Dabei beachten sie auch die Nebenbedingung der Lage ihrer Nachbarblätter. Sie folgen diesem Maximierungsgebot, als ob sie die die relevanten physikalischen Gesetze wüßten und als ob sie von einem Platz unverzüglich auf einen anderen wechseln könnten. Obwohl dies also klar falsche Annahmen sind, läßt sich daraus nach Friedman die folgende wahre niedere Hypothese ableiten: " Die Blätter aller Bäume weisen an Stellen mit starker Sonneneinstrahlung eine höhere Dichte auf, als an solchen mit einer geringeren Einstrahlung."
Für Friedman ist keine der realitätsfernen Annahmen relevant, weil sie nicht im Phänomenbereich enthalten sind, die diese Hypothese erklären will: "...the hypothesis does not assert that leaves do these things but only that their density is the same as if they did." T.Schüz sagt zu dieser "als ob" Formulierung:

"Friedman verpackt diese Überlegungen in folgende, etwas undurchsichtige als-ob-Hypothese: Die Blätter eines Baumes sind so verteilt, als ob jedes Blatt ein Maximum an Sonnenlicht anstrebt, als ob es die notwendigen physikalischen Gesetze kennen würde und als ob es sich frei bewegen könne. (...) Die als-ob-Hypothese ist dann keine empirische Hypothese, sondern eine logische Implikation. Durch die als-ob-Formulierung wird nur behauptet, daß eine Hypothese abgeleitet werden kann, als ob die grundlegenden Hypothesen wahr wären, obwohl diese falsch sind."

2.3.3 Das "Billardspieler"-Beispiel
Auch im folgenden Beispiel Friedmans geht es um die Möglichkeit der Ableitung wahrer niederer Hypothesen aus falschen Gesetzeshypothesen. Allerdings ist dies ein Beispiel aus dem menschlichen Bereich. Es sollte also dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich näher liegen. Das Beispiel setzt bei dem Problem an, wie die Stöße eines professionellen Billardspielers vorauszusagen sind. Wieder werden der Theorie "als-ob" Hypothesen als Annahmen vorangestellt. So wird angenommen, daß der Spieler seine Stöße macht "als ob" er die komplizierten mathematischen Formeln wüßte, die die optimale Stoßrichtung angeben. Desweiteren "als ob" er die Winkel mit dem Auge genau schätzen könnte, die Lage der Bälle genau beschreiben könnte, blitzschnelle Berechnungen der Formeln machen könnte und die dadurch angegebene Ergebnisse mit seinem Stoß genau ausführen könnte. Wieder sieht Friedman den Erfolg der Hypothese unabhängig von diesen Annahmen:

"Our confidence in this hypothesis is not based on the belief that billiard players, even expert ones, can or do go through the process described; it derives rather from the belief that, unless in some way or other they were capable of reaching essentially the same result, they would not in fact be expert billiard players."

Schüz meint jedoch, daß dieses Beispiel Friedmans etwas unglücklich sei. Denn die aus den falschen Annahmen herzuleitende These, daß professionelle Billardspieler im Prinzip immer erfolgreiche Stöße machen, ist wohl selbst als falsch anzusehen: "Es erscheint unmöglich, daß selbst ein ausgezeichneter Billardspieler immer erfolgreich ist." Man dürfe zwar erwarten, daß ausgezeichnete Billardspieler häufiger treffen als andere, doch müsse man dies in den Annahmen der Theorie mit aufzählen.

2.3.4 Beispiel der Gewinnmaximierung
Von diesen Beispielen geht Friedman nun zu dem ökonomischen Beispiel der Gewinnmaximierung einzelner Unternehmen über. Seiner Meinung nach ist dies nur ein kleiner Schritt. Die Gewinnmaximierungshypothese besagt nach Friedman:

"... that under a wide range of circumstances individual firms behave as if they were seeking rationally to maximize their expected returns (...) and had full knowledge of the data needed to succeed in this attempt..."

Es folgt noch eine Reihe anderer "als ob" Annahmen, die wie die eben zitierten auch, zu den Grundannahmen der neoklassischen Theorie zählen. Diese verteidigt Friedman in seinem Essay. Denn analog zu den anderen Beispielen seien diese Annahmen natürlich nicht realitätsgetreu, doch die Ergebnisse in der Realität seien so "als ob" die Annahmen der Realität entsprächen. Schüz sieht die Gewinnmaximierungshypothese so:

" Bei allen Unternehmen ist das Ergebnis ihres Verhaltens so, als ob sie versuchten, ihren Gewinn zu maximieren. (...) Die Formulierung 'als ob' bedeutet in diesem Falle, daß die Unternehmer weder die Marginalanalyse anwenden, noch die Grenzerlös- und Grenzkostenfunktion kennen, aber das Ergebnis ihres unbekannten Verhaltens dennoch mit dem der Marginalanalyse übereinstimmt."

Obwohl die Annahmen der neoklassischen Theorie, so Friedmans These, wie z.B. die Annahme vollkommener Markttransparenz der einzelnen Wirtschaftssubjekte, die Annahme des Strebens nach Gewinnmaximierung im Sinne eines 'homo oeconomicus" und der Kenntnis und Anwendung der dazu erforderlichen Formeln der Marginalanalyse, nicht mit der Realität übereinstimmen, sind die realen Vorgänge im Wirtschaftsgeschehen so, "als ob" diese Annahmen gelten würden. Da die Beispiele Friedmans dem Leser jetzt präsent sind, folge ich nun ihrer Beurteilung durch Schüz, obwohl das Kapitel "Beurteilung" erst noch folgt. Nach Schüz sind die Beispiele Friedmans "irreführend". Denn die jeweils herzuleitenden niederen Hypothesen waren immer bereits gut bestätigte Hypothesen. Friedman habe nur gezeigt:

"..., daß zu einer gegebenen wahren Hypothese beliebig viele, falsche höhere Hypothesen entwickelt werden können, aus denen sich die niedere Hypothese logisch deduzieren läßt. Falsche 'Erklärungen' gibt es unendlich viele."

Friedman hat also gezeigt: Wenn man eine gut bestätigte, wahre Hypothese hat, kann man zu dieser beliebig viele höhere Hypothesen entwickeln, aus denen sich die gut bestätigte niedere Hypothese deduzieren läßt, so falsch die höhere Hypothese auch sein mag. Diese scheint mir für die Wissenschaftspraxis, von sehr geringer Bedeutung zu sein. Denn zuerst braucht man die gut bestätigte, wahre Hypothese. Was nützt es einem aber, wenn man dann zu dieser Hypothese beliebig viele höhere Hypothesen konstruieren kann, ohne daß deren Wahrheitsgehalt dabei von Relevanz wäre. Denn nur die logische Gültigkeit allein ist keine ausreichende Basis für eine gute Theorie. Und gerade bei Friedmans Beispielen ist die Falschheit der höheren Hypothesen nach Schüz offensichtlich. Einfachste Widerlegungsversuche seien erfolgreich. Außerdem müsse beachtet werden:

"Nach den Regeln der Logik sind aus falschen Prämissen neben falschen auch wahre Konklusionen deduzierbar. Doch die Logik kann keine Auskunft geben, wann und ob sie überhaupt auftreten. Sie können nur zufällig entdeckt, aber nicht systematisch abgeleitet werden."

Allzuviel hat uns Friedman mit seinen Beispielen also nicht gezeigt. Was seine Ausführungen wirklich bedeuten, insbesondere für die neoklassische Theorie, werde ich an einer späteren Stelle aufweisen. Klar ist aber, daß es fast in das Gegenteil des Zieles seiner Bemühungen umzuschlagen droht. Denn statt die neoklassische Theorie erfolgreich verteidigt zu haben, ist nun zu fragen, ob die neoklassische Theorie aus ihren falschen Annahmen niedere Hypothesen deduziert und inwieweit dies zulässig ist.

2.4 Bedeutung der Annahmen
Der 2.Teil von Friedmans Essay steht unter dem Motto "There is too much smoke for there to be no fire". Wenn seine Aussagen über die Rolle der Annahmen einer Theorie im Test ihrer Gültigkeit bisher gänzlich negativ waren, so meint er nun, daß wohl kaum soviel Aufheben um dieses Thema gemacht würde, wenn nicht doch etwas an dem Thema dran wäre. Demzufolge will er sich in diesem Teil bemühen, die positive Rolle der Annahmen herauszustellen. Doch gleich am Anfang sagt er auch, daß er in die vorherigen Ausführungen weit größeres Vertrauen habe als in die folgenden. Dies erklärt vielleicht auch ihre Geringschätzung in der Arbeit von Schüz:

"Friedman schränkt seine These, nur der Test der Prognose, nicht der der Annahme sei relevant, in mehrerer Hinsicht ein; (...) Die Einschränkungen sind jedoch so spärlich und unauffällig gegenüber den kategorisch vorgetragenen Hauptargumenten, daß, die uneingeschränkte Version von Friedmans These seine Position wohl angemessen repräsentiert."

Da ich mir jedoch mein eigenes Urteil über seinen Essay bilden will, werde ich auch diesen Teil darstellen. Wobei die Darstellung jedoch kürzer ausfallen wird. Friedman unterscheidet drei verschiedene und doch miteinander verwandte, positive Rollen der "Annahmen" einer Theorie:

a) Sie sind oft eine ökonomische Methode der Beschreibung oder Präsentation einer Theorie.

b) Sie ermöglichen manchmal einen indirekten Test der Hypothese durch ihre Implikationen.

c) Sie sind manchmal eine zweckmäßige Möglichkeit zur Bestimmung der Bedingungen unter denen die Gültigkeit einer Theorie erwartet werden darf.

Möglichkeit c) wurde jedoch schon an einer vorangegangenen Stelle behandelt, und auch Friedman sagt im folgenden nur zu den ersten beiden Fällen etwas.

2.4.1 Der Gebrauch der Annahmen in der Darstellung einer Theorie
Friedman hat ein umfassendes erkenntnistheoretisches Bild von dem Begriff der Theorie: "A theory is the way we-perceive 'facts', and we cannot perceive 'facts' without a theory." Nun wollen wir aber sehen, warum die Annahmen einer Theorie eine ökonomische Weise sind, diese darzustellen. Daher erfolgt zuerst eine Klärung, was Friedman unter einer Theorie versteht.

Eine Theorie oder Hypothese besteht für ihn aus zwei Teilen. Zum einen aus einer Behauptung, daß bestimmte Kräfte für eine Klasse von Phänomenen wichtig sind und andere unwichtig. Wichtig bedeutet dabei, daß die jeweilige Kraft Einfluß auf den zu erklärenden Phänomenbereich hat. Dazu gehört eine Bestimmung der Art der Einflußnahme dieser Kraft. Um diese Bestimmung zu gewährleisten, gebraucht eine Hypothese zwei Elemente: Eine konzeptuelle Welt bzw. ein abstraktes Modell, das einfacher ist als die komplexe "wirkliche Welt" und nur die für "wichtig" erklärten Elemente enthält. Und zweitens gebraucht sie eine Regelsammlung, die festlegt, für welche Bereiche der Wirklichkeit das erstellte Modell als adäquate Repräsentation verwendet werden kann. Man könnte dementsprechend die Hypothese aus dem Blätterbeispiel zu einer langen Regelliste umformulieren, die den jeweiligen Umständen der Lage des Baumes eine entsprechende Ausrichtung der Blätterdichte zuweist. Aber dies wäre sehr umständlich, und so ist die Annahme, daß die Blätter danach streben, die rezipierte Sonnenlichtmenge zu maximieren, für Friedman eine weitaus ökonomischere Art diese Theorie darzustellen.

2.4.2 Der Gebrauch der Annahmen einer Theorie als indirekter Gültigkeitstest
Der gerade vorangegangene Aufweis der positiven Rolle von Annahmen in der Aufstellung von Theorien schränkt die Hauptthese Friedmans überhaupt nicht ein. Denn wenn die Annahmen einer Theorie eine ökonomische Weise der Darstellung einer Theorie ist, so besagt das nicht eine Einschränkung der These, daß die Gültigkeit einer Theorie durch den Vergleich der Voraussagen einer Theorie mit der Realität getestet werden muß. Vielmehr bleibt Friedmans These, daß der Vergleich ihrer Annahmen mit der Realität überhaupt nichts über ihre Gültigkeit aussage, uneingeschränkt bestehen. Nun weist Friedman aber eine indirekte Möglichkeit auf, wie die Annahmen einer Theorie doch für ihren Gültigkeitstest verwendet werden können.

So könne man die Annahmen einer Theorie selbst als Implikationen bzw. Voraussagen der Theorie betrachten bzw. würden aus den Annahmen direkt Implikationen folgen. Es gibt dann zwei Möglichkeiten, über diesen Weg die Gültigkeit einer Hypothese zu prüfen. Zum einen kann man eben diese Implikationen mit der Realität vergleichen; widersprechen sie der Realität, so ist die Hypothese widerlegt. Aber warum ist dies nur ein indirekter Weg, die Gültigkeit einer Hypothese zu prüfen? Dazu Friedman:

"The reason this evidence is indirect is that the assumptions or associated implications generally refer to a class of phenomena different from the class which the hypothesis is designed to explain; (...) The weight attached to this indirect evidence depends on how closely related we judge the two classes of phenomena to be."

Daß die Annahmen einer Theorie einem anderen Phänomenbereich angehören als dem zu erklärenden, scheint mir aber vorhergegangenen Äußerungen Friedmans zu widersprechen. So hat er weiter vorher doch gerade gesagt, daß die Theorie nur die Grundlinien des zu erklärenden Phänomenbereichs in ihre Annahmen aufnehme.Ich zitiere zum Beleg noch mal eine entsprechende Stelle:

" A hypothesis is important if it 'explains' much by little, that is, if it abstracts the common and crucial elements from the mass of complex and detailed circumstances surrounding the phenomena to be explained...".

Entscheidend für meine Behauptung, daß sich Friedman hier selbst widerspricht ist dabei die Formulierung "...circumstances surrounding the phenomena to be explained...".

Ich gehe daher zweiten Möglichkeit des indirekten Gültigkeitstests über. Diese besteht für Friedman darin, die Verwandtschaft der vorliegenden Annahmen mit den Annahmen anderer Theorien festzustellen. Werde eine große Verwandtschaft festgestellt, könne das Beweismaterial der anderen Hypothese für die vorliegende geltend gemacht werden. Auch hier scheint mir ein Widerspruch in Friedmans Äußerungen vorzuliegen. Denn zuvor hat er ja schon die Beliebigkeit der Annahmen einer Theorie behauptet: Man könne dieselbe Theorie mit verschiedenen Annahmesystemen entwickeln. Dann kann eine Verwandtschaft zwischen beliebigen Annahmesystemen aber wohl kaum zu einer gerechtfertigten Übertragung des jeweiligen Beweismaterials führen.

Friedman schränkt also auch in diesem Abschnitt seine Hauptthese nicht ein. Er widerspricht ihr höchstens. Da er hinter diesen letzteren Ausführungen nach eigener Auskunft nicht so steht wie hinter seiner Hauptthese, werde ich diese und nicht die eben dargestellten Ausführungen als Grundlage meiner Beurteilung nehmen.

2.5 Die Hauptthese Friedmans
Die Hauptthese Friedmans ist es, daß eine Theorie an ihrer Voraussagekraft gemessen werden muß und nicht am Realismus ihrer Annahmen. Kritik an unrealistischen Annahmen ist falsch. Solche Kritiker würden Wirtschaftswissenschaft als Wissenschaft mit einem "tristen" Weltbild verstehen, weil sie davon ausgehe, daß Menschen egoistisch, geldgierig sind und davon ausgehe, daß auf den Märkten vollkommener Wettbewerb mit homogenen Waren herrsche. Dabei sind diese Annahmen nach Friedman nicht als Aussagen über die Realität zu verstehen. Sie sind vielmehr Annahmen, auf denen Theorien gründen, deren Ergebnis ist "als ob" die Annahmen der Realität entsprächen. Daher sagt Friedman über die Kritik dieser Annahmen:

"As we have seen, criticism of this type is largely beside the point unless supplemented by evidence that a hypothesis differing in one or another of these respects from the theory being criticized yields better predictions for as awide range of phenomena. Yet most such criticism is not so suppplemented; it is based almost entirely on supposedly directly perceived discrepancies between the 'assumptions' and the 'real world':"

Die Annahmen einer Theorie sind nach Friedman notwendig falsch, sie können nicht von Grund auf realistisch sein. So müßte eine Theorie des Weizenmarktes, wenn sie völlig realistisch sein soll, auch die Augenfarbe der Händler berücksichtigen. Wenn man aber jede Kleinigkeit der Realität in die Annahmen einer Theorie aufnimmt, sieht Friedman folgende Konsequenz:

" Any attempt to move very far in achieving this kind of 'realism' is certain to render a theory utterless useless."

Die Wirtschaftswissenschaft muß also von der Realität abstrahieren. Aber den vollkommenne Realismus der Annahmen einer Theorie würde ja auch kein Wissenschaftler wirklich fordern, so Friedman. Es sei unrealistischer bei einer Theorie des Weizenmarktes die Höhe der Kosten zu vernachlässigen als die Augenfarbe der Händler. Denn die Kosten haben sicherlich einen größeren Einfluß auf das Marktgeschehen als die Augenfarbe einzelner Händler. Aber wie findet man heraus, daß die eine Größe einen höheren Einfluß hat als die andere. Ganz einfach: Durch den Vergleich der Voraussagen einer Theorie mit der Realität, wobei die Theorie einmal die Augenfarbe der Händler berücksichtigt und einmal die Höhe ihrer Kosten. So müssen also selbst die größten Befürworter realistischer Annahmen letztlich auf das von Friedman befürwortetet Verfahren des Gültigkeitstests einer Theorie durch den Vergleich ihrer Voraussagen mit der Realität zurückgreifen.

 

 

3 Beurteilung
Grundlage meiner Beurteilung ist die Dissertation von Thomas Schüz "Falsche Annahmen in der Wirtschafsttheorie", die eben besonders Friedmans Hauptthese untersuchen will, daß ökonomische Annahmen falsch sein können, ohne daß ihre Verwendbarkeit dadurch beeinträchtigt wird. Denn die Falschheit der Annahmen mache nichts aus, solange die Konklusionen der Theorie wahr seien.

3.1 Beurteilungsgrundlagen
Zuerst ist nach Schüz zu klären, inwiefern man Friedmans Methodologie beurteilen kann. Eine Methode gibt Auskunft über die Art des wissenschaftlichen Vorgehens. Es gibt mehrere Arten wissenschaftlichen Vorgehens: induktive, deduktive, historische Methode... . Die Methodologie ist die Lehre von diesen Vorgehensweisen. Es ist nicht die Aufgabe einer Methode, etwas über die Gewinnung neuer Theorien zu sagen. Denn dies wird im allgemeinen als ein Produkt der schöpferischen Phantasie des einzelnen Forschers oder des Zufalls betrachtet. Ihre Aufgabe ist es vielmehr:

"...festzustellen, welche logischen und empirischen Anforderungen Theorien erfüllen müssen, wenn man bestimmte Ziele verfolgt, und welchen Testverfahren diese Theorien auszusetzen sind, um festzustellen zu können, ob sie diesen Anforderungen genügen bzw. welche Theorie ihnen besser entspricht."

Eine Methode kann nach Schüz in dreifacher Hinsicht beurteilt werden. Zum einen sind Methoden auf die Erreichung bestimmter Ziele hin ausgerichtet. Man kann also beurteilen, ob sie gut zur Erreichung der Ziele geeignet sind:

" Die Festsetzung der methodologischen Regeln ist eine Frage der Zweckmäßigkeit; (...) Eine methodologische Konzeption ist dadurch zwar nicht wahrheitsfähig, aber man kann rational darüber diskutieren, ob ein bestimmtes Ziel mit der fraglichen methodologischen Konzeption zu erreichen ist, und ob dies einfacher gelingt, als mit einer anderen Konzeption."

Jeder Forscher hat nach Schüz diese Fragen für sich bewußt oder unbewußt beantwortet. Es komme darauf an, diese Vorstellungen öffentlich zu machen und zu diskutieren. Denn es hängt stark von der zugrundeliegenden Methode ab, welche Theorien man als gut erachtet und welche nicht. Methodologische Regeln sind daher auch bei der wirtschaftspolitischen Verwertung von Theorien von Bedeutung. So kommt man je nach methodologischer Konzeption zu unterschiedlichen Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik. Bei der Wahl methodologischer Regeln muß auch beachtet werden, ob diese in der Wissenschaftspraxis überhaupt umsetzbar sind. Allerdings dürfen die Regeln den "Bedürfnissen der Praxis" auch nicht hörig werden, da sonst in der Wissenschaft rein methodologisch nicht tolerierbare Standards hoffähig gemacht werden. Es liegt hier also eine Frage der Gewichtung vor:

" So scheint Popper sehr stark an der Erkenntnis über die Beschaffenheit der Realität bzw. dem wissenschaftlichen Fortschritt interessiert zu sein, während für Friedman mehr die Brauchbarkeit für die praktische Anwendung im Vordergrund steht."

Man kann eine Methode in Bezug auf ihre Zweckmäßigkeit nach Schüz dann in zweierlei Hinsicht beurteilen: Zum einen kann man von den angestrebten Zielen ausgehen und vergleichen ob diese mit der einfacheren Methode Friedmans genauso zu erreichen sind wie mit Poppers Konzeption. Zum anderen kann man von den Regeln der jeweiligen methodologischen Konzeption ausgehen und untersuchen, welche Ziele damit erreicht werden können.

Die dritte Möglichkeit eine Methode zu beurteilen, ist ihre logische Stringenz. Denn in jeder Wissenschaft spielen logische Schlüsse eine zentrale Rolle. Und insbesondere Friedmans Behauptung, daß falsche Annahmen für Theorien verwendet werden können, ist ein logisches Problem, wie wir später sehen werden. Bei einem Schluß von einer Prämisse auf eine Konklusion gibt es folgende logisch gültigen Schlüsse:

    1. Die Prämissen sind wahr, und die Konklusion ist wahr. Beispiel: 'Wenn alle Antilopen Säugetiere sind und alle Säugetiere Wirbeltiere sind, so sind alle Antilopen Wirbeltiere.'
    2. Die Prämissen sind falsch, und die Konklusion ist wahr. Beispiel: 'Wenn alle Westfalen Zigarettenraucher sind und alle Zigarettenraucher Deutsche, so sind alle Westfalen Deutsche.'

c) Die Prämissen sind falsch, und die Konklusion ist falsch. Beispiel: 'Wenn alle Studenten Nicht- schwimmer sind und alle Nichtschwimmer blauäugig sind, so sind alle Studenten blauäugig.'

d)Logisch gesehen darf aber niemals vorkommen, daß aus wahren Prämissen eine falsche Konklusion folgt.

Eine Methode in logischer Hinsicht zu beurteilen, heißt dann, daß alle Schlüsse auf ihre logische Gültigkeit überprüft werden; dies ist jedoch streng von der empirischen Wahrheit einer Aussage zu unterscheiden.

3.2 Ziele der Wirtschaftswissenschaften
Der erste Weg eine Methode zu beurteilen, war die Zweckmäßigkeit ihrer Regeln. Zweckmäßigkeit bezieht sich immer auf die Erfüllung von Zielen. Daher ist zunächst zu klären, welche Ziele die Wirtschaftswissenschaft verfolgt.

3.2.1 Realwissenschaftlich oder formalwissenschaftlich ?
Die erste Frage zur Klärung der Ziele lautet: Was ist der Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften? Befaßt sie sich mit der Realität oder nur mit logischen und mathematischen Konstruktionen? Im ersten Fall wäre sie eine Realwissenschaft ( wie z.B. Physik, Chemie, Soziologie) und im zweiten Fall eine Formalwissenschaft ( wie z.B. Mathematik, Logik). Von dieser Unterscheidung hängt ab, ob in den Wirtschaftswissenschaften die Prädikate "empirisch falsch" oder "empirisch wahr" überhaupt relevant sind. Nun hat die Wirtschaftswissenschaft offensichtlich einen realen Gegenstand nämlich das Wirtschaftsgeschehen. Trotzdem ist ihre Klassifizierung als Realwissenschaft damit noch nicht selbstverständlich:

" Allerdings kann man feststellen, daß sich die Nationalökonomie nicht immer mit der Wirtschaft beschäftigt, wie sie tatsächlich in der Realität anzutreffen ist. Beispiele dafür sind die Idealfigur des homo oeconomicus....".

Man spricht von einer realwissenschaftlichen Theorie, wenn diese Aussagen über die Wirklichkeit macht. Eine formalwissenschaftliche Theorie darf dagegen nur den Anspruch auf logische Gültigkeit erheben. Es handelt sich dann um "reine Theorie", wie ich sie schon an anderer Stelle erwähnte, oder um "Entscheidungslogik". Diese gelten nur bei der Erfüllung ihrer meist wirklichkeitsfremden Annahmen für die Realität.

Geht z.B. eine entscheidungslogische Untersuchung vom Vorliegen einer bestimmten Situation aus, dann ist sie in der Realität auch nur gültig, wenn genau diese Situation vorliegt:

" Man kann aber ausschließen, daß die Bedingungen 'vollkommene Information' und 'vollkommener Markt' jemals erfüllt sind, und es ist unwahrscheinlich, daß das Ziel Gewinnmaximierung ohne Einschränkungen verfolgt wird. Die zugrundegelegten Annahmen sind also nicht erfüllt. Die Begründung für den Erfolg dieser Entscheidungsregel ist in der Realität somit nicht gegeben. Wird also nicht gefordert, daß die entscheidungslogischen Aussagen auf konkrete Situationen anwendbar sein sollten, müssen ihre Annahmen auch nicht auf ihre empirische Gültigkiet geprüft werden."

Es ist daher nach Schüz im jeweiligen Einzelfall zu klären, ob eine Aussage eine empirische Hypothese oder eine Norm ist. Eine empirische Hypothese macht Aussagen über die Realität. Liegt dagegen eine Norm vor, dann wird eine Aussage darüber gemacht, wie man sich verhalten sollte. Das Verhalten muß in der Realität jedoch nicht vorliegen. Drittens kann eine Aussage eine Definition sein. Auch hier liegt kein direkter Bezug zur Realität vor, so Schüz. Es kann bei einer Definition nur ihre Zweckmäßigkeit diskutiert werden. Es sollte immer klar sein, welche Art von Aussage ein Wissen-schaftler machen will. Denn normative und definitorische Aussagen und daraus abgeleitete Aussagen dürfen nicht den Anspruch auf empirische Gültigkeit erheben.

3.2.2 Gesetzeshypothesen als oberstes Ziel der Wirtschaftswissenschaften
Es gibt also sowohl formalwissenschaftliche wie auch realwissenschaftliche Bereiche in den Wirtschaftswissenschaften. Im Folgenden geht Schüz von einer realwissen- schaftlichen Wirtschaftswissenschaft aus. Dies liegt nahe, da ja auch Friedman Aussagen über die Realität machen will. Dann geht es in der Wirtschaftswissenschaft also um die Erstellung und Prüfung von empirischen Hypothesen. Eine Hypothese ist eine Aussage, die eine Behauptung über die Realität aufstellt. Ist die Hypothese gut bestätigt, so spricht man von einer Gesetzeshypothese. Ein System von Gesetzeshypothesen bildet eine Theorie. Das oberste Ziel einer realwissenschaftlichen Wirtschaftswissenschaft muß es also sein, solche gut bestätigten Hypothesen bzw. Gesetzeshypothesen zu bilden. Denn mit diesen Gesetzeshypothesen kann man die drei Hauptziele der realwissenschaftlichen Wirtschaftswissenschaft erfüllen:

1. Die Erklärung von singulären Ereignissen und Gesetzmäßigkeiten.

2. Die Prognose singulärer Ereignisse.

3. Die Entwicklung technologischer Aussagen.

Gesetzeshypothesen behaupten, daß unter bestimmten Umständen immer bestimmte Zustände zu erwarten sind. Sie führen also Entwicklungen auf das Vorliegen bestimmter Umstände zurück, d.h. sie erklären sie. Sie behaupten außerdem, daß diese Entwicklungen bei diesen Umständen immer auftreten, d.h. sie machen Prognosen über die Zukunft. Aber es ist immer zu klären, ob die von der Gesetzeshypothese vorausgesetzten Umstände auch vorliegen, damit man sie auch anwenden darf. Und schließlich ist zu klären, was zu tun ist, wenn man unter den vorliegenden Umständen ein bestimmtes Ziel erreichen will (technologische Anwendung). Auf diese Weise kann eine realwissenschaftliche Ökonomie Entscheidungshilfen für das Wirtschaften mit knappen Mitteln bieten.

3.3 Verfahren der Gültigkeitsprüfung
Will die Wirtschaftswissenschaft also ihre Ziele mit Bildung gültiger bzw. "wahrer" Gesetzeshypothesen erreichen , gilt es nun zu klären, wie man herausfindet, ob eine Gesetzeshypothese gültig ist. Das Verfahren dazu liefert die jeweilige Methode. Eine Methode ist also auch danach zu beurteilen, wie gut ihr Gültigkeitstest ist. Für Friedman ist der Test der Gültigkeit einer Hypothese der "Erfolg ihrer Prognosen". Dieses Gültigkeitskriterium will ich in Anlehnung an Schüz untersuchen. Ausgangspunkt ist die Frage, wie die Wahrheit einer singulären bzw. allgemeinen Aussage begründet werden kann. Zuerst werde ich die auftretenden Probleme aufweisen und anschließend die verschiedenen Lösungsansätze der Wissenschaftstheorie kurz darlegen, um in diesen Rahmen schließlich Friedmans Methodologie einordnen zu können.

 

3.3.1 Problemaufweis
Bei der Beurteilung der Wahrheit bzw. Gültigkeit einer empirischen Aussage liegen einige Probleme vor. So besteht das Problem, daß unsere Beobachtungen der Realität von Sinnestäuschungen verzerrt werden können. Wenn die Wahrheit einer singulären Aussage, z.B. nach der Korrespondenztheorie der Wahrheit, bedeutet, daß die von der Aussage beschriebenen Umstände mit der Realität übereinstimmen, kann dies zu erheblichen Problemen führen.
Schüz unterscheidet folgende Möglichkeiten der Verzerrung unserer Wirklichkeitswahrnehmung:

a) Oft werden Beobachtungen 'indirekt', d.h. mit Hilfe komplizierter technischer Apparaturen, gemacht, deren Funktionen auf Theorien basieren, die falsch sein können, so daß auch die Beobachtung falsch sein kann. Dieses Problem ist besonders gewichtig, wenn die Beobachtung mit keinem menschlichen Sinnesorgan überprüft werden kann. Z.B. "Dieser Gegenstand ist radioaktiv."

b) Als Zweites ist das Universalienproblem zu nennen. Universalien sind zum einen Dispositionsbegriffe wie "Glas", "Wasser", die singuläre Beobachtungen zusammenfassen, aber selbst nicht unmittelbar beobachtbar sind. Werden sie in einer Behauptung verwendet, können sie nicht überprüft werden, wie die Behandlung des logischen Positivismus noch zeigen wird. Zum anderen versteht man unter Universalien theoretische Begriffe wie "Elektron" oder "Umlaufgeschwindigkeit des Geldes", die ebenfalls nicht direkt empirisch zu beobachten sind.

Die Erkenntnis, daß eine korrekte Erfassung der Realität nicht gewährleistet ist, hat

Auswirkungen auf die Entscheidung, wann eine Hypothese oder Theorie verworfen wird. Ich gehe nun die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zu diesem Problem durch.

3.3.2 Der Logische Positivismus
Der Positivismus war die vor dem Kritischen Rationalismus vorherrschende Methode in den Wirtschaftswissenschaften. Der Positivismus besagt, daß eine allgemeine Aussage wahr ist, wenn sie aus wahren singulären Aussagen hergeleitet werden kann. Den Schluß von singulären auf allgemeine Aussagen bezeichnet man als Induktion.

Die Kritik an dieser Methode sagt jedoch, daß dieser Schluß logisch nicht zulässig ist. Wenn man z.B. drei Tische mit vier Beinen gesehen hat und daher die allgemeine Behauptung aufstellt, daß alle Tische vier Beine haben, übersteige die allgemeine Aussage den Inhalt der singulären Aussagen. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß allgemeine Aussagen auch Behauptungen über zukünftige Ereignisse beinhalten. Dagegen beziehen sich singuläre Aussagen immer nur auf gegenwärtige oder vergangene Sachverhalte. Auch wenn man bisher immer nur Tische mit vier Beinen gesehen hat, kann es Tische mit drei Beinen geben. Es ist also sehr gewagt, von einer endlichen Anzahl singulärer Ausssagen auf eine allgemeine Aussage zu schließen:

"Es läßt sich logisch nicht begründen, daß ein in der Vergangenheit festgestellter regelmäßiger Zusammenhang auch in der Zukunft gilt. Noch so viele bestätigende Beobachtungen berechtigen nicht zu dem Schluß, daß eine allgemeine Aussage immer und überall zutrifft."

3.3.3 Der Kritische Rationalismus
Als Konsequenz aus dieser Kritik entwickelte Popper eine Methode, die das umgekehrte Vorgehen bevorzugt. Es handelt sich um eine deduktive Methode der Nachprüfung. Sie beruht auf der Erkenntnis, daß man zwar nicht die Wahrheit einer Hypothese aber ihre Falschheit empirisch nachweisen kann. Wenn sie also nicht durch ihr widersprechende Beobachtungen widerlegt wurde (falsifiziert), wird sie als vorläufig wahr angesehen. Gewißheit über die Wahrheit einer Aussage gibt es nicht. Wissenschaftlicher Fortschritt besteht dann darin, der Wahrheit immer näher zu kommen; denn alle Theorien werden sich wahrscheinlich irgendwann als falsch erweisen. Eine Theorie wird also nach Poppers Methodologie geprüft, indem ihre Prognosen mit singulären Beobachtungsaussagen verglichen werden. Es erscheint jedoch nicht sinnvoll zu sein, eine Theorie bei Widerspruch zu einer einzelnen Beobachtungsaussage als Ganze zu verwerfen. Denn die Theorie kann für andere Fälle dennoch gute Ergebnisse erzielen. Die Theorie kann dann aber weder als grundsätzlich "wahr" noch als "falsch" bezeichnet werden:

"Auch wenn man die Wahrheit einer Gesetzeshypothese nicht nachweisen kann, kann man doch falsche von gut bestätigten unterscheiden. Der Forderung nach wahren bzw. gut bestätigten Gesetzeshypothesen stehen von dieser Seite keine Hindernisse im Wege."

Der klassifikatorische Wahrheitsbegriff, der nur die Wahrheitswerte falsch oder wahr kennt, reicht hier offensichtlich nicht mehr aus. Es erscheint erstrebenswert, innerhalb der gut bestätigten Theorien nochmals unterscheiden zu können. Popper hat daher einen komparativen Wahrheitsbegriff gebildet. Dieser berücksichtigt den "Grad der Bewährung" bzw. die "Wahrheitsnähe":

"Die Grundidee der Wahrheitsähnlichkeit beruht darauf, daß sich aus falschen Hypothesen nicht nur falsche, sondern auch wahre Konsequenzen ableiten lassen. Die Menge der wahren Konsequenzen einer Theorie wird 'Wahrheitsgehalt' genannt, die Menge der falschen heißt 'Falschheitsgehalt'."

Damit Poppers Prüfverfahren angewendet werden kann, muß die jeweilige Theorie falsifizierbar sein. Falsifizierbarkeit ist eine logische Eigenschaft. Wenn eine Theorie bestimmte Sachverhalte behauptet, schließt sie andere aus. Sie kann in diesen von ihr ausgeschlossenen Fällen falsifiziert werden, wenn eben diese Fälle in der Wirklichkeit beobachtet werden. Die Theorie kann also prinzipiell empirisch widerlegt bzw. falsifiziert werden, d.h. sie ist falsifizierbar. Sie ist dann eine realwissenschaftliche Theorie Eine tatsächliche Widerlegung heißt dagegen Falsifikation. Es ist für Popper die Aufgabe jedes Wissenschaftlers, im Rahmen einer wissenschaftlichen Diskussion die Theorien auf mögliche Falsifikationen zu prüfen. Denn die Widerlegung alter Theorien ist der Stimulus zur Aufstellung neuer, die der Wahrheit näher kommen. Allerdings ist die Erlangung immer wahrheitsähnlicher Theorien nach Popper gar nicht das Hauptziel der Wissenschaften. Das Hauptziel einer realwissenschaftlichen Theorie ist es vielmehr, über die Realität zu informieren. Zunächst scheint die Information über die Realität mit der Wahrheitsnähe einer Theorie konsistent zu sein. Doch Schüz macht auf einen Konflikt zwischen diesen beiden Zielen aufmerksam. Denn der Informationsgehalt einer Behauptung ist umso größer, je mehr logisch zulässige Möglichkeiten sie ausschließt. Dadurch ist eine informative Aussage einem höheren Fehlschlagrisiko ausgesetzt. Sie hat meist einen höheren Falschheitsgehalt als eine uninformative Aussage, die wenige, logisch zulässigen Möglichkeiten ausschließt. Die Ziele des Informationsgehaltes und der Wahrheitsnähe kollidieren daher. Aber man kann auf keines verzichten, da noch so informative Aussagen sinnlos sind, wenn sie falsch sind. Und im Gegenzug nutzen einem wahre Aussagen nichts, wenn ihr Informationsgehalt gegen Null tendiert, wie z.B. bei der Aussage "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist".

Gerade weil der Kritische Rationalismus die vorherrschende Methode in der Wirtschaftswissenschaft ist, lohnt sich eine kritische Auseinandersetzung. So gibt es zahl- reiche negative Stimmen zu dieser Methode: "Die Methodologie des Kritischen Rationalismus mußte in eine Sackgasse führen." Besonders kritisch wird Poppers Falsifizierungskriterium gesehen, mit dem wissenschaftliche und unwissenschaftliche Aussagen getrennt werden sollen. So meint Breinlinger, daß beim Scheitern dieses Kriteriums der ganze Kritische Rationalismus hinfällig sei. Daß es gescheitert ist, sieht Breinlinger darin begründet, daß es bestimmte Aussagen als unwissenschaftlich deklariert, weil sie nicht falsifizierbar sind. Einige Arten von diesen Aussagen gehören für ihn aber unbedingt zu einer Wissenschaft dazu. Da Popper sein Abgrenzungs- kriterium zwischen wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Aussagen als Frage der zweckmäßigen Festsetzung sieht, ist es daher für Breinlinger nicht mehr haltbar:

"Mit der Preisgabe der Falsifzierbarkeit als Abgrenzungskriterium fällt allerdings nicht nur die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft, sondern es scheitert tatsächlich die gesamte Methodolgie POPPERs."

Auch Chalmers kritisiert den Falsifikationismus Poppers, wegen der schon angesprochenen Theorieabhängigkeit von Beobachtungsaussagen. Denn man kann eine Theorie offensichtlich nur mit wahren Beobachtungsaussagen falsifizieren. Die Voraussetzung dafür ist, daß vollkommen sichere Beobachtungsaussagen zur Verfügung stehen. Dies ist wegen der Theorieabhängigkeit von Beobachtungsaussagen für ihn jedoch nicht zu beurteilen. Daher gilt für Chalmers: "Endgültige Falsifikationen müssen aufgrund des Mangels an echter Sicherheit der Beobachtungsgrundlage, auf der sie beruhen, ausgeschlossen werden." Chalmers bemerkt zwar, daß Popper selbst auch dieses sogenannte "Basisproblem" gesehen habe, aber dessen Antwort darauf sei keine befriedigende Lösung. Denn:

"Eine für den Falsifikationisten peinliche historische Tatsache ist die, daß, wenn sich Wissenschaftler strikt an die falsifikationistische Methodologie gehalten hätten, gerade jene Theorien, die allgemein zu den besten wissenschaftlichen Theorien gezählt werden, niemals entwickelt worden wären. Sie wären bereits in ihren Anfängen widerlegt worden."

Diese letzte Anmerkung scheint mir jedoch kein bedeutsames Argument gegen den Falsifikationismus zu sein. Denn schließlich will dieser ja nur fertige Theorien bzw. Hypothesen beurteilen. Er macht ausdrücklich keine Aussage darüber, wie Theorien gewonnen werden. Für Popper ist dies eine Frage der Phantasie und Psychologie.

Das Basisproblem ist auch bei der Diskussion über den Realismus der Annahmen einer Theorie von Bedeutung. Ein weiterer Kritikpunkt am Kritischen Rationalismus aber, den sowohl Breinlinger wie auch Chalmers erwähnen, folgt aus den Untersuchungen Kuhns. Kuhn hat nämlich aufgezeigt, daß die Wissenschaftspraxis gänzlich anders abläuft, als es der Kritische Rationalsimus proklamiert. Peukert meint schließlich noch, daß ein "innerer Widerspruch" in Poppers Methode vorliege. So warne Popper zum einen vor einem naiven Realitätsverständnis, doch führe er es auf der anderen Seite durch die Hintertür wieder ein:

"Offenbar gelingt es Popper also nicht, seine eigenen Einsichten in den Erkenntnisgang der Wissenschaften so zu interpretieren, daß die Widersprüche des klassischen Positivismus und Empirismus überwunden werden."

Es ist also offensichtlich, daß der Kritische Rationalismus umstrittener ist, als es seine weite Verbreitung vermuten läßt. Für Chalmers und Breinlinger folgt aus der Kritik am Kritischen Rationalismus die Forderung nach anderen, neuen Methodologien. So wurden auch einige Nachfolgeprogramme entwickelt: z.B. Kuhn, Lakatos und der Strukturalismus. Diese Richtungen kann ich wegen des begrenzten Umfangs meiner Arbeit hier jedoch nicht aufzeigen. Es kann mir nur darum gehen, die Methoden darzustellen, die im Rahmen der Beurteilung von Friedmans Essay relevant sind.

3.3.4 Gibt es Unterschiede zwischen Friedman und Popper ?
Friedman nimmt nicht in Anspruch, eine völlig neue Methode entworfen zu haben. Er liegt vielmehr auf der Linie Poppers und weicht von dieser teilweise etwas ab. Dies liegt am Hauptthema seines Essays: der Irrelevanz falscher Annahmen. Auch Popper hat die Tatsache, daß aus falschen oberen Hypothesen wahre niedere abgeleitet werden können, in seine Methode übernommen. Auch hat er wie Friedman betont, daß die Annahmen jedoch nicht beliebig falsch sein können. Sie dürfen nur falsch sein, wenn die aus ihnen abgeleiteten Prognosen bzw. niederen Hypothesen mit der Realität konsistent sind. Daher scheint mir im Hauptthema von Friedmans Essay kein essentieller Widerspruch zu Popper vorzuliegen. Daher erübrigt sich ein Vergleich der weiteren Methodenelemente meiner Ansicht nach, denn ich will ja gerade die Hauptthese Friedmans untersuchen.

Die kurze Darstellung der hier aufgeführten Methoden verliert damit nicht ihren Sinn. Vielmehr hat sie ihn erfüllt, da man nun einen kleinen methodologischen Überblick erhalten hat und sich eine Beurteilung von Friedman anhand des Vergleichs mit Popper erübrigt. Mit der kurzen Darstellung des Instrumentalismus folgt nun aber die Überleitung auf die Hauptfrage: die Konsequenzen falscher Annahmen.

3.3.5 Der Instrumentalismus
Vor allem in der ausführlichen amerikanischen Diskussion von Friedmans Essay, spielt die folgende Methode eine große Rolle. So interpretiert vor allem Boland Fried- man als Instrumentalisten: "I think it can best be understood as an instrumentalist's argument for instrumentalism." Und Friedman soll diese Interpretation später einmal als "völlig korrekt" bezeichnet haben. Im Verlauf dieser Diskussion behaupten die Befürworter von Friedmans Essay, daß die Kritik an Friedman auf einem falschen Ver- ständnis von diesem beruhe. Interpretiere man Friedman dagegen richtig als Instrumentalisten, so treffe die Kritik nicht mehr zu: "Every Critic of Friedman's essay has been wrong. The fundamental reason why all of the critics are wrong is that their criticisms are not based on a clear, correct, or even fair understanding of his essay."

So erlaube der Instrumentalismus, als eine logisch konsistente und nicht widerlegte Methode, die Verwendung falscher Gesetzeshypothesen. Was sagt Instrumentalismus aber? Ganz allgemein geht es dem Instrumentalismus nicht um einen Wahrheitsbezug wissenschaftlicher Aussagen zur Realität. Denn für ihn sind sie nur Instrumente, die zur Aufstellung von Voraussagen entworfen werden. Er verlangt also tatsächlich nicht direkt die Wahrheit von Gesetzeshypothesen. Er würde auch falsche Gesetzeshypothesen akzeptieren, wenn diese ihre Aufgabe ebenfalls erfüllen.

Schor erklärt das falsche Verständnis von Friedmans Essay als falsches Zielverständnis. So setze sich Friedmans instrumentalistische Sicht nicht mit der Theorien auseinander, die den Anspruch erheben, Realität abbilden oder erklären zu wollen, sondern er betrachte nur solche, die als nützliche Instrumente bei der Einschätzung kurzfristiger Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen verwendet werden. Daher sei allein die Prognosekraft und nicht der Realismus der Annahmen relevant:

"Der Realismus der Annahmen ist, bezogen auf dieses enge Erkenntnisziel, irrelevant, und zwar unabhängig davon, ob unter Realismus Vereinbarkeit mit der Wirklichkeit, empirische Testbarkeit oder gar Wahrheit zu verstehen ist."

Für die Richtigkeit dieser Interpretation finde ich jedoch kein stützendes Zitat bei Friedman selbst. Und selbst wenn sie zutrifft, bleibt zu untersuchen, ob mit falschen Annahmen gute Prognosen erzielt werden können, und insbesondere, ob man vorher weiß, ob die entsprechende Prognose gut ist oder nicht. Dabei ist es irrelevant, ob es um kurzfristige oder mittel- bzw. langfristige Prognoseziele geht.

3.4 Konsequenzen falscher Annahmen
Ich gehe nun mit Schüz der Frage nach, ob das Ziel der Erbringung genauer Voraussagen mit falschen Annahmen erlangt werden kann. Denn davon hängt ab, ob die Hauptthese Friedmans haltbar ist. Voraussagen beruhen auf Erklärungen. Bei Popper umfaßt der Begriff "Prognose" sowohl Voraussagen wie Erklärungen. Für Schüz gilt eine Prognose dann nach vorherrschender Meinung als wissenschaftlich, wenn sie durch einen logisch korrekten Schluß aus Gesetzen und Anwendungsbedingungen hergeleitet wurde. Dazu folgende Wahrheitstabelle:

 

 

p q p® q

(1) w w w

(2) w f f

(3) f w w

(4) f f w

P sind die Prämissen und q ist die Konklusion. Im Rahmen von Friedmans Hauptthese geht es nun vor allem um die Untersuchung der Fälle (3) und (4). Denn Fall (3) bestätigt Friedmans These, daß aus falschen Annahmen wahre Prognosen folgen können. Fall (4) ist zeigt dagegen die Problematik an Friedmans Ansatz auf. Denn aus falschen Annahmen können eben auch falsche Prognosen hergeleitet werden.Das deutet darauf hin, daß man über die Gedanken Friedmans hinausgehen muß. Friedman sagt, daß eine Hypothese am Erfolg ihrer Konklusionen beurteilt werden soll. Hier liegt aber ein eklatantes Problem, da man schon im voraus wissen muß, welche Hypothese in welcher Situation die richtige Voraussage erbringt. Wenn man dagegen nur nach dem Erfolg der Prognose geht, weiß man dies immer erst im nachhinein. Die Annahmen einer Hypothese sind also keineswegs so belanglos wie Friedman meint. Denn wenn wahre Gesetzeshypothesen vorliegen und die entsprechenden Anwendungsbedingungen erfüllt sind, kann man mit logisch gültigen Schlüssen schon im voraus wissen, daß die Prognose zutrifft. Allerdings benötigt man dazu gut bestätigte Gesetzeshypothesen, was ein Problem in der Wirtschaftswissenschaft ist, wie ich in einem späteren Abschnitt darstellen werde. Eine wichtige Voraussetzung für wahre Gesetzeshypothesen ist jedoch zunächst mal die Erfüllung ihrer Anwendungsbedingungen.

3.4.1 Verwendung falscher Anwendungsbedingungen
Wozu benötigt man Anwendungsbedingungen? Das ist leicht zu beantworten: Man benötigt sie zur Gültigkeitsabgrenzung einer Gesetzeshypothese. Eine Gesetzeshypothese kann als Wenn-Dann-Aussage formuliert werden. Die Wenn-Komponente sind die Anwendungsbedingungen: Wenn a vorliegt, ist b zu erwarten. Friedman bezweifelt nicht, daß Anwendungsbedingungen sinnvoll sind und benötigt werden. Aber er behauptet, daß sie nicht unbedingt erfüllt sein müssen, damit die Hypothese richtige Voraussagen machen kann. Er meint, daß die Ergebnisse einer Hypothese in vielen Fällen so seien, "als ob" die Anwendungsbedingungen erfüllt sind. Diese Behauptung will er mit seinen diversen Beispielen stützen. Wie wir gesehen haben, muß für die Gültigkeit des Fallgesetzes nach Friedman nicht die Anwendungs- bedingung "Vorliegen eines Vakuums" erfüllt sein. Die Anwendungsbedingung muß nach Friedman noch nicht mal annäherungsweise erfüllt sein, worauf es ankommt, ist lediglich der Erfolg der Prognose einer Theorie. Dazu Schüz:

"Vertritt man die Auffassung, daß die Anwendungsbedingungen falsch sein können, stellt sich die Frage, woher der Anwender weiß, welche Theorie er in welcher Situation verwenden kann. Denn die Anwendbarkeit wird durch die Wahrheit der Anwendungsbedingungen bestimmt. Friedman bleibt die Antwort schuldig."

Wenn man das Fallgesetz anwendet, ohne daß ein Vakuum vorliegt, kann dies nach obiger Wahrheitstabelle (siehe Fälle (3) und (4)) zu Erfolgen wie auch zu Mißerfolgen führen. Will man wissen, wann ein Erfolg und wann ein Mißerfolg zu erwarten ist, muß man Bedingungen angeben "..., die exakt spezifizieren, unter welchen Anwendungsbedingungen mit einer erfolgreichen Prognose gerechnet werden kann." Diese genaue Spezifikation ist schwer. Denn es genügt nicht die Beobachtung einzelner Fälle; man muß allgemeine Situationsmerkmale abstrahieren, die für eine gültige Anwendung der jeweiligen Hypothese notwendig und hinreichend sind.

3.4.2 Verwendung falscher Gesetzeshypothesen
Die Anwendungsbedingungen geben an, wann und wo eine Gesetzeshypothese Gültigkeit beansprucht. Davon getrennt muß man fragen, ob die Gesetzeshypothese im angegebenen Bereich auch gültig sind. Anwendungsbedingungen werden erst als Ergebnis einer Gültigkeitsbestimmung einer Hypothese formuliert. Im Rahmen von Friedmans Hauptthese gilt es nun, zu untersuchen, ob die Falschheit der Gesetzeshypothesen irrelevant ist oder nicht. Friedman hat ja an einer Reihe von Beispielen zu zeigen versucht, daß aus falschen oberen Hypothesen wahre niedere abgeleitet werden können.

Die Ableitung einer niederen Hypothese aus einer höheren nennt man Erklärung. Ich gehe im Folgenden mit Schüz von folgendem Beispiel aus: Als niedere Hypothese gilt die Behauptung, daß ein bestimmter Mensch tot ist. Diese Behauptung kann nun mit einer höheren Hypothese erklärt werden, die angibt, warum dieser Mensch gestorben ist. Nach Friedman ist der Inhalt dieser höheren Hypothese beliebig, solange die niedere Hypothese daraus abgeleitet werden kann. Im Beispiel wäre also jede erdenkliche Todesart nach Friedman erlaubt. Es ist aber offensichtlich, daß empirisch gesehen nur eine bestimmte wahr sein kann. Schüz urteilt daher: "Man erkennt, daß Erklärungen mit Hilfe falscher Gesetzeshypothesen nichtssagend, unsinnig und vollkommen unakzeptabel sind." Es ist zwar vollkommen richtig, daß sich aus falschen oberen Hypothesen wahre niedere ableiten lassen. Dies ist aber reiner Zufall und hat nichts mit empirischer Wahrheit zu tun, nach der eine Realwissenschaft strebt. Es läßt sich logisch nicht bestimmen, wann aus einer falschen Gesetzeshypothese eine wahre Konklusion folgt. Wenn die Wirtschaftswissenschaft aber Theorien als Entscheidungshilfe für den Umgang mit knappen Ressourcen anbieten will, muß sie nach Wahrheit streben. Denn wenn die Voraussagen nur noch zufällig wahr sind, kann der Entscheidungsträger gleich aus dem Bauch heraus entscheiden:

"Prognosen auf der Grundlage falscher Theorien lassen sich von irgendwelchen obskuren Vorhersagetechniken nicht unterscheiden. Sie können zwar zutreffende Prognoseaussagen hervorbringen (manchmal sogar über längere Zeit). Diese Erfolge sind aber nicht begründet, d.h. rein zufällig. Begründung erfordert wahre Aussagen."

Falsche Gesetzeshypothesen können durchaus verwendet werden, wenn sie wenigstens für einen Teilbereich wahr sind. Sie sind dann aber nicht mehr falsch. Falsch sind sie nur für den Bereich außerhalb ihrer Anwendungsbedingungen. Manchmal ist es aber sinnvoll, ungenaue Theorien zu verwenden, obwohl man über bessere verfügt. Denn oft ist die schlechtere Theorie einfacher anwendbar. Dann muß man aber, so Schüz, den Grad der Abweichung wissen. Dazu benötigt man den Vergleich mit der höheren Hypothese, die die schlechtere erklärt.

3.5 Probleme realwissenschaftlicher Wirtschaftswissenschaft
Es ist deutlich geworden, wie erstrebenswert wahre Annahmen in der Wirtschaftswissenschaft sind. Nur so sind wirtschaftswissenschaftliche Entscheidungshilfen sinnvoll. Aber es ist nicht ganz leicht, die wahren Annahmen zu bestimmen. So müssen die Anwendungsbedingungen allgemeine Merkmale für die Zulässigkeit der Anwendung einer Gesetzeshypothese angeben. Einzelne Fälle als Vergleichsmaßstab langen nicht. Insbesondere ist es in der Wirtschaftswissenschaft schwer, gut bestätigte Gesetzeshypothesen zu entwickeln, die nicht nur vergangene Ereignisse erklären, sondern auch begründetermaßen für die Voraussage von Ereignissen gebraucht werden können. Dies hängt mit dem besonderen Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft zusammen. Es ist daher zu fragen, ob wirklich kein prinzipieller Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften besteht, wie Friedman behauptet. Davon hängt ab, ob Friedmans Ziel einer "klaren positiven Ökonomie" erreichbar ist.

3.5.1 Abstraktion
Friedman selbst macht in seinem Essay auf einen Punkt aufmerksam, der seiner Meinung nach die Bildung realistischer Annahmen unmöglich macht. So könne man nicht alle Elemente der Realität berücksichtigen und müsse sich daher auf die wesentlichen konzentrieren. Kriterium der Unterscheidung, ob ein Realitätsmerkmal berücksichtigt wird oder nicht, ist seine Einflußkraft auf den zu erklärenden Phänomenbereich.

Es werden also nur die wesentlichen Elemente in die Hypothese aufgenommen bzw. abstrahiert. Damit wird die auf den wichtigen Elementen aufbauende Hypothese, für Friedman aber für die nicht berücksichtigten Elemente falsch.

Dies ist nach Schüz nicht richtig. Wenn man z.B. bei der Beschreibung eines Tisches

nur die Anzahl seiner Beine berücksichtigt und Farbe, Größe usw. vernachlässigt, so wird die Beschreibung dadurch nicht sogleich empirisch falsch. Nur wenn die beachtete Größe falsch ist, ist auch die Beschreibung falsch: Wenn z.B. die Beschreibung sagt, der Tisch habe drei Beine und in Wirklichkeit hat er vier. So muß man nach Schüz zwischen der Unvollständigkeit und der Falschheit einer Gesetzeshypothese unterscheiden. "Unvollständigkeit" besagt, daß sie nicht alle Elemente der Realität berücksichtigt, "Falschheit" dagegen, daß sie die beachteten empirisch falsch beschreibt. Wenn eine Gesetzeshypothese als Wenn-Dann-Aussage aufgefaßt wird, führt die Unvollständigkeit der Dann-Komponente nicht zur Falschheit. Ist die Wenn-Komponente unvollständig, so ist die Hypothese ebenfalls nicht unbedingt falsch. Aber sie ist nicht mehr empirisch überprüfbar, weil man nicht weiß, wann sie angewendet werden darf. Unvollständigkeit bezieht sich in diesem Fall aber nur auf die Nicht-Berücksichtigung von Elementen mit Einfluß auf den zu erklärenden Phänomenbereich.

3.5.2 Komplexität
Damit sind wir beim nächsten Problem: Abstraktion ist notwendig aufgrund der Vielfalt der Realität. Ist die Realität dagegen auch noch komplex, so bedeutet dies große Schwierigkeiten, gute aber einfache Theorien zu finden.

Komplexität bedeutet, daß in dem zu erklärenden Phänomenbereich sehr viele Einfluß-größen vorliegen, die man bei einer realwissenschaftlichen Hypothese eigentlich berücksichtigen müßte. Man gerät damit nach Schüz in ein "Dilemma". Denn entweder man bildet trotz der Komplexität einfache Theorien, die viele Einflußgrößen vernachlässigen und daher empirisch falsch sind. Oder man bildet komplexe Gesetzes-hypothesen, die so gut wie alle Einflußgrößen berücksichtigen, aber dafür in der Praxis als Entscheidungshilfe nicht anwendbar sind, da die vielen Anwendungsbedingungen zum einen wohl nie ganz erfüllt sein werden und die Erfüllung andererseits kaum fest-stellbar ist aufgrund der hohen Anzahl. Aus diesem Dilemma wird von einigen Wirtschaftswissenschaftlern die Konsequenz gezogen, daß in der Ökonomie keine Gesetzeshypothesen aufstellbar sind:

 

"Erstens wird behauptet, daß ein Gesetz, welches nicht alle Variablen einschließt, die einen Einfluß auf das untersuchte Ereignis haben können, falsch ist. Zweitens seien die relevanten Variablen wegen der Komplexität des Gegenstandes der Ökonomie so zahlreich, daß sie unmöglich alle in eine Gesetzeshypothese explizit aufgenommen werden könnten. Treffen beide Thesen zu, kann es keine wahren ökonomischen Gesetze geben."

3.5.3 Konsequenzen
Die in der Wirtschaftswissenschaft gängige Lösung des Komplexitätproblems ist die ceteris-paribus-Bedingung. Mit ihr werden alle relevanten, aber unberücksichtigten Faktoren konstant gesetzt. Das heißt "..., daß die Gültigkeit des Gesetzes nur für den Fall behauptet wird, daß die vernachlässigten relevanten Faktoren konstant sind, d.h. keinen Einfluß ausüben." Der Nachteil dieser Konsequenz auf das Komplexitätsproblem liegt auf der Hand. So sind die konstant gesetzten Größen in der Realität meist nicht konstant. Auch kann bzw. wird oft nicht genau angegeben, welche Faktoren konstant gesetzt wurden. Schüz spricht dann von einer "unspezifizierten ceteris

paribus-Bedingung". Negative Folge ist die mangelnde Überprüfbarkeit solcher ökonomischer Gesetze an der Realität. Eine mögliche Lösung dieses Problems wiederum sieht Schüz in einer eventuellen Rückführung ökonomischer Gesetze auf höhere Verhaltensgesetze. Was für Verhaltensgesetze er meint und ob es sie überhaupt gibt, behandelt Schüz in seiner Arbeit leider nicht. Allerdings ist es für ihn mit dem Argument der Komplexität nicht bewiesen, daß es keine eigenständigen ökonomischen Gesetzeshypothesen geben kann. Denn es gebe keineswegs Einigkeit in den Wirtschaftswissenschaften, ob die Komplexität ein speziell ökonomisches Phänomen sei, oder ob es auch in den Naturwissenschaften so sei. Wenn dies aber so wäre, müßte man eigentlich auch in der Ökonomie trotz der Komplexität Gesetzeshypothesen finden können: "Es läßt sich also weder nachweisen, daß es wahre ökonomische Gesetzeshypothesen gibt, noch daß es sie nicht gibt." Daß die Ökonomie aber bis heute anscheinend mit gut bestätigten Gesetzeshypothesen nicht besonders gesegnet war, scheint mir auch an dem starken Wandel zu liegen, dem der ökonomische Gegenstandsbereich unterliegt. Man vergißt dadurch, daß man für vergangene Ereignisse mit Hilfe der Ökonomie durchaus stichhaltige Erklärungen gefunden hat:

"Wenn es trotz dieser Mängel heute möglich ist, Phänomene wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Zahlungsbilanzungleichgewichte zu beeinflussen - auch, wenn die Neben- und Folgewirkungen häufig den vollen gewünschten verhindern- , so zeigt dies den Sinn der theoretischen Bemühungen für die gesellschaftliche Wirklichkeit, der nicht hoch genug bewertet werden kann."

Aber Erklärungen geschehener Ereignisse sind in der Ökonomie wohl nicht als Gesetze verwendbar, die immer Gültigkiet beanspruchen, weil sich der erklärte Gegenstand eben so stark wandelt. Diesen Wandel festzuhalten, sollte daher ein vorrangiges Ziel der Ökonomie sein. Denn aufgrund eines detaillierten Wissens um diesen Wandel, kann man bisher gefundene Erklärungen aktualisieren und dadurch wieder gültig machen. Mit dem Begriff "Fortschritt" muß man in der Wirtschafts-wissenschaft auch wegen diesem ständigen Wandel vorsichtig umgehen. Denn die Aufgabe eines Wirtschaftswissenschaftlers sollte es ja sein "..., die Wirtschaftswissenschaft weiterzuentwickeln, indem er das Funktionieren des Wirtschaftssystems, in dem er lebt, immer besser erklärt." Außerdem sagt Roncagli an dieser Stelle:

"Um das zu tun, kann der Wirtschaftswissenschafter aber nicht einfach von den Theorien seiner Vorgänger ausgehen und auf ihnen aufbauen, um bessere Theorien zu entwickeln. Denn in der Zwischenzeit verändert sich die wirtschaftliche Realität, und es ist nicht gesagt, daß die effektivste Art, die neue Realität zu begreifen, jene ist, die alten Theorien zu verbessern. Wenn die Veränderungen grundlegend sind, kann es sinnvoller sein zu versuchen, eine neue Theorie auf der Basis von Hypothesen aufzubauen, die sich von jenen der Wirtschaftswissenschafter der Vergangenheit unterscheiden."

Eine positive Ökonomie, die uns genau sagt, was passiert, wenn wir dies oder jenes tun, so daß wir nur noch über unsere Zielsetzungen streiten müssen, die wir erreichen wollen, gibt es nicht. Aber

eine realwissenschaftliche Wirtschaftswissenschaft braucht nicht in Depressionen zu verfallen. Nach Schüz darf sie es sogar nicht:

"Die vorliegende Untersuchung hat aber gezeigt, daß man an die Existenz wahrer ökonomischer Gesetzmäßigkeiten glauben muß und versuchen muß, sie zu entdecken, wenn man die Wirtschaftswissenschaft als Realwissenschaft in Poppers Sinne versteht. Glaubt man nicht daran, ist Poppers methodologische Konzeption nicht anwendbar. Friedmans Konzeption bietet aber keine akzeptable Alternative. Falsche Gesetze und Anwendungsbedingungen begründen kein Vertrauen in Prognosen und Technologien und können auch nicht für Erklärungen verwendet werden."

3.5.4 Fortschritt in der Wirtschaftswissenschaft
Es ist klar, daß man sich auch von Friedman in der Vorstellung über Fortschritt in der Wirtschaftswissenschaft unterscheidet, wenn man im Gegensatz zu ihm prinzipielle Unterschiede zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaft sieht. Ich gehe im folgenden von einem Aufsatz E.Helmstädters über das Thema Fortschrit in der Wirtschaftswissenschaft aus, in dem er drei Arten wissenschaftlichen Fortschritts unterscheidet, die alle in unterschiedlicher Gewichtung in der Wirtschaftswissenschaft vorkommen:

  1. Der kumulative Fortschritt ist ein Erweiterungsprozeß des Wissens. Hier erweitern Zugänge an Wissen den Wissensstand kumulativ, d.h. "anhäufend". Dieser Fortschritt ist nach Helmstädter für die Wirtschaftswissenschaft eher untypisch. Zwar sei sie eine Erfahrungsiwssenschaft, die mit Hilfe von verbesserten Verfahren und Technologien Daten besser erfassen und verarbeiten könne, doch stoße dieser Fortschritt schnell an Grenzen der analytischen Auswertung dieser Daten:
  2. "Die nicht durchdringbare Komplexität des wirtschaftlichen Prozesses verlangt nach begreifbarer Reduktion des Komplexitätsgrades durch theoretische Reflexion. (...) Im Ganzen gesehen ist der kumulative Fortschritt für die Geschichte der Nationalökonomie vergleichsweise untypisch. Er bildet die Ausnahme und betrifft im wesentlichen die ständige Zunahme des prä-theoretischen Informationswissens über das Erfahrungsobjekt Wirtschaft."

  3. Der substitutive Fortschritt ist dagegen ein ständiger Neuerungsprozeß. Neue Erkenntnisse ersetzen alte Erkenntnisse. Hierunter fällt in der Wirtschaftswissenschaft nach Helmstädter vor allem der Wechsel der Methoden: "Unter den Methoden der Nationalökonomie versteht man die Art und Weise, wie an die Lösung eines wissenschaftlich interessierenden Problems herangegangen wird." So kann man zwischen Partial- und Totalanalyse als Betrachtungsweise wählen. Und ein Problem eher "qualitativ" oder "quantitativ" behandeln. Als substitutiver Fortschritt ist es zu bewerten, daß heute an wirtschaftliche Probleme "quantitativ" herangegangen wird. Auch der Wechsel von der objektiven zur subjektiven Wertlehre ist ein substitutiver Fortschritt. Dieser Fortschritt bedeutet nicht unbedingt, daß die alten Methoden widerlegt wurden. Doch auch diesem Fortschritt räumt Helmstädter in der Wirtschaftswissenschaft nur eine Nebenrolle ein, denn: "...das eigentliche Drama der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften spielt sich auf dem Felde des zirkulären Fortschritts ab."
  4. Der zirkuläre Fortschritt ist ein Prozeß in dem alte Erkenntnisse wieder aktuell werden können. Das sieht Helmstädter in der Wirtschaftswissenschaft darin begründet, daß hier immer wieder dieselben Probleme auftauchen, wie z.B. Arbeitslosigkeit, Inflation... usw. Ein weiterer Grund für diesen Fortschritt liegt in der prinzipiellen Schwierigkeit, alte ökonomische Theorien endgültig zu widerlegen. Denn eine solche Theorie basiert immer auf Annahmen die zum Teil auf Werturteilen beruhen: "Der zirkuläre Fortschritt der Wissenschaft ist ein dialektischer Prozeß, ein Meinungsstreit, bei dem es keine endgültigen Sieger gibt." Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von möglichen Werturteilen. Wenn jeder Wissenschaftler seine Akzente innerhalb dieses möglichen Rahmens selbst setzt, wird wohl auch jede alte Richtung durch die Wieder- aufnahmen bei dem entsprechenden Wissenschaftler wieder aktuell. Zwar sei damit auch immer eine Weiterentwicklung der alten Position verbunden, so Helmstädter doch diese sei nie so stark, daß man für die jeweilige Richtung eine gänzlich neue Bezeichnung einführen müsse.

 

3.5.5 Werturteilsproblematik
Im Folgenden gehe ich näher auf das genannte Problem der Werturteile ein. Dieses hat seine Ursache darin, daß der Wirtschaftswissenschaftler in einem intimeren Sinn in die Realität eingebunden ist, die er untersucht:

"Unser Körper ist zweifellos eine Verbindung der verschiedenen chemischen Elemente, aber diese Tatsache beinhaltet für den Chemiker kein emotionales Interesse an diesem oder jenem Resultat seiner Studien. Der Wirtschaftswissenschaftler dagegen ist Teil der Gesellschaft, die er untersucht, und kann gar nicht anders, als auf verschiedene Weise durch seine spezielle Position innerhalb eben dieser Gesellschaft beeinflußt zu werden."

Die Ergebnisse seiner Forschung betreffen einen Wirtschaftswissenschaftler nach Roncagli also unmittelbar auf emotionaler Ebene. Denn er ist genauso an einer bestimmten Wirtschaftspolitik interessiert wie alle anderen. Er hat seine politische Richtung mit entsprechender Wertsetzung, und unter diesem Blickwinkel wird er auch den ökonomischen Gegenstand betrachten. Auch Friedman hat diese Besonderheit in seinem Essay erwähnt, sieht jedoch wieder keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaft. Anders dagegen Roncagli:

"Auf höherer Ebene gibt es eine enge Verbindung zwischen der ideologischen Position eines Wirtschaftswissenschaftlers (das heißt seinen politischen Überzeugungen im weitesten Sinn) und der Richtung seiner theoretischen Studien."

Dies läßt wieder an der Fähigkeit der Wirtschaftswissenschaft zweifeln, Gesetzmäßigkeiten in ihrem Gegenstandsbereich zu entdecken. Es erscheint daher sinnvoll, daß sich die realwissenschaftliche Wirtschaftswissenschaft auch mit einer wissenschaftlichen Diskussion der Werturteile befaßt. P.Ulrich stellt aber fest, daß dies gerade nicht so ist. Dies müsse ja eigentlich erstaunen, so Ulrich, denn am Anfang der Wirtschaftswisssenschaft stehe eben ein "zweidimensionales Problem": "...nämlich als Kombination eines ethischen und eines technischen Problems." Grund dieses zweidimensionalen Problems sind nach Ulrich ganz praktische Ausgangsfragen. Es geht bei diesen um das Wirtschaften mit Gütern oder Ressourcen, die im Vergleich zu den Bedürfnissen, die nach ihnen verlangen, knapp sind. Zur Lösung dieser Fragen benötigt man nach Ulrich ein normatives Element zur Bestimmung vernünftiger Wertkriterien wirtschaftlichen Handelns und zum anderen ein technisches Element zur Ermttlung der zweckrationalen Handlungsstrategien. Die moderne Ökonomie des 19. und 20.Jahrhunderts behandelt nach Ulrich jedoch nur die technologische Frage:

"Indem die moderne Ökonomie ethisch neutralisiert wurde, bildete sich die sogenannte 'reine Ökonomie' oder 'autonome Ökonomie' heraus. Sie schien den Weg für die Verwandlung der praktischen Ausgangsfragen rationalen Wirtschaftens in 'rein' theoretische Probleme zu eröffnen. (...) Auf dem Hintergrund des zweidimensionalen Rationalitätskonzepts ist allerdings von vornherein klar, dass dieser Anspruch dem der Quadratur des Kreises gleicht: ethisch-praktische Probleme haben keine technisch-theoretischen Lösungen, denn sie lassen sich nicht auf entsprechende Problemstellungen reduzieren."

Normative Fragen sind in Laufe der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft aus der modernen Ökonomie verbannt worden. Die Wirtschaftswissenschaft hat nicht mehr den wirtschaftlichen Lebensbereich als Gegenstand, sondern nur noch die Disposition knapper Mittel bei vorgegebenen Zwecken. Max Weber fordert gar die Trennung von empirischer und normativer Wissenschaft, was mir allerdings wegen des intimen Verhältnisses von normativen und theoretischen Fragen in der Wirtschaftswissenschaft sehr problematisch erscheint. Weber selbst erkennt, daß diese Trennung schwierig ist. Doch wird diese Forderung auch vom heute in der Wirtschaftswissenschaft vorherrschendem Kritischen Rationalismus Poppers übernommen, so daß diese Trennung weithin üblich ist. Popper fordert allerdings nicht die völlige Enthaltung eines Wissenschaftlers von Werturteilen. Bei ihm soll auch nicht der einzelen Wissenschaftler seine Wertsetzungen in der Wissenschaft außen vor lassen. Aber Popper erhält Webers Forderung insofern aufrecht, als er diese Trennung vom Wissenschaftsprozeß bzw. der wissenschaftlichen Diskussion zwischen entgegengesetzten Richtungen erwartet. Daß Popper diese Trennung nicht vom einzelnen Wissenschaftler erwartet, scheint mir realistischer zu sein, als Webers Vorstellungen: "...denn es gibt Argumente für die Position, daß die Wissenschaftler bei der Beratung der zum politischen Handeln legitimierten Instanzen sich von Werturteilen weder freimachen können noch sollen, die auch von 'Kritische Rationalisten geteilt werden können." So könnnen sich Ökonomen bei intensiver Auseinandersetzung mit Werturteilsfragen zu Experten in diesem Bereich entwickeln, die eine differenziertere Sicht solcher Fragen haben als Laien. So kann der Wissenschaftler mit kritischer Einstellung zumindest zwischen normativen und theoretischen Argumenten unterscheiden und die von ihm beratenden Personen nicht.

 

4 Schlußbemerkung
Friedmans Behauptung, daß eine Diskussion über die Falschheit der Annahmen in der Wirtschaftstheorie sinnlos sei und zudem viel wissenschaftliches Bemühen fehlleite, das beim Aufbau einer klaren positiven Ökonomie vermißt wird, ist in meiner Arbeit widerlegt worden. Denn seine Hauptthese, die besagt, daß Hypothesen durch den Erfolg ihrer Hypothesen und unabhängig vom Realismus ihrer Annahmen getestet werden müssen, hat sich als unzulänglich erwiesen. Zwar können aus falschen Annahmen tatsächlich wahre Konklusionen folgen, aber dies ist reiner Zufall. Man weiß nicht im voraus, ob die Konklusion zutrifft. Die Aussagen eines Wissenschaftlers wären dann aber auf einer Ebene mit der einer Wahrsagerin.

Es ist also durchaus sinnvoll, sich Gedanken über den Realismus der Annahmen in den Wirtschaftswissenschaften zu machen. Insbesondere wegen der Besonderheiten des wirtschaftswissenschaftlichen Gegenstandes, muß man jeweils wissen, auf welchen Anwendungsbedingungen eine Theorie beruht und ob sie realwissenschaftliche Aussagen machen will. Denn allzuoft kommt es vor, daß Hypothesen als Argumente für Fragen benutzt werden, für die sie aufgrund ihrer Anwendungsbedingungen keine Geltung beanspruchen dürfen. Formalwissenschaftliche Theorien sind in ihrer Außensicht nur schwer von realwissenschaftlichen zu trennen. Hier muß die Wissenschaftstheorie der Wirtschaftswissenschaften ansetzen. Wissenschaftstheorie wird hier zu einer Frage der Verantwortung. Es muß klar sein, auf Basis welcher Art von Theorie, man seine Entscheidungen trifft. Denn formalwissenschaftliche Theorien können nur einer unverbindlichen logischen Möglichkeitsanalyse dienen und Hypothesen mit falschen Annahmen sind auf einer Ebene mit den Prophezeiungen einer Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt.

Wie in meiner Arbeit deutlich wurde, wäre für eine brauchbare realwissenschaftliche Wirtschaftswissenschaft also durchaus erstrebenswert, wenn man von realistischen Annahmen ausgehen könnte. Dies stößt jedoch auf einige Probleme wie z.B. der Komplexität des wirtschaftswissenschaftlichen Gegenstandsbereiches. Die gängige Lösung dieses Problems ist die ceteris-paribus-Bedingung, die aber ebenfalls nicht unproblematisch ist. Oft wird in wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen von Modellen ausgegangen, die nur einen Teilbereich der Wirklichkeit enthalten und daher einfacher sind. Modelle sind sinnvoll, um aufzuzeigen, daß Interdependenzen zwischen bestimmten Modellgrößen bestehen. Auf dieser Basis kann man auch von entsprechenden Interdependenzen in der Realität ausgehen. Wobei der Grad des gegenseitigen Einflusses aber nur durch an die Modelluntersuchung anknüpfende Untersuchungen der jeweiligen Situation in der Realität bestimmt werden kann.

Als Konsequenz meiner Arbeit ist speziell nach der neoklassischen Theorie zu fragen. Denn insbesondere diese geht von offensichtlich realitätsfernen Annahmen aus, wie z.B. der vollkommenen Markttransparenz der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Friedman wollte die neoklassische Theorie mit seinem Essay verteidigen, indem er eben die bedingte Irrelevanz der Annahmen einer Theorie aufzeigen wollte: Die Annahmen einer Theorie sind gut, wenn die Prognosen der Theorie gut sind. Dabei tritt jedoch das Problem auf, daß man schon vor der Berücksichtigung einer wirtschaftswissenschaftlichen Theorie als Entscheidungshilfe wissen muß, ob ihre Prognosen gut sind. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn man weiß, daß eine Theorie gut bestätigt ist. Man weiß, daß eine Theorie gut bestätigt ist, wenn sie aus gut bestätigten Gesetzeshypothesen und wahren Anwendungsbedingungen besteht. Also benötigt man wahre Annahmen in der Wirtschaftstheorie. Die neoklassische Theorie kann also nur Geltung verlangen, insofern ihren Annahmen ein empirischer Wahrheitsgehalt zukommt. Diesen festzustellen, wäre jedoch Inhalt einer anderen Arbeit und kann hier nicht weiter beurteilt werden.

Auch die andere Hauptthese Friedmans ist offensichtlich nicht haltbar, wie meine Arbeit gezeigt hat: Friedman sieht in seinem Essay keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Naturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. Daher ist eine sehr erstrebenswerte "klare positive Ökonomie" für ihn möglich. Es gibt aber durchaus prinzipielle Unterschiede zwischen Naturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. So ist z.B. das sogenannte "Gesetz der großen Zahl" zu nennen, das aus dem "freien Willen" des Einzelnen resultiert:

"Die Eigenart wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Theorien liegt darin, daß sie oft für den Einzelfall keine Gültigkeit haben, (...) daß sie aber für größere Gruppen gelten Wir können nicht voraussagen, ob Herr Meier von seinen demnächst auf das Doppelte erhöhten Konsumausgaben einen überproportionalen Anteil für Dienstleistungen verwenden wird, wir können es jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für alle Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland tun. (...) Diese in der Regel 'statistische Gesetzmäßigkeit' der Sozialwissenschaften muß von den meist absoluten Gesetzmäßigkeiten der Naturwissenschaften unterschieden werden."

Ein weiterer Unterschied liegt in den Schwierigkeiten der Sozialwissenschaften begründet, kontrolllierte Experimente durchzuführen:

"Die wirtschaftliche Wirklichkeit läßt sich kaum simulieren, und aus ihrer Komplexität können kaum Faktoren isoliert werden. (...) Die Herstellung eines physikalischen Vakuums ist möglich, die eines politischen Vakuums nie. Sie können an den Beispielen erkennen, daß sowohl das Auffinden von Erklärungen, wie ihre Überprüfung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, ungleich schwieriger ist als in vielen Naturwissenschaften, wo man bestimmte Situationen leichter simulieren, entscheidende Faktoren leichter isolieren kann."

Damit sind auch die Komplexität des Gegenstandes und die Werturteilsfreiheitsproblematik angesprochen , die ich bereits dargelegt habe. Es ist wohl unumgänglich, daß die Wirtschaftswissenschaft eine pluralistische Wissenschaft ist. Je nach Ansatz kommt man zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Bleibt zu fordern, daß man sich immer bewußt ist, welcher Ansatz welchem Ergebnis zugrundeliegt. Und daß eine vernünftige Diskussion zwischen den Vertretern verschiedener Ansätze stattfindet, in der klar wird, inwiefern die Ansätze sich ergänzen und ausschließen. Das setzt eine wissenschaftliche Diskussion über Werturteile in den Wirtschaftswissenschaften voraus.

 

 

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