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I. Einkreisung der Phänomene "Sprache" und "Musik"

1 . Wissenschaftstheoretische Herangehensweisen
2. Kommunikationsebenen über der Kommunikation (Kann Musik über Sprache kommunizieren?)
3. In lingua veritas, in musica non veritas? Auf der Suche nach der Wahrheit
4. Partikularismus versus Universalismus
5. Norm oder Logik, Norm und Logik ?
6. Sprache = Kommunikation und Information, Musik = Kommunikation?

II. Das Phänomen musikalischer Idiome

1. Beschreibung des europäisch-abendländischen Musikidioms
2. Beschreibung des schwarzafrikanischen Musikidioms
3. Gegenüberstellung europäisch-abendländische und schwarzafrikanische Musik

III. Literaturverzeichnis
 


I. Einkreisung der Phänomene "Sprache" und "Musik"

Auf der Suche nach allgemein gültigen Beschreibungen, welche wesentliche Merkmale der Musik zu umgreifen in der Lage wären, stoßen wir früher oder später auf eine seltsame Anhäufung von Korrelationen zwischen Sprache und Musik. Diese lassen auf den ersten Blick ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen beiden vermuten, kommt es uns doch so vor, als wollte uns Musik etwas mitteilen (Daß es uns so vorkommt, ist gewiß keine Zufälligkeit, sondern Zeichen unseres beharrlichen Hoffens auf Sinnhaftigkeit unserer Forschungen. Würden wir nämlich im Gegenteil davon ausgehen, daß Musik nichts mitteilen kann, relativ nutzlos wären dann die auf unser "Jahrhundertwissen" gegründeten musikwissenschaftlichen Erkenntnisse.).

Daß Sprache dies tut, daran hegen wir keinen Zweifel – vorerst...

Verfolgt man die in den Grenzbereichen von Sprachwissenschaft und Musikwissenschaft angesiedelten Diskussionen über eine Verwandtschaft von Musik und Sprache, stellen wir folgendes fest:

Die Sprachwissenschaft unterscheidet sorgfältig (Ob diese Zerstückelung zu einem verwertbaren Gesamtmodell von Sprache führen kann, darf bezweifelt werden.) Die Musikwissenschaft kennt eine solche strenge Unterscheidung nicht. (Allenfalls ist die Einteilung in Formen (-sprache), Text (-sprache) und erklingende (gesprochene) Musik zu finden. Jedoch kann man hierbei nicht wirklich von einer Trennung sprechen, höchsten von einer veränderten Perspektive (repräsentiert durch Harmonielehre, und besonders Analyse), die jeweils auf den gleichen Gegenstand schaut. Hermeneutik und Ästhetik reflektieren mit ihren Methoden ebenfalls über den gleichen Gegenstand.) Das wahrhaftige Wesen (der propositionale Gehalt) gesprochener Sprache läßt sich beschreiben, in der erklingenden Musik scheint sich ein solcher Wahrheitsgehalt nicht zu befinden (zumindest sucht kein "ernsthafter Wissenschaftler" danach [Allenfalls ist die Einteilung in Formen (-sprache), Text (-sprache) und erklingende (gesprochene) Musik zu finden. Jedoch kann man hierbei nicht wirklich von einer Trennung sprechen, höchsten von einer veränderten Perspektive (repräsentiert durch Harmonielehre, und besonders Analyse), die jeweils auf den gleichen Gegenstand schaut. Hermeneutik und Ästhetik reflektieren mit ihren Methoden ebenfalls über den gleichen Gegenstand.]) .
Sprache scheint ein universalistisches Phänomen zu sein , während Musik in partikulare Systeme zerfällt (Allenfalls ist die Einteilung in Formen (-sprache), Text (-sprache) und erklingende (gesprochene) Musik zu finden. Jedoch kann man hierbei nicht wirklich von einer Trennung sprechen, höchsten von einer veränderten Perspektive (repräsentiert durch Harmonielehre, und besonders Analyse), die jeweils auf den gleichen Gegenstand schaut. Hermeneutik und Ästhetik reflektieren mit ihren Methoden ebenfalls über den gleichen Gegenstand.)   Im folgenden Schritt wollen wir der besseren Übersichtlichkeit wegen die eben genannten Merkmale von Sprache und Musik in einer Tabelle gegenüberstellen, und versuchen, Trennendes und Vereinendes zu analysieren.
 
  
Musik
  
Sprache
 
1 

 

Keine wissenschaftstheoretische Trennung
Klare wissenschaftstheoretische Untergliederung / Trennung des Untersuchungsgegenstandes
 
2
Kommunikation über Musik i.d. Regel nur mit Sprache möglich
Kommunikation über Sprache mit Sprache
 
3
Wahrheitsgehalt / propositionaler Gehalt scheint zu fehlen
Propositionaler Gehalt anzunehmen (Forschungsgegenstand)
 
4
 
partikularistisch
 
universalistisch
 
5
 
Normatives System
 
Logisches System
 
6
Kommunikations-
theoretisches Modell
Informationstheoretisches 
Modell
 

1 . Wissenschaftstheoretische Herangehensweisen

 Wie bereits erwähnt, steht einer ausgebauten Sprachwissenschaft auf dem Gebiet der Musikwissenschaft nichts vergleichbares entgegen. Einzig die Musikethnologie bewegt sich in dieser Richtung, beschränkt sich dabei aber nicht auf einen Vergleich Musik / Sprache, sondern bezieht vielmehr auf allgemeine Modelle verbaler und nonverbaler Kommunikation.

Als Beispiel dieser eher musikethnologischen Forschungen soll der im zweiten Teil untersuchte Aufsatz zur Idiombildung in musikalischen Systemen dienen. Auch hier geht der Autor über eine rein musikalische Ebene hinaus. Genaugenommen ist hier Musik nur Mittel zum Zweck, d.h. man bezieht Musik als kulturellen Indikator in Untersuchungen mit ein. So wird auch die Beschreibung von Musik als sprachähnlichem Medium entschärft, geht es doch nicht um "die Sprache der Musik", sondern um kommunikationsfunktionale Ähnlichkeiten zwischen beiden Medien im Sinne einer kultursoziologischen Phänomenologie (Durch den Kunstgriff , Sprache und Musik als kultursoziologische Termini zu verwenden, umgeht der Autor geschickt einer direkten Gegenüberstellung der in der Sprach- wie Musikwissenschaft gebrauchten Begrifflichkeiten.).

An dieser Stelle möchte ich kritisch eingehen auf die strukturfunktionalistische Trennung der Sprachwissenschaft (Exkurs: Strukturfunktionalistische Ansätze finden sich in der Musikwissenschaft eher am Rande. Und es sind in erster Linie Musiker ( die ihre Ansätze nicht "strukturfuktionalistisch nennen würden), die solche Ansätze einer Ganzheitlichkeit aus philosophischen Hintergründen heraus favorisieren. Vielleicht liegt es ja daran, daß hier Musik als Gebrauchsmedium dient und nicht als Objekt einer Anschauung. Ein Beispiel soll hier der Musiker Jonas Mekas (amerikanischer Cage-Schüler) sein mit seiner Einordnung von Musik in das Weltganze. Zitat: Jeder Ton ist bereits einmal um die Welt gegangen. Er geht herum und kommt immer wieder. Die Theorie des Schmetterlingsflügels: Wenn irgendwo in China ein Schmetterling flattert, so wirkt sich dies auf alles andere in der Welt aus. Dieses kleine Flattern beeinflußt alles Andere. Jede kleine Aktion, so unscheinbar und unbedeutend sie auch sein mag, setzt alles andere in Bewegung und verändert die Welt.). Dieses Modell (besser: die modellierte strukturelle Verknüpfung eigenständiger Modelle) trennt Sprache als Struktur von gesprochener Sprache. Hier wird unterstellt, daß Sprache sehr wohl auch ohne das Sprechen denkbar ist (was auch einzusehen ist) , daß aber im umgekehrten Sinn Sprechen ohne Sprache denkbar ist, impliziert geradezu, daß auch Sprechen mit z.B. Musik (Aber auch: Bewegung, darstellende wie bildnerische Kunst.) eine mögliche Variante von "Sprechen" wäre. Diesen Schritt geht nun die Sprachwissenschaft aber nicht, sondern ordnet in hierarchischer Manier das Sprechen der Sprache unter, verknüpft also in ihrem Modell von "allgemeiner" Sprache nur die innerhalb der von ihr selbst gezogenen Systemgrenzen ausgewählten Phänomene miteinander. Die Ziele determinieren also die Opportunitäten durch systemeigene Festlegung von Restriktionen. Diese bereits von Talcott Parsons beschriebene Gefahr der theoretischen Willkür sollte man im Blick haben, wenn man versucht, Musik als Sprache im Sinne der Sprachwissenschaft zu beschreiben.

Was sagt nun aber die Musikwissenschaft zum Phänomen "Sprache als Musik"? Festzuhalten bleibt, daß sie darüber im wesentlichen keine Gedanken macht. Ihr Untersuchungsgegenstand ist eben nur die Musik und nichts als die Musik (zu den Risiken und Nebenwirkungen siehe den vorigen Abschnitt). Sämtliche Untersuchungen zum Verhältnis von Sprache und Musik wollen Musik als Sprache beschreiben, keinem Musikwissenschaftler (Aber auch: Bewegung, darstellende wie bildnerische Kunst.) würde es in den Sinn kommen, Sprache als Musik beschreiben zu wollen.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden (wer wagt sich auf dieses glatte Parkett?).
 
2. Kommunikationsebenen über der Kommunikation (Kann Musik über Sprache kommunizieren?)

Musik ist Kommunikation ohne Gegenstand, ohne klares Objekt.

Miteinander verbunden:

Sprache – sprechen : Wissenschaftstheoretisch getrennt

Musik – klingen: Eher formal getrennt (Siehe auch nächster Abschnitt)

Sprache spricht über Musik, aber auch Musik kann über Musik sprechen (Zitate).
Sprache spricht über Sprache, Musik kann nicht über Sprache sprechen.

Verbale Kommunikation scheint immer mit Sprache verbunden zu sein.
Und da wir den Sprachcharakter von Musik untersuchen wollen, müssen wir wohl oder übel erst einmal alle nonverbale Kommunikation außen vor lassen und versuchen, Musik als verbale Kommunikation zu beschreiben.
och zunächst wollen wir uns einmal anschauen, ob die Funktion von Sprache in Kommunikationsprozessen auch eine der Musik ähnliche sein könnte. Fündig werden wir, wenn wir die Funktion von Sprache in Visier nehmen, Sinn zu übertragen (Zur Funktion der Information kommen wir später.). Wenn nämlich durch Sprache Sinnkomplexe (Zu Sinnkomplexe siehe auch Kommunikation versus Information?) übertragen werden sollen, haben wir es hierbei mit Gestalten im Sinne der Gestaltpsychologie zu tun. Und schon klingelt es in unserem Denkkasten, weil uns musikalische Kommunikation als Übertragung von ebendiesen Gestalten als vertraute Sache erscheint.
Anders formuliert: der Sinn der Kommunikation könnte ebenso durch Sprache wie auch durch Musik übertragen werden. Der berühmte Hegel´sche Satz "Kunst ist vorsprachliche Sprache" (Kadenzieren natürlicher Interjektionen) deutet darauf hin, daß es in Kommunikation tatsächlich in erster Linie um Übertragen von Sinn geht, erst in zweiter Linie um Übertragung von Information (Jeder Musiker könnte dies so unterschreiben).
Unsere Schlußfolgerung an dieser Stelle könnte lauten: Musik ist ebenso wie Sprache dazu geeignet, über Kommunikation Sinn zu vermitteln (die Musikwissenschaft spricht in diesem Fall wohl eher von "Programmusik").
Hier kann es nicht um Sprache oder Musik als isolierte Erscheinungen gehen (wo ist der Sinn von Sprache, wo ist der Sinn von Musik [Zu Sinnkomplexe siehe auch Kommunikation versus Information?]?), sondern um eine Unterscheidung empirischer Annahmen (Sprache redet über Sprache, Sprache redet über Musik) von theoretischen Annahmen (Sprache und Musik kommunizieren in erster Linie nicht über sich selbst).

 
3. In lingua veritas, in musica non veritas? Auf der Suche nach der Wahrheit.

(objektive) Realität

  Musik als Teil der Lebenswelt (J.Habermas)

(konstruierte) Realität

Sprache ist eher Abbild, Musik eher Ausdruck

  Zunächst einmal relativierend: es geht nicht um die Suche nach der Wahrheit an sich (Auch Wissenschaft sucht wohl eher den Wahrheitsgehalt von Theorien als eine abstrakte Wahrheit (hier schaut Kant und seine Kritik der reinen Vernunft um die Ecke). Ausgenommen hiervon sind zum Teil die Philosophie wie auch die Theologie, welche sehr wohl ontologische Wahrheitsbeweise zu erbringen suchen.), sondern eher um die Suche nach Wahrheit im Sinne von Wahrheiten. Dabei konzentriert sich die Sprachwissenschaft auf die Überprüfung und den Nachweis von Wahrheit der Information in Sprache, wenn wir den Begriff der Proposition als Kern sprachlicher Repräsentation der Welt so verstehen wollen. Einen ähnlich gelagerten Ansatz finden wir in der Musikwissenschaft nicht, lediglich die Ästhetik sucht nach Wahrheit in ähnlichem Aggregatzustand. Dabei wird jedoch schon vor der Untersuchung von Musik davon ausgegangen, daß Musik sich durch Kriterien der Ästhetik konstituiert.

Wollen wir untersuchen, ob Musik gleich wie Sprache in der Lage ist, "wahre" Nachrichten zu übermitteln, sind wir wieder am Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Bestimmung dessen, was Musik sei. Daß eine mögliche Definition grundverschieden von der wäre, welche wir im allgemeinen verwenden (nämlich daß Musik eine Angelegenheit ästhetischer Qualifikation sei ["Das Schöne (Ästhetik) ist interesseloses Wohlgefallen" (Kant in: Kritik der reinen Urteilskraft),...wer würde darin (im Interesselosen) Wahrheit suchen wollen ?!]), steht dabei wohl außer Frage (Diesem Problem ist auch der Autor unseres im zweiten Teil untersuchten Aufsatzes auf der Spur.) .

 
4. Partikularismus versus Universalismus

Kunst produziert den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang (Max Weber)

Bedeutet nicht: Kunst sagt etwas über Realität der Gesellschaft aus,

(eher über das Wesen der Gesellschaft)

Zunächst werden wir unhinterfragt davon ausgehen, daß Sprache eine universale Wurzel besitzt. In Musik wird eine solche Wurzel weniger vermutet, obwohl wir beobachten können, daß Musikalität ein universales Phänomen ist. Was ist also der Unterschied zwischen Musik und Musikalität? Als ersten Befund konstatieren wir, daß Musik eher statisch begriffen wird (Nur durch die Annahme relativer Stabilität/Statik ist Systematisierung im Sinne einer gegenständlichen Modellierung sinnvoll. Die theoretische Anschauung muß folglich recht objektbezogen sein: Der Untersuchungs-Gegenstand ist die Musik...), während Musikalität eine prozeßhafte Angelegenheit ist. Nun müssen wir um der Aussagekraft unseres theoretischen Vergleiches willen wohl oder übel unseren Musikbegriff aus dem Gegenständlichen (Musik) und dem Prozeßhaften (Musikalität) konstruieren (Als Voraussetzung, die sich am Gegenstand manifestiert.)

Solche Modellierung ermöglicht uns einen ganzheitlichen Theorieansatz, welcher auf der Seite der Sprache ebenso vollzogen werden kann. Sprache und die Voraussetzung des Sprechens ergeben hier unser Modell von Sprache.

Also: Durch Einführung ganzheitlicher Begrifflichkeiten ist uns ein Vergleich von Musik und Sprache möglich, der sich als lohnend für unsere Frage nach Universalismus beider erweisen könnte. Diese Konstruktion entspricht zudem unserer Vorstellung, daß Musik ohne Klingendes (als Ergebnis von Musikalität) eine leere Hülle ist, über die jeder Gedanke vergeblich wäre.

Auf denn zum Vergleich der jetzt eingeführten Begriffe Sprache und Musik.

Die Frage nach der Herkunft, dem Ursprung der Sprache ist verbunden mit dem, was Sprache leistet (Im Gegensatz zu theoretischen Ansätzen in der Musikwissenschaft über Musik wird in der Sprachwissenschaft nicht behauptet, daß Sprache Selbstzweck ist.). Sprache setzt uns in den Stand, in Begrifflichkeiten gegossene individuelle Realitätskonstruktionen (was wir für die folgenden Überlegungen auf den Begriff der Gedanken einschrumpfen wollen) innersubjektiv zu verknüpfen und intersubjektiv auszutauschen. Diese Leistung ist als universal beschreibbar. Andererseits sind verschiedene Formen von Sprache anzutreffen, welche durch geographische und kulturelle Faktoren determiniert sind. Hier ist Sprache ein Phänomen, welches trennende, mithin partikularistische Merkmale aufweist. Je nach Perspektive unserer Frage ist Sprache als universalistisch wie auch als partikularistisch beschreibbar.

Für Musik gilt in dieser Hinsicht Ähnliches (wenn nicht sogar Gleiches). Auch Musik gibt uns die Möglichkeit einer innersubjektiven Verknüpfung und eines intersubjektiven Austausches von individueller Realitätskonstruktion. Voraussetzung für diese sprachliche und musikalische Leistung ist natürlich, daß wir beides als von unserem Bewußtsein gesteuert begreifen. Musik kann je nach der Perspektive unserer Betrachtung als universalistische Voraussetzung und als partikular trennendes Kulturmerkmal beschrieben werden.

Wollen wir dies einmal durch die Brille Parsons´scher Systemtheorie betrachten, finden wir Musik wie auch Sprache gleichzeitig in zwei Systemfeldern.
 
Latenz: Handlungskontingenz gesteigert (Universalistische Tendenz)

Symbolkomplexität reduziert (Schwerpunkt: Einheitlichkeit)

Internalisierung: Handlungskontingenz reduziert (Partikularistische Tendenz)

Symbolkomplexität reduziert (Schwerpunkt: Einheitlichkeit)

 
5. Norm oder Logik, Norm und Logik ?

  Sprache als Modell des Denkens, Musik als Emp-Finden

 Mit diesem Abschnitt schließen wir nahtlos an unsere eben gemachten Überlegungen an. Wir wollen untersuchen, ob es Hinweise darauf gibt, daß in unseren Konstruktionen von Musik einerseits und Sprache andererseits eher normative oder eher logische Fundierungen bzw. Be-Gründungen überwiegen. Dazu müssen wir leider unsere Konstruktionen wieder in ideelle und materielle Bestandteile aufspalten . Wir vermuten zunächst, daß der ideell fundierte Teil logisch begründet sein muß, während der materiell fundierte Teil normativ zu begründen wäre.

Nehmen wir zuerst den ideellen Bestandteil von Musik und Sprache ins Visier. Wie bereits ausgeführt, setzt uns Sprache in den Stand, in Begrifflichkeiten gegossene individuelle Gedanken innersubjektiv zu verknüpfen. Getrennt von Sprache ist eine derart konzentrierte Form von Gedanken nicht vorstellbar, was uns vermuten läßt, daß beide gleichen Ursprungs sind. Das wiederum läßt uns folgendes schließen: da Denken nicht als intersubjektive Vereinbarung vorstellbar ist, schließen wir auf eine logische Begründung von Denken. Dies würde wiederum bedeuten, daß auch Sprache eine logische Wurzel hat. In der Sprachwissenschaft findet sich diese Vorstellung im Begriff der Logischen Formebene (LFE). Dieser bedeutet, daß in Sprache eine Ebene begrifflicher Repräsentation der Welt vorhanden ist.

Im Bereich der Musik finden wir dieses Phänomen nicht. Wir können es deshalb nicht finden, weil es, auch wenn wir die Vorstellung von Musik als "Einflüsse des Höchsten" kennen, immer eine Zusammenschau des ideellen und des materiellen Bereichs gibt. Dieser äußert sich darin, daß bei der Suche nach dem Ursprung von Musik immer schon eine akustische Ebene mitreflektiert wird [Tembrocks Ansatz einer Bioakustik geht beispielsweise als Anfang aller Musik von akustischer Interaktion aus, deren Funktionalität zur Spezifizierung und Differenzierung, später dann zur Ästhetisierung akustischer Kommunikationsformen führt ( Bioakustik, Musik und Sprache, 1978).]. Diesen Streich spielen uns die von Alexander Jeffrey so bezeichneten Presuppositions, Grundannahmen, die immer schon unbewußt in die Theoriebildung eingehen, in unserem Fall also die Grundannahme, daß Musik als nichtmaterielles Phänomen und Schwingungen als akustisches bzw. physikalisches, an Materie gebundenes Phänomen untrennbar bzw. identisch sind. Beziehen wir uns allerdings auf den Begriff der Musikalität ( als zielgerichtetes musikalisches "Denken"), können wir ebenso wie im Bereich der Sprache eine logische Wurzel vermuten, da es unwahrscheinlich ist, daß Musikalität eine Konvention darstellt.

Auch universalistische Ansätze aus dem Bereich der Metaphysik und der Esoterik ( "Jazzpapst" H.-J.Behrend und andere) verorten Musik als Ergebnis einer Universalenergie: Klang. Ihr Verständnis von Klang als Energiestrom steht dabei auf gleicher Stufe wie das Husserl´sche Verständnis von Bewußtsein ("der unendliche Strom der Gedanken"). Bewußtsein kommt jedoch sehr wohl ohne das (zielgerichtete) Denken aus, analog würde dann Musik von einem Klang ohne Ziel determiniert – ihre akustischen Erscheinungen wären zufällig. Zufälligkeit aber ist Chaos...und das soll Musik sein?!
 

Prozeß der Aneignung von Musik und Sprache ähnlich

Fremd-Musik kann ohne Vorkenntnisse nicht erschlossen werden

Fremdsprache kann ohne Vorkenntnisse nicht erschlossen werden

 
Ebenso wie wir logische Fundierungen von Sprache und Musik verorten können, finden wir bei zielgerichteter Suche eine normative Fundierung.

Betrachten wir uns nämlich Musik und Sprache als Form der (materiell gebundenen) Kommunikation, kann es gar keinen anderen Schluß geben, als den, daß es sich bei Sprache und Musik um Konventionen handeln muß. Fokussieren wir unser Musik-Sprach-Problem auf diese Ebene, so könnte uns der Kommunikationsexperte Jürgen Habermas folgenden Hinweis geben: die ideale Sprechsituation (im Sinne einer durch Logik determinierten Situation) ist eine Illusion, obwohl wir sie zur als Grundlage jeder Kommunikation wählen. Sie ist eine kontrafaktische Unterstellung, da es sich um eine Situation ohne Restriktionen handelt. In anderen Worten: das Zeitbudget ist unendlich (das unsrige ist leider auf einige Jahrzehnte begrenzt), die Möglichkeiten des Kommunikationsanschlusses sind nicht eingeschränkt (die Bedingung für Kommunikation ist allerdings die Herstellung eines Sinnzusammenhangs ). Daß dies eine extrem einschneidende Bedingung ist, braucht hier wohl kaum erläutert zu werden. Wenn man auf der Straße nach dem Weg gefragt wird, kann man [...] nicht dadurch reagieren, daß man Lilli Marleen singt oder urückfragt, ob der Fragende in der richtigen Weise an Jesus Christus glaubt. [...]

(Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien, 1996).

Intersubjektiver Sprachgebrauch ist also ebenso durch Normbildung geregelt wie intersubjektiver Musikgebrauch. Daß beide ihrerseits durch Gebrauch selbst zu einer normativen Größe werden (die "normative Kraft des Faktischen"), können wir in Musik und Sprache gleichermaßen im historischen Verlauf erkennen:
die erfolgte (und erfolgende) Kanonbildung.
 

6. Sprache = Kommunikation und Information, Musik = Kommunikation?

Die Sprache sagt, die Musik zeigt, was sie mitteilt.

Sprache und Musik sind Medien der Kommunikation. Diese Feststellung können wir unhinterfragt unterschreiben, da es keine Theorie gibt, die etwas gegenteiliges behaupten würde.

Auf der Ebene der Information sieht es schon etwas anders aus. Während man davon ausgeht, daß bei Sprache der Empfänger durch Entschlüsselung der codierten Nachricht die Informationen des Empfängers erhält, ist bei Musik dem Empfänger die Entschlüsselung des Empfänger-Codes nicht möglich (Bierwisch spricht hier von einer unintendierten Wirkung der Musik)
Sprache übermittelt also Information im annähernden Verhältnis 1:1, Musik im Verhältnis 1:n.

                 Information A : Sprache : Information A´
Sender                                                                                 Empfänger
                Information A : Musik : Information n

Relativierend könnten wir anmerken, daß Information lediglich ein Bestandteil von Kommunikation ist (der auch marginal sein kann). Dazu kommt eine weitere Schwierigkeit, die es zu bedenken gilt: Was erfahren wir wirklich durch Information?

Erinnern wir uns an die im vorigen Abschnitt gemachte Einschränkung, daß Bedingung für Kommunikation die Herstellung eines Sinnzusammenhangs ist. Wenn Kommunikation sich auf Sinnkomplexe beziehen muß und dabei an begrenzte Ressourcen (begrenzte Auswahl) und limitierte Zeitkontingente gebunden ist, kann Kommunikation den Sinn, den sie verstehen läßt, nie wieder einholen. Nach dieser Regel können wir aber auch nicht auseinanderdividieren, was in der Kommunikation auf das Konto der Mitteilung, was auf das Konto der Information geht.

Das Problem der Zuschreibung von Wertigkeit, die Information (Folgender Begriff von Information soll hier gebraucht werden:Information kann von Nichtinformation nur durch Reflexion über einen Informations-Wert unterschieden werden, denn eigentlich ist auch die Information, daß etwas nicht informativ ist, informativ. Dieser Wert scheint sich darüber zu definieren, daß er Information daran mißt, ob es irgendein Unterschied ist, der bei einem späteren Ereignis einen Unterschied ausmacht (Gregory Bateson: Ökologie des Geistes, 1981) .) für unser Verstehen sowohl von Musik als auch von Sprache hat, wollen wir uns im Folgenden verdeutlichen.

Ein sprachlich ausgedrückter Sinnkomplex verliert bei mehrmaligem Gebrauch im selben Kontext an Informationswert: es wird dem Empfänger nichts Neues mitgeteilt, die Information rekurriert auf sich selbst (auf die Information, daß die Information bereits gegeben wurde). Wenn schließlich die Information die ist, daß die Information, daß die Information, daß die Information,...,bereits gegeben wurde, können wir getrost einen Informationswert gegen Null annehmen.

Ein musikalisch ausgedrückter Sinnkomplex verliert bei mehrmaligem Gebrauch auch im selben Kontext nicht an Informationswert: auf Grund seines informativ mehrdeutigen Charakters kann die Information auf eine Vielzahl an Deutungen verweisen, ohne auf sich selbst verweisen zu müssen. Der Informationswert von Musik ist also größer als der von Sprache.

Sprache scheint also eher als Einweginformation geeignet zu sein, sie überträgt Sinnkomplexe eindeutig weil einkanalig.

Musik scheint dagegen ihre Stärken als Mehrweginformation zu haben, sie überträgt Sinnkomplexe mehrdeutig weil mehrkanalig.

II. Das Phänomen musikalischer Idiome

Idiome als Mittel von Kulturen, sich gegen andere Kulturen abzugrenzen (Geheimwissen)
Musik als "Text für Eingeweihte"(Exklusivität)

"Wir singen in Englisch. Unsere Sprache ist die Musik. )Aus dem Informationsblatt von "Crying Blue", Rockband aus Bautzen)

Unter Idiomen verstehen wir gemeinhin die eigentümliche Sprachweise einer kleineren Gruppe oder einer sozialen Schicht. Wenn wir diesen Begriff nun auf die europäisch-abendländische und die schwarzafrikanische Ausprägung von Musik anwenden wollen, heben wir diesen Begriff auf eine kulturelle Ebene. Musik wird hier als kultureller Zusammenhang begriffen, im Sinne von Habermas als Bestandteil der Lebenswelt.

Begrifflichkeit:       Kultur nur singulär denkbar
                                Kulturen nur plural denkbar  / Abgrenzung durch Selbst- & Fremdreferention

Kultur stellt in diesem Verständnis die Betrachtung aus der Querschnittsperspektive dar, das heißt Kultur ist kein eigenständiges System , welches sich in Subsysteme unterteilt, sondern Bestandteil aller Systeme .
Nun deckt sich diese theoretische Annahme nicht mit unserer europäisch-abendländischen Vorstellung von Kultur (die sich als eigenes System emanzipiert hat und sich innerhalb des Systems in Subsysteme segmentiert).

Wir werden also immer wachsam sein müssen, ob wir von Kultur oder von Kulturen sprechen, da im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Kultur beides einschließt.

Wir nehmen an, daß sich Musikidiome bei bewußtem Gebrauch vor allem auf den Bereich von Kulturen beziehen, daß sich Musikidiome aber auch im Bereich der Kultur (Lebenswelt) unbewußt herausgebildet haben. Desweiteren gehen wir bereits beim Gebrauch des Idiombegriffs davon aus, daß eine Benutzung von Musik als Sprache möglich ist.

1. Beschreibung des europäisch-abendländischen Musikidioms

Zwei Ebenen Musik der Rede vergleichbar (Klangrede)
                        Musik als geschriebene Sprache (Texte)

Spätestens seit den Anfängen der Mehrstimmigkeit wird abendländische Musik zunehmend von der Ratio determiniert (Wir finden dieses Phänomen vor allem im Bereich der Liturgik beschrieben. Hier sprechen wir von einer Emanzipation der Musik aus religiösen Kontexten. Im Hinblick auf unseren Kulturbegriff könnten wir mit Habermas sagen: die Befreiung der Musik aus dem Bereich des Sakralen (wobei mit "sakral" ein zugeschriebenes Einverständnis = Lebenswelt gemeint ist).). Dies manifestiert sich im Übergang von mündlicher Tradierung in schriftliche Fixierung (Notation). Wir können nun davon sprechen, daß Musik über den präsentischen Gebrauch hinaus vor allem auf die Zukunft hin ausgerichtet wird (Dabei wird natürlich auch eine Konservation von Musik in Gang gesetzt, die sich auf das Vergangene bezieht. Es beginnt damit ein Prozeß, daß der für lebendige Kommunikation notwendige Akt des Vergessens blockiert wird. Kommunikation bezieht sich also immer mehr auf sich selbst, verweist auf bereits Kommuniziertes.)

Gleichzeitig beginnt der Prozeß der Ablösung der musikalischen Botschaft (im fixierten Substrat) vom Urheber. Die Funktion des Urhebers als Interpret und Mittler seiner musikalischen Botschaft verliert an Bedeutung und wird schließlich marginal.

Die geschaffene Musik erhält durch die Fixierung des Moments statische Züge, am Ende steht das unveränderliche Musikwerk, dessen Hauptcharakteristikum seine Originalität im Sinne von Einzigkeit liegt.

Durch Betonung ästhetischer Aspekte von Musik, durch Konventionalisierung und Normbildung (Da Normbildung in der Musik nicht auf der Subjektebene zu erklären ist und infolgedessen ein kollektiver Vorgang ist, müssen wir musikalische Normbildung beschreiben als emergenten Effekt. Diese Effekte, sind auf der Subjektebene nicht intendierbar, wir müssen also vor allem unintendierte Effekte vermuten, was uns zu dem Schluß führt, daß nicht das beste Werk sich durchsetzt, sondern das Werk, was als "wertvoll" rezipiert worden ist. Unsere abendländische Musikgeschichte also eine Geschichte der Irrtümer? Eine Horrorvorstellung ...) treten satztechnische und logisch begründbare Aspekte in den Vordergrund musikalischer Gestaltung. Nicht ästhetische Qualifikation führt zur Unterscheidung von Musik (obwohl dies immer behauptet wird), sondern logisch begründete Normen (z.B. Tonsatz) entscheiden im Vorfeld der Ästhetik über richtige und falsche Musik, ehe wir in der als richtig erkannten Musik die Unterscheidung in gute und schlechte Musik vornehmen .

Wir finden zudem eine Ästhetisierung des Klangideals (z.B. Ideal des Belcanto).
Dies verdrängt in zunehmendem Maße die verschiedenen Formen musikalische Ausdrucks, die vor allem auf der individuell-emotionalen Ebene liegen.

Als letzen Punkt beobachten wir eine zunehmende Verselbständigung der Musik innerhalb eines sich ebenfalls verselbständigenden Kunstsystems.

2. Beschreibung des schwarzafrikanischen Musikidioms

[...] Die Eindringlichkeit von Gesang und Darbietung der ausschließlich farbigen Künstler ist nicht nur eine Frage der Professionalität – viele von ihnen haben die Weihen der Metropolitan-Opera. Entscheidend dürfte sein, daß sie mit Lebensart und Idiom der Schwarzen in Amerika hautnah vertraut sind / Aus einer Presseinformation für "Porgy and Bess" in: Prisma, Juni 1998.

Bei der Beschreibung dieses Idioms müssen wir vor allem auf eine Einheit verweisen, die uns sowohl an die Verwendung unseres Begriffs "Kultur" in gesellschaftlicher (d.h. ganzheitlicher) Querschnittsperspektive gemahnen, als auch an den Bedeutungsinhalt unseres Begriffs der griechischen musike erinnern: die Einheit von Musik, Sprache, äußerer Erscheinung, Tanz und Kult.

Dies ist zudem noch in die Begegnung oder besser Gleichzeitigkeit von Geschichte und Gegenwart in der konkreten Situation eingefaßt .Gleichzeitigkeit von Geschichte und Gegenwart ist ein augenscheinliches Paradox, welches wir in folgender Formulierung einfangen wollen:
Die Gegenwart des Momentes reflektiert Geschichte nicht als Gegensatz, vielmehr ist die historische Reflexion als Bestandteil gegenwärtiger Handlungen immer auch präsentisch vorhanden..
Sie manifestiert sich in der Improvisation, die im Rahmen rhythmischer und motivischer Bezugsmuster Ausdruck der Aneignung von Vergangenheit in der Gegenwart ist.

Musik begegnet uns hier in eingebettet in gesellschaftliches Handeln, ist auf die aktuelle Situation bezogen und stellt sich als individuelle Botschaft dar.
Diese persönliche Ebene wird nicht durch Fixierung wie z.B. Notenschrift als verallgemeinerte Form rezipiert, der Sender ist mit der gesendeten Botschaft identisch und untrennbar.

Dieser ganzheitliche Lebensbezug von Musik, die wir mit Habermas´scher Begriffsnutzung in der Lebenswelt verorten können, bezeichnet der Pianist
Cecil Taylor in folgenden Worten als "Lebenskraft":

"I guess what drives me is what Africans call 'Life-Force'. Before we were here, we were someplace else. One of the reasons this music has so much power is that it's a manifestation of the culture of that other time [...]. Most people don't have any idea of what improvisation is. It means the most heightened perception of one's self, but one's self in relation to other forms of life".

Die Melodiebildung vollzieht sich vorwiegend modal, die Intervallgrößen sind variabel. Dieses Merkmal ist uns unter dem Begriff der blue notes, der dirty tunes
und der flatted fifth als prägendes Element des Blues bekannt. Es charakterisiert den Umstand, daß Intervalle als relative Bezugsgrößen verwendet werden,
die Intonation jedoch bewußt dem vermittelten Sinnkomplex untergeordnet
bzw. beigeordnet ist (Bsp. blue notes : feelin´ blue).

Die tonlichen Gebrauchs- und Materialleitern sind durch große Varianz gekennzeichnet. Eine Reduktion auf zwei Tongeschlechter bzw. die Vorrangstellung einzelner Tonarten sind unbekannt.

Willst du Mitleid mit dem weißen Mann haben, so schau ihm beim Tanzen zu.

Der Rhythmus ist wesentlicher energetischer Funktionsträger, dabei direkt auf Körperbewegung bezogen (Dieses perkussive Element ist der treibende Puls schwarzafrikanischer Musik. Terminologisch wird es auch als "Groove" oder "off-beat" umschrieben.). Kommunikationstheoretisch formuliert: die Gestalten (Sinnkomplexe) von Musik werden in ihrer Form körperlich organisiert. Die Kommunikation erfolgt durch diese Verknüpfung gleichzeitig hörbar und sichtbar. Solche Formen der Kommunikation finden wir exemplarisch in emphatischen oder ekstatischen Handlungen.

Mehrstimmigkeit ist usueller Natur, nicht durch Stimmführungsgesetze rational begründet.

Der klangliche Ausdruck der Musik wird durch ihren Sprachcharakter bestimmt, d.h. der kon-textiert vermittelte Sinn determiniert die klangliche Gestalt.
Dabei steht vor allem die emotionale Kundgebung im Mittelpunkt. Sie ist entscheidender als eine Normierung einer wie auch immer gearteten Klangästhetik. Als Ideal wird, wie das der Jazz-Trompeter Miles Davis einmal formulierte, der charakteristische, nicht der reine Ton gesehen.

Die ausführenden Musiker sind zugleich Komponisten, welche die Zuhörer aktiv am musikalischen Geschehen beteiligen. Dieses Phänomen läßt sich exemplarisch beobachten an der im Gospel beheimateten Call-and-Response-Praxis (Ruf-und-Antwort-Praxis). Hier gibt es einen Vorsänger der eine musikalische Sequenz formuliert, die von der Gemeinde (da Gospel eine Form liturgischer Musikpraxis ist, beziehen wir uns hier auf den Kontext eines Gottesdienstes) übernommen und wiederholt wird. Dabei wird um der klanglichen Umsetzung des vom Vorsänger formulierten Sinnkomplexes willen oft eine mehrstimmige Antwortvariante gewählt.

Die Praxis des Call-and-Response ist, wenn auch in abgeschwächter Form, auch heute noch in der Liturgie europäischer Kirchen gängige Praxis, so daß wir gar nicht bis nach Schwarzafrika schauen müssen, um ein Musikverständnis zu finden, daß seine Verwurzelung noch heute in der Lebenswelt (Kultur) hat und außerhalb der europäisch-abendländischen Musiktradition steht, die wir als Subsystem eines Kunstsystems charakterisiert haben.

Eine Trennung in Sparten je nach Beteiligung an der Musik in Komponisten, Interpreten und Konsumenten gibt es kaum.

Als letztes: Musik wird nicht nur als Medium von Kommunikation betrachtet, verstanden und genutzt, vielmehr gehen die Beteiligten im Sinne der Presuppositions vom Informationsgehalt der Musik aus. Dieses Phänomen können wir durchaus als vorausgesetzten Sprachcharakter der Musik bezeichnen. Beispielsweise ist der Begriff der talking drums (sprechende Trommeln) im Grenzgebiet von Sprache und Musik angesiedelt: Sprache mit besonderer musikalischer Qualität, aber auch Musik mit sprachlicher Funktion.
 

3. Gegenüberstellung europäisch-abendländische und schwarzafrikanische Musik

Der Weiße interpretiert etwas, der Schwarze teilt sich mit..

 
europäisch- abendländische Musik
schwarzafrikanische Musik
  
Musik ist Subsystem im Kunstsystem

 

 
Musik ist in Kultur als Teil der Lebenswelt verankert
  
rational
 
emotional
 
 
Geschichte und 
Gegenwart getrennt, 
Perspektive: Zukunft
 
 
Geschichte mit Gegenwart 
situativ verbunden, 
Perspektive: Gegenwart
 
Musikalische Botschaft existiert als notiertes Substrat
 
  
Musikalische Botschaft 
existiert in der 
lebendigen Darbietung
 
Grundlage musikalischer Gestaltung sind logisch begründete Aspekte
 
 
Grundlage musikalischer
Gestaltung sind 
emotional-sinnliche Aspekte
 
Einzigkeit
 
 
Variabilität
 
Komponist¹ Interpret¹ Hörer
 
 
Komponist = Interpret = Hörer
 
 
Schwerpunkt: Ästhetik
 
Schwerpunkt: Individualität
 
2 Tongeschlechter
Skalencharakter
 
Variantenreichtum
Modaler Charakter
 
Intervalle eindeutig
 
Intervalle relativ
 
Ideal: reiner Ton
 
Ideal: charakteristischer Ton
 
III. Literaturverzeichnis

Rösing, Helmut: Ein neues Musikidiom erobert die Welt,
http://www.uni-koeln.de/phil-fak/muwi/publ/fs_fricke/roesing.html, 17.4.1998

Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, Opladen, 1996
Dahlhaus, Carl u. Helga de la Motte-Haber (Hrsg.): Systematische Musikwissenschaft, Laaber 1982 (Neues Handbuch d.Musikwissenschaft 10.)
Bierwisch, Manfred: Musik und Sprache, Leipzig, 1978
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