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"Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen."

Bertolt Brecht (1932) - Radiotheorie

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen

2.1 Kommunikation

2.1.1 Begriffsdefinition Kommunikation nach Luhmann

2.1.2 Begriffsdefinition Kommunikation nach Parsons

2.2 Interaktion

2.3 Verhältnis zwischen Kommunikation und Interaktion

2.4 Symbolische Interaktion

2.4.1 Unterscheidung nicht-symbolische und symbolische Interaktion

2.4.2 Para-soziale Interaktion

2.5 Interaktivität und interaktive Medien

2.5.1 Interaktivität: mehr als ein "Hin-und-Zurück"

2.5.2 Definition für interaktive Medien

2.5.3 Mensch-Computer-Interaktion

2.6 Kommunikation durch und mit dem Computer

2.6.1 Kommunikation durch den Computer

2.6.2 Kommunikation mit dem Computer

3 Theorieansätze

3.1 Informationsgesellschaft

3.2 Die Kommunikationsgesellschaft: R. Münch

3.3 Konsequenzen der Moderne: A. Giddens

3.4 Theorie des kommunikativen Handelns: J. Habermas

3.5 Handlungskompetenz und Umwelt

4 Praxisfelder

4.1 Schulausbildung

4.2 Arbeit

4.2.1 Telearbeit - Definition und Darstellung

4.2.2 Problemfelder und Chancen der Telearbeit

4.3 Freizeit

4.3.1 Der Wandel des Fernsehens und eine veränderte Nutzung

4.3.2 Neue Dienste - neue Handlungsmöglichkeiten

4.3.3 Interaktivität: Möglichkeiten und Grenzen

4.3.4 Ältere Menschen und Medien

5 Resümee

6 Literaturverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Der gesellschaftliche Wandel zur Informationsgesellschaft wird häufig als eine Revolution unserer Lebensweise betrachtet. Die hieraus resultierenden Konsequenzen werden oft denen, die durch die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert verursacht wurden, gleichgesetzt. "Tatsächlich dürfte die ‘Informationsrevolution’ jedoch noch stärkere Auswirkungen haben als ihre Vorgängerin."

    Die grundlegenden Unterschiede zwischen der industriellen Revolution, die durch die Erfindung der Dampfmaschine von Boulton und Watts eingeleitet wurde, und der Informationsrevolution lassen sich an drei wesentlichen Merkmalen festmachen.

    Der erste Unterschied läßt sich an der Tatsache aufzeigen, daß sich die Fortschritt in den Informationstechnologien mit weit höherer Geschwindigkeit vollziehen als die technischen Entwicklungen in anderen Bereichen der Industriegesellschaft. Als Beispiel hierfür sei angeführt, daß sich die für 1 ECU erhältliche Rechnerleistung etwa alle drei Jahre verdoppelt.

    Der zweite Unterschied liegt in der Globalisierung. Die Entwicklung zur Informationsgesellschaft ist von ihrem Beginn an global. So setzt sich diese Entwicklung aus verschiedenen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten an den verschiedensten Orten entwickelten Technologien zusammen, während die industrielle Revolution einen relativ genau definierten temporären und lokalen Ursprung hatte.

    Der dritte Unterschied liegt in der Wirkung auf das Individuum begründet. Die Entwicklung zur Informationsgesellschaft hat einen stärkeren direkten Einfluß auf den einzelnen Menschen als die Industriegesellschaft. Dieser Einfluß kann sowohl inkludierender als auch exkludierender Natur sein. Durch diese Entwicklung kann sich entweder ein für alle zugängliches "globales Dorf" konstituieren oder aber ein Club für diejenigen gründen, die über entsprechendes Wissen und die richtige technische Ausstattung verfügen.

    In der heutigen Gesellschaft, die sich bereits auf dem Weg in die Informationsgesellschaft befindet, haben die Menge und die Geschwindigkeit der dem Individuum zur Verfügung stehenden Informationen genauso zugenommen wie ihre sinnliche Aufbereitung.

    Die aktuelle Forschung zum Thema Informationsgesellschaft hat einen starken Fokus auf die Bereiche Politik, Wirtschaft und Technologie. Der Bedeutung dieses gesellschaftlichen Wandels für das Individuum wird in kontemporären wissenschaftlichen Publikationen noch verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

    Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Wandel, der sich durch die Entwicklungen der Informationstechnologien in allen sozialen Bereichen zeigt, nachzuzeichnen und die positiven wie negativen Veränderungen der Lebenswelt herauszuarbeiten, die sich für gesellschaftliche Gruppen und Individuen hieraus ergeben. Als Problem zeigt sich jedoch die Tatsache, daß es momentan noch kaum empirisches Material zur Analyse des Einflusses auf das Individuum gibt. Deshalb kann dieser Punkt bislang nur exemplarisch erörtert werden.

    Diese Arbeit gliedert sich in die Hauptbereiche Begriffsdefinitionen, Theorieansätze und Praxisfelder. Der Schwerpunkt fällt dem Bereich der Praxisfelder Schule, Arbeit und Freizeit zu, da hier die gesellschaftlichen Veränderungen deutlich werden, die mit der Entwicklung zu einer "Informationsgesellschaft" einhergehen.

    Das Feld der Schulausbildung bekommt in der Informationsgesellschaft einen besonderen Stellenwert, da die Schüler bereits jetzt auf die sich wandelnde mediale Umwelt vorbereitet werden müssen. Durch die sich schnell verändernden Bedingungen, denen die Menschen in der Informationsgesellschaft ausgesetzt sind, besteht ein Bedarf nach Vermittlung von Medienkompetenz und der Befähigung zu lebenslangem Lernen.

    Gesellschaften werden im allgemeinen nach der Art ihrer wirtschaftlichen Produktionsweisen beurteilt und eingeordnet, wie die Agrargesellschaft, die Industriegesellschaft und die Informationsgesellschaft. Da in der aktuellen Diskussion ein Schwerpunkt auf die wirtschaftlichen Veränderungen, die mit dem Wandel zur Informationsgesellschaft einhergehen, soll dieser Aspekt unter Berücksichtigung der Folgen für die Arbeitenden auch im Rahmen dieser Arbeit thematisiert werden.

    Obwohl es bislang nur wenige Ansätze einer systematischen Beobachtung der Nutzung neuer Medien und kaum verläßliche empirische Daten über das Erleben von Nutzern bei der Rezeption und über die Wirkungen gibt, die diese Rezeption auf sie hat, ist der Bereich der Freizeit seit jeher ein wichtiger Bereich der Mediennutzung. Bei der Behandlung der Effekte, die durch die neuen Medien ausgelöst werden, kommt dem Freizeitbereich eine besondere Rolle zu. Über den Freizeitbereich sind Menschen mit den Medien vertraut geworden, noch bevor sie sich in der Arbeitswelt mit diesen konfrontiert sahen.

    Aufgrund der hohen Komplexität des Themas dieser Arbeit und dem ständig fortschreitenden Forschungsstand kann im Rahmen dieser Arbeit keine vollständige Wiedergabe aller Meinungen, Ergebnisse und Tendenzen erfolgen. Als Leitgedanke dieser Arbeit soll die zentrale Frage dienen, wie sichergestellt werden kann, daß die Informationsgesellschaft nicht zu einer weiteren Ausgrenzung führt, die die in unserer Gesellschaft bestehenden sozialen Unterschiede noch zusätzlich verstärken würde.

  3. Begriffsdefinitionen
  4. Der Grundgedanke der Informationsgesellschaft liegt in der Tatsache begründet, daß es sich hierbei um eine komplexe, informations- und kommunikationsbasierte Gesellschaftsform handelt. Es wird im allgemeinen vorausgesetzt, daß in der Informationsgesellschaft medial vermittelten Kommunikationen eine wichtige Rolle beigemessen wird. Jede Kommunikation ist ‘vermittelt’, sobald sie sich eines Mediums, wie z.B. Sprache, Schrift, Gestik oder Mimik, bedient. In der Informationsgesellschaft wird den ‘technischen Medien’ eine besondere Funktion eingeräumt, wobei sich hierunter alle technischen Entwicklungen fassen lassen, die es ermöglichen, "die Kanäle und die Reichweite der Kommunikation zu erweitern sowie deren Geschwindigkeit zu erhöhen". Um jedoch die Wirkungen des gesellschaftlichen Wandels durch die Entwicklung zu einer Informations- oder Kommunikationsgesellschaft beurteilen zu können, sollen die wichtigsten Begriffe im Folgenden genauer betrachtet und definiert werden.

    1. Kommunikation
      1. Begriffsdefinition Kommunikation (nach Luhmann):

Kommunikation produziert sich als rekursiv geschlossener Prozeß aus Kommunikation im autopoietischen System sozialer Systeme. Kommunikation ist ein dreistelliger Selektionsprozeß, in dem Information, Mitteilung und Verstehen miteinander kombiniert werden:

Erst bei einer Synthese aller drei Selektionsleistungen kann von Kommunikation gesprochen werden (d.h. Kommunikation ist nicht gleich Resultat des Handelns eines Individuums). Handlung ist eine Folge der Kommunikation.

 

      1. Begriffsdefinition Kommunikation (nach Parsons):

Kommunikation ist eine Phase des Interaktionsprozesses und ein Prozeß der Informationsübertragung zwischen den interagierenden Teilnehmern. Der gemeinsam geteilte Code stellt die Bedeutungsidentität der Information zwischen Sender und Rezipient sicher. Fehldeutungen werden nicht ausgeschlossen, aber lediglich als "Verunreinigungen" behandelt, die empirisch zwar unvermeidlich, auf der theoretischen Ebene allerdings ohne eigenständige Bedeutung sind (Kommunikation ist gleich Resultat des Handelns eines Individuums).

Kommunikation setzt Handlung voraus.

    1. Interaktion
    2. Im Duden findet man eine Definition von Interaktion als:

      "[...] aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen, Wechselbeziehung zwischen Handlungspartnern."

      Interessanterweise finden sich in englischsprachigen Lexika Erläuterungen, die die soziale Interaktion, wie sie im Duden beschrieben wird, zwar mit einschließen, aber grundsätzlich nicht darauf beschränken. Hiernach ist Interaktion "[...] mutual or reciprocal action or influence [...] between physical events, between mental events, and also between mental and physical events." (Webster’s, 1981)

      In neueren Lexika wird unter dem Stichwort interactive bereits eindeutig ein Bezug zu Computern oder zur elektronischen Kommunikation hergestellt: "interactive use of a computer is use with which the user and the computer communicate directly with each other by means of a keybord and a screen." (BBC, 1992)

    3. Verhältnis zwischen Kommunikation und Interaktion

Das Interaktion und Kommunikation in einem Zusammenhang stehen, wird kaum jemand bestreiten. Dies wird bereits anhand der letzten, oben zitierten Definition deutlich. Allerdings besteht in der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, in welchem Verhältnis die beiden Begriffe zueinander stehen. Deshalb sollen die wichtigsten Positionen im folgenden kurz dargestellt werden.

"Es scheint mir daher sinnvoll und nützlich, den Begriff ‘Kommunikation’ als Bezeichnung einer Klasse spezifischer intentionaler Interaktionen zwischen Lebewesen aufzufassen, jener Interaktionen nämlich, die vermittelt, über Medien, also mit Hilfe von Zeichen ablaufen, [...] Überall dort, wo kein Kode und somit kein Zeichen zwischen realen Interaktionen oder an ihre Stelle tritt, ist eben von ‘Interaktion’ und nicht von ‘Kommunikation’ zu sprechen. ‘Interaktion’ ist der inklusive Begriff, somit eine triviale Voraussetzung für die Anwendung des Begriffes ‘Kommunikation."

"Der Begriff der Interaktion, so könnte man pointiert formulieren, ist ein auf die soziale Dimension verkürzter Kommunikationsbegriff. (...) Damit geraten die zeitlichen und sachlichen Leistungen von Kommunikation aus dem Blickfeld."

So kommt Graumann zu der Entscheidung, "(...) daß für die Zwecke der empirischen Forschung (und des Berichts über sie) zwischen menschlicher Interaktion und Kommunikation kein Unterschied mehr gemacht wird."

Niklas Luhmann definiert Interaktion als: "Sozialsystem (...), das sich zwangsläufig bildet, wenn immer Personen einander begegnen, das heißt wahrnehmen, daß sie einander wahrnehmen, und dadurch genötigt sind, ihr Handeln in Rücksicht aufeinander zu wählen."

Das grundlegende Element von Interaktion ist somit die wechselseitige Wahrnehmbarkeit. Luhmann verweist darauf, daß reziproke Wahrnehmung bereits Kommunikation, also "Austausch von Informationen über selektive Ereignisse" sei (ebd., S. 53f). Dieser Austausch von Informationen findet, ebenso wie die Interaktion, auf zwei Ebenen statt: Der nonverbalen, gegenseitigen Wahrnehmung und dem intentionsgesteuerten Sprechen, das Rückfragen ausgesetzt ist. Eine Funktion von Wahrnehmung ist die Interpretation von sprachlicher Kommunikation auf Grund von Begleitwahrnehmungen. Luhmann verweist auf Watzlawick et al. und die von ihnen aufgestellten fünf Kommunikationsaxiome. Zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt von Kommunikation unterscheiden sie in ihrem zweiten Axiom. In diesem wird verdeutlicht, daß der Inhaltsaspekt die Daten vermittelt und der Beziehungsaspekt festlegt, wie diese Daten zu interpretieren sind.

Wesentliches Charakteristikum von Interaktion ist das kontingente Verhalten der Akteure. Kontingenz beinhaltet die grundsätzliche Nicht-Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens, da alle Akteure die Möglichkeit haben, sich anders zu verhalten als es von ihnen erwartet wird oder nein zu sagen.

 

    1. Symbolische Interaktion

Die "Welten" der Menschen setzen sich aus Objekten zusammen, die das Produkt einer gemeinsamen symbolischen Interaktion sind.

Blumer stellt dazu drei Vorbedingungen auf (S. 81 ff):

  1. Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der Bedeutung, die diese Dinge für sie besitzen.
  2. Die Bedeutung dieser Dinge wird abgeleitet oder entsteht aus der Interaktion mit Mitmenschen. Der Ursprung der Bedeutung liegt also nicht im Ding selbst.
  3. Die Bedeutung der Dinge wird in einem interpretativen Prozeß erfahren und geändert. Soziale Interaktion beinhaltet immer auch die Interpretation des Anderen bzw. seiner Handlungen.
      1. Unterscheidung nicht-symbolischer und symbolischer Interaktion:
      2. Nicht-symbolische Interaktion beruht auf natürlichen Zeichen, mit deren Hilfe der Kommunikator das Verhalten des Kommunikationspartners steuern kann. Natürliche Zeichen sind Ursache für immer gleiche Reaktionen, die vorhersagbar sind, da natürliche Zeichen nicht interpretiert werden.

        Symbolische Interaktion beruht auf signifikanten Symbolen, die erst durch den Rezipienten interpretiert werden müssen. Somit ist dessen Verhalten nicht vorhersagbar. Der Kommunikator kann aber durch vorheriges Hineinversetzen in den anderen versuchen, dessen mögliche Reaktionen vorab zu interpretieren. Dieses wird auch als "role-taking" bezeichnet.

      3. Para-soziale Interaktion nach Horton & Wohl

Unter der Para-sozialen Interaktion ist die Fähigkeit von Medienakteuren und des Publikums zu verstehen, sich so zu verhalten und zu handeln, als läge ein tatsächlicher und direkter persönlicher Kontakt zwischen ihnen vor. Voraussetzung dafür ist, daß die Medienakteure ihre Handlungen auf die erwartete Reaktion des Publikums abstimmen, und das Publikum diese Rolle tatsächlich erfüllt. Ein Beispiel hierfür sind die besonders im Privatfernsehen beliebten vorabendliche Spielshows, in denen sich die Moderatoren gezielt an ihr Publikum vor dem Bildschirm wenden, um dieses zum Mitspielen (und natürlich zum Weitersehen nach der Werbung) zu animieren. Hier wird durch para-soziale Interaktion eine Publikumsbindung erzeugt, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers über das für diese Art von Unterhaltung übliche Maß steigert.

 

    1. Interaktivität und interaktive Medien

Obwohl Interaktivität als Kennzeichen der sogenannten neuen Medien gilt, gibt es nur wenige Medien- und Kommunikationswissenschaftler, die versuchen diesen Begriff in diesem Zusammenhang zu erklären. Einige dieser Konzepte sollen im folgenden dargestellt werden. Die Standpunkte sind allerdings teilweise sehr unterschiedlich.

Der Ansatz von Mast (1986) beschreibt die Aufhebung der Grenze zwischen Massen- und Individualkommunikation als eine Folge der neuen Medien. Immer mehr Elemente der Individualkommunikation dringen in die Massenkommunikation ein. Daraus resultiert eine Individualisierung der Medien.

Der durch die neuen Technologien ermöglichte Individualisierungsprozeß führt zu gestuften Aktivitäts- und Mitgestaltungsfunktionen der Rezipienten, "die den Ablauf der Kommunikationsprozesse, aber auch die Aussageninhalte betreffen." Im weiteren werden die möglichen Aktivitäten erläutert:

"Der Zugriff [auf Medieninhalte, J.W.] erfolgt [...] nicht durch das eher passive Annehmen des Verteilten, sondern [durch, J.W.] das aktive Auswählen und Eingeben des Wunsches zu einer vom Rezipienten, nicht vom Produzenten bestimmten Zeit."

Dieses kann im weitesten Sinne als Interaktivität bezeichnet werden.

Mast beschreibt drei Bedingungen für diesen Individualisierungsprozeß:

  1. Speicherfähigkeit: Der Rezipient kann sich sowohl inhaltlich, als auch zeitlich sein ’individuelles Programm’ zusammenstellen.
  2. Angebotsvermehrung: Neue Technologien, wie z.B. Breitbandkabel oder Satellitenempfang vergrößern das Kommunikationsangebot erheblich.
  3. Zielorientierte Vermittlung: Das vergrößerte Angebot kann auch individuell abgefragt und vermittelt werden. Hierzu können beispielsweise Videotextsysteme betrachtet werden.

Allerdings ist Mast noch stark an die klassischen Begriffe der Medienkommunikation gebunden - trotz der Betonung, daß alte Grenzen und Zusammenhänge nicht mehr gelten. Es wird deutlich, daß Interaktivität und interaktive Medien wesentlich komplexere Modelle und neue Begriffe erfordern, um zufriedenstellend beschrieben werden zu können.

 

      1. Interaktivität: mehr als ein "Hin-und-Zurück"
      2. Gerade im englischen Sprachgebrauch finden sich anstelle des Begriffs "interactive media" auch Bezeichnungen wie "two-way-communication" oder "broadband-communication". Viele dieser Bezeichnungen beschreiben Interaktivität im eigentlichen Sinne nicht voll.

        Von Interaktivität kann erst gesprochen werden, wenn zwischen zwei (oder mehr) Kommunikanten mindestens drei aufeinander bezogene Mitteilungen stattgefunden haben. Hier kann zwischen interaktiver, reaktiver (quasi-interaktiver) und Zwei-Weg (nicht-interaktiver) Kommunikation unterschieden werden.

        Zwei-Weg-Kommunikation ist immer dann gegeben, wenn Mitteilungen zusammenhangslos, also ohne sich aufeinander zu beziehen, hin und her fließen. Bei reaktiver Kommunikation bezieht sich die aktuelle Mitteilung lediglich auf die vorherige. Während bei interaktiver Kommunikation sich jede Mitteilung auf den gesamten davor abgelaufenen Prozeß bezieht. Diese Unterscheidung gilt sowohl für die Kommunikation mit Medien, als auch für interpersonale Kommunikation.

        Ob von Interaktivität gesprochen werden kann, ist also allein vom inhaltlichen Kommunikationsverlauf abhängig. Die Beziehungsebene spielt dabei keine Rolle.

        Nach Ruhrmann und Nieland setzt soziale Interaktion "(...) physische Anwesenheit zwischen Kommunikator und Rezipienten in seiner (natürlichen) Umgebung voraus, so daß die Interaktanden alle sensorischen Kanäle nutzen können." Bei der medienvermittelten Kommunikation ist jedoch ein technisches und soziales System zwischen die Interaktionspartner geschaltet, wodurch die Unmittelbarkeit der Situation nicht mehr gegeben ist. Für die Massenkommunikation kommt zudem erschwerend hinzu, daß die Kontrolle der Interaktion ungleich verteilt ist und der Rezipient anonym bleibt. Wenn die Merkmale der sozialen Interaktion als Maßstab gesehen werden, kann von einer Annäherung an Interaktivität der Medien nur gesprochen werden, wenn der Rezipient im System zu jeder Zeit auch als Sender agieren kann. Das könnte von der Bildtelefonie über Videokonferenzen und Telekooperation bis hin zu eigenen Beiträgen im interaktiven Fernsehen reichen. Vorläufer dieser Entwicklungen sind heute schon im Internet, wo eine Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger nicht gemacht wird und auch nicht sinnvoll wäre, schon jetzt zu beobachten.

        Es ergeben sich somit folgende Konsequenzen:

        Nicht jede Kommunikation ist interaktiv. Zufällig können allerdings auch in der Zwei-Weg-Kommunikation aufeinander bezogene Mitteilungen entstehen.

        Interaktivität ist keine Eigenschaft von Medien. Medien müssen lediglich Interaktivität ‘ermöglichen’.

        Das Ziel von interaktiven Medien ist es, para-soziale Interaktion in echte Interaktion umzuwandeln. Das heißt, der Mediennutzer (Zuschauer / Zuhörer / Computerbediener) kann dem Moderator oder dem Computersystem wirklich antworten - und wird wirklich wahrgenommen.

      3. Definition für interaktive Medien (nach Kellerer)
      4. "Interaktive Medien ermöglichen es Individuen mittels technischer Schnittstellen, Kommunikationsvorgänge aufzunehmen oder zu aktivieren und sie im Hinblick auf Geschwindigkeit, Struktur und/oder Inhalt zu beeinflussen. Ihre Kommunikationspartner sind andere Individuen, eine Organisation oder das Medium selbst, an das Kommunikationsvorgänge delegiert wurden. Die Einflußmöglichkeiten der Beteiligten können sich nach Grad und Art unterscheiden."

      5. Mensch-Computer-Interaktion

Oft ist der Computer das Medium, das diese interaktiv werden läßt. Allerdings gibt es hierzu Stimmen, die anführen, daß zwischen Mensch und Computer keine Kommunikation stattfinden kann. Es handelt sich hierbei höchstens um eine Mensch-Computer-Interaktion, die aus der abwechselnd aufeinander bezogenen Aktivität von Mensch und Computersystem, auf ein vom Menschen gesetztes Ziel hin besteht und diese Kommunikationsbeziehung nicht mit einer zwischenmenschlichen Kommunikation zu vergleichen ist.

Geser (1989) hält es allerdings für möglich, daß der Computer Kommunikationspartner sein kann. Er führt aus, daß die konventionelle Soziologie den Interaktionsbegriff schon immer so weit verstanden hat, daß "auch jene sozialen Beziehungen gelten [...], in denen ein Partner nur als Emittent objektiver intelligibler Verhaltensreaktionen (anstatt als bewußtseinsfähiges Alter Ego) in Anspruch genommen" wird (ebd., S.242).

Geser beschreibt Situationen, in denen es für das Individuum sehr beschwerlich sein kann, Alter als Subjekt mit Erwartungen, Gefühlen und inneren Schemata zu erleben - ob es der ständig plappernde Schachpartner oder die mit Vorurteilen belastete Lehrerin ist. Besonders in Situationen mit definierten Normen und Regeln kann der Computer die Partnerrolle besser übernehmen:

"Computer sind (...) in der Lage, diesen in institutionell-bürokratischen Milieus angestrebten, aber nie völlig erreichten Typus des rein regelorientierten Sozialverhaltens in idealtypischer Vollkommenheit zu aktualisieren, (...)" (ebd., S.234)

Somit ist der Computer in der Lage, die - manchmal störende - Beziehungsebene aus der Kommunikation bzw. Interaktion herauszuhalten.

Jedoch sieht auch Geser eine Nichtgleichartigkeit der Beteiligten dieser Interaktion. Er schreibt, daß die ständige Interaktion mit einem Computer zu einem gestörten (menschlichen) sozialen Verhalten führen kann. Der "Hacker" erwartet auch von seinem menschlichen Gegenüber "ahistorisch-reversible, punktuell-gegenwartsbezogene Beziehungsformen" (ebd., S.235).

Die fehlende Beziehungsebene kann also unter verschiedenen Aspekten gesehen werden:

Zum einen als bewußte Abgrenzung zur menschlichen Kommunikation, zum anderen als Chance für die Verbesserung von formaler Kommunikation, die ein Mensch nie vollkommen erfüllen kann.

 

    1. Kommunikation durch und mit dem Computer
    2. Herauszufinden ist, ob Menschen tatsächlich in Interaktion mit dem Computer treten. Im Allgemeinen kann zwischen zwei Arten der Mensch-Computer-Interaktion unterschieden werden: Kommunikation durch den Computer und Kommunikation mit dem Computer.

      1. Kommunikation durch den Computer

Als Beispiel für Kommunikation durch den Computer kann "Electronic Mail" gesehen werden. Der Computer wird im Sinne eines klassischen Mediums als Vermittler eingesetzt. Eigentlicher Kommunikationspartner bleibt der Mensch oder eine Gruppe von Menschen, wie bei einer Mailbox. Die Kommunikation durch den Computer unterstützt die traditionellen Kommunikationsformen wie den Schriftverkehr oder ein persönliches Gespräch, durch eine raum-zeitliche Beschleunigung und/oder Unabhängigkeit. Allerdings ist die Kommunikation durch "Electronic Mail" eine indirekte, der klassischen Form des Briefeschreibens ähnliche. Hierbei kann der Rezipient der Mitteilung nicht, wie im Gespräch, unmittelbar auf die Nachricht antworten, sondern muß erst seine Antwort (in Briefform) formulieren und an den Kommunikationspartner schicken.

Kommunikation durch den Computer über weltweite Netze - wie beispielsweise das Internet, das Computer verbindet, die sehr weitvoneinander entfernt stehen - ist jedoch nicht nur darauf aufgebaut, daß Nachrichten irgendwo abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt vom Empfänger abgerufen werden. Es gibt in den Computernetzen auch die Möglichkeit, Nachrichten direkt auf dem Bildschirm eines anderen Computers auftauchen zu lassen. Dienste wie das "Internet Relay Chat" (IRC) oder "Multi User Dungeon" (MUD) ermöglichen diese direkte Kommunikation von zwei oder mehr Kommunikatoren.

Die interpersonelle Kommunikation durch Computernetze unterscheidet sich von den Ansätzen der klassischen Kommunikation. Hier handelt es sich um eine Mischform aus geschriebenem und gesprochenem Text. In Kommunikationen über ‘e-mail’ oder Mailboxen schreiben die Kommunikationsteilnehmer so, wie sie normalerweise in einem Telefongespräch oder einer realen ‘vor-Ort’-Unterhaltung sprechen würden. Formale Stilelemente der klassischen Kommunikation, wie etwa Höflichkeitsformen fallen hier weg.

      1. Kommunikation mit dem Computer

Bei der Kommunikation mit dem Computer wird in der klassischen (menschlichen) Kommunikationsdyade, wie bereits dargestellt, eine Seite durch den Computer ersetzt. Der Computer wird ‘scheinbar’ zu einem Sender und Empfänger des Kommunikationsprozesses.

"Scheinbar" deshalb, weil die Reaktionen des beteiligten Computers von einem Menschen geplant und programmiert sind. Hierbei kann von "übertragenen Kommunikationsverhalten" bzw. von "formaler, delegierter Kommunikation" gesprochen werden. Computer und der vom Kommunikator angestrebte und geplante Kommunikationsprozeß fallen zusammen. Voraussetzung dafür ist die Formalisierbarkeit dieses Prozesses, das heißt Verhalten und Verhaltensbedingungen müssen beschrieben und kontrolliert werden können.

Der ursprüngliche Kommunikator hat auf die tatsächlich stattfindende Kommunikation keinen direkten Einfluß mehr, da eine vollständige Delegation stattfindet. Das bedeutet, daß alle möglichen Aktionen und Reaktionen des Anwenders vorher bedacht werden müssen. Für diesen Fall aber gilt: "Je besser die Approximation gelingt, um so mehr erscheint die Maschine als selbständig handelnder Akteur." (Kupka et al., 1982, S. 39) Der Anwender kommuniziert also mit dem Medium. Als Beispiel für diese Art von Kommunikation kann das am Schweizer Institut CERN entwickelte System "Hypertext" betrachtet werden.

"Hypertext" verbindet das Lesen eines Textes, Hören eines Klanges oder Sehen eines Bildes, mit der direkten Verknüpfung zu weiterführenden Informationen oder ähnlichen Darstellungen. Diese Textform bietet Informationen, ohne das der Benutzer Quellen oder Suchpfade kennen muß. Der Anwender liest bei "Hypertext" auf seiner vertrauten Bedieneroberfläche einen Text, der z.B. durch einen Computer der Universität von Kalifornien in Los Angeles bereitgestellt wird. In diesem Text sind Schlüsselworte (Namen, Institutionen o.ä.) farbig hervorgehoben. Klickt der Leser mit seinem Mauszeiger auf dieses Wort, wird automatisch eine Verbindung zu dem Computer hergestellt, der diese Information bereit hält, und auf dem Bildschirm des Benutzers angezeigt. Es ist für den Anwender bedeutungslos, daß die Quelle der Information auf seinem Bildschirm ein Computer der Universität von Sydney, Australien ist.

Kommunikation mit einem Medium ist also immer Kommunikation mit einem Kommunikator, der den Kommunikationsprozeß mehr oder weniger vollständig an das Medium delegiert hat. Insofern könnte auch hier von einer Kommunikation durch das Medium gesprochen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, das diese Art der Kommunikation für den Anwender eine ganz andere Qualität hat.

  1. Theorieansätze
    1. Informationsgesellschaft
    2. In früheren Beschreibungen wurden als Grundlagen der Informationsgesellschaft hauptsächlich technische und wirtschaftswissenschaftliche Begriffe verwandt. Mit den Kernaussagen, Information sei die erwachende Ressource und Wirtschaftssysteme mit einem hohen Anteil an "Informationsarbeitern" im Dienstleistungsbereich seien Informationsgesellschaften, werden mit Sicherheit wahre Aussagen zur Informationsgesellschaft getroffen - aber nicht umfassend. Solche Gesellschaften werden auch gerne als große und schnell expandierende Produzenten und Konsumenten von Information beschrieben. Da die Charakteristika von Kultur und Gesellschaft meist nicht explizit herausgestellt werden, bleibt der Begriff von der Informationsgesellschaft oft nur eine leere Worthülse, die vage die Assoziation in sich trägt, daß es sich um eine Gesellschaft handele, die von elektronischen Informations- und Kommunikationsnetzwerken abhängig ist und deren ökonomische Ressourcen in Informationen und Kommunikationen lägen.

      In der soziologischen Diskussion über die Moderne sind vergleichbare Entwicklungen zu erkennen. Hier wurde komplexen, informationsbasierten sozialen Systemen der Vorrang gegeben. Vielfach sind die Definitionen einer modernen Gesellschaft durch die Charakteristika der Elemente, welche die Informationsgesellschaft kennzeichnen, geprägt.

    3. Die Kommunikationsgesellschaft: R. Münch
    4. Richard Münch setzt sich in seinen Werken zur Kommunikationsgesellschaft mit der Konstitution der modernen Gesellschaft auseinander. Münchs Kernthese ist, daß sich die moderne Gesellschaft von der Industrie- zur Kommunikationsgesellschaft wandelt. Dieses beinhaltet, daß zunehmende intersystemische Beziehungen die Globalisierung und die Verflechtungen des Lebens verstärken, wobei der Kommunikation einen immer höheren Stellenwert zugeschrieben wird. Kommunikation durchdringt die Gesellschaft, was eine Beschleunigung, Globalisierung, Verdichtung und Vermehrung der Kommunikation zur Folge hat.

      Die Ursache für diese zunehmende Durchdringung der Gesellschaft mit Kommunikation liegt in einer Spannung, die durch die Trennung von Vernunft und Wirklichkeit erzeugt wird. In der Moderne wird der permanente Vergleich des Wirklichen mit dem Möglichen im Licht der Ideen der Aufklärung betrieben. Durch die Aufklärung, die - allein auf Vernunft basierende - abstrakte Gesellschaftsmodelle entwarf, wurde die Vernunft aus der Umklammerung der ständisch gegliederten Sozialstruktur befreit. In der Moderne entspricht die Wirklichkeit niemals der Vernunft, sondern sie kann immer nur versuchen, sich dieser anzupassen. Hieraus resultiert, daß die Moderne ein letztlich unvollendbares Projekt ist. Die Verwirklichung der Ideale der Aufklärung beinhaltet auch immer die Gegenteile der beabsichtigten Wirkung. Diese Dialektik zeigt sich bereits in den Wurzeln der westlichen Kultur durch vier grundlegende Paradoxien:

      1. Paradoxie des Rationalismus: Je mehr wir wissen, um so mehr wissen wir, was wir nicht wissen.

      2. Paradoxie des Individualismus: Durch die Befreiung aus geschlossenen Gemeinschaften (Individualisierung) ergeben sich neue Abhängigkeiten (Standardisierung). Sollen zum Beispiel immer mehr Menschen die gleichen Rechte erlangen, schränken sich diese gewonnenen Rechte wieder ein, wenn sie tatsächlich von vielen Menschen genutzt werden.

      3. Paradoxie des Universalismus: Je mehr sich die Menschen verbinden, um so bindungsloser wird der Einzelne. Je größer die Quantität der eingegangenen Bindungen ist, desto geringer ist ihre Qualität.

      4. Paradoxie des instrumentellen Aktivismus: Mit jedem Eingreifen in die Welt zur Beseitigung bestehender Schäden, Unrechte, Leiden und Irrationalitäten entstehen neue Probleme. So wurde beispielsweise die Atomkraft anfänglich als Mittel zur Lösung der Energie- und Umweltproblematik gesehen, während später ihre Risiken und Konsequenzen selbst zu einem Problem wurden.

      Nach Münch ist die Moderne an sich riskant. Hierbei ist das größte Risiko die Moderne selbst.

      Das ständige Bemühen um die Beseitigung der Spannungen zwischen Ideal und Realität führt zu einer permanenten Steigerung der Leistungen des Handelns und der daraus gebildeten Subsysteme. Dieser Prozeß umfaßt immer mehr Gesellschaften, bis hin zur ganzen Welt. Die ökonomische, politische, kulturelle und gemeinschaftliche Expansion führt gleichzeitig zu einer Vergrößerung der umlaufenden Kommunikationsmedien. Es kommt schließlich zu einer Entfesselung der Kommunikation in allen Lebensbereichen, die die Gesellschaft zunehmend durchdringt. Dabei erfährt die Kommunikation eine Verdichtung (immer mehr Akteure kommunizieren in immer engeren und grenzüberschreitenden Netzen), eine Beschleunigung (die Akteure werden immer schneller informiert; das Wissen wird immer schneller durch neueres Wissen ersetzt) und eine zunehmende Globalisierung (Kommunikation überschreitet institutionelle, gesellschaftliche und kulturelle Grenzen).

      Münch empfiehlt den gezielten Aufbau von Institutionen, die den Transfer der systemischen Leistungen organisieren. Diese Institutionen sollen als Vermittlungsorgane die verschiedenen Funktionsbereiche zusammenführen und die unterschiedlichen Perspektiven wechselseitig vermitteln sowie zu einem breiteren Verständnis beitragen.

    5. Konsequenzen der Moderne: A. Giddens
    6. Auch Anthony Giddens beschreibt moderne Gesellschaften als Risikogesellschaften, die einer großen Unsicherheit ausgesetzt sind und sich in ständiger Reflexivität und Selbstbeobachtung befinden. Er legt in seinem Werk "Die Konsequenzen der Moderne" einen Schwerpunkt auf die Trennung von Zeit und Raum sowie auf die Entbettung durch symbolische Zeichen (wie zum Beispiel Geld) und den Einsatz von Expertensystemen."Die Entbettungsmechanismen haben in der heutigen Welt zwar weite Sicherheitsbereiche geschaffen, doch die neue Schar von Risiken, die dadurch entstanden ist, wirkt wahrhaft furchteinflößend." Giddens verweist an diesem Punkt auf Ulrich Becks "Risikogesellschaft", auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch eingegangen wird. Die Darstellung Giddens ist nicht identisch mit den Bedingungen einer postmodernen Gesellschaft, jedoch setzt jedes der Elemente, im Vergleich zu vormodernen Gesellschaften, verstärkte Informationsaktivitäten voraus. "Denn eine der wichtigsten Auswirkungen des Industrialismus ist die Umgestaltung der technischen Kommunikationsverfahren." Dieser Punkt führt zu einem der entscheidensten Merkmale der Globalisierung, das auch als kulturelle Globalisierung bezeichnet werden könnte. "Mechanisierte Kommunikationstechniken haben schon seit der Einführung mechanischer Druckverfahren in Europa alle Aspekte der Globalisierung dramatisch beeinflußt. Sie bilden ein wesentliches Element der Reflexivität der Moderne und der Diskontinuitäten, die zu einer scharfen Trennung des Modernen vom Traditionalen geführt haben." Diese Wirkung der Medien wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts festgestellt, als die massenhafte Verbreitung der Zeitung gerade an ihrem Anfang stand. So wurden folgende Auswirkungen des Zeitungswesens schon 1892 beschrieben: "Der letzte Dorfbewohner hat heute einen weitern geographischen Gesichtskreis, zahlreichere und verwickeltere geistige Interessen als vor einem Jahrhundert der erste Minister eines kleinen und selbst mittlern Staates; wenn er bloß seine Zeitung, und wäre es das harmloseste Kreisblättchen, liest, nimmt er [...] an tausend Ereignissen teil, die sich auf allen Punkten der Erde zutragen, und er kümmert sich gleichzeitig um den Verlauf einer Umwälzung in Chile, eines Buschkrieges in Deutsch-Ostafrika, eines Gemetzels in Nord-China, einer Hungersnot in Rußland."

      Nach Giddens ist die Globalisierung von Informationen und das gemeinsame Wissen, das durch die Medien repräsentiert wird, eine Grundbedingung für die Ausbreitung der Institutionen der Moderne. So führt er als Voraussetzung für die globalen Geldmärkte an, daß die - räumlich voneinander weit entfernten - Beteiligten direkten und zeitgleichen Zugang zu gemeinsamen Informationen haben.

      Jedoch wäre es falsch, rekursiv davon auszugehen, daß die Existenz der technischen Möglichkeiten eines weltweiten Informationsaustausches für jedes Individuum bedeutet, unserere Gesellschaft sei bereits ein Teil des sogenannten "Global Village". Zu bedenken ist an diesem Punkt, daß ein Großteil der Menschen auf dieser Welt, noch ihren ersten Telefonanruf tätigen müssen und auch in hochtechnisierten westlichen Gesellschaften die neuen IuT-Technologien noch nicht flächendeckend zum Einsatz kommen. So ist die Nutzung der neuen Medien noch immer einem kleinen Kreis von Menschen vorbehalten. Denn auch in Europa gibt es genügend Menschen, die kein Geld für Multimedia-Computer haben. "Beim digitalen Fernsehen macht der EBU-Generalsekretär die Gleichung "Mehr ist gleich weniger" auf: ‘Eine größere Auswahl an Kanälen für Abonnenten bedeuten ein kleineres Angebot für Nicht-Abonnenten.’ Die digitale Revolution, so Münch, teile die Gesellschaft noch stärker in Besitzende und Besitzlose, ‘obwohl gerade die Besitzlosen von ihr am meisten profitieren würden.’"

      In den Sozialwissenschaften wird der Zusammenhang von technologischem Fortschritt und Gesellschaft unter zwei Hauptaspekten diskutiert: als Abhängigkeit der Gesellschaft von Technik und umgekehrt, als Abhängigkeit der Technik von der Gesellschaft. Auf der einen Seite wird technologischer Wandel als auslösender Faktor für einen sozialen Wandel dargestellt. Andererseits kann ein technologischer Wandel auch als Folge eines Wandels von kulturellen Werten und Maßstäben betrachtet werden. "Die ‘protestantische Ethik’, wie sie bei Max Weber als Hinwendung zum Wertsystem des Kapitalismus analysiert wird, ist letztlich die Bedingung der Prozesse für die damals anstehende Industrialisierung selbst." Die umfangreiche Neuorientierung durch die - mit der Industrialisierung einhergehende - Zweckrationalisierung schaffte erst die Voraussetzungen für die nötigen technischen Entwicklungen. Somit kann davon ausgegangen werden, daß technische Innovationen durch das gesellschaftliche Wertesystem vorangetrieben werden. Ein anderer, in diesem Zusammenhang wichtiger, Punkt ist, ob es eine Technikakzeptanz in der Gesellschaft gibt, ob also das Individuum bereit ist, die technischen Möglichkeiten in reale Anwendungen umzusetzen. Gerade zu dem Punkt der Technikakzeptanz wurden in den letzten Jahren zahlreiche umfangreiche Erhebungen und Analysen durchgeführt. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei Jugendlichen gewidmet. In den Untersuchungen zur Technikakzeptanz wird dem Verhältnis von Jugendlichen zur Technik eine besondere Relevanz zugeschrieben. Beiden, sowohl der Jugend als auch der Technik, werden besondere Rollen als Säulen der künftigen Gesellschaft zuteil. Hierzu sei das Bild der Mitte der 80er Jahre in den Medien aufgetauchten "Computerkids" angeführt. Die Ausgangshypothese für die Spekulation über die Fähigkeiten und Qualitäten der "Computerkids" war die Vermutung, daß der Umgang mit dem Computer suchtähnliche Wirkungen haben könnte. Wenn sich auch kaum Indizien dafür finden lassen, die eine ‘soziale Deformation’ durch den Umgang mit Computern belegen, so läßt sich jedoch leicht aufzeigen, wie die Computertechnologie den schulischen und familiären Alltag von Kindern und Jugendlichen verändert.

      Allerdings sind seit der Mitte der 70er Jahre immer wieder auch skeptische Stimmen in der Debatte zur Technikakzeptanz laut geworden. Durch eine Reihe von Unglücken und Störfällen in nahezu allen Ländern der Erde ist die Aufmerksamkeit gegenüber der Technik und ihrer industriellen Einsatzfelder geschärft worden. So seien als Beispiele von weitreichender Bedeutung die Reaktorunfälle von Harrisburg und Tschernobyl oder die Freisetzung von Dioxin im italienischen Seveso und die hieraus resultierenden sozialen Initiativen, wie beispielsweise die Anti-Atomkraft-Bewegung, die Ökologiebewegung oder gar das Entstehen neuer Parteien angeführt. Der Einfluß dieser Bewegungen kann anhand des gesellschaftlichen Einstellungswandels zu den Risiken der Großtechnologie beobachtet werden. In der Soziologie wird diese gesellschaftliche Tendenz unter dem Begriff des "Wertewandels" diskutiert. Es sei jedoch angemerkt, daß sich die Debatte weniger mit dem politischen Wertesystem befaßte, als viel mehr mit der Kritik an den Erscheinungsformen der Technik. Allerdings muß hier das ambivalente Verhältnis der Jugend zur Technik erörtert werden. Bei aller Kritik, die von Jugendlichen gegen bestimmte Formen technischer Anwendungen vorgetragen wurde, sind es gerade die Jugendlichen, die einen sorglosen und selbstverständlichen Umgang mit der Technik neuer Informations- und Kommunikationsmedien pflegen. Deshalb müßte nach diesem Verständnis eine Trennung zwischen "guter" und "böser" Technik getroffen werden. Dieses soziale Spannungsverhältnis wurde von Ulrich Beck in seinem Werk über die "Risikogesellschaft" dargestellt. Beck beschreibt hier eine Gesellschaftsform, die durch eine zunehmende Individualisierung und ihre weitreichenden Risiken, die eine Kontrolle und Steuerung verhindern, gekennzeichnet ist.

      Die Leitbegriffe der aktuellen grundlagentheoretischen Diskussion sind Lebenswelt, Kompetenz, kommunikative Kompetenz, Alltag, Handeln sowie Handlungskompetenz und "Medienkompetenz". Durch die Anforderungen, die die neuen Medien sowohl an die Individuen als auch an die Gesellschaft stellen und durch die sich nicht die Probleme des alltäglichen "Handelns" oder der "Kommunikation" verändern, wird von allen vorgenannten Begriffen die "Medienkompetenz" weit in den Vordergrund gestellt. Dieses resultiert nicht zuletzt daraus, daß sich alle Diskussionsteilnehmer auf Multimedia, Internet und eine künftige "Cyber-Gesellschaft" einzustellen scheinen.

      Will man die Ursprünge der Diskussion um die "kommunikative Kompetenz" des Menschen suchen, so landet man unweigerlich bei der Auseinandersetzung von Habermas und Luhmann in den 70er Jahren. In dieser Diskussion um den Kompetenzbegriff standen sich der Interaktionstheoretiker und der Systemtheoretiker gegenüber.

      Habermas entwickelte in diesem Diskurs zu der Feststellung, daß nicht nur "Arbeit" sondern auch "Kommunikation" eine Grundlage des Menschen zur Orientierung in der Welt und zur Gestaltung und Aneignung der Natur sei. Hiermit stellte Habermas einen "idealistischen" Begriff neben einen "materialistischen".

      In diesen Rahmen gehört, ebenso wie Habermas, auch Bourdieu. Auch er bezog sich in seinen Theorien auf Noam Chomskys Begriff und Konzept der "Kompetenz". Allerdings beschäftigte Bourdieu sich verstärkt mit der "generativen Grammatik" als "Reservoir" aller Sätze, die ein Mensch äußern und umsetzen kann und mit "Habitus" als System von verinnerlichten Mustern, die dem Menschen ermöglichen, veränderlich Wahrnehmungen, Handlungen und Gedanken eines kulturellen Raums zu erzeugen.

      "Bourdieu meinte, (...) daß der Habitus nicht frei verfüge, sondern je nach sozialer Klassen- und Schichtzugehörigkeit jene Deutungsmuster auswähle, die nach dem zugeteilten "Bildungskapital" möglich seien."

    7. Theorie des kommunikativen Handelns: J. Habermas
    8. Habermas führt, Chomskys Theorie einer "universellen Grammatik" aufgreifend, seinen Begriff des rationalen Diskurses ein, an dem alle Menschen gleichberechtigt beteiligt sind. Grundvoraussetzungen hierfür sind das Sprachverstehen, die Sprachbeherrschung und das Sprachspiel, auf jeweils transzendentalen Ebenen einer unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft. "Es handelt sich hierbei um eine ideale Kommunikationsgemeinschaft, weil sie prinzipiell imstande sein würde, den Sinn aller vorgetragenen Argumente adäquat zu verstehen und ihre Wahrheit definitiv zu beurteilen." Eine solche, ideale Diskursfähigkeit ist jedoch nur denkbar, wenn alle störenden Einflüsse und alle Verzerrungen der Kommunikation, wie zum Beispiel Macht, Abhängigkeit oder unterschiedlich stark ausgeprägtes Redegeschick, eliminiert würden. Habermas fordert hier ein normatives Ideal mit ethischen Bezügen. Diese ideale Sprechsituation und Kommunikationsgemeinschaft, in der jeder zu Wort kommt und von jedem verstanden wird, ist in der Realität nicht zu finden, jedoch ist sie, nach Habermas, ein "kontrafraktisches Postulat oder eine hyperwirkliche Konstruktion."

      Ausgehend von der Forderung, daß alle Menschen, weil sie gleich sind, auch gleich zu behandeln seien, wird vorausgesetzt, daß sich die Menschen auch nicht im Bezug auf ihre kommunikative Grundausstattung unterscheiden. So ist die zu Grunde liegende "Kompetenz" aller Menschen gleich.

      Hieraus kann gefolgert werden, daß jeder Mensch grundsätzlich ein mündiger Rezipient und als kommunikationskompetentes Lebewesen ein aktiver Mediennutzer ist. Generell ist er (sofern ihm die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen) also in der Lage, sich über die Medien auszudrücken. Diese Fähigkeit muß allerdings trainiert werden. Doch kann davon ausgegangen werden, daß diese Bemühungen zu einem sinnvollen Ziel führen.

      Durch den Wandel der medialen Umwelt des Individuums verändern sich auch die Anforderungen, mit denen das Individuum konfrontiert wird. Die kommunikative Kompetenz muß sich verstärkt an die, durch die neuen Medien verursachten, veränderten Formen und Bedingungen der Kommunikation anpassen.

      Die Medien haben im sozialen Alltag die unterschiedlichsten Bedeutungen. "Sie begleiten notwendige Verrichtungen, markieren Übergänge zwischen produktiven und rekreativen Phasen und sind ein bevorzugtes Feld der von Pflichten befreiten Beschäftigung." Durch die Medien wird das Alltagsgeschehen in verschiedene Bereiche eingeteilt und der Wchsel zwischen diesen Bereichen bestimmt. "Der Umgang mit dem symbolischen Inventar der Medien besorgt dabei Orientierung, verschafft der Vorstellungskraft Gelegenheit zu genußvoller Bestätigung und gibt der personalen Kommunikation Rahmen oder Projektionsfläche." Sowohl das Alltagserleben als auch das Alltagsbewußtsein werden durch die Beschäftigung des Einzelnen mit den Medieninhalten und den erfahrenen Darstellungsformen geprägt. Wenn der Einfluß der Medien auf das Individuum auch kein exklusiver ist, so muß jedoch der Versuch unternommen werden, zu eruieren, in wieweit das Erleben und Handeln des Einzelnen im Alltag durch Medienrezeption beeinflußt wird. Dieser Versuch wird, auf alle gesellschaftlichen Bereiche angewendet, in der Sozialstrukturanalyse unternommen. Zu ermitteln wäre hier, wie kommunikative und alltagskulturelle Realitäten sich in kommunikativen Milieus zu jeweils typischen Figuren bündeln.

      Nach Habermas "Theorie der kommunikativen Kompetenz" muß davon ausgegangen werden, daß nur ein kompetenter Beurteiler in der Lage ist, zu einem vernünftigen Konsensus zu kommen. "Und ob einer vernünftig ist oder nicht, merken wir erst, wenn wir mit ihm sprechen und in Handlungszusammenhängen mit ihm rechnen." Das heißt: In der "Wahrhaftigkeit" seiner Aussagen zeigt sich die Vernünftigkeit eines Sprechers. Hiermit ist gemeint, daß Kompetenz eine in der Sprache verankerte Möglichkeit der Verfügung über Sinn und Intention ist und nicht nur das durch ein Entwicklungspotential festgelegte Reaktionsvermögen auf herausfordernde Reize.

    9. Handlungskompetenz und Umwelt

    Die Lebens- oder Alltagswelt des Individuums ist der Ort, an dem sich seine Identität und seine erworbenen Kompetenzen entfalten, sinnvoll eingesetzt und benötigt werden. Ebenso ist es jedoch auch der Ort, an dem eben diese Kompetenzen unterdrückt und behindert werden. In der Lebenswelt sieht sich der Akteur mit den Gegebenheiten seiner Umwelt konfrontiert und steht mit diesen in einer Wechselwirkung. Einerseits versucht er sie zu gestalten und zu beeinflussen, andererseits sieht er sich gezwungen, - will er seinen Handlungserfolg nicht gefährden - den Anforderungen der jeweiligen realen Situation zu entsprechen.

    An diesem Punkt muß eine Unterscheidung zweier idealtypischer Arten menschlichen Handelns und den sie konstituierenden Kompetenzen getroffen werden. Zwischen zweckrationalem bzw. instrumentellen und kommunikativem Handeln.

    "Mit zweckrationalem Handeln ist das Handeln gegenüber Objekten gemeint. Es bezieht sich auf vorweg definierte Ziele, die auf Basis technischer Regeln verfolgt werden. Vom handelnden Individuum fordert es die Beherrschung eben jener instrumentellen Techniken, die zur erfolgreichen Bewältigung der "objektiven" Anforderungen in der je konkreten Handlungssituation benötigt werden.

    Mit kommunikativem Handeln ist "symbolisch vermittelte Interaktion zwischen Subjekten" bezeichnet, die sich nach Normen richten und ihre wechselseitigen Erwartungen definieren. Es setzt beim Individuum allgemeine kommunikative Kompetenzen und soziale Dispositionen voraus, die in konkreten Interaktionssituationen zu entfalten sind. Hierzu gehören auch die Fähigkeiten zur Selbstkonzeptionalisierung und des Rollenhandelns.

    Beide Ebenen bzw. Dimensionen der Handlungskompetenz tragen in ihrem Zusammenwirken dazu bei, daß das Individuum imstande ist, alltägliche Handlungssituationen zu bewältigen und zu verändern."

    Die Handlungskompetenz des Individuums muß, um ein erfolgreiches Agieren in einer sich kontinuierlich verändernden Lebenswelt sicher zu stellen, diesen sich verändernden Bedingungen anpassen. Insbesondere in einer Gesellschaft, in der sich die lebensweltlichen Voraussetzungen ihrer Mitglieder immer schneller verändern und dadurch das Individuum immer stärker den gesellschaftlichen Prozeßcharakter spüren lassen, ist eine Qualifizierung dieser unerläßlich.

    Insbesondere auf zwei der drei Konstituenten von Handlungskompetenz des Individuums muß bei der Qualifizierung der Gesellschaftsmitglieder verstärkt geachtet werden: auf das Generierungspotential sowie auf das Interpretationspotential.

    Das Generierungspotential basiert auf den sicher beherrschten Fähigkeiten des als "Routinewissen" zu bezeichnenden Planpotentials und generiert auf dieser Grundlage neue Konzepte und Lösungsansätze, die über Habitualisierung hinausgehen. Unter dem Generierungspotential sind Begriffe wie Kreativität oder Innovationsfähigkeit zu finden.

    Das Interpretationspotential ermöglicht dem Individuum, sein Handeln im gesellschaftlichen Kontext einzuordnen und versetzt es in die Lage, allgemeine Verhaltensanforderungen in bestimmten Situationen zu verstehen und zu bewerten. Das Interpretationspotential läßt sich auch mit dem Begriff des reflexiven Wissens erklären.

    Während früher das Planpotential und die damit verbundene Habitualisierung eine für das Individuum stärkere Bedeutung hatten, da sich die lebensweltlichen Bedingungen des Individuums - wenn überhaupt - nur geringfügig veränderten, können die permanenten Modifikationen der aktuellen Lebenswelt eine Verunsicherung der Individuen bis hin zu einer Handlungsunfähigkeit des Einzelnen verursachen. Um auf diese sich verändernden Bedingungen reagieren zu können, wird die Qualifikation des Individuums besonders in den Aspekten Generierungspotential und Interpretationspotential zunehmend wichtiger.

    Die Qualifizierung des Individuums für die sich verändernden sozialen Bedingungen in der Informationsgesellschaft sollte in den Bereichen erfolgen, die auch bislang die Individuen auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet haben. So kommt den Schulen in Zukunft zusätzlich, neben der Qualifizierung zu lesen, schreiben und rechnen, auch die Aufgabe zu, die Schüler zu einem verantwortungsbewußten Umgang mit den Technologien der Informationsgesellschaft auszubilden.

  2. Praxisfelder
    1. Schulausbildung

"Wenn Schule und Universität in Deutschland sich gegenüber dem Zusammenwachsen der Medien Computer, Fernsehen und Telefon weiterhin passiv verhalten wie in der Vergangenheit, wird die ‘Computer and Media Literacy’ im Land der Dichter und Denker bedenklich zurückbleiben."

Die Voraussetzungen sind ein sich zur Zeit alle fünf Jahre verdoppelnder Wissensbestand und das zugleich Wissen und Informationen für alle Industriegesellschaften die wichtigsten Ressourcen für den Weg in die Informationsgesellschaft sind. Berücksichtigt man unter diesen Prämissen, daß die - meist nicht multimediafähige - Ausstattung der deutschen Schulen mit Computern im Durchschnitt nur ungefähr zwei Prozent der Schüler das ständige Arbeiten an einem Computer ermöglicht, so ist es leicht festzustellen, daß im Bereich der schulischen Ausbildung bereits heute ein großer Aufholbedarf besteht. In Deutschland hatten vor der im Sommer 1996 ins Leben gerufenen Initiative "Schulen ans Netz" lediglich 40 von 3000 Gymnasien einen Zugriff auf das Internet, wobei die Zahlen für andere Schulformen noch geringer sind. Im Mittel kommt an europäischen Schulen ein Computer auf 50 Schüler, während das Verhältnis an amerikanischen Grundschulen etwa eins zu zehn ist.

Ein weiteres Hindernis stellt die Tatsache dar, daß der Einsatz von Computern im Unterricht an deutschen Schulen weitgehend auf das Unterrichtsfach Informatik beschränkt ist und die didaktischen Möglichkeiten, die sich durch den PC ergeben, kaum genutzt werden.

Diese Situation ist bedenklich, wenn man davon ausgeht, daß bereits heute rund die Hälfte aller Erwerbstätigen in Berufen arbeiten, die mit Informationen zu tun haben und im Jahr 2000 schätzungsweise nur noch ein Drittel aller Arbeitnehmer einen Beruf ohne Computerkenntnisse ausüben können wird.

"Doch gerade die Institution Schule kann es sich nicht leisten, angesichts dieser Entwicklung zu einer rückständigen Institution zu werden und Medienkompetenz zur Privatangelegenheit zu erklären. Es ist eine Illusion, daß die notwendigen Aus- und Weiterbildungsprozesse ohne die modernen Formen der "distant education" oder des "teleteaching" bewältigt werden könnten. Es ist zudem eine Fehleinschätzung, zu glauben, daß mit dem Begriff Informationsgesellschaft ein Zustand beschrieben wird, der irgendwann in der Zukunft über uns hereinbricht."

Es ist elemtar den Computer in den Schulunterricht zu integrieren und Schülern zu möglichst umfassenden Kenntnissen im Umgang mit den Geräten technisch vermittelter, interpersoneller Kommunikation verhelfen. Es darf hierbei aber nicht vergessen werden, daß eine Schlüsselqualifikation für die sich konstituierende Informationsgesellschaft die Fähigkeit zu lesen ist.

So erfordern die medialen Realitäten in der Informationsgesellschaft angesichts ihrer Informationsvielfalt und der Komplexität der vermittelten Informationen eine erhöhte Medienkompetenz, die mit der Notwendigkeit eines "(...) entwickelten Sprachbewußtseins und (...) der ausgeprägten Befähigung zu begrifflichem Verstehen: dem medienkompetenten Menschen (...)" einhergeht. Basierend auf Forschungsergebnissen zu Leseverständnis und Sprachentwicklung bei Kindern und Jugendlichen wird festgestellt, daß diese Erfordernisse der Medienkompetenz im hohen Maße durch die Lesefähigkeit erfüllt werden. "Die aktiven Leser erwiesen sich auch als die aktiven Denker."

Bedingt durch die Durchdringung des lebensweltlichen Bereichs Schule durch die Medien kommt diesen und dem angemessenen Umgang mit ihnen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft eine zentrale Funktion im Leben des Einzelnen zu. Eine Schlüsselfunktion bei der Bewältigung kleinster wie größter Lebensfragen, individueller wie sozialer Prozesse wird die Medienkompetenz erlangen. "Die Art und die Qualität des Medienumgangs wird über die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen ebenso wie über seine Einstellung zur Gesellschaft entscheiden."

Diese hier geforderte Medienkompetenz entspricht im Kern der von Habermas vorausgesetzten kommunikativen Kompetenz. Wenn sich also die Mittel und die Form der Kommunikation verändern, muß gerade die Fähigkeit des Umgangs mit medienvermittelter Kommunikation trainiert werden. Wenn nach Habermas jeder Mensch über eine kommunikative Grundkompetenz verfügt, muß es die Aufgabe des Bildungssystems sein, diese so zu trainieren und auszubilden, daß sich das Individuum als kompetenter Beurteiler in die Lage versetzt sieht, zu einem rationalen Urteil über die - auch medial - vermittelten Inhalte zu kommen und sich Sinn und Intention einer Nachricht kritisch vergegenwärtigen zu können. Insbesondere in einer Gesellschaft, die sich immer stärker über die Medien definiert, muß es Ziel der schulischen Ausbildung sein, die Schüler auf eine von Medien durchdrungene Welt vorzubereiten und ihnen die Befähigung zu lebenslangem Lernen zu vermitteln. Insbesondere die Erziehung zur kritischen Distanz zu den, durch die Medien vermittelten, Inhalten ist unerläßlich. Wichtig ist hierbei, daß sich dieses auf alle geistigen Bereiche erstreckt. "Auf die Sprache, die Urteile, die Normen, die Formen des sozialen Umgangs und so fort (...) - weil es hier eigentlich nur drei Möglichkeiten der Verarbeitung gibt: Übereinstimmung auf Grund der Kongruenz geistiger Innenwelten, Nachahmung und Übernahme bei einem Gefälle von Überlegenheit des Produzenten zur Unterlegenheit des Konsumenten oder Unverständnis und unverständige Reaktionen. Wer über stimmige Weltmuster verfügt, die nicht oder auch nicht nur aus Angeboten der Massenmedien gewonnen werden, für den ist es einfacher, Illusionen zu durchschauen und wissentlich richtige Interpretationen vorzunehmen, als für den, der sich die Interpretationsmuster auf der gleichen Ebene und vom gleichen Produzenten vorgeben läßt, der die Illusionen erzeugt."

Die Aufgaben der Medienerziehung und der resultierenden Medienkompetenz sind nach Schneider:

Nach dieser Einschätzung kann man alles lehren, was man mit dem Begriff "Medienkompetenz" zum Ausdruck bringen möchte.

Nach Roth (1969) ist es die Aufgabe der Schule,

In diesen Forderungen, besonders im ersten und im letzten Punkt, wird die grundsätzliche Notwendigkeit einer Öffnung der Schule für die sie umgebende Lebenswelt der Schüler deutlich.

Die Funktion der Medienpädagogik wäre also, die Schüler in den verantwortungsvollen und souveränen Mediengebrauch einzuführen, da auch in der Schule die Auseinandersetzung mit der Telekommunikation und der Telematik nicht nur ein Thema unter vielen ist, sondern die Substanz und Legitimation der Schule als gesellschaftliche Institution betrifft. Im Gegensatz zu anderen durchaus relevanten Themen stellt die Entwicklung der neuen Kommunikationsmedien die Schule und die in ihr vermittelten Inhalte und Formen des Lernens und Lehrens grundsätzlich in Frage.

Diese Tatsache läßt sich in einem kurzen Exkurs darstellen:

Die Erfinder des Schulsystems, die Griechen, gründeten eine große Zahl verschiedener Schulen: Gymnasien, Rhetorikschulen und sogar Grundschulen zur Vermittlung der Lese- und Schreibfähigkeit. Dieses Schulsystem wurde von den Römern übernommen, verändert und um einen Kindheitsbegriff bereichert, der weit über den der Griechen hinausging.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches gerieten im Europa des Mittelalters die Lesefähigkeit und die schulische Erziehung in Vergessenheit. Hieraus resultierend konnte der Großteil der Bevölkerung nicht mehr lesen und schreiben. Die hierzu nötigen Fähigkeiten, blieben auf einer Minderheit vorbehalten. "Dabei ging nicht etwa das Alphabet verloren, wohl aber die breitgestreute Qualifikation, es zu benutzen oder zu verstehen." Erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts kam es zu einer Neukonstitution und Expansion der Schule und hierdurch bedingt zu einer Wiedererlangung der allgemeinen Schreib- und Lesefähigkeit. Mit der Erfindung des Buchdrucks wurde das kulturelle Leben grundlegend revolutioniert und die Lesefähigkeit unverzichtbar.

Die Lesefähigkeit, sozusagen die Medienkompetenz des Zeitalters des gedruckten Wortes, läßt sich somit mit der Medienkompetenz vergleichen, die im aktuellen Prozeß der Entwicklung und Verbreitung der neuen Medien nötig wird.

Die Aufgabe der Schule der Zukunft wird es sein, die Schüler zu befähigen, aus der Menge der ungeordneten und unkategorisierten Informationsangebote, die durch die neuen Medien in ihrer großen Vielfalt über das Individuum hereinbrechen, die für sie relevanten Informationen herauszufiltern und nutzen zu können.

So nennt Haefner sechs Leitziele für eine zukunftsorientierte Bildungskonzeption:

  1. "Das Bildungswesen muß sich insgesamt verstärkt um die Qualifizierung des Lernenden für ein individuell menschliches Leben bemühen - auf Kosten der Vernachlässigung rational-intellektueller Fähigkeiten und Prozeduren.
  2. Jeder Bürger muß in den Stand versetzt werden, die breiten Möglichkeiten der Informationstechnik als Erweiterung persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten aktiv nutzen zu können.
  3. Das Bildungswesen muß sich intensiv bemühen, Qualifikationen des Menschen zu entwickeln, die deutlich jenseits der Möglichkeiten der Informationstechniken liegen.
  4. Es muß Ziel zukünftiger Bildungsbemühungen sein, zu vermitteln, daß der Einsatz menschlicher Arbeit in Zukunft in den Industrienationen zur Basislebenserhaltung nicht unbedingt notwendig ist.
  5. Das Bildungswesen muß sich intensiv um die Vermittlung eines angemessenen Freizeitverständnisses und der Fähigkeit zur Gestaltung der Freizeit bemühen.
  6. Es sollte Aufgabe des Bildungswesens werden, grundsätzlich an der Gestaltung des Zugangs und der Verfügbarkeit von Wissen aller Art mitzuwirken - weit über den heutigen, nur auf die personale Lehre begrenzten Rahmen hinaus."

Haefner kommt zu dem Schluß, daß die heutige Schule weitgehend Qualifikationen vermittelt, die aufgrund der überlegenen Computertechnologie in absehbarer Zeit wertlos sein werden und sie auf der anderen Seite versäumt die Schüler mit den Fähigkeiten auszustatten, die für sie nötig sind, um die anstehenden individuellen und gesellschaftlichen Probleme nicht nur zu erkennen, sondern auch kritisch und kompetent zu lösen. "Dies könnte sich nur ändern, wenn die Schule sich für das sie umgebende Leben öffnete."

Zu Haefners Leitzielen ist jedoch anzumerken, daß die von ihm erwartete gesellschaftliche Entwicklung in einen "kollektiven Freizeitpark" zu führen scheint. Fraglich ist, ob es nicht erstrebenswerter wäre, Konzepte zu entwickeln, die eine den sich wandelnden Bedingungen angepaßte Qualifikation der Menschen sowie eine Umverteilung der Arbeit und der Finanzmittel beinhalten, statt Menschen zur beruflichen Untätigkeit auszubilden. Die Folgen der Leitziele Haefners implizieren einen - zumindest partiellen - Wegfall des lebensweltlichen Bereichs der Arbeitswelt, der eine wichtige Funktion der Bestätigung und des Selbstbildes des Individuums ausmacht.

 

    1. Arbeit
    2. Der Wirtschaft kommt in der aktuellen Diskussion über die Informationsgesellschaft ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu. So verfolgt beispielsweise die Bundesregierung im Rahmen ihrer Politik zum Thema Informationsgesellschaft hauptsächlich Ziele, welche die Nutzung von Wachstums- und Beschäftigungschancen und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland fördern.

      Nach Giddens ist die Überwindung von Raum und Zeit ein konstituierendes Merkmal moderner Gesellschaften. Eine Zunahme von Informationsaktivitäten und die Möglichkeit des weltweiten gleichzeitigen und gemeinsamen Zugriffs auf Wissen und Informationen kennzeichnen somit moderne Gesellschaften. Diese Merkmale sind auch und gerade für die wirtschaftliche Globalisierung eine Grundvoraussetzung - siehe Giddens Beispiel der globalen Geldmärkte. So können Unternehmen bereits Arbeiten in anderen Ländern ausführen lassen, ohne von Postlaufzeiten abhängig zu sein. Mit Hilfe der Möglichkeiten, die sich durch die IuT-Technologien ergeben, können zum Beispiel Ingenieure aus verschiedenen Kontinenten simultan und ohne Verzögerungen gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Hier zeigen sich die Vorteile und Möglichkeiten weltweiter Computer-Netzwerke, wie z.B. dem Internet. Durch diese Infrastrukturen ist es möglich geworden, nicht nur reinen Datenaustausch vorzunehmen, sondern eine Art Videokonferenz mit zusätzlicher Bearbeitungsmöglichkeit von Plänen und Dokumenten (Telekooperation, "knowledge networks") mit geringem finanziellen Aufwand zu realisieren.

      Aber auch auf das Individuum kommen mit der Entwicklung zu einer Informationsgesellschaft neue Herausforderungen und Veränderungen in der Arbeitswelt zu.

      Die deutlichsten Veränderungen der individuellen Arbeitswelt lassen sich am Beispiel der Telearbeit aufzeigen, da dies ein Bereich ist, der erst durch die Entwicklungen in den IuT-Technologien möglich geworden ist.

      1. Telearbeit - Definition und Darstellung
      2. Hinter dem Begriff ‘Telearbeit’ verbergen sich verschiedene Varianten der Arbeitsneugestaltung. Gemein haben diese Varianten jedoch die Grundlagen und Voraussetzungen, die Telearbeit erst ermöglichen. Einerseits sind besonders hervorzuheben die gesunkenen Kosten und die gestiegene Leistungsfähigkeit im Computer- und Telekommunikationssektor, das Vorhandensein von Werkzeugen und Diensten, die das so genannte "Open Electronic Networking" - inklusive eines offenen Internets - ermöglichen. Andererseits ist auch die steigende Bereitschaft der Unternehmer, der Arbeitnehmer und der Selbständigen wichtig, innovative Wege zu beschreiten, um geschäftliche wie auch persönliche Ziele zu erreichen.

        "Unter Telearbeit versteht man Tätigkeiten, die unterstützt durch Informationstechnik und Kommunikationstechnik, räumlich entfernt vom Standort des Auftrag- oder Arbeitgebers durchgeführt werden". Hiermit soll in erster Linie ausgedrückt werden, daß der Mensch nicht mehr unbedingt den Weg zu seiner Arbeit zurücklegen muß, sondern daß vielmehr die Arbeit, den Weg zum Menschen findet. Deutlich wird auf jeden Fall, daß durch leistungsfähigere Telekommunikationsmittel und sinkende Kosten der Trend zur Telearbeit unterstützt wird. Ob das Ziel jedoch das "virtuelle Unternehmen" mit einer weitgehend aufgelösten räumlichen Struktur sein wird, mag dahingestellt bleiben.

        Telearbeit wird in den Medien häufig ausschließlich als "heimbasierte Telearbeit" interpretiert. Dieses ist jedoch irreführend, da die Telearbeit viele Formen und Ausprägungen annehmen kann. Während in den USA vorwiegend von "Telecommuting" gesprochen wird, ist "Telework" in diesem Zusammenhang die meistbenutzte Vokabel in Europa.

        Der sogenannte "Telearbeiter" ist in den aktuellen Definitionen jemand, der voll- oder teilzeitlich zuhause arbeitet. Jedoch schließt diese Definition auch jene Arbeiter ein, die einen kurzen Weg zur Arbeit in "Telezentren" oder "Telecottages" zurücklegen, statt zu einem weiter entfernten zentralen Firmengebäude zu fahren. In den Medien wird für Telearbeiter das Bild eines beschaulichen und idyllischen Lebensstils gezeichnet, jedoch können Telarbeiter auch in der Innenstadt, in Vororten oder auf dem Land leben. Außerdem schließt der Begriff der Telearbeit nicht aus, daß nur zeitweilig von zuhause aus gearbeitet wird und der Arbeitnehmer in der übrigen Zeit wie andere, nicht telearbeitende Pendler zur Arbeit in das zentrale Firmengebäude fährt.

        Dieses Modell ist stark unternehmerorientiert, da sich hier ein weites Spektrum an Flexibilität bezüglich neuer Arbeitspraktiken mit flexiblen Arbeitszeiten und -orten sowie variablen Arbeitsverträgen eröffnet. Die heimbasierte Telearbeit ist lediglich ein Aspekt der flexibel arbeitenden Firma, jedoch reichen die Auswirkungen des Gesamtkonzeptes weiter und wirken sich auf die gesamte Personalpolitik der Unternehmen aus.

        Ein Beispiel der flexiblen Arbeit, die mit der heimbasierten oder der alternierenden Telearbeit verbunden ist, ist die Idee der sogenannten "hot desks". Anstelle eines "eigenen" Schreibtisches in einem festen Büro, benutzen die Telearbeiter an den Tagen, an denen sie ihre Arbeit im Firmengebäude verrichten, einen beliebigen freien Schreibtisch im Gebäude, melden sich an diesem Arbeitsplatz an und Telefongespräche und Telefaxe werden an diesen Platz weitergeleitet. Die Schreibtische sind mit einer Standardausrüstung (PC und Telefon) ausgestattet, ihre persönlichen Dokumente und Akten können die Arbeiter in einem Rollcontainer an den jeweiligen Arbeitsplatz transportieren. Bei Telearbeitern, die einen Tag pro Woche im Firmensitz verbringen, kann ein einzelner Schreibtisch also wöchentlich von fünf Angestellten benutzt werden. So würde der Raumbedarf in dem zentralen Firmengebäude auf 20 Prozent sinken. In einer Niederlassung der Firma IBM im US-Bundesstaat New York wurde bereits die 80/20-Regel erreicht - hier werden 800 Mitarbeiter mit nur 200 Schreibtischen versorgt.

        Als Übersicht über die Telearbeit in Europa soll die folgende Tabelle dienen. In ihr werden der aktuelle Stand und die Perspektiven der Telearbeit für die fünf großen westeuropäischen Länder dargestellt.

         

         

         

        Telearbeiter in 1.000

        Telearbeitsplatz-Potential in 1.000

        GB

        560

        1.670

        F

        220

        1.495

        D

        150

        2.867

        E

        100

        900

        I

        100

        1.726

        Abb. 2: Telearbeitsplatz-Potential in Europa

        Hochrechnung auf Basis einer Umfrage bei 5.347 Personen über 14 Jahren und 2.507 Führungskräften, (im Auftrag der EU) / April 1994.

        Für das Jahr 1994 wurde für die Bundesrepublik Deutschland von etwa 30.000 Telearbeitsplätzen ausgegangen. Prognosen für das Jahr 2000, wie etwa im "Bangemann-Bericht", rechnen mit ungefähr 2 Millionen Telearbeitern in Europa. Für die Bundesrepublik Deutschland - ihrem Bevölkerungsanteil in der Europäischen Union entsprechend - würde dieses bedeuten, daß ca. 800.000 Menschen (bzw. zwei Prozent der Erwerbstätigen) telearbeiten würden. Es muß jedoch angemerkt werden, daß es sich bei den potentiell entstehenden Telearbeitsplätzen in der Mehrheit lediglich um räumlich verlagerte "alte" Tätigkeiten und damit in der Summe nicht um zusätzliche Arbeitsplätze handeln wird.

        Telezentren

        Normalerweise arbeitet in jedem Geschäftsfeld das Personal einer Abteilung an einem Ort zusammen - die Buchhaltung ist an einem Ort, die Kundenabteilung an einem anderen. Nun wird es aber durch die Computertechnologie und leistungsfähigere Telekommunikationsinfrastruktur möglich, daß Teams unabhängig vom Arbeitsort des einzelnen ein Projekt bearbeiten. Hierbei spielt es keine Rolle, wie grß die räumliche Distanz ist. Die Idee der Telezentren spiegelt dieses wieder. Jeder Angestellte fährt zur Arbeit in das Bürogebäude, das ihm oder ihr am angenehmsten ist. Abhängig davon ob es nah am Wohnort ist oder daß es gut mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln zu erreichen ist. Das Team arbeitet durch ein elektronisches Netzwerk zusammen.

        Wenn ein Angestellter seinen Arbeitsplatz wechselt, müssen lediglich die Verbindungen in der Organisationsstruktur geändert werden. So kann, wenn ein Mitarbeiter kündigt, befördert wird oder eine andere Art der beruflichen Veränderung anstrebt, der Arbeitgeber diesen durch einen anderen qualifizierten Angestellten ersetzen, ohne geographische Gründe berücksichtigen zu müssen.

        Telecottages

        Hierbei handelt es sich um eine besondere Art der Telezentren. Der Name ist daraus entstanden, daß die ersten Telecottages in Hütten in kleinen skandinavischen Orten eingerichtet wurden. Nach der Einrichtung dieser ‘Nachbarschafts-Telearbeitshütten’ in Skandinavien verbreitete sich diese Idee in ganz Europa. Mittlerweile gibt es solche Häuser beispielsweise in Irland, Frankreich, England, Schottland und Wales.

        Das ursprüngliche Ziel der Telecottages war es, "(...) to bring technology and relevant skills to people in remote villages who lack opportunities to gain these skills by working for ‘hitech’ employers, who have generally clustered in and around urban centres."

        Dies ist nach wie vor die Basisfunktion und -aufgabe der meisten Telecottages. Sie bieten Einführungskurse für PC’s, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, DTP an und ebenso Kurse für e-mail und das Arbeiten in elektronischen Datennetzen. Für Telearbeiter, die über eigene Computer verfügen, sind die Telecottages eine Anlaufstelle, um teureres Zubehör wie Laserdrucker oder spezielle Geräte zu nutzen.

        Ein weiteres Ziel der Telecottages ist den Menschen die sich hier qualifizieren zu helfen Arbeit bei ortsansässigen Unternehmen oder auf Telearbeitsbasis zu finden.

        Auch die soziale Funktion der Telecottages ist nicht zu unterschätzen, denn hier wird für Arbeitnehmer, die heimbasierende Telearbeit verrichten, der Ort geschaffen, um ein soziales Umfeld von ‘Kollegen’ zu erleben und sich ‘um die Kaffeemaschine zu versammeln’, wie es in normalen Unternehmen üblich ist.

        Problematisch ist für viele Telecottages die Tatsache, daß sie auf einer schmalen finanziellen Grundlage arbeiten und von Zuwendungen und Unterstützungen abhängig sind. Hinzu kommt, daß viele Leiter von Telecottages nur über geringe kommerzielle Erfahrungen und Marketingfähigkeiten verfügen.

      3. Problemfelder und Chancen der Telearbeit

Problemfelder

Bei allen durch Wirtschaft und Politik ins Feld geführten Vorteilen, die sich durch eine flächendeckende Einführung der Telearbeit ergeben würden, wie etwa größere Flexibilität, Raum- und Zeitersparnis, Produktivitätssteigerung und ein Einsparungspotential von rund 3,2 Milliarden gefahrener Kfz-Kilometer im Jahr, bleibt jedoch völlig ungeklärt, welche Konsequenzen sich für den Arbeitnehmer durch die Umwandlung seines Arbeitsplatzes in einen Telearbeitsplatz ergeben würden.

In der Diskussion zur Telearbeit tauchen eine Reihe von Problemfeldern auf:

Soziale Probleme

- Vereinsamung

- Selbstausbeutung

- Motivation

- Privatheit

- Akzeptanz

 

Juristische Probleme

- Mitbestimmung

- Arbeitnehmerstatus

- Zutritt zum Arbeitsplatz

- Kostenteilung

- Versicherung



Organisatorische Probleme

- Kontrolle

- Kommunikationssicherheit

- Datensicherheit

- Zielsicherung

Problemfelder

der

Telearbeit

Betriebswirtschaftliche Probleme

- Kosten/Nutzen

- Produktivität

- Meßbarkeit

 

Technische Probleme

- Standards und Offenheit der Systeme

- Mensch-Maschine Schnittstellen

- Sicherheit/Zuverlässigkeit

- Intelligenz der Systeme

 

Quelle: TA -Telearbeit (1995). Telearbeit: Definitionen, Potential und Probleme

Problematisch gestaltet sich beispielsweise der Bereich der Arbeitnehmervertretung, die bislang von den Betriebsräten und den Gewerkschaften ausgeführt wurde. So stellt sich bei zunehmender Dezentralisierung die Frage, ob und wie eine Organisation und Koordination der Interessen der Arbeitnehmer noch gewährleistet werden kann. Durch die Auslagerung von Arbeitsplätzen in die Privathaushalte (im Fall von heimbasierter Telearbeit) wächst die Möglichkeit der Einschränkung der, durch die Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen in jahrzehntelangen Verhandlungen, errungenen Arbeitnehmerrechte.

Ein Beispiel ist hier der Mutterschutz. Eine werdende Mutter genießt nach dem Arbeitsrecht besonderen Schutz. So gelten nach den arbeitsrechtlichen Gesetzen Beschäftigungsverbote sowohl für werdende Mütter, als auch für Frauen nach der Entbindung. So ist es zum Beispiel verboten, eine werdende Mutter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung zu beschäftigen, es sei denn, sie erklärt sich zur Ausübung der Arbeit bereit. Ohne eine solche Einwilligung darf eine Mutter auch acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden.

Für Frauen, die ihrer Erwerbstätigkeit in Heimarbeit nachgehen - hiermit gleichzusetzen sind die Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von Teleheimarbeit und alternierender Telearbeit - gelten dieselben rechtlichen Grundlagen wie bereits oben angeführt, mit dem Unterschied, daß an die Stelle der Beschäftigungsverbote das Verbot der Ausgabe von Heimarbeit tritt. Darüber hinaus haben Mütter im Anschluß an die achtwöchige Schutzfrist nach der Entbindung Anspruch auf einen sechsmonatigen Mutterschutzurlaub.

Wenn sich der Arbeitsplatz jedoch im Privathaushalt befindet und die Kontrollfunktion von Betriebsrat und Gewerkschaften stark eingeschränkt ist, kann diese Frau leicht, aus materiellen Zwängen und Sorge um ihren Arbeitsplatz, von ihrem Arbeitgeber dazu genötigt werden, ‘freiwillig’ auf den Schutz, der einer Frau im Rahmen ihrer Mutterschaft zusteht, zu verzichten.

Wenn über die Position der Gewerkschaften in Arbeitsrecht und -schutz betrachtet wird, ist zu Punkten wie dem technologischen Fortschritt festzuhalten, daß es den Gewerkschaften bereits Ende der 70er Jahre "(...) nicht um einen Stopp des Rationalisierungs- und Technisierungsprozesses (ging), sondern darum, daß er unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen kontrolliert und gesteuert wird. Wenn nötig, muß auch ein zeitliches Strecken solcher Vorgänge möglich sein."

Im aktualisiertenGrundsatzpapier des Deutschen Gewerkschaftsbundes von November 1996 wird die Forderung nach einer humanen und die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigenden Politik sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. So werden hier deutlich die drohenden Gefahren thematisiert, die sich durch die Beschäftigungspolitik in der Informationsgesellschaft ergeben können: "Es ist absehbar, daß diese neuen Konzepte und die weitere informationelle Vernetzung Rationalisierungsprozesse verstärken. Einerseits sind sie mit neuen Leistungsanforderungen und betrieblichen Auswahlprozessen verbunden; ältere, geringer qualifizierte und leistungsschwächere Arbeitnehmer und vor allem Arbeitnehmerinnen werden zunehmend ausgegrenzt. Andererseits bieten die neuen Unternehmensstrategien aber auch Möglichkeiten der Gestaltung von Produktions- und Dienstleistungsarbeit, erschließen Chancen, die Arbeit vielfältiger, kooperativer und unter Beteiligung der Betroffenen zu gestalten. Die kommunikationstechnische Vernetzung von Arbeitsplätzen, Betrieben und Unternehmen und die Anwendung von Multimedia führen zu neuen Formen der Telearbeit und Kooperation. Zunehmend läßt sich Wertschöpfung losgelöst von herkömmlichen Arbeitsstätten realisieren. In Datennetzen operierende Unternehmen begünstigen die Verlagerung von Arbeit und eine weitere Globalisierung der Arbeitsmärkte. Ohne rechtzeitige Gestaltung ist absehbar, daß dieser technische wie kulturelle Veränderungsprozeß das Normalarbeitsverhältnis in Frage stellt, den sozialen Charakter der Arbeit aufzulösen droht und den beschäftigungspolitischen Problemdruck verschärft. Politische Deregulierung, die Privatisierung öffentlicher Bereiche und der angesichts der Massenarbeitslosigkeit wachsende Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Ansprüche an einen Arbeitsplatz zu reduzieren, begünstigen darüber hinaus die Ausbreitung ungeschützter und geringfügiger Beschäftigung sowie die Herausbildung neuer Formen abhängiger Selbständigkeit. Dienstleistungsberufe, bei denen die soziale, pädagogische oder beratende Tätigkeit für Menschen im Mittelpunkt steht, werden - auch angesichts der neuen Medien - an Bedeutung gewinnen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer humanen Gestaltung und Regulierung."

Ein Feld besonderer Probleme, die mit der Veränderung der Arbeit einhergehen können, ist der Bereich der Qualifikation und Kompetenz der Beschäftigten. So verlangt die Informationsgesellschaft die steigende und grundlegende Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, da sich auch die Arbeitswelt ständig verändern wird. Der Kernpunkt für den Transformationsprozeß von Wirtschaft und Gesellschaft ist die Qualifikation der Beschäftigten.

"Ohne Qualifizierung und die Befähigung zu lebenslangem Lernen ist eine Ausgrenzung aus der Wissensgesellschaft nicht zu verhindern, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit nicht zu sichern."

Diese Feststellung widerspricht jedoch den allgemeinen Begründungen zur Legitimation des gesellschaftlichen Wandels, insbesondere dem integrativen Effekt des verstärkten Einsatzes von IuK-Technologien.. Durch die oben zitierte Aussage wird die Exklusion von intellektuell Benachteiligten und ‘Nicht-Qualifizierten’ unterstrichen. Da auch in einem noch so gut reformierten Bildungssystem aufgrund der Unterschiedlichkeit der Individuen nicht jedem die gleichen Fähigkeiten und Qualifikationen vermittelt werden können, wird der Anspruch auf Chancengleichheit für alle wohl nicht zu realisieren sein.

Wenn zum Beispiel die Integration Behinderter thematisiert wird, muß nach der Definition von Behinderung generell von allen Arten möglicher Behinderung ausgegangen werden. In Dokumenten der Bundesregierung oder der Bundesministerien werden jedoch nur physisch Benachteiligte oder "(k)örperlich unterpreviligierte Menschen" berücksichtigt.

Es ist verständlich, daß sich in Zeiten hoher und steigender Arbeitslosenzahlen keine gesellschaftliche Institution klar gegen Telearbeit ausspricht, da diese Beschäftigungsmöglichkeiten verspricht. Der Tenor der überwiedenden Zahl an Dokumente zum Thema, die durch Regierung, Ministerien oder Forschungsinstitute veröffentlicht werden, ist positiv - unter Berücksichtigung der oben angeführten Problemfelder.

Chancen

An dieser Stelle soll ein Beispiel dafür gegeben werden, daß Telearbeit, hier Tele-Heimarbeit, gut funktionieren kann. für dieses Gebiet lassen sich auch Gegenbeispiele finden. Deshalb sei darauf hingewiesen, daß dieses Beispiel eine exemplarische Darstellung ist, die zur Veranschaulichung dienen soll.

Das folgende Interview mit Herrn Harald Joergens, der seinen Beruf als Softwareentwickler in Telearbeit ausübt, wurde per e-mail geführt und wird hier in überarbeiteter Form wiedergegeben:

"J.W.: Bitte beschreiben Sie ihre Arbeit und Ihre Eindrücke davon.

H.J.: Ich habe in den letzten fünf Jahren von meinem Büro aus, in der Nähe von Hamburg, Software für eine Firma in Sydney entwickelt und war in der gesamten Zeit für nur insgesamt vier Wochen in Australien, und das ganze hat hervorragend funktioniert.

Die Firma in Sydney, für die ich gearbeitet habe, hatte den überwiegenden Teil ihres Personals fest angestellt, genauer gesagt, es waren ganz normale Büro- und Aussendienst-Arbeitsplätze in den Bereichen Accounting, Helpdesk, Support, Documentation usw.. Telearbeiter waren alle 7-10 verantwortlichen Softwareentwickler in den verschiedensten Bereichen (einer für UNIX, einer für VMS, einer für Mac,....., und ich für Windows). Meine Telearbeit war also nicht entfernungsbedingt, sondern Bestandteil des Unternehmenskonzeptes: Leute, von denen man Kreativität und absolutes Commitment erwartet, behandelt man besser und läßt ihnen jede Freiheit. Das Ergebnis zählt, nicht die Anzahl der im Büro abgesessen Stunden.

Sicherlich ist Softwareentwicklung ein sehr spezielles Gebiet und nicht direkt vergleichbar mit vielen anderen Bereichen. Es kam vor, daß ich die für 14 Tage geplanten Dinge in 5 Stunden erledigt hatte, dann habe ich mich des Lebens gefreut, aber es kam genauso vor, daß irgendeine Kleinigkeit statt einer Stunde 10 Tage gedauert hat, dann habe ich halt 18 Stunden am Tag gearbeitet.

J.W.: Wie gestaltete sich die Koordination zwischen Ihnen und ihrem Arbeitgeber? War ihre Arbeit nach der Projektabsprache selbständig?

H.J.: Es handelte sich um diverse Projekte im Bereich der Windows-Programmierung als Teil einer großen "Telefax-Client-Server"-Lösung. Ich war für die Konzeption und die Realisierung der Software zuständig, in Sydney wurde die Software getestet und dokumentiert. Insofern war eine ständige Koordination in Form von Telefaxen und später per e-mail erforderlich, meist mehrfach am Tag.

J.W.: Wie bewerten Sie diese Form der Koordination - auch im Vergleich von Telearbeit mit physisch präsenter Arbeit?

H.J.: In der Koordination sehe ich persönlich eine der größten Stärken der Telearbeit. Hier sind sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gezwungen, weitgehend emotionsfrei exakt zu formulieren. Natürlich hatte meine Software manchmal Fehler, jedoch konnten diese nur dann behoben werden, wenn die Umstände, unter denen sie auftraten, exakt beschrieben wurden.

Ebenso erforderten einige kundenspezifische Projekte, bei denen sich während der Realisierung neue Ideen oder notwendige Änderungen des Kundenkonzeptes ergaben, intensive Koordination. Auch hier war die Notwendigkeit, schriftlich exakt zu formulieren, ein entscheidender Vorteil. "Das habe ich nie gesagt!" oder "Das habe ich ganz anders gesagt!" kann durch eine kurze Suche in den e-mails schnell widerlegt werden.

Und schließlich zwingt die Notwendigkeit exakter Formulierungen alle Beteiligten zum intensiveren Nachdenken. Konflikte durch verbale Mißverständnisse fallen weg. Natürlich gab es auch bei dieser Form der Arbeit Mißverständnisse, diese ließen sich aber, da jedes Wort dokumentiert war, ohne Aufregung beseitigen.

J.W.: Gab es so etwas wie soziale Kontakte am Arbeitsplatz? Gab es "telematische" Kollegen?

H.J.: Erstaunlicherweise ja! Im Verlauf der fünf Jahre hatte ich mehrere, auch wechselnde, Ansprechpartner, und mit den meisten haben sich, obwohl wir uns teilweise nur schriftlich oder telefonisch kannten, sehr gute persönliche Kontakte aufgebaut.

J.W.: War Ihr Arbeitsplatz bei Ihnen zuhause? Wurde Ihr Privatleben durch Ihre Telearbeit beeinflußt?

H.J.: Mein Büro ist in unserem Haus. Ich bin verheiratet, meine Frau ist Lehrerin. Ja, natürlich gab es Beeinflussungen des Familienlebens. "Ich bin heute nicht so gut drauf!" interessiert auf die Entfernung niemanden und Termine müssen eingehalten werden.

Auf der anderen Seite war ich in meiner Zeiteinteilung vollkommen frei und konnte insbesondere die Nachmittage mit meiner Frau verbringen, da ich meist nachts gearbeitet habe. Bei dem Streß in dieser Branche war es sehr viel angenehmer im Haus zu arbeiten!

Diese sehr positive Erfahrung mit Telearbeit ist keinesfalls representativ, kann allerdings als Beispiel für die Funktionsfähigkeit von Telearbeit gewertet werden. Es wäre wünschenswert mehr Menschen die Chance zu bieten, ihre Arbeit eigenverantwortlich und frei zu gestalten.

Abgesehen von hochqualifizierten und spezialisierten Arbeitskräften, die auch nach den Analysen von Wirtschaftsforschungsinstituten als Arbeitnehmer mit dem größten Zuwachspotential gehandelt werden, wird sich die Arbeitsmarktsituation in allen Bereichen verändern.

Arbeit im Informationszeitalter

Arbeit wird...

durch...

Ergebnis:

rationeller

Informationstechnisch gestützte Optimierung von Entwicklungs- und Produktionsprozessen

Teledesign

Verbesserung internationaler Wettbewerbsfähigkeit

Arbeiterhaltender und -schaffender Effekt

 

flexibler

 

Distance-Working

Integration bislang vom Arbeitsleben ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen

Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Verkürzung der Fahrzeiten

anspruchsvoller

Rechnerunterstützung einfacher Tätigkeiten und Arbeitsvorgänge

Höhere Attraktivität von Arbeit

Quelle: Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI 1996

So könnte sich durch den verstärkten Einsatz der IuT-Technologien die Möglichkeit für "eine sozial gerechtere oder sogar persönlichere - stärker auf die Bedingungen und Wünsche und die Einzelinteressen eingehende - Gesellschaft" ergeben. Kennzeichnend für einen derartigen Gesellschaftswandel wäre die Entwicklung weg von Konkurrenzindividualismus und den oktroyierten Handlungsregeln.

Nach Lenk würde sich ein größerer Raum für Individualität und "nichtentfemdete Tätigkeit" ergeben. Konkurrenz würde, eine garantierte Grundversorgung vorausgesetzt, nicht verschwinden, sich aber kreativer gestalten und sich in "eine Art Aufstiegssozialsport für Talentierte und Leistungswillige oberhalb des Versorgungssockels" umwandeln.

Neue Berufe

Nicht nur die Voraussetzungen für die Arbeit werden sich in Zukunft ändern, sondern auch die Berufe selbst. So werden neue Berufe durch die größere Bedeutung von Information und Wissen entstehen und sich bereits bestehende Berufe durch neue Medien und Technologien verändern.

Berufsfelder, die durch den Wandel zu Informationsgesellschaft entstehen, sind:

"Informations-Broker" - Menschen, die online in Datenbanken und -netzen - weltweit - für ihre Auftraggeber recherchieren.

Netzwerkmanager, Webdesigner, Kommunikationsberater und Interfacegestalter - Arbeitsbereiche, die bereits existierende Berufe verknüpfen und auf der Ebene elektronischer Medien sich zu neuen Berufen verbinden.

Eine Veränderung und Weiterentwicklung wird auch in traditionellen Berufen, wie Druckern, Lehrern oder Architekten erwartet, da sich auch für diese Berufsgruppen, durch die immer stärkere Medialisierung der Gesellschaft elementare Voraussetzungen ändern, auf die es mit Qualifizierung und Flexibilisierung zu reagieren gilt.

Mittlerweile ist für den Bereich der ‘Multimedia’-Berufe der Trend zu erkennen, daß sich hier vier ‘Kernberufe’ herausgebildet haben. Diese sind:

  1. "Multimedia-Konzeptioner: Sie sind verantwortlich für die Entwicklung der Konzeption von Multimedia-Anwendungen. Sie begleiten ein Projekt vom ersten Beratungsgespräch bis zur Auslieferung des Produkts.
  2. Screen-Designer: Sie sind für Entwurf und Umsetzung der grafischen Gestaltung einer Multimedia-Anwendung zuständig. Dabei kommen je nach Komplexität des Produkts neben klassischen Visualisierungstechniken unterschiedliche Autorensysteme und Grafik-Software zum Einsatz.
  3. Multimedia-Programmierer: Sie setzen multimediale Produktionen auf dem Computer um. Die Programmierung erfolgt mit Hilfe spezieller Autorensysteme sowie in gängigen Hochsprachen.
  4. Multimedia-Projektleiter: Sie sind verantwortlich für die Realisierung eines Multimedia-Projekts im Team sowie für die Beratung des Kunden. Zu den Aufgaben zählen außerdem das Controlling und die Budgetverantwortung."

Eine Besonderheit der neuen ‘Multimedia’-Berufe liegt darin, daß z.B. in Stellenanzeigen die Anforderungen nur selten ein Hochschulstudium beinhalten, sondern sich in erster Linie auf Praxiserfahrungen und die persönliche Eignung konzentrieren. So sind die geforderten Qualifikationen in der Regel praktische Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere im Umgang mit spezieller Hard- und Software, sowie als Kriterien der persönlichen Eignung Flexibilität, Teamfähigkeit und Kreativität. Diese Entwicklung wird durch die Tatsache hervorgerufen, daß es noch keine spezielle Ausbildung oder einen Studiengang zum ‘Dipl. Multimedia-Gestalter’ gibt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es durch die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern neue Tätigkeitsfelder geben, die es dem Einzelnen ermöglichen, seine individuellen Fähigkeiten und Lebensumstände besser nutzen und einsetzen zu können. So kann Telearbeit in ihren verschiedenen Formen z.B. für Frauen eine Chance sein, die nach einer Erziehungspause wieder erwerbstätig werden wollen. So läßt sich auch die, in der Regel flexiblere, Arbeitszeit und -einteilung besser mit ihrer Familie koordinieren, als wenn sie einen aushäusigen Arbeitsplatz hätte.

Ein weiterer Aspekt möglicher Vorteile, die sich durch Telearbeit ergeben können, ist der Einsatz von Telearbeit für körperlich Behinderte. Hierzu soll eine Definition von Behinderung aus der politökonomischen Perspektive angeführt werden:

Hier findet sich der Aspekt der ökonomischen Integration als Hauptausgangspunkt in der Diskussion um Behinderung. Als Grundlage wird davon ausgegangen, daß Menschen mit einer Schädigung oder einem Defekt erst zu Schwerbehinderten werden, wenn ihnen durch diese Umstände die Teilnahme am Arbeitsleben erschwert oder unmöglich wird. Die Integration von Behinderten in die Arbeitswelt entscheidet somit auch im großen Maße über ihre allgemeinen Lebenschancen. "Die Ökonomie wird als Zentrum der Gesellschaft gesehen (...), das sich mit seinen Leistungsgrenzen und -anforderungen latentes Behinderungspotential selbst schafft", da alle, die in einem Punkt nicht oder nur teilweise den geltenden Norm- und Leistungsanforderungen entsprechen, davon betroffen sind. Weitere wichtige Gründe, die die Integration von Behinderten in die Arbeitswelt zusätzlich erschweren, sind Unwissenheit und Vorurteile gegenüber Behinderten. So sind viele Arbeitsplätze aufgrund technischer und baulicher Bedingungen nicht behindertengeeignet und die fälschliche Meinung, Behinderte hätten häufigere Fehlzeiten und würden mehr kosten als Gesunde, ist ein häufig vorgebrachtes Argument gegen das Einstellen von Behinderten.

Zwei Vorbedingungen sind für eine Einstellung Behinderter in eine betriebliche Erwerbsarbeit ausschlaggebend: die Größe des Betriebes und das Berufsfeld. So nimmt generell die Chance einer Einstellung mit der Größe eines Unternehmens zu. Wichtig ist außerdem die Branche, in der das Unternehmen tätig ist. So sind aus Unternehmenssicht die Möglichkeiten für Behinderte in den Bereichen Dienstleistungen, insbesondere Versicherungen und Banken eingestellt zu werden eher schlechter, als in den Bereichen Produktion oder Verkehr.

Da aber gerade im Bereich Versicherungen beispielsweise verstärkt auf den Einsatz von Telearbeitsplätzen zur Kundenbetreuung gesetzt wird, bietet sich hier die Chance zur Integration von Behinderten dank der Möglichkeit, Telearbeit einzusetzen.

Diese könnten durch einen Telearbeitsplatz eine ihren Qualifikationen entsprechende Tätigkeit ausüben, unabhängig von oft sehr aufwendig zu bewältigenden Wegstrecken. Ein weiterer Vorteil, der sich für behinderte Arbeitnehmer durch die Telearbeit einstellen könnte, wäre der mögliche Wegfall von Diskriminierung und Ausgrenzung. Gerade am Arbeitsplatz geht Diskriminierung häufig mit einer körperlichen Behinderung einher, da die Beurteilung einer Person nicht an der der Leistung selbst festgemacht wird, sondern es eine mehr oder weniger fest umrissene Vorstellung der Beteiligten ist, die den behinderten Arbeitnehmern von vornherein eine Minderleistung unterstellen. Da der behinderte Arbeitnehmer als Telearbeiter im Vergleich zu seinen nicht behinderten Tele-Arbeitskollegen keine bemerkbaren Unterschiede aufweist, wäre eine vorurteilsfreie Integration aufgrund seiner Qualifikation und Befähigung leichter möglich.

    1. Freizeit
    2. Auch und besonders der Freizeitbereich wird zunehmend von den neuen Medien durchdrungen. Das Internet, Multimedia, Digitales Fernsehen, Video-on-demand und Homeshopping, sind die momentan wohl am häufigsten verwendeten Begriffe, wenn es um den Bereich der privaten Mediennutzung geht. Durch die Weiterentwicklung der alten Medien Zeitung, Hörfunk und Fernsehen, durch Entwicklung neuer Medien sowie durch die Konvergenz alter und neuer Medien, wie zum Beispiel dem internet-tauglichen Fernsehgerät, Onlineausgaben von Tageszeitungen oder der Publikation von Multimedia-Lexika auf CD-ROM werden die Menschen mit immer komplexerer Technik und immer umfangreicheren Informationen konfrontiert.

      Kernpunkte der aktuellen Diskussion sind die Vermehrung der Programme, Kanäle und Anbieter sowie die wachsenden Möglichkeiten zur "interaktiven" Nutzung der neuen Medien.

      Es ist anzunehmen, daß die elektronische Kommunikation die Mund-zu-Mund-Kommunikation nicht ersetzen wird, sondern diese ergänzen und erweitern wird. Problematisch gestalten sich jedoch die, durch die Entwicklung zur Informationsgesellschaft und die damit einhergehende Durchdringung der Gesellschaft mit Kommunikation, zunehmenden Kommunikations- und Darstellungszwänge, denen das Individuum ausgesetzt ist. Hierdurch kommt es zu Zyklen von Inflation und Deflation der Worte. Die Quantität der Worte wird zunehmen, wobei es zugleich zu einer qualitativen Deflation kommen wird. Durch eine weltweite quantitative Zunahme an Informationen wird der Wert der einzelnen Information immer geringer.

      Die zentrale Frage hierbei ist, ob die Nutzer überhaupt Dutzende von Programmen, individuelle Angebote, zusätzliche Informationen und reziproke Kommunikationsmöglichkeiten durch die Medien wollen oder ob sie sich dieser Entwicklung eher verschließen werden, da sie sich bereits heute durch das vorhandene Angebot überfordert fühlen.

      Wenn man die aktuelle Debatte zu diesen Fragen verfolgt, kann man schnell den Eindruck gewinnen, daß das Interesse der Nutzer an mehr und umfangreicheren Angeboten proportional mit der Zahl der Optionen steigt.

      Nach Gross kennzeichnet die moderne Gesellschaft zum einen die Steigerung von Handlungsmöglichkeiten und zum anderen die Steigerung der Teilhabe an diesen Optionen. Die Optionierung bedeutet somit, die freie Auswahl aus unbegrenzten Wahlmöglichkeiten zu haben. Dieser Prozeß verläuft nach Gross immer schneller und differenzierter. In der modernen Gesellschaft hat sich ein Kräftefeld aufgebaut, in dem alle Gegebenheiten in Optionen transformiert werden, nach der Devise: "Mehr ist besser als weniger, Innovationen sind generell positiv, auch wenn ihre Anwendung sinnlos ist". Dieses Kräftefeld hat seinen Ursprung in der Aufklärung. Hier wurden die Forderungen nach Freiheit und Gleichheit aufgestellt. Fortan lautete das Motto: Vom Dunkel ins Licht. Alles muß man wissen wollen, die wissenschaftliche Neugierde wird entsperrt, die Welt entzaubert (Marx), der Mensch aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit (Kant), die Emanzipation wird in allen Bereichen vorangetrieben.

      Trotzdem wird die Differenz zwischen dem (als Anspruch formulierten) Möglichen und der resultierenden Wirkung permanent erfahren und internalisiert. Hieraus folgt ein ständiger Realisierungs- und Umverteilungsdruck.

      Mögliche Folgen dieser Dynamik sind zum Beispiel Weltflucht, Verweigerung, Sinnleere, ‘Option Paralysis’ (bei unbegrenzter Auswahlmöglichkeit keine Auswahl zu treffen). Allerdings können alle diese Maßnahmen nicht die Differenz zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit umgehen. Was bleibt, ist die Einsicht in die Sinnlosigkeit der Differenzminderung. Die Erweiterung der Optionen führt immer zu Differenzen. Die Formel hierfür lautet:

      Neue Optionen ® neue Differenzen ® neue Ansprüche ® neue Optionen

       

      1. Der Wandel des Fernsehens und die veränderte Nutzung
      2. Es ist davon auszugehen, daß die neuen Technologien die alten Medien nicht ablösen oder ersetzen werden, zweifellos werden sie diese allerdings verändern. Durch die neuen Merkmale der Digitalisierung und der Interaktivität werden die klassischen Medien zunehmend mit weitreichenden neuen Angebots- und Nutzungsmöglichkeiten ausgestattet.

        Ob diese Veränderung der medialen Angebote jedoch auf eine uneingeschränkte Akzeptanz stoßen wird ist fraglich.

        "Eine deutliche Zunahme von Rezeptionsalternativen, wie sie künftig durch die Vermehrung und Diversifikation des medialen Angebotes zu erwarten ist, stellt für den einzelnen Nutzer (...) zunächst einmal ein Problem dar: das Problem, eine Entscheidung treffen zu müssen."

        Die Auswahl aus einem Kontingent von etwa 50 bis 100 möglichen Programmen nach den persönlichen Vorlieben wird sich für den Einzelnen schwierig gestalten. Eine rationale Entscheidung für ein bestimmtes Programm erfordert im Grunde die Kenntnis des Gesamtangebotes, da nur dann festgestellt werden kann, welches dieser Angebote die individuellen Interessen und Wünschen am besten befriedigt. Da der Mensch in seiner Urteilsbildung Objekte nicht an sich, sondern immer nur in Relation zu anderen Objekten beurteilen kann, würde dies bedeuten, daß der Mediennutzer alle Programminhalte durchschauen müßte, um zu einer Wahl zu kommen, die ihn zufrieden stellt.

        Dieses Auswahlverfahren erscheint praktikabel für Menschen, die vier oder fünf Fernsehprogramme empfangen können. Für einen durchschnittlichen bundesdeutschen Haushalt, der an das Kabelnetz mit einem Angebot von 30 bis 40 Sendern angeschlossen ist, wird die Auswahl schon sehr aufwendig und schwierig. Wenn der Zuschauer etwa bei dem letzten Programm angelangt ist, müßte er theoretisch schon wieder von vorne beginnen, da sich das Angebot des ersten Programms bereits soweit verändert hat, daß es mit dem zuvor beurteilten nur noch wenig gemein hat.

        Eine Folgerung dieses Ablaufes wäre, daß der Zuschauer permanent jedes gerade nicht eingeschaltete Alternativangebot daraufhin überprüfen müßte, ob dieses inzwischen nicht doch attraktiver geworden ist, als das ausgewählte.

        In der Realität wird dieses Verhalten wohl nicht vorherrschen, jedoch wird der Zuschauer ständig das Gefühl haben, etwas Wichtiges oder sogar "Besseres" zu versäumen. "Die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit, daß sich dies bei einer derart großen Anzahl verschiedener Angebote tatsächlich so verhält, ist relativ groß. Der Fernsehnutzung dürfte somit jede entspannende Komponente genommen werden."

        Dieser Punkt spiegelt deutlich Münchs Paradoxie des Rationalismus, die in Kapitel 3.2 dieser Arbeit ausgeführt wird, wider. Es wird deutlich, daß dem Einzelnen, mit zunehmendem Wissen über Rezeptionsalternativen, bewußt wird, was er alles verpaßt.

        Um der permanenten Prüfung und der Befürchtung, das ‘Bessere’ zu verpassen, zu entgehen, ist zu erwarten, daß die Fernsehzuschauer eine angebotsspezifische Selektion vornehmen und entweder auf bereits vorhandene Vorlieben, Interessen und Erfahrungen zurückgreifen oder neue Selektionsheurismen entwickeln, die eine Auswahl aus einem nicht vollständig bekannten Angebot ermöglichen. Bei diesen Selektionsheurismen beruft sich der Nutzer auf zusätzliche Informationen oder Attribute, die diesen verschiedenen Wahlmöglichkeiten oder ihren Nutzern zugeschrieben werden.

        "Menschen können also (...) nur eine bestimmte Menge an Komplexität bewältigen. Übersteigt die Komplexität des Angebots das, was von der oder dem einzelnen noch bewältigt werden kann, dann muß diese Komplexität reduziert werden. Programmzeitschriften helfen durch Kategorisierung, Komprimierung und Systematisierung der Informationen; die wesentliche Leistung müssen allerdings die Nutzer erbringen: Sie verwenden die vorhandenen Hilfen und kategorisieren, d.h. reduzieren die Komplexität unter Zuhilfenahme "sozialer Heurismen" (...) weiter."

        Der rein quantitative Umfang der Fernsehnutzung durch die Zuschauer wird sich vor diesem Hintergrund wohl nicht dramatisch verändern. Er wird weiterhin durch die sozialen, psychischen und situativen Umstände des Rezipienten bestimmt. Eine mögliche Folge des veränderten Medienangebotes ist aber eine sich verändernde Nutzung der Medien.

        Bei der Auswahl an medialen Angeboten aus der ungeheuer großen Komplexität, die sich dem Nutzer zeigt, könnten sogenannte "Agenten" dem Zuschauer die Kategorisierungsleistung vereinfachen. Diese Agenten registrieren die Nutzungsgewohnheiten des Anwenders und errechnen aus der Häufigkeit der Zugriffe auf Inhalte einer bestimmten Kategorie von Informationen die Vorlieben des Nutzers. Im zweiten Schritt durchsucht die Agentensoftware kontinuierlich das Angebot, das dem Nutzer über den Rundfunk (Radio und Fernsehen) oder Online-Dienste und das Internet zur Verfügung steht. Schaltet der Nutzer nun sein Fernsehgerät ein, wird ihm das Agentenprogramm seine maßgeschneiderte Fernsehzeitung präsentieren. Beispiele für solche Agentenprogramme lassen sich bereits im Internet finden und ausprobieren.

        Zu erwarten ist also die Entwicklung stärkerer Selektivität entsprechend den, durch externe und interne Kategorisierungsleistungen erkannten, individuellen Bedürfnissen des Einzelnen.

      3. Neue Dienste - neue Handlungsmöglichkeiten
      4. Durch die Einführung neuer "Online-Dienste" wird es am ehesten zu einer Zunahme der Zeit kommen, die mit den Medien verbracht wird. Diese Angebote erlauben den Nutzern unter anderem, den zeitlichen Rahmen von unattraktiven Handlungen an die eigene Zeitstruktur anzupassen.

        In den vergangenen Jahrzehnten ist es zu einer ständigen Zunahme an Freizeit gekommen. Durch eine immer komplexer gewordene Gesellschaft wurden jedoch die Zeitordnungen in ihr zunehmend rigider und stellten höhere Anforderungen an den Einzelnen. Obwohl sich die wöchentliche wie auch die Lebensarbeitszeit des Einzelnen immer weiter verkürzt hat und die Menschen in modernen Gesellschaften immer weniger Zeit an ihrem Arbeitsplatz verbringen, steht dem Individuum zugleich immer weniger disponible Zeit zur Verfügung.

        Eben diese Problematik der Irrationalität des Rationalen, der Tatsache, daß rationale Systeme eine Reihe von Irrationalitäten hervorbringen, die die Rationalität einschränken oder sogar zunichte machen, sieht Ritzer in seinem Werk "Die McDonaldisierung der Gesellschaft". So stellt Ritzer die sozialintegrativen Probleme als Folge einer zunehmenden Durchdringung der Gesellschaft mit ökonomischer Rationalität dar. Obwohl die Arbeit immer stärker rationalisiert wird, bleibt für den Einzelnen trotz sinkender Arbeitszeit immer weniger Zeit zur freien Verfügung.

        "Vor allem den Frauen aus den untersten Berufs-, Einkommens- und Bildungsgruppen bleiben deshalb nur noch "Zeitreste", und diese lassen sich nur noch durch möglichst spontan zu realisierende Freizeitaktivitäten füllen. Denn solche "Restzeiten" eignen sich nicht für Aktivitäten, die geplant und vorbereitet werden müssen; selbst die Koordination und Absprache mit anderen Menschen, zum Beispiel zum Zwecke gemeinsamer Freizeitunternehmungen, werde zunehmend schwieriger."

        Eben dieser Effekt macht speziell die Fernsehnutzung für bestimmte Gruppen der Gesellschaft so attraktiv. Gerade das Fernsehen bedarf keiner Planungsleistung und kann jederzeit genutzt werden. Darüber hinaus besteht gerade hier besonders große Nachfrage nach Sendungen mit möglichst geringen Orientierungsleistungen. Besonders Talkshows und Glückspielsendungen erfreuen sich großer Beliebtheit, wohingegen die Sehdauer für qualitativ höherwertige Sendungen zurück geht. "Die Zuschauer steigen nicht verärgert auf die Barrikaden, sondern auf flachere Programme um. Eine Art Fahrstuhl-Effekt entsteht: Die TV-Programme werden eine Niveau-Ebene tiefer gefahren. In der Tendenz siegt die Unterhaltung über die Information und Produzenten und Konsumenten arrangieren sich mit dem Niveauverlust." Auch die täglich wiederkehrende Aussstrahlung von Serien in sogenannten "Time-slots" unterstützt dieses Ziel.

        Dieser für viele Zuschauer entscheidende Vorteil des Mediums Fernsehen - die minimale Notwendigkeit von Orientierung und Reflexion - , trifft in hohem Maße auch auf Bildschirmangebote zu, die keine narrative Struktur beinhalten. Gerade die von vielen Menschen als lästig oder zeitaufwendig erachteten notwendigen Erledigungen, wie Einkäufe, Erkundigungen oder Bankbesuche, könnten durch eine Übertragung auf den Online-Dienste und durch die hiermit verbundene Raum-Zeitliche-Entkoppelung bei einem großen Teil der Bevölkerung als angenehmer empfunden werden. Die Online-Dienste könnten dadurch eine positive Resonanz erfahren, wenn diese künftig einfach zu handhaben und kostengünstig sind,

        Nachdem sich jedoch in den letzten Jahren verstärkt der Trend durchgesetzt hat, daß der Konsumbereich durch die Gestaltung der Handlungsorte (Supermärkte werden zu Einkaufsparadiesen) zum Erlebnisort wird, ist die Tendenz zu beobachten, daß es einer großen Zahl von Konsumenten Spaß macht, sich an diesen Orten aufzuhalten und einen Teil ihrer Freizeit in diesen Einkaufszentren zu verbringen.

        So attraktiv das Einkaufen auch für viele Menschen durch die Umgestaltung der Einkaufsmöglichkeiten geworden sein mag, ähnliches ist für Dienstleistungsunternehmen wie Banken, Reisebüros oder ähnliche Branchen noch nicht realisiert worden.

        Deshalb ist eine verstärkte Nutzung der neuen Medienangebote und besonders der Online-Dienste vor allem in den Feldern zu erwarten, die von der "Erlebnisgesellschaft" noch nicht in Besitz genommen wurden.

      5. Interaktivität: Möglichkeiten und Grenzen
      6. Die erweiterten Möglichkeiten, die sich den Rezipienten durch die technische Entwicklung der Medien erschließen, werden das Zusammenspiel von Aktion und Reaktion in weiten Teilen grundlegend verändern. "Interaktivität bedeutet, daß der einzelne Rezipient sich sein persönliches Informations- und Unterhaltungsprogramm eben aus einer Vielzahl von Angeboten und Diensten zusammenstellen, es variieren und unmittelbar darauf reagieren kann."

        Als Beispiel für interaktives Fernsehen sei der am 15. Dezember 1991 von ARD und ZDF ausgestrahlte Simultankrimi ‘Mörderische Entscheidung’ erwähnt. Diese Sendung lief parallel und mit unterschiedlichen Handlungsverläufen auf beiden Programmen. Die ARD-Version stellte das Geschehen aus der männlichen Perspektive, in kühlen Blautönen actionbetont dar, während man im ZDF die Handlung aus emotionalerer weiblicher Sicht in warmen rötlichen Farbtönen verfolgen konnte. Der Zuschauer hatte die Möglichkeit zwischen beiden Varianten hin- und herzuschalten, um sich seine individuelle Version zusammenzustellen.

        Dieses Beispiel zeigt jedoch auch die Grenzen der Interaktivität der Medien auf. "Daß die neuen Technologien nämlich eine unbegrenzte Interaktivität ermöglichen werden, ist eher nicht abzusehen." Das Problem der medienvermittelten Interaktivität liegt in der Tatsache begründet, daß bei ihr alle Wahlmöglichkeiten des Zuschauers bereits programmiert sind. Der Rezipient wählt aus einem größerem Angebot bereits vorgegebener Optionen aus.

        Nur in der Technologie der ‘Virtual Reality’ beinhaltet Grundzüge echter Interaktivität. Hier wird die computervermittelte Informationsübertragung per Monitorbrille und Datenhandschuh auch auf Gleichgewichts- und Tastsinn angewandt.

        Die Chancen der großen Verbreitung des interaktiven Fernsehens werden im allgemeinen als niedrig eingeschätzt. Ausgangspunkt für diese Annahme ist, daß der Fernsehzuschauer nur stark eingeschränkt bereit ist, interaktiv zu werden. Ein Grundbedürfnis "(...), das gerade im Zusammenhang mit der Nutzung des Mediums Fernsehen immer wieder diskutiert wird, ist das nach ‘Nichtstun’."

        Nach Einschätzung des B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitutes "wird interaktives Fernsehen zunächst nur bei Computer-Freaks und TV-Junkies willkommen sein."

      7. Ältere Menschen und Medien

Die Mediennehmen im Alltag älterer Menschen einen hohen Stellenwert ein. Obwohl dies für alle Medien gilt, gibt es Unterschiede in der Bedeutung der einzelnen Medien für die Älteren. Die Unterschiede liegen in den Bedürfnissen, zu deren Erfüllung die Medien genutzt werden und im zeitlichen Umfang der Nutzung. Es kann grundsätzlich festgehalten werden, daß ältere Menschen mehr Zeit mit der Mediennutzung verbringen als Jüngere.

Untersuchungen zur Mediennutzung zeigen, daß das Fernsehen das bevorzugte Medium älterer Menschen ist. Wenn man die Zeitdauer der Nutzung verschiedener Medien vergleicht, steht hier das Fernsehen an erster Stelle. Die Hörfunknutzung nimmt mit zunehmendem Alter ab und auch die Zeit die mit Zeitungslektüre verbracht wird, verliert im Vergleich mit den audiovisuellen Medien. Interessant ist hier jedoch, daß die Befragten die Zeitung als für sie am unverzichtbarsten nannten.

Das Fernsehen nimmt im Leben der älteren Menschen viele verschiedene Funktionen wahr. Diese Funktionen können sowohl ein "Ersatz für Primär-Kommunikation" oder das "Fenster zum Nahbereich" sein, als auch "Neue Zeitstrukturierung", Aufrechterhaltung von Alltagsrhythmus", "Nacherleben eigener Vergangenheit", "Informationsübermittler und Meinungsträger", "Unterhaltung und Entspannung" sowie "Hintergrundmedium" sein.

Die vier ersten Funktionen ersetzen Alltagsereignisse, die das Leben der älteren Menschen bislang prägten, die selbst jedoch nicht mehr vorhanden sind. Verlorene soziale Bezüge werden durch das Fernsehen als Kommunikationspartner zu kompensieren versucht. Nach dem Wegfall des Tagesrhythmus, der durch die Erwerbsarbeit vorgegeben war, wird versucht durch die Adaption des Fernsehtagesschemas auszugleichen oder einen neue Strukturierung des Tages zu finden.

"Diese Funktionen beziehen sich im wesentlichen auf bestimmte Lebenslagen, wie sie zum Beispiel auch bei Langzeitarbeitslosen vorfindbar sind. Dabei zeigt sich hier, daß das Fernsehen nicht mehr allein Freizeitmedium ist, sondern darüber hinaus eine das Alltagsgeschehen beeinflussende Bedeutung hat." Vergleichbar mit der Veränderung alltäglicher Verrichtungen, kann auch für das Fernsehen festgestellt werden, daß sich seine Rolle wandelt.

Während die Funktionen "Informationsübermittler und Meinungsträger", "Unterhaltung und Entspannung" sowie "Hintergrundmedium" in verschiedenen Formen in allen Altersgruppen zu finden sind, ist das "Nacherleben eigener Vergangenheit" eine für die Gruppe der Alten spezifische Funktion.

Enorm wichtig wird das Fernsehen für ältere Menschen, wenn sie (z.B. durch Krankheit oder Isolation) in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. In solchen Fällen kommen alle der zuvor genannten Funktionen des Fernsehens zugleich und in hohem Maße zum Ausdruck. "Anhand der (...) beschriebenen Funktionen wird aber auch grundsätzlich deutlich, daß die Fernsehnutzung im Alltag älterer Menschen nicht nur ein Bestandteil der Freizeitgestaltung ist, sondern zu einem den gesamten Alltag bestimmenden Moment werden kann."

Besonders wichtig ist die Funktion des Fernsehens als Ersatz für zwischenmenschliche Kommunikation. Obwohl sich die Kommunikationsfähigkeit des Fernsehens faktisch nur auf eine sekundäre Kommunikation beschränkt, können bei genauerer Betrachtung Merkmale sozialer Interaktion gefunden werden. Die Kommunikationsumstände des Fernsehens enthalten zum einen eine mehrmodale Wahrnehmung und zum anderen auch die Intimität der Privatheit, da die Fernsehakteure als hör- und sehbare Kommunikationspartner nach Hause kommen. Dieser Punkt der scheinbaren Ersetzbarkeit von realen menschlichen sozialen Kontakten durch das Fernsehen, die para-soziale Interaktion spielt gerade im Leben älterer Menschen eine wichtige Rolle.

Wenngleich das Fernsehen für ältere Menschen auch eine Reihe von Funktionen bei der Bewältigung des Alltagslebens einnehmen kann, so ist es doch immer ein Substitut für reale zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation. "(H)ier werden Lebensaufgaben nicht mehr bewältigt, sondern Problemlagen nur noch verwaltet. Es ist sogar zu vermuten, daß durch eine Nutzung des Fernsehens als Partnerersatz vor allem auch Erinnerungen an Realerfahrungen wachgerufen werden, der Zustand der Isolation sich verfestigt und die Betroffenen in ihrer Einsamkeit verharren."

Wenn es jedoch möglich wäre, die Faktoren für den Medienkonsum älterer Menschen (Immobilität, Einsamkeit, Kommunikationsbedürfnis) zu berücksichtigen und auf Basis dieser Erkenntnis mit Hilfe neuer Medien eine "reale" soziale Kommunikation zwischen älteren Menschen zu ermöglichen - z.B. durch Internet und Videokonferenz - und ihnen auf diese Weise "echte" Menschen ins Haus zu holen, könnte dem Problem der Vereinsamung älterer Menschen entgegen gearbeitet werden. Voraussetzungen hierfür sind jedoch eine - der TV-Fernbedienung vergleichbare - einfache Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Medium, niedrige Kosten und ein zielgruppenorientiertes Angebot an Diensten und Informationen. Beispiele wären etwa ein "virtuelles Kaffeekränzchen", Bastelkreise oder Gesprächsrunden zu den verschiedensten Themen.

Das Ziel dieser Bestrebungen nach einem nutzergerechten Medium wäre, die Kommunikation mit dem Medium durch eine Kommunikation durch das Medium zu ersetzen.

Als Beispiel dafür, daß interaktive Computernutzung nicht nur jungen Menschen vorbehalten bleibt, kann das ‘SeniorNet’ dienen. Dieser Dienst wurde im Jahre 1986 an der Universität von San Francisco ins Leben gerufen. Das ‘SeniorNet’ hat zum Ziel, eine elektronische Gemeinschaft für ältere Menschen zu schaffen. Zur Einführung in den Umgang mit dem System werden Schulungen abgehalten und danach soll ein Handbuch die Nutzung dieses Dienstes erleichtern. Das Angebot von ‘SeniorNet’ umfaßt e-mail, Diskussionsforen, Computerkonferenzen und ein ‘Schwarzes Brett’ sowie verschiedene spezielle Informationsdienste zu unterschiedlichen Themen. Die Nutzungsanalyse der angebotenen Dienste zeigt (bezogen auf ein halbes Jahr), daß e-mail mit ca. 176 Stunden an erster Stelle steht, gefolgt von dem Forum (94 Stunden) und dem Konferenzsystem (57,5 Stunden). Es hat sich gezeigt, daß sich die Nutzung von ‘SeniorNet’ als Kommunikationsmöglichkeit für ältere Menschen neben der Möglichkeit zur Information großer Beliebtheit erfreut.

Durch solche Aktivitäten, wenn sie auf die Alten als Zielpublikum entsprechend zugeschnitten werden, könnten die potentiellen Verlierer der kommunikativen und informativen "Revolution", zu Gewinnern dieser Entwicklung werden.

  1. Resümee
  2. Die notwendigen Bedingungen zu einem erfolgreichen Leben des Einzelnen in einer sich durch kommunikations- und informationstechnische Entwicklungen verändernden Gesellschaft, werden in allen lebensweltlichen Bereichen deutlich. Insbesondere dem Bereich der Schulerziehung kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Hier muß der Grundstein zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Medien gelegt, aber auch die Befähigung zum Einsatz der neuen Kommunikationsmittel vermittelt werden. Das Zauberwort von der ‘Medienkompetenz’ muß in der Schule eine reale Umsetzung erfahren, um die Heranwachsenden für eine immer stärker mediatisierte Umwelt vorzubereiten. Unerläßlich ist hierbei, daß keine Informations- und Medienelite ausgebildet wird, sondern eine breite gesellschaftliche Verbreitung dieser Qualifikation erreicht wird. Denn nur, wenn in allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten medienkompetente Menschen anzutreffen sind, kann gewährleistet werden, daß der Tendenz zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft aus Informierten und Nicht-Informierten vorgegriffen wird. So gehen möglichen Kommunikationsdisparitäten zunächst die unterschiedlichen Partizipationschancen als ungleiche Voraussetzung zur Kommunikationsteilhabe voraus. "Sozial- und bildungsmäßig Privilegierte haben eher Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien respektive können sich diese finanziell eher leisten, während andere - sieht man von der freiwilligen Medienaskese ab - unfreiwillig ausgeschlossen bleiben." Mit der Erziehung zum medienkompetenten Menschen geht zugleich die Notwendigkeit der Befähigung zu lebenslangem Lernen einher. Da gerade in der Arbeitswelt die Veränderungen durch den technologischen Wandel in immer größerem Umfang und mit zunehmender Geschwindigkeit eintreten, ist es auch hier unerläßlich, daß die Menschen qualifiziert sind, sich auf diese Veränderungen einzustellen.

    An diesem Punkt ist jedoch zu bedenken, daß nicht die Technik das menschliche Verhalten determinieren soll, sondern daß der Mensch den Gebrauch der Gestaltungsoffenheit, die mit der technischen Entwicklung einhergeht, selbst bestimmt. Die Gestaltung der Arbeit darf nicht allein durch technische Möglichkeiten bestimmt sein, sondern muß vielmehr die Bedürfnisse des Individuums berücksichtigen. Soziale Errungenschaften der Vergangenheit dürfen nicht den modernen Technologien geopfert werden, die Prämisse für den Einsatz von IuT-Technologien sollte der Mensch sein. Die durch die fortschreitende Entwicklung der Medien gewonnenen Möglichkeiten dürfen nicht zu einem sozialen und kulturellen Rückschritt führen. Wenn Arbeit allein aus Kostengründen aus zentralen Firmengebäuden in die Privathaushalte verlagert wird, Arbeitnehmer in abhängige Scheinselbständigkeit mit reduzierten Sozialleistungen und Arbeitsschutzrechten gedrängt werden und als Maßstab für Arbeitsrecht und Arbeitsschutz die Bedingungen aus konkurrierenden Ländern der Dritten Welt angesehen werden, kann dies für die gesamte Gesellschaft keinen Fortschritt bedeuten.

    Neben den Chancen, die sich durch den Einsatz der neuen Technologien im beruflichen Bereich ergeben, wie z.B. der Beitrag zur Kreativität und Produktivität, der flexibleren Kooperationsmöglichkeiten und dem Entstehen neuer Berufsfelder, müssen auch die Risiken, die sich durch eine unkontrollierte Ausweitung dieser Anwendungen ergeben können, im Auge behalten werden. Insbesondere die Tendenz zu einer weiteren Isolierung des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz erscheint bedenklich. Interaktive Heimarbeit kann u.U. wichtige Fähig- und Fertigkeiten der informellen Kommunikaton einschränken und erreichte Standards des betrieblichen Arbeitsschutzes und der Möglichkeiten zur Mitbestimmung reduzieren.

    Wie bereits in der Schulausbildung darf es auch in der Arbeitswelt nicht zu einer Trennung der Arbeitnehmer in ‘Informationselite’ und ‘Informations- oder Datenparia’ und zu einem verstärkten Konkurrenzindividualismus kommen. Vielmehr muß die Chance des integrativen Moments der Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt werden, auch die gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen, denen bislang eine Integration verwehrt blieb.

    Ebendiese integrative Funktion der IuT-Technologien ist es auch im Freizeitbereich, die bislang benachteiligten Gruppen der Gesellschaft am aktiven Alltagserleben teilhaben zulassen. So könnten mit Hilfe der neuen Medien Gesellschaftsmitglieder ihre Isolation durchbrechen und wieder am gesellschaftlichen Leben in unterschiedlichen Bereichen teilhaben. Auch im lebensweltlichen Bereich der Freizeit ist die Medienkompetenz unerläßlich. Mit zunehmender Mediatisierung des rekreativen Sektors werden die Anforderungen an das Individuum immer komplexer. Nicht alleine die Beherrschung der ‘Hardware’ ist das Ziel der Vermittlung von Medienkompetenz sondern insbesondere der bewußte und verantwortungsvolle Umgang mit der zunehmenden Menge von Inhalten. Hier muß durch den bewußten Rezipienten die ‘Verflachungsspirale’ der Medieninhalte und der mit ihnen einhergehenden Rezeption aufgehalten werden. So wird die Forderung nach ‘Inhalten statt Information’ immer deutlicher und notwendiger. Die Darbietungsform der Medieninhalte jedweder Art soll heute nahezu ausschließlich unterhalten. So gibt es neben dem ‘Entertainment’ mittlerweile das ‘Infotainment’ und das ‘Edutainment’. Mit dieser Entwicklung geht auch eine Veränderung der Visualisierung der Inhalte einher. Während in den Medien früher Text und Illustration getrennt nebeneinander erschienen, ist heute eine immer stärkere Vermischung von Text, Grafik und Bild zu beobachten. Selbst seriöse Zeitungen und Magazine, die in der Vergangenheit in einem strengen Layout erschienen, konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. "Dabei müssen wir uns allerdings klarmachen, daß Text und Bild nach wie vor spezifische Funktionen in der menschlichen Informationsverarbeitung haben. Die Ablösung der Text- durch die Bildkultur ist nicht plausibel. Die Kombination beider Informationsformen bietet die optimale Konfiguration."

    Die Integrationsfunktionen der Massenmedien für die Gesellschaft liegen unter anderem in Bildungs-, Sozialisations- und Mobilisierungsleistungen. Neben ihrer Aufgabe als Bezugssystem, Orientierungshilfe und Vermittler gesellschaftlicher Normen und Werte, tragen die Massenmedien auch zur gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit bei. Mit der wachsenden Ausdifferenzierung der Medien allerdings ist die Tendenz einer Desintegration der Gesellschaft erkennbar. "Die Entwicklung läuft darauf hinaus, daß nur noch spezialisierte Teilangebote des Gesamtsystems für gesellschaftliche Subsysteme integrierende Leistungen wahrnehmen können. Die Integrationsleistungen beziehen sich nur noch auf die spezielle Identität des entsprechenden Teilsystems." Es kann zur Desintegration kommen, wenn die Unterscheidung zwischen ‘Wichtigem’ und ‘Unwichtigem’ verlorengeht und eine zunehmende Zahl von Menschen der trügerischen Überzeugung ist, "daß Bilder aus aller Welt das Weltbild ersetzen können."

    Die Moderne ist gekennzeichnet durch die Entwicklungen der IuT-Technologien. Die Entwicklung der Moderne beinhaltet jedoch auch immer ihre Gegenbewegung. So zeigen sich mit allen Zielen zugleich auch die hieraus resultierenden Paradoxien. Alle Chancen, die sich mit der Entwicklung der Moderne einstellen, werden von Risiken begleitet. So ist die Moderne besonders riskant, wenn sich die Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen nicht als Prozeß eines allmählichen Wandels darstellen, sondern als plötzlicher Umbruch. An diesem Punkt sei auf die Revolutionen in Osteuropa verwiesen, die auch auf einen Wandel der gesellschaftlichen Kommunikation insoweit zurückzuführen sind, als daß mit zunehmender Verdichtung, Beschleunigung und Globalisierung der Kommunikation die alten Machtverhältnisse ihre Legitimation verloren. Um in dieser Situation der zunehmenden kommunikativen Durchdringung die Stabilität der Gesellschaft zu sichern, ist die Errichtung von Institutionen empfehlenswert, die der Vermittlung der unterschiedlichen Perspektiven dienen und den Transfer der systemischen Leistungen organisieren.

    Dieses gilt auch für den Bereich der gesellschaftlichen Gruppen und der Individuen. Die zunehmende Menge an Informationen ist weder für eine Informationsohnmacht verantwortlich noch für die Zunahme des Konsums immer oberflächlicherer Informationen. "Wo sich allerdings aufgrund der größeren Wahlmöglichkeiten Informationsdefizite einzelner Gruppen ankündigen, brauchen wir Foren und Instanzen, die mithelfen, die Idee der aufgeklärten Gesellschaft aufrechtzuerhalten."

    Um den Risiken, die mit der Entwicklung der IuT-Technologien einhergehen, vorzugreifen und die Chancen, die sich durch ebendiese Entwicklung ergeben, zu nutzen, bedarf es einer stärkeren Verankerung der sozialstaatlichen Prinzipien und der Ansprüche der Gesellschaftsmitglieder in der Medienpolitik der Zukunft. Es müssen "theoretisch begründete Leitbilder für die Entwicklung des Mediensystems" geschaffen werden, die aus dem Diskurs aller gesellschaftlichen Gruppen hervorgehen. Kommissionen, wie sie in den Bundesländern, bei der Bundesregierung und auf EU-Ebene bereits eingerichtet wurden, können ein geeignetes Mittel zur Institutionalisierung des gesellschaftlichen Dialogs sein, sofern sie tatsächlich die Belange der Bürger in ihre Entscheidungsprozesse mit einbeziehen.

    Weder maßlose Technikeuphorie, noch übermäßige Kulturkritik können die geeigneten Prämissen zur Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft sein. Vielmehr bietet sich, bedingt durch die Komplexität dieses Themas, der rationale gesellschaftliche Diskurs über die auftretenden Fragen und Probleme an, damit ein möglichst großer Teil der Gesellschaftsmitglieder von den Möglichkeiten der neuen Technologien profitiert und erfolgreich auf den ‘Daten-Highways’ den Weg in die Informationsgesellschaft findet.

  3. Literaturverzeichnis