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1 Warum Tiere als Therapie? Viele Forscher gehen davon aus, daß zwischen Menschen und Tieren eine tiefe Verbundenheit herrscht. Einige begründen dies in dem Verhältnis von Urmensch und Urtier, welche keine genaue Abgrenzung gegeneinander kannten, andere kulturhistorisch mit der frühen Domestikation von Tieren und der daraus resultierenden Abhängigkeit voneinander, wieder andere mit der religiösen Sichtweise von Tieren als Partnern und Schutzbefohlenen (Franz von Assisi).
Das überzeugendste Indiz für die therapeutisch nutzbare Verbundenheit ist die DU-EVIDENZ. Dies ist die Tatsache, daß Menschen Beziehungen zu Tieren aufbauen können, die denen zu anderen Menschen qualitativ gleichen. Ausschlaggebend ist hier das subjektive Empfinden, es handele sich um Partnerschaft. Äußerliches Merkmal der Du-Evidenz ist die Tatsache, daß Menschen Tieren Namen geben. 2 Warum Pferde als Therapie? Pferde sind schon seit Jahrtausenden Begleiter des Menschen. Sie erlaubten ihm, große Distanzen zurückzulegen, waren Transportmöglichkeit und seit jeher Statussymbol. Es hat also historisch gesehen neben dem Hund die wohl engste Verbindung zum Menschen. Besondere Eigenschaften machen es zum idealen Partner in der Therapie von Menschen mit Behinderungen, auch schwersten Behinderungen. 3 Therapeutisches Reiten Der Therminus "Therapeutisches Reiten" wird als Oberbegriff für eine Vielzahl von Aktivitäten verwandt, die sich aus der Arbeit mit, am und auf dem Pferd ergeben, und deren Zielsetzungen die Förderung behinderter und kranker Menschen beinhalten.

Das Therapeutische Reiten gliedert sich je nach Indikation und Zielsetzung in folgende drei Teilbereiche:
* Reittherapie/Hippotherapie
* Heilpädagogisches Reiten/Voltigieren
* Behindertenreiten/Rehabilitation/ Sport
Die schematische Darstellung von HEIPERTZ zeigt die Bereiche des Therapeutischen Reitens und ihre Zuordnung zu den Fachdisziplinen:
* Medizin
* Psychologie/Pädagogik
* Hippologie/Sport 3.1 Das Pferd in der Medizin - Reittherapie/Hippotherapie Die Hippotherapie, dem Fachgebiet der Medizin zugeordnet, ist eine spezielle krankengymnastische bewegungstherapeutische Maßnahme, die vom Arzt verordnet und überwacht, sowie von entsprechend qualifizierten Krankengymnasten durchgeführt wird. Hierbei wird sich des Pferdes als Übungspartner bedient.
Bei der passiven Form der Hippotherapie wird Wert darauf gelegt, daß die Bewegungsimpulse des Pferdes ungestört auf den entspannten Patienten übertragen werden. Das Prinzip der Hippotherapie beruht auf den rhythmischen, dreidimensionalen Schwingungen des Pferderückens während der Gangart Schritt. Dies erleichtert den flüssigen Bewegungsablauf und gewährleistet einen ständigen Wechsel von Anspannung und Entspannung der aktiven Haltekräfte.
Bei der Reittherapie werden erhöhte Anforderungen an Balance, Koordination und Raumorientierung gestellt, und es findet eine Muskelschulung im Sinne der Dehnung, Lockerung und Kräftigung durch einen Wechsel von dynamischen oder mehr statischen Bewegungen statt. Angewendet wird die Reittherapie bei:
* cerebralen Bewegungsstörungen nach frühkindlicher Hirnschädigung
* Paralysen/Lähmungen
* Paresen
* Haltungsschäden/Wirbelsäulenerkrankungen 3.2 Das Pferd in der Pädagogik, Psychologie und Psychiatrie - Heilpädagogisches Reiten/Voltigieren Das Heilpädagogisches Reiten/Voltigieren ist ein pädagogisches, psychologisches und soziointergratives Förderangebot für Menschen mit verschiedensten Behinderungen (von Lernbehinderung, Verhaltensauffälligkeit bis hin zu geistiger- und Sinnesbehinderung). Einzeln oder in Gruppen wird auf dem Pferd geturnt, jedoch steht im Gegensatz zur Sportart Voltigieren nicht der sportliche Aspekt im Vordergrund, sonder die individuelle Förderung über das Medium Pferd, die günstige Beeinflussung der Entwicklung, des Befindens und des Verhaltens der Kinder. Das Heilpädagogisches Reiten/Voltigieren macht sich das Bedürfnis und die natürliche Freude der Kinder zu nutze. Sie wollen von Pferd geliebt werden und es lieben, sich tragen lassen, es streicheln, füttern, pflegen und verwöhnen. Die Kinder müssen sich im Umgang mit dem Tier immer wieder neuen Aufgaben stellen und sie bewältigen. 3.3 Das Pferd im Sport - Behindertenreiten/Rehabilitation/ Sport Ziel des Behindertenreiten ist die Erschließung einer "alten" Sportart für den Behinderten. Im Gegensatz zu anderen Sportarten, bei denen ihm der Zugang zur sportlichen Aktivität aus organisatorischen und technischen Gründen erschwert oder ganz unmöglich gemacht wird, sind alle Formen des Reitsports dem Behinderten zugänglich. Gegebenenfalls mit speziellen Hilfsmitteln sogar dem Schwerbehinderten. Beim Behindertenreiten handelt es sich nicht um eine Sonderform, sondern es ist eine Weiterentwicklung der konventionellen Reitlehre. 4 Chancen und Möglichkeiten der pferdgestützen Therapie/Pädagogik 4.1 Das Pferd als Partner Das Wesen des Pferdes hat viele Vorzüge, die für die Therapie nutzbar sind:
* Es hat keine Vorstellung davon, was normal ist. Daher begegnet es Menschen mit einer Behinderung nicht mit Vorbehalten, wie es andere Menschen tun. Dies bietet dem Kind die Möglichkeit, aus dem Kreislauf der gestörten Eigenwahrnehmung, bedingt durch die Reaktionen anderer auf seine Erscheinung, auszubrechen.
* Es erlaubt und genießt Körperkontakt beinahe uneingeschränkt.
* Es ist in der Lage, Stimmungen des Menschen zu erkennen und in Maßen darauf einzugehen.
* Die Bewegung auf dem Pferderücken ist ambivalenter Natur: Sie verbindet das Getragenwerden mit dem Hinwegtragen, die Sicherheit mit der Gefahr. Erikson geht davon aus, daß so psychsoziale Defizite, welche im ersten Lebensjahr bei der Lösung des Konfliktes Urvertrauen-Urmißtrauen entstanden sind, behoben werden können.
* Das Pferd wirkt hochmotivierend. Dadurch läßt sich der sogenannten "Mattenmüdigkeit" von Kindern in krankengymnastischer Langzeitbehandlung vorbeugen. In schwierigen Fällen kann das Pferd die Beziehungsanbahnung zwischen Kind und Therapeut unterstützen.
* Das ausgebildete Pferd ordnet sich dem Menschen unter. Die Erfahrung, ein so großes Tier lenken und in Maßen kontrollieren zu können, stärkt das Selbstvertrauen bei Kindern. 4.2 Möglichkeiten im Bereich der Wahrnehmung In der Therapie mit dem Pferd werden alle Sinne angesprochen. Sowohl im Umgang mit dem Tier als auch beim Reiten werden in besonderem Maße die Nahsinne angesprochen. Dies bietet große Therapiemöglichkeiten bei Menschen mit schwerster Behinderung.
* Das aktive Sitzen auf dem Pferderücken schult die vestibuläre Wahrnehmung, da ein ständiger Ausgleich nötig ist, um Balance zu erhalten. Bei Kindern, die zum Aufbau dieser Balance selber nicht in der Lage sind, können Festschnallgurte unterstützend wirken. Da Defizite im Bereich des Gleichgewichts Probleme in allen Bereichen der Sensorik nach sich ziehen können, ist dieser Aspekt von enormer Bedeutung.
* Die taktile Wahrnehmung wird vor allem im Umgang mit dem Pferd gefördert. Die Erfahrungen mit dem weichen Fell und dem harten Langhaar beim Putzen und den verschieden beschaffenen Futtermitteln seien hier exemplarisch genannt. Durch die Wärme des Pferdes empfinden Kinder die taktilen Reize am Pferd als angenehm.
* Durch den Pferdekörper erhält das Kind beim Reiten eine als angenehm empfundene Körperumgebung, anhand derer es die eigenen Körpergrenzen erfahren kann. Übungen mit verbundenen Augen stärken auf ähnliche Weise die propriozeptive Wahrnehmung.
* Der Riechsinn wird in der Umgebung des Pferdes vielseitig angesprochen, wobei angenehme und unangenehme Reize vorhanden sind.
* Die Wahrnehmung von Raumverhältnissen und Zeitabläufen kann bei den Kindern geschult werden, deren Weitsinne wie z. B. das Sehen nicht geschädigt sind. Dabei ist es von großer Bedeutung, daß das Kind sich durch einen Raum bewegt mit einer Geschwindigkeit, die gleichmäßig und somit einschätzbar ist. 4.3 Möglichkeiten im Bereich der Motorik Neben der sensorischen Schulung wird das therapeutische Reiten auch zur Förderung der motorischen Fähigkeiten eingesetzt. Grob- und Feinmotorik sowie die Gesamtkörperkoordination soll weiterentwickelt werden.
Hierbei gibt das Pferd durch seine Art schon die größte Hilfe. Der Bewegungsablauf im Schritt verläuft in einer Auf-Abbewegung, einer Vor-Rückbewegung und einer Links-Rechts-Seitbewegung in Verbindung mit einer leichten Rotationsbewegung.
Die leichte Kippbewegung fördert eine Streckung der Wirbelsäule, deren Aufrechterhaltung und Ausbalancieren eine ständig wechselnde Muskelanspannung im Bereich Bauch-, Rücken- und Schultermuskulatur erfordert. Des weiteren wird deutlich, daß die Entlastung des Eigengewichtes im Reitsitz sich günstig auf die Bewegungsfreiheit des Rumpfes und der Gliedmaßen auswirkt. Dies erfolgt durch die Dehnung der Hüftmuskulatur in zweifacher Weise. Einmal durch die Körperwärme des Tieres, die ca. 1ş C höher ist als die des Menschen. Zum anderen geschieht dies durch den Schwingrhythmus in allen drei Ebenen. Der Patient paßt dich dem rhythmischen Verhalten des Pferderückens an, wodurch eine Dehnung der Muskulatur und somit auch eine Entspannung der Adduktoren erfolgt.
Untersuchungen haben ergeben, daß sich durch Reittherapie Besserungen der Koordination(Gang und Bewegung) und des Gleichgewichtes sowie eine Erweiterung des Bewegungsspielraumes durch eine Funktionsverbesserung der Oberschenkelabduktoren, der Kniebeuger und Kniestrecker erzielen lassen.
Spastiken können während der Therapie gelöst werden und auch nach der Reittherapie kann es zu einer starken Verbesserung der Bewegungsabläufe kommen. Auch kann durch spezielle Übungen mit Bälle, Wurfringen, etc. die Auge-Hand-Koordination geschult werden. 4.4 Das Pferd in der ganzheitlichen Therapie * Zum eigentliche Reiten oder Voltigieren gehört auch die Versorgung des Tieres. Dazu gehören die Fellpflege, die Fütterung, die Materialpflege, die Stall- und Koppelkontrolle und u. U. die Versorgung des Tieres im Krankheitsfall. Durch diese Aufgaben wird das Kind in ein System eingegliedert. Wenn diese Aufgaben von mehreren Kindern gemeinsam verrichtete werden, kommt es zur Betonung individueller Stärken. Dabei ist es auffällig, daß oftmals die "langsameren" Kinder besser in der Lage sind, das Tier z. B. bei einem Tierarztbesuch zu beruhigen.
* Beim Reiten oder auf dem-Pferd-Sitzen werden viele verschiedene Muskelpartien und alle Sinne angesprochen. Das Kind befindet sich permanent in einer tatsächlichen Interaktion, dem sog. Bewegungsdialog, mit dem Pferd, anstatt systematisch aber isoliert einzelne Muskelpartien zu schulen.
Durch die Ganzheitlichkeit bieten sich dem Therapeuten bei Menschen mit schwerster Behinderung große Möglichkeiten und Chancen. 5 Grenzen und Gefahren der pferdgestützten Therapie/Pädagogik Nicht bei allen Behinderungen ist das Pferd die ideale Therapie. Es gibt Kontraindikationen für den Einsatz von Hippotherapie. Dazu gehören schwere Epilepsien und Herzschwächen.
Über das Unfallrisiko bei Therapieformen mit dem Pferd gibt es kaum Aussagen. Erfahrungsberichte aus verschiedenen Institutionen sprechen aber von einem sehr geringen Risiko. Maßgeblich für die Reduzierung dieses Risikos ist die Ausbildung der Pferdeführer und Therapeuten und des Therapiepferdes. 6 Welches Pferd zur Therapie? Aus den Punkten 2 und 3, den Chancen und Gefahren des therapeutischen Reitens, ergeben sich eine Reihe von Eigenschaften, die das einzelne Pferd als Therapiepartner qualifizieren. Einige davon kann es in der Ausbildung erwerben, während es andere bereits vor der Ausbildung aufweisen muß.
* Das Pferd muß ruhig und ausgeglichen sein. Panische, hektische und extrem schreckhafte Tiere sind aus Sicherheitsgründen ungeeignet.
* Das Pferd sollte dem Kind in der Größe angemessen sein. Aus diesem Grund haben viele Therapiezentren Pferde in unterschiedliche Größen.
* Das Pferd muß vor dem Einsatz in der Therapie gelernt haben, seinen Rücken unter dem Reitergewicht zu entspannen. Nur ein entspannter Rücken schwingt und ermöglicht so ein angenehmes Sitzgefühl. Auch muß das Pferd sensibel auf die reiterliche Einwirkung reagieren. Dies ist besonders bei Menschen mit schwerer Behinderung nötig, deren Hilfengebung u. U. unkoordiniert, sehr stark oder sehr schwach ist. Um diese beiden Punkte zu gewährleisten, sollte das Pferd parallel zur Therapiearbeit von einem fähigen Reiter geritten werden, der nötigenfalls korrigierend einwirkt.
* Das Pferd darf keine Unarten wie Beißen oder Schlagen aufweisen.
Selbstverständlich muß ein Therapiepferd möglichst artgerecht gehalten werden, damit es sich seine emotionale Zuverlässigkeit erhält. 7 Gesamteinschätzung unter besonderer Berücksichtigung der Menschen mit schwerster Behinderung. Für Menschen mit schwerster Behinderung eignen sich häufig am ehesten Therapieangebote aus dem Bereich der Hippotherapie. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit der Wahrnehmungsschulung aus dem Bereich des heilpädagogischen Reitens und Voltigierens. Die Zusammenfassung beider Aspekte unter dem relativ neuen Begriff "Hippopädagogik" mit den Grundsätzen Entwicklungsorientierung, Situationsorientierung, Selbstbestimmung, Selbsttätigkeit und Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung bietet neue Möglichkeiten, die für Menschen mit schwerster Behinderung überaus geeignet sind.
Voraussetzung für den Therapie- oder pädagogischen Erfolg ist eine lange Therapiedauer. Dies ist ungleich wichtiger bei Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung lange Zeitspannen und viel Übung brauchen, um Wiedererkennungseffekte zu erzielen. Eine Veränderung des Selbstbildes kann nur in der konstanten Beziehung zu EINEM Pferd erzielt werden.
Literatur:
* S. Greiffenhagen, Tiere als Therapie, München 1991
* Motorik, ZS für Motopädagogik und Mototherapie, Schwerpunktheft: Ein pädagogisch-therapeutisches Medium: Das bewegende Pferd, 19. Jg., Juni 1997
* Hanna Rheinz, Trimm-Trab für Körper und Seele in: natur, ZS für eine ökologische Zukunft, Heft 8, 1994
* W. Reckeweg, Miteinander - nicht nebeneinander, Förderung des Wir-Gefühls beim Umgang mit dem Partner Pferd in: ZS für Heilpädagogik, Heft 7, 1997
* M. Becker, Therapeutisches Reiten bei Kindern mit cerebraler Bewegungsstörung, Examensarbeit 2/85
* Ch. Rieger, Wissenschaftliche Grundlagen der Hippo- und Reittherapie in: Die Rehabilitation, Heft 1, 1978
* Allg. Informationsblätter, Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V., Warendorf