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Gliederung
1. Einleitung
2. Otto von Bismarck - Sein Lebensweg bis 1862
2.1. Seine Herkunft und sein Werdegang
2.2. Die Revolution von 1848/49
2.3. Der Bundestagsgesandte
3. An den Schalthebeln der Macht
3.1. Ministerpräsident und Außenminister
3.2. Der Schleswig-Holstein-Konflikt
3.3. Der Entscheidungskampf mit Österreich
3.4. Der Norddeutsche Bund
3.5. Der letzte Schritt stand noch bevor
4. Literatur
4.1. Quelleneditionen
4.2. Literatur


1. Einleitung
Auf Bismarcks Grabstein ist zu lesen: "Ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I." War Bismarck wirklich nur ein Diener oder ging es ihm nicht vielmehr darum, eigene Ziele zu erreichen? Wilhelm I. soll einmal gesagt haben: "Es ist nicht leicht unter Bismarck Kaiser zu sein." Und war er nicht vielmehr preußischer Patriot als deutscher Nationalist? In der Tat war Bismarck mit Leib und Seele Preuße. Dennoch stritt er wie kaum ein anderer erfolgreich für die Einigung Deutschlands. Was waren seine Motive? Diese Fragen und Bismarcks Politik bis zum Vorabend des deutsch-französischen Krieges und der Reichsgründung gilt es darzustellen.[1]
Bismarcks Handeln und sein Charakter sind oft schwer zu deuten und stecken scheinbar voller Widersprüche. Er gründete den deutschen Nationalstaat und schloß Millionen Deutsche aus, er bekämpfte die Revolution und machte sie selbst, er stürzte als Legitimist Dynastien und stritt als Konservativer mit Leopold von Gerlach über die preußische Außenpolitik.[2] Schaut man genau hin, dann sind seine Ziele klar erkennbar. Es ging ihm um den Erhalt Preußens und seines innersten Kerns: der Monarchie. In einem revolutionären Europa sollte dies durch Machterweiterung und Konsolidierung Preußens erreicht werden. Am Ende stand die Hegemonie Preußens in Deutschland. Der Erfolg nationaler Einigungspolitik sollte dem Erhalt der bestehenden monarchisch-autoritären Ordnung in Preußen dienen. Innen- und Außenpolitik waren dabei oft eng miteinander verknüpft oder standen in Wechselwirkung zueinander.[3]
Bismarck hat nicht nur Deutschland, er hat Europa verändert. Seine persönliche Entwicklung, sein Handeln und seine Ziele in der deutschen Frage bis zum Vorabend der Reichsgründung gilt es aufzuzeigen. Dabei gilt es auch nachzufragen, inwieweit er einem Plan folgte oder einfach nur geschickt die sich ihm bietenden Gelegenheiten nutzte.

2. Otto von Bismarck - Sein Lebensweg bis 1862
2.1. Seine Herkunft und sein Werdegang
Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 als viertes Kind einer alten Adelsfamilie in der Mark Brandenburg geboren. In Berlin ging er zur Schule und besuchte dort unter anderem die Plamannsche Lehranstalt, das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und bis zum Abitur das Graue Kloster.[4] Über seine Schulzeit schrieb er: "Als normales Produkt unsres staatlichen Unterrichts verließ ich 1832 die Schule als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei. (...) Dazu hatte ich von der turnerischen Vorschule mit Jahnschen Traditionen, in der ich vom sechsten bis zum zwölften Jahre gelebt, deutschnationale Eindrücke mitgebracht. Dieselben blieben im Stadium theoretischer Betrachtungen und waren nicht stark genug, um angeboren preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen. Meine geschichtlichen Sympathien blieben auf der Seite der Autorität."[5]
Im Jahre 1832 ging er nach Göttingen, um dort Jura zu studieren. Sowohl in Göttingen als auch in Berlin fiel er allerdings eher durch seinen unsteten Lebenswandel und Schulden als durch Leistung auf.[6] Die eingeschlagene Beamten-laufbahn bei Gerichten in Aachen und Berlin behagt Bismarck nicht. Immer noch träumte er von einer diplomatischen Laufbahn, aber seine Abneigung gegen den bürgerlichen Zwang, den er in der preußischen Verwaltung kennenlernte, wuchs.[7] Seine Unzufriedenheit mit dem Beamtentum und den mangelnden Aufstiegschancen, die es ihm bot, fand Ausdruck in einem Brief vom 29.9.1838 an seinen Vater: "Der preußische Beamte gleicht dem Einzelnen im Orchester; mag er die erste Violine oder die Triangel spielen: ohne Übersicht und Einfluß auf das Ganze, muß er sein Bruchstück abspielen, wie es ihm gesetzt ist, er mag es für gut oder schlecht halten. Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine."[8]
Bismarck entschied sich gegen die Beamtenlaufbahn. Er mußte erkennen, daß seine Chancen, aktiv in der preußischen Politik mitzumischen, mehr als gering waren. Im Frühjahr 1838 entfloh er der Enge der Amtsstuben und trat seinen Militärdienst an. Auch die preußische Militärlaufbahn hat er nicht beschritten. Schließlich übernahm er die Verwaltung der väterlichen Güter.[9] Nach zwei Jahren harter Arbeit folgte Routine. Auch diese Aufgabe schien ihn nicht mehr auszufüllen. Bismarck schrieb: "Seitdem sitze ich hier, unverheiratet, sehr einsam, 29 Jahre alt, körperlich wieder gesund, aber geistig ziemlich unempfänglich, treibe meine Geschäfte mit Pünktlichkeit, aber ohne besondere Teilnahme, suche meinen Untergebenen das Leben in ihrer Art behaglich zu machen, und sehe ohne Ärger an, wie sie mich betrügen. Des Vormittags bin ich verdrießlich, nach Tische allen milden Gefühlen zugänglich. Mein Umgang besteht in Hunden, Pferden und Landjunkern, und bei letzteren erfreue ich mich einigen Ansehens, weil ich Geschriebenes mit Leichtigkeit lesen kann, mich zu jeder Zeit wie ein Mensch kleide, und dabei ein Stück Wild mit der Accuratesse eines Metzgers zerwirke, ruhig und dreist reite, ganz schwere Zigarren rauche und meine Gäste mit freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch trinke. Denn leider Gottes kann ich nicht mehr betrunken werden, obschon ich mich dieses Zustandes als eines sehr glücklichen erinnere. So vegetiere ich fast wie ein Uhrwerk, ohne besondere Wünsche oder Befürchtungen zu haben; ein sehr harmonischer und sehr langweiliger Zustand."[10]
Die Revolution von 1848/49, die Bismarck aufs Schärfste bekämpfte, bot ihm den ersehnten Ausweg aus seiner Ziellosigkeit. Revolution und die Einführung des konstitutionell-repräsentativen Systems boten ihm die Aufstiegschancen, die ihm das alte Preußen verwehrt hatte.[11]

2.2. Die Revolution von 1848/49
Die Wiener Ordnung als letztes bestehendes europäisches Systems entsprach zwar den konservativen Vorstellungen, stand aber unter dem Vorbehalt der deutschen Frage. Mit der Märzrevolution in Deutschland brach das Restaurationssystems Metternichs zusammen. Der Ruf nach einer Verfassung in Preußen, die Nationalversammlung in der Paulskirche und die beginnende Industrialisierung kündeten von einem neuen Zeitalter.[12]
Im Mai 1847 war Bismarck in den Vereinigten Landtag gewählt worden. Mit seiner ersten Rede sorgte er für Aufsehen und begründete seinen Ruf als erzkonservativer Junker. Dies kann nicht darüber hinweg täuschen, daß auch Bismarck eine tiefgreifende Veränderung der bestehenden Staatsverfassung anstrebte. Er ist daher keineswegs ein Reaktionär, sondern vielmehr Revolutionär. In der Folgezeit prägten dann auch Gegensätze und Gemeinsamkeiten mit den Liberalen den politische Kampf Bismarcks, in dem dieser zunächst voll auf Konfrontation setzte.[13] Bismarck sagte: "Die Vergangenheit ist begraben, und ich bedauere es schmerzlicher als viele von ihnen, daß keine menschliche Macht im Stande ist, sie wieder zu erwecken, nachdem die Krone selbst die Erde auf ihren Sarg geworfen hat."[14] Auch andere Konservative teilten diese Auffassung. Albrecht von Roon, unter Bismarck später Kriegsminister, schrieb: "Jetzt mit allen Kräften in das neue Schiff, wenn auch mit gebrochenem Herzen."[15] Bismarck hatte sogar seine Bauern mobilisiert, um dem König zu Hilfe zu eilen und er kämpfte rücksichtslos für die Rechte der Krone und die ständischen Rechte des Adels. Doch hatte der Junker aus der Altmark erkannt, daß die alten Denkmuster nicht mehr zeitgemäß waren, daß er neue Wege gehen mußte, um Erfolg zu haben. Schon 1847 schrieb er an seine Braut: "An Grundsätzen hält man nur fest, solange sie nicht auf die Probe gestellt werden; geschieht dies, so wirft man sie fort wie der Bauer die Pantoffeln und läuft, wie einem die Beine von Natur gewachsen sind."[16] Damit trat Bismarck schon früh für Realpolitik und gegen Prinzipienpolitik ein.
Aufgrund seines Auftretens wurde Bismarck auch von Konservativen kritisch beäugt. König Friedrich Wilhelm IV. soll über ihn gesagt haben: "Nur zu gebrauchen, wo das Bajonett schrankenlos waltet."[17] Bismarck war nicht nur Mitglied der Kamarilla, sondern auch ein entschiedener Kämpfer für Preußentum und Königstreue. Auch hatte er erkannt, daß die Revolution nur mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen war. Folge-richtig war er einer der Mitbegründer der Kreuzzeitung, die bald zum Sprachrohr der Konservativen werden sollte. Bismarck unterschied sich von den anderen führenden Konservativen Preußens. Gegenrevolution in seinem Sinne war eben auch Revolution. Hier lag der Kern für künftige Konflikte mit den Konservativen vor allem in der deutschen Fragen.[18]
Der Traum von einem geeinten Deutschland war mit dem Ende der Revolution nicht ausgeträumt. Selbst Friedrich Wilhelm IV. träumte von einem Reich unter Führung Preußens, wenn er sich dieses Reich auch anders vorstellte, als die deutsche Nationalbewegung. Joseph Maria von Radowitz drängte den König dazu, preußische Unionspläne zu forcieren. Mit einer deutschen Fürstenunion sollte die Einheit von oben verwirklicht werden. Beide sprachen von der "deutschen Mission" Preußens.[19]
Bismarck nahm zu den Unionsplänen eine ablehnende Haltung ein. Er sagte zwar: "Die deutsche Einheit will ein jeder, sobald er nur deutsch spricht."[20] Aber er wollte diese Einheit nach seinen Vorstellungen, d. h. unter Führung Preußens gestaltet wissen. So wurde er zum Wortführer der Unionsgegner in Preußen. Nach seiner Meinung hatte Preußen außenpolitisch zwei Optionen. Entweder man einigte sich mit Österreich über eine Kooperation unter Aufwertung Preußens, oder aber man betrieb preußische Expansionspolitik in Richtung auf einen kleindeutschen Nationalstaat. Welcher Möglichkeit er den Vorzug gab, darüber entschieden die Umstände.[21]
Österreich erholte sich schneller als erwartet von den Folgen der Revolution, und Preußen mußte von seinen Unionsplänen Abstand nehmen. Das preußische Abgeordnetenhaus war empört, selbst die Konservativen empfanden die in Olmütz getroffenen Vereinbarungen als Schmach. Dies war die Stunde Bismarcks. Am 3. Dezember 1850 hielt er eine Rede: "Warum führen Staaten heutzutage Krieg? Die einzig gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinen eigenen Interessen angehört. Zeigen Sie mir also, meine Herren, ein des Krieges würdiges Ziel, und ich will Ihnen beistimmen. Es ist leicht für einen Staatsmann, sei es in dem Kabinette oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegstrompete zu stoßen und sich dabei an einem Kaminfeuer zu wärmen oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu halten und es dem Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlassen, ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es ist nichts leichter als das, aber wehe dem Staatsmann, der sich in dieser Zeit nicht nach einem Grunde zum Kriege umsieht, der auch nach dem Krieg noch stichhaltig ist."[22]
Bismarck hatte gegen die Annahme der Kaiserwahl und die preußischen Unionspläne gekämpft, weil er darin eine Gefahr für Preußentum und Königsthron sah. Sein Ziel war die Bewahrung und Vergrößerung der Macht Preußens, und dabei setzte er Staatsräson und Pragmatismus gegen Prinzipienpolitik, Tradition und Legitimismus.[23] Die Reaktionen auf seine Rede waren überwältigend. Die Liberalen waren erzürnt, den Konservativen hatte der Landjunker einen Ausweg aus der prekären Lage aufgezeigt und dem König war aus seiner Verlegenheit geholfen. Man ließ 20.000 Exemplare der Rede drucken und im Land verteilen. Bismarck öffnete die Rede den Weg in die Zukunft.[24]

2.3. Der Bundestagsgesandte
Nachdem der Bundestag in Frankfurt am Main wieder zusammentrat, schickte Friedrich Wilhelm IV. am 15.7.1851 Bismarck als preußischen Bundestagsgesandten nach Frankfurt und übertrug ihm damit den schwierigsten außenpolitischen Posten Preußens. Leopold von Gerlach hatte ihn nach seiner Rede zum Vertrag von Olmütz für dieses Amt vorgeschlagen.[25]
Die Frankfurter Zeit war sehr lehrreich für den Mann aus der Altmark. Er lernte dort die Dynamik wirtschaftlicher Entwicklungen kennen, nahm den Nationalismus als Ersatzreligion der Massen war und gewann die Erkenntnis, daß Preußen die Welle des Nationalismus reiten müsse, um nicht beim nächsten Mal von ihr verschlungen zu werden.[26] Als Frankfurter Gesandter wurde auch Bismarcks Verhältnis zu Österreich geprägt. "Ich war gewiß kein prinzipieller Gegner Österreichs, als ich herkam vor vier Jahren, aber ich hätte jeden Tropfen preußischen Blutes verleugnen müssen, wenn ich mir eine auch nur mäßige Vorliebe für das Österreich, wie seine gegenwärtigen Machthaber es verstehen, hätte bewahren sollen."[27] Preußen war längst nicht mehr nur der kleine deutsche Bruder des Habsburger Reiches. Mit jedem Tag wuchs durch den Zollverein und die zunehmende Industrialisierung die wirtschaftliche Macht Preußens. In der Auseinandersetzung mit dem österreichischen Gesandten ging es Bismarck zunächst um die Gleichberechtigung der beiden deutschen Mächte.[28]
Otto von Bismarck hatte aber auch erkannt, daß sich Preußen durch seine konservative Außenpolitik selbst gefesselt hatte. Man stand im Gegensatz zu Frankreich und in enger Anlehnung an Habsburg. Der Deutsche Bund erwies sich als zusätzlicher Hemmschuh für eine eigenständige preußische Politik.[29]
Daher war Bismarck bestrebt die Einflußsphären Österreichs und Preußens abzugren-zen. Sein Dilemma war, daß die Konservativen in Berlin nicht an einer Erweiterung der preußischen Machtbasis auf Kosten Österreichs interessiert waren. Er selbst glaubte nicht mehr an eine gemeinsame Politik der beiden deutschen Großmächte.[30] Über seine Zeit in Frankfurt schrieb Bismarck: "Meine bald siebenjährige Amtszeit hier ist ... ein ununterbrochener Kampf gegen Übergriffe aller Art gewesen, gegen die unablässigen Versuche, den Bund auszubeuten, als ein Instrument zur Erhöhung Österreichs, zur Verminderung Preußens."[31] Seine Aufgabe, vor dem Hintergrund konservativer Solidarität den Ausgleich mit Österreich zu suchen, widersprach also Bismarcks persönlichen Erfahrungen. Das Ergebnis seiner Frankfurter Zeit war, daß er jede feste Bindung an Wien ablehnte und sich endgültig von der Prinzipienpolitik verabschiedete.[32]
Aufgrund seiner politischen Überzeugungen und Ziele geriet der preußische Bundestagsgesandte nicht nur mit den Liberalen aneinander. Auch mit der Kamarilla um die Gebrüder Gerlach kam es zum Konflikt. Die preußischen Konservativen traten für eine christliche Staatsräson und den Erhalt der bestehenden Ordnung in Europa ein. Es kam zu einem intensiven Briefwechsel zwischen Leopold von Gerlach und Bismarck. Er schrieb nach Berlin: "Schlagen Sie mir eine andre Politik vor, und ich will sie ehrlich und vorurteilsfrei mit Ihnen diskutieren; aber eine passive Planlosigkeit, die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen wird, können wir in der Mitte von Europa nicht durchführen; sie kann uns heut ebenso gefährlich werden, wie sie 1805 war, und wir werden Amboß, wenn wir nichts tun, um Hammer zu werden."[33]
Mit Bismarcks Aussage "Wir müssen mit Realitäten wirtschaften, nicht mit Fiktion" wurde der Bruch mit König und den Gebrüdern Gerlach offenkundig. Der preußische Gesandte distanzierte sich von der in Berlin praktizierten Prinzipienpolitik. Er wußte, daß der Konservatismus selbst revolutionär werden mußte, um nicht unterzugehen. Der Streit hatte sich an dem Dialog von Bismarck mit Napoleon III., der seit 1853 Kaiser der Franzosen war, entzündet. Wie Bismarck lehnte er die Wiener Ordnung ab. Er erklärte das Nationalstaatsprinzip zum neuen Ordnungsprinzip Europas.[34]
Das europäische Gleichgewicht war seit dem Krimkrieg 1853-1856 erheblich gestört. Das alte Prinzip der Fürstensouveränität trat immer mehr hinter die nationale Souveränität zurück. Die alte Ordnung war endgültig am Ende und eine neue war noch nicht gefunden. In ganz Europa stritten die politischen Akteure auf der einen Seite für die Aufrechterhaltung der Wiener Ordnung und auf der anderen Seite für die Kraftentfaltung des industriell expandieren nationalen Staates. In Preußen behielten die Traditionalisten die Oberhand. Bismarck wußte, daß er unter Friedrich Wilhelm IV. seine außenpolitischen Vorstellungen nicht würde umsetzen können.[35]
Als Protagonist der Realpolitik schrieb Bismarck an Leopold von Gerlach: "Sympathien und Antipathien in Betreff auswärtiger Mächte und Personen vermag ich vor meinem Pflichtgefühl im auswärtigen Dienst meines Landes nicht zu rechtfertigen, weder an mir noch an anderen. Es ist darin der Embryo der Untreue gegen den Herrn oder das Land, dem man dient."[36] Hintergrund dieser Äußerung war die Bereitschaft Bismarcks, mit jeder ausländischen Macht - auch mit Frankreich- Bündnisse zu schließen. Aufgrund dieser Haltung wurde er als Bonapartist beschimpft.[37] Daraufhin erwiderte er: "Ich bin preußisch, und mein Ideal für auswärtige Politik ist die Vorurteilsfreiheit, die Unabhängigkeit der Entschließung von den Eindrücken oder Abneigungen oder der Vorliebe für fremde Staaten und deren Regenten."[38]
In Bismarcks Frankfurter Zeit fiel auch der italienisch-österreichische Krieg. Der Deutsche Bund bewies einmal mehr seine Handlungsunfähigkeit und nach der Niederlage der Habsburger Monarchie setzte die Nationalbewegung ihre Hoffnungen auf eine kleindeutsche Lösung. Nach Bismarcks Meinung hatte sich Preußen in dem Konflikt blamiert. Man hatte zwar Truppen mobil gemacht, aber nicht auf Seiten der Donaumonarchie in den Krieg eingegriffen. Auf diese Weise war Frankreich vor den Kopf gestoßen worden, und Österreich hatte den Krieg verloren.[39]
In den 50er Jahren entwickelte sich die deutsche Frage zur zentralen Frage der Zeit. Die Nationalbewegung stand nun auf einer breiteren Volksbasis. 1859 wurde der
deutsche Nationalverein gegründet, der für die Schaffung eines kleindeutschen Nationalstaates unter preußischer Führung eintrat. Im Jahre 1862 folgte der deutsche Reformverein, der die großdeutsche Lösung propagierte. In den 50 Jahren errang Preußen eine wirtschaftliche Vormachtstellung in Deutschland. Die Mittelstaaten wurden im Zollverein an Berlin gebunden und so schwächte man die traditionelle Vormachtstellung Habsburgs langsam ab. Diese wirtschaftliche Bindung der Mittelstaaten an Preußen war für Bismarck später eine Voraussetzung für den Erfolg seiner Politik.[40]
In Berlin übernahm im Oktober 1858 Wilhelm I. die Regierungsgeschäfte. Mit dem Versuch, konservative Kräfte und liberale Bewegung zu versöhnen, propagierte er die Politik der "neuen Ära".[41] Bei der Übernahme der Regierung hatte er geäußert: "In Deutschland muß Preußen moralische Eroberungen machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen Elemente und durch Ergreifung von Einigungselementen, wie der Zollverband es ist."[42]
Angestrebt war von preußischer Seite auch eine Verbesserung des Verhältnisses zu Österreich. Vor diesem Hintergrund war Bismarcks Zukunft ungewiß. Schließlich holte man ihn aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Habsburger Monarchie aus Frankfurt zurück und versetzte ihn nach St. Petersburg. Bismarcks Ziel, Preußen aufzuwerten - zur Not auf Kosten Österreichs - stand im Gegensatz zu den Vorstellungen des Prinzregenten. Wobei festzuhalten bleibt, daß Bismarck auch zu dieser Zeit noch kein absoluter Gegner Österreichs war. Der Weg zu einem gleichberechtigtem Dualismus, eine Aufteilung Deutschlands zwischen Österreich und Preußen war für ihn noch nicht versperrt. Bismarck setzte nicht auf das eine Konzept zur Lösung der deutschen Frage, wenngleich er wußte, daß mit der gegenwärtigen Wiener Regierung ein solcher Weg nicht beschritten werden konnte. Aber Bismarck schätzte die Kraft der Nationalbewegung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung und der Unterstützung durch weite Teile der Bevölkerung richtig ein. Er sah die Gefahr, die eine Unterschätzung dieser Kraft für Preußen barg. Nur waren ihm im fernen St. Petersburg die Hände gebunden.[43]
Die Politik der "neuen Ära" stand auf wackeligen Beinen und scheiterte letztendlich an der preußischen Heeresreform. Man plante die Vergrößerung des Heeres bei längerer Dienstzeit und eine Veränderung des Verhältnisses der Landwehr zur aktiven Truppe. Vor allem eine Erhöhung der Truppenstärke aufgrund des internationalen Vergleichs war unabdingbar geworden. Bei der notwendigen Bewilligung der Gelder kam es zum Streit zwischen Parlament und Krone. Trotz fehlender Mittel machte man sich aber an die Umsetzung der Reform, und so wurde durch die Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechts aus dem Streit um die Heeresreform ein Verfassungskonflikt. Da die geplante Reform eine Herzensangelegenheit Wilhelms I. war, schien ein Kompromiß mit dem Parlament aussichtslos. Dieser Streit hatte weitreichende Folgen: Die Hoffnungen auf einen deutschen Nationalstaat unter Preußens Führung erhielten einen erheblichen Dämpfer, und 1862 formierte sich der Widerstand gegen die kleindeutsche Lösung im neugegründeten Deutschen Reformverein.[44]
Auch die Konservativen wurden vom Strudel der Ereignisse erfaßt. Bei den Wahlen im Dezember 1861 brach die Konservative Partei zusammen. Sie erhielt nur noch 14 Sitze und waren somit zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Für den König war die Situation scheinbar aussichtslos. Bismarck wollte den drohenden Niedergang der Monarchie durch außenpolitischen Machtgewinn stoppen, und so den innenpolitischen Konflikt zumindest auf Zeit befrieden. Er glaubte, die Zustimmung der Abgeordneten zur Heeresreform gewinnen zu können, wenn der König die Verwendung der Armee im Sinne des Nationalvereins in Aussicht stellte. Wilhelm I. lehnte es jedoch ab, in der deutschen Frage auf die nationale Bewegung zuzugehen, um ihre innenpolitischen Forderungen abzuwehren.[45]
Der sich abzeichnende Verfassungskonflikt bot Bismarck erneut Aufstiegschancen. Der König war auch nach der Wahlniederlage nicht zu Zugeständnissen bereit. Die Politik der neuen Ära war gescheitert. Das Parlament stellte dem König am 6. März 1862 eine Art Ultimatum: Man verlangte die Aufschlüsselung des Haushaltes, damit keine Mittel zur Weiterführung der Heeresreform versteckt werden konnten. Daraufhin löste der König das Parlament auf. Die Folgen waren verheerend. Die Konservativen verloren bei den Wahlen am 6. Mai nochmals drei Sitze; auch die auf Ausgleich setzenden Kräfte mußten eine Niederlage hinnehmen. Die Heeresreform wurde weiterhin abgelehnt. Der König war ratlos.[46]
Schon 1861 war Bismarck mit einer Denkschrift, in der er eine Umkehr der Politik des Königs forderte, abgewiesen worden. Der preußische Gesandte in St. Petersburg hatte erkannt, daß man zu einer Zusammenarbeit mit Teilen des Bürgertums kommen mußte, um die Positionen des Königs und der traditionellen Führungsschichten zu erhalten. Je liberaler und fortschrittlicher die Außenpolitik, desto wahrscheinlicher war der Erfolg einer konservativen Innenpolitik.[47] Im Sommer 1860 hatte Bismarck an Rudolf von Auerswald geschrieben: "Auf die Dauer haben wir nur eine zuverlässige Stütze, das ist die nationale Kraft des deutschen Volkes, solange es in der preußischen Armee seinen Vorkämpfer und die Hoffnung seiner Zukunft erblickt, und solange es nicht erlebt, daß wir Gefälligkeitskriege für andere Dynastien als die Hohenzollersche führen."[48] Warum schrieb sich Bismarck die nationale Einheit als Ziel auf die Fahne? Es ging ihm hintergründig um den Erhalt Preußens und seines innersten Kerns: der Monarchie. Wollte er dieses innenpolitische Ziel erreichen, so mußte er den Liberalen die außenpolitische Kraft der nationalen Frage nehmen. In der deutschen und europäischen Außenpolitik sah Bismarck den Schlüssel zur Lösung der innen-politischen Probleme Preußens.[49]

3. An den Schalthebeln der Macht
3.1. Ministerpräsident und Außenminister
Im Frühjahr 1862 erfolgte die Abberufung Bismarcks aus St. Petersburg. Er hoffte auf die Ernennung zum Ministerpräsidenten. Doch er mußte weiter warten. Zunächst ging er für einige Monate als Gesandter nach Paris. Der Heereskonflikt hatte sich längst zum Verfassungskonflikt ausgeweitet. Der Machtkampf zwischen Parlament und Krone zog sich bis in den September hin. Die Regierung befand sich Auflösung, und der König dachte sogar daran, abzudanken. Nach langem Zögern entschloß sich Friedrich Wilhelm IV. nach Fürsprache des Kriegsminister Albrecht von Roon Bismarck nach Berlin zu holen. Am 18. September erhielt Bismarck ein Eiltelegramm, daß ihn zurückrief. Nach 25 Stunden traf er in der preußischen Hauptstadt ein, ausgestattet mit der Bereitschaft den Kampf um Parlamentsherrschaft oder könig-liches Regiment auszufechten. Sein Erscheinen in Berlin war schon lange vorbereitet. Am 23. September 1862 erfolgte schließlich seine Ernennung zum Ministerpräsiden-ten und Außenminister. Es war Bismarck gelungen, sich vom König nicht auf ein Programm festlegen zu lassen, was ihm einen größtmöglichen Freiraum im politischen Handeln einbrachte. Die einzigen Leitlinien seiner Politik waren die Herrschafts-sicherung im Innern und die Machtentfaltung nach Außen.[50] "Ich fühle mich wie ein kurbrandenburgischer Vasall, der seinen Lehnsherrn in Gefahr sieht. Was ich vermag, steht Eurer Majestät zur Verfügung."[51] Mit diesen Worten bewegte Bismarck den König dazu, den Kampf noch einmal aufzunehmen.
Bei Amtsantritt sah die Öffentlichkeit in ihm einen Mann der Gegenrevolution, ein Werkzeug der Armee und des Hochkonservatismus. "Mit der Verwendung dieses Mannes ist der letzte und schärfste Bolzen der Reaktion von Gottes Gnaden verschossen."[52] Dies schrieb Ludwig Rochau in der Wochenzeitung des National-
vereins Bismarck ließ keinen Zweifel aufkommen: Er wollte seine außenpolitischen Vorstellungen angehen und kompromißlos gegen die innenpolitische Opposition kämpfen. Es gilt festzuhalten: Obwohl er die nationale Einigung auf seine Fahne geschrieben hatte, blieb Bismarck ein Mann des alten Systems. Er profitierte und paktierte zwar von und mit den nationalen Kräften, aber für ihn war das nationale Prinzip nie sinnstiftend. Dies wurde in der Polenfrage, im Krieg mit Dänemark und in seiner Äußerung nach der Reichsgründung, das Reich sei saturiert, obwohl noch Millionen Deutsche außerhalb der Reichsgrenzen lebten, deutlich.[53]
Die preußische Öffentlichkeit rechnete nicht damit, daß das Ministerium Bismarck lange amtieren würde. Bismarck ging sogleich ans Werk. Als er in der Budgetkommission des Landtages für die Annahme der Heeresreform werben wollte, ging ein Aufschrei durch das Land. "Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland; Bayern, Württemberg, Baden mögen den Liberalismus indulgieren, darum wird ihnen doch keiner Preußens Rolle anweisen; Preußen muß seine Kraft zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist: Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der Fehler von 1848 und 1849 gewesen - sondern durch Eisen und Blut."[54] Dabei war die Äußerung Bismarcks nicht als Kampfansage gemeint. In seinen Augen war die Heeresreform die Voraussetzung für Erfolge in der nationalen Einigungspolitik. Die Abgeordneten sahen in ihm jedoch immer noch den erzkonservativen Junker. Deswegen wurden seine Aussagen auch mißverstanden, und die Fronten verhärteten sich weiter.[55]
Für Bismarck sollte eine lange Durststrecke folgen. Sein einziger Rückhalt war der König. Die Ziele der liberalen Nationalbewegung, innenpolitische Freiheit und nationale Einheit, waren noch eng miteinander verknüpft. Doch wußte Bismarck: "Ein willkürliches, nur nach subjektiven Gründen bestimmtes Eingreifen in die Entwicklung der Geschichte hat immer nur das Abschlagen unreifer Früchte zur Folge gehabt."[56] Den Verfassungskonflikt überbrückte er mit der sogenannten Lückentheorie. Nach seiner Auffassung, befinde sich die Regierung in einer Lage der Notwehr, wenn durch fehlende Übereinstimmung zwischen Krone, Herren- und Abgeordnetenhaus ein budgetloser Zustand eintritt. In diesem Fall müsse derjenige, der im Besitz der Macht ist, diese gebrauchen, damit das Staatsleben weitergehen könne. Natürlich stieß diese Auslegung auf heftigsten Widerstand seitens der Abgeordneten. Der Konflikt mit dem Abgeordnetenhaus sollte sich auch auf außenpolitische Fragen ausdehnen.[57]
1863 sollte für Bismarck ein schwieriges Jahr werden. Im Januar kam es zum polnischen Aufstand gegen die russische Herrschaft. Der preußische Ministerpräsident reagierte prompt und schickte den königlichen Generaladjutanten Gustav von Alvensleben nach St. Petersburg. Am 8. Februar verpflichteten sich Preußen und Rußland in den Alvenslebischen Konventionen zur gegenseitigen Unterstützung bei der Niederschlagung des Aufstands. Bismarck hatte geäußert: "Die Wiederherstellung des Königreichs Polen in irgendeinem Umfang ist gleichbedeutend mit der Herstellung eines Bundesgenossen für jeden Gegner, der uns angreift."[58] Nicht nur die öffentliche Meinung in Deutschland, auch England und Frankreich traten auf die Seite der polnischen Freiheitsbewegung. Der Graben zwischen der preußischen Regierung und der nationalen Opposition vertiefte sich noch. Doch durch diesen Schritt sicherte sich Bismarck nicht nur das Wohlwollen Rußlands in der Zukunft, er verhinderte vor allem eine Annäherung Rußlands an Frankreich und somit eine unheilvolle Einkreisung Preußens.[59]
Im Mai 1863 erreichte der Verfassungskonflikt einen neuen Höhepunkt. Die Regierungsvorlage lehnte das Abgeordnetenhaus mit 295 zu 5 Stimmen ab. Am 22. Mai beschloß man mit 239 zu 61 Stimmen eine Adresse an den König, die unter anderem die Forderung nach einer neuen Regierung und einer Veränderung des Regierungssystems beinhaltete. Wilhelm I. antwortete in seiner Erklärung gegen die Alleinherrschaft des Abgeordentenhauses: "Dieses Verlangen weise Ich zurück. Meine Minister besitzen Mein volles Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen sind mit Meiner Billigung geschehen, und Ich weiß es Ihnen Dank, daß sie sich angelegen sein lassen, dem verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses nach Machterweiterung entgegenzutreten."[60] Es folgte am 27.5.1863 die Schließung des Landtages und am 1.6.1863 wurde eine scharfe Presseverordnung erlassen.[61]
Die innere Krise Preußens blieb auch außenpolitisch nicht ohne Folgen. Österreich wollte die Lähmung der preußischen Politik nutzen, um den Deutschen Bund nach österreichischen Vorstellungen zu reformieren. Ziel war die Zementierung des Führungsanspruches der Habsburger Monarchie. Wilhelm I. war bereit, am Fürstentag in Frankfurt am Main teilzunehmen und am Reformprojekt mitzuwirken. Darüber geriet er in Streit mit seinem Ministerpräsidenten. Bismarck sah die deutliche Gefahr, daß Österreich auf diese Weise die Initiative in der deutschen Frage an sich reißen und die Vormachtstellung im Bund ausbauen wollte. Schließlich, nach einer Rücktritts-drohung Bismarcks, blieb der König den Beratungen fern. Der Reformplan wurde zwar am 1. September beschlossen, aber ohne die Mitwirkung Preußens war er zum Scheitern verurteilt.[62]
Bismarck antwortete auf den Fürstentag mit der Forderung nach allgemeinen und direkten Wahlen in Deutschland. So versuchte er in Preußen Druck auf die Liberalen und in der Außenpolitik auf die Mittelstaaten und Österreich auszuüben. "Die Interessen und Bedürfnisse des preußischen Volkes sind wesentlich und unzertrennlich identisch mit denen des deutschen Volkes; wo dies Element zu seiner wahren Bedeutung und Geltung kommt, wird Preußen niemals befürchten dürfen, in eine seinen eigenen Interessen widerstrebende Politik hineingezogen zu werden."[63]
Indem er die deutschen Ziele zu seinen eigenen machte, versuchte Bismarck die Liberalen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Dieser Versuch war zunächst wenig erfolgreich. Die Wochenzeitung des Nationalvereins schrieb am 3.10.1863: "Der plumpe Versuch des Ministeriums Bismarck, die Eifersucht des deutschen Volksgeistes gegen Österreich zu einer neuen Stütze seiner wankenden Existenz zu machen, wird elendiglich zuschanden werden."[64] Ende Oktober hob der neugewählte Landtag die Presseverordnung auf. Die Heeresreform wurde weiter abgelehnt, und eine erneute Parlamentsauflösung erschien sinnlos. Bismarck hatte zwar geschickt taktiert, trat aber auf der Stelle. Wie lange würde er sich in dieser scheinbar ausweglosen Situation halten können? Bismarck mußte nun erkennen, daß um eine Teilung der Macht mit einem Teil seiner Gegnerschaft nicht umhin kam, wollte er im Amt bleiben und weite die Geschicke der preußischen Politik bestimmen.[65]

3.2. Der Schleswig-Holstein-Konflikt
Nach den Wahlen befand sich die Regierung Bismarck in der Tat in einer scheinbar ausweglosen Situation. Der wieder aufkommende Schleswig-Holstein-Konflikt sollte dem Ministerpräsidenten die Chance geben, seine Ziele umzusetzen. Am 13.11.1863 gab es in Dänemark eine neue Verfassung. Der dänische König wollte Schleswig, das bisher nur in Personalunion mit seinem Reich verbunden war, dem dänischen Staatenverband vollständig einverleiben. Damit war die durch die Londoner Konferenz von 1852 garantierte Sonderstellung Schleswig-Holsteins in Gefahr.[66]
Der Deutsche Bund protestierte gegen die Absichten Dänemarks. Bismarck stellte sich demonstrativ auf den Boden des Londoner Abkommens und trat so Spekulationen über preußische Annektionsgelüste entgegen. Damit gewann er die Neutralität der europäischen Großmächte, geriet aber erneut in Konflikt mit der deutschen Nationalbewegung. Den preußischen König überzeugte er, gemeinsam mit Österreich am Status quo der beiden Herzogtümer festzuhalten. Die Habsburger Monarchie ging auf das preußische Angebot der Zusammenarbeit ein - auch aus Angst vor einem aufbrausenden Nationalismus. Österreich war erleichtert, während die Enttäuschung bei den Liberalen und in der Nationalbewegung groß war. Österreich und Preußen forderten unabhängig vom Deutschen Bund Dänemark Ende 1863 auf, die Gesamtverfassung aufzugeben. Dänemark wies das Ultimatum zurück und so marschierten am 16. Januar 1864 preußische und österreichische Truppen in Schleswig ein.[67]
Für Bismarck waren die Gründe einer Zusammenarbeit mit Österreich vielschichtig. So war der Deutsche Bund durch die Zusammenarbeit isoliert und bewies einmal mehr seine Handlungsunfähigkeit. Außerdem war durch die Verbindung mit Preußens eine Annäherung Österreichs an Frankreich praktisch unmöglich. Durch sein Bekennt-nis zu den internationalen Verträgen wuchs auch sein außenpolitisches Prestige. Man sah in Bismarck nun im Ausland einen Mitgaranten für die europäische Ordnung. Letztendlich wußte Bismarck, daß in der Schleswig-Holstein-Frage zur gegebenen Zeit der Schlüssel zur entscheidenden Auseinandersetzung mit Österreich über die Vorherrschaft in Deutschland lag. Schon am 3.2.1864 hatte Bismarck im preußischen Ministerrat die Annexion der Elbherzogtümer als Ziel angekündigt.[68]
Doch soweit war es noch nicht. Die Schlacht an den Düppeler Schanzen am 18. April 1864 leitete das Ende des Krieges ein. Der dänische König trat schließlich alle Rechte an Preußen und Österreich ab. Man einigte auf eine gemeinsame Verwaltung der beiden Herzogtümer, die nicht dem Deutschen Bund einverleibt werden sollten. Dies war aus Sicht Bismarcks in doppelter Hinsicht ein kluger Schachzug: Erstens begann die Front der Gegner des Ministerpräsidenten nun langsam zu bröckeln. Selbst linke Abgeordnete wie Franz von Waldeck sahen nun keine erkennbare Alternative zu Bismarcks Konzept mehr. Die nationale Bewegung begann langsam auseinander-zufallen, und sowohl Bismarcks innen- als auch seine außenpolitische Stellung war gestärkt. Zweitens lag in der gemeinsamen Verwaltung Schleswig-Holsteins die Möglichkeit für die endgültige Auseinandersetzung mit Österreich. In der Gasteiner Konvention vom 14.8.1865 vereinbarte man die Aufteilung der Herzogtümer. Österreich übernahm nun Holstein, und Preußen verwaltete in Zukunft Schleswig. Das Habsburger Reich hatte sich so selbst gelähmt. Ein Bündnis mit den populären nationalen Kräften war nicht mehr möglich, und Österreich engagierte sich weit ab von seinem eigentlichen Herrschaftsgebiet.[69]

3.4. Der Entscheidungskampf mit Österreich
Nach dem Abschluß der Gasteiner Konventionen verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Österreich und Preußen zunehmend. Es war nun klar, daß Österreich nicht zum Ausgleich mit Preußen zu Bismarcks Bedingungen bereit war. Bismarck suchte jetzt die Entscheidung mit Österreich. Er forderte den Bau des Nord-Ostseekanals, den Beitritt Schleswig-Holsteins zum Zollverein und einen preußischen Kriegshafen in Kiel. Diese Punkte waren für Österreich nicht akzeptabel. Der preußische Ministerpräsident setzte nun alles auf eine Karte: Bereits im März 1866 hatte Österreich damit begonnen, für den Krieg zu rüsten. Außenpolitisch hatte Bismarck vorgesorgt und sich bemüht, Österreich zu isolieren. England hatte sich vom Kontinent abgewandt und konzentrierte sich auf seine Kolonien, Rußland stand nach den Alvenslebischen Konventionen auf der Seite Berlins und mit Italien hatte er im April 1866 ein befristetes Kriegsbündnis geschlossen. Dennoch stand die außen-politische Isolierung Wiens auf teilweise sehr unsicherem Fundament.[70]
Eine Sonderstellung nahm Frankreich ein. Napoleon III. sah mit Interesse auf den preußisch-österreichischen Konflikt. Er erhoffte nach Ende eines Waffengangs in die Vermittlerrolle schlüpfen zu können und Gebietsansprüche geltend machen zu können. Daher schloß er ein Neutralitätsabkommen mit Österreich, von dem letzt-endlich auch Preußen profitierte. Wie die große Mehrheit der Zeitgenossen rechnete auch Napoleon III. mit einem Sieg Wiens. Nun ging es darum, Verbündete zu sammeln. Hier war Wien eindeutig im Vorteil. Sowohl Sachsen, Hannover und Kurhessen als auch Bayern schlugen sich auf die Seite der Habsburger Monarchie. Doch Bismarck schürte den Konflikt weiter, indem er kurz nach dem Bündnisvertrag mit Italien im Deutschen Bundestag den Antrag auf Einberufung einer deutschen Nationalversammlung stellte, hervorgegangen aus allgemeinen und gleichen Wahlen.[71]
Bismarcks Kurs war in Preußen nicht unumstritten. Rudolf von Dellbrück schrieb: "Das ganze Land war bekanntlich gegen den Krieg. Die liberale Partei warf der tief gehaßten Regierung vor, daß sie ohne Not in den Krieg treibe, für einen nicht kleinen Teil der Konservativen war die Allianz zwischen Preußen und Österreich ein Glaubenssatz."[72] Der liberale Jurist Rudolf von Ihering notierte am 1. Mai 1866: "Mit einer solchen Schamlosigkeit, einer solchen grauenhaften Frivolität ist vielleicht noch nie ein Krieg angezettelt worden wie der, den Bismarck gegenwärtig gegen Österreich zu erheben versucht. Das innerste Gefühl empört sich über einen solchen Frevel an allen Grundsätzen des Rechts und der Moral." Drei Monate später hatte sich seine Meinung allerdings grundlegend geändert: "Ich beuge mich vor dem Genie Bismarcks, der ein Meisterstück der politischen Kombination und der Tatkraft geliefert hat. Ich habe dem Mann alles, was er bisher getan hat, vergeben, ja mehr als das, ich habe mich überzeugt, daß es notwendig war, was uns Uneingeweihten als frevelhafter Übermut erschien, es hat sich hinterher herausgestellt als unerläßliches Mittel zum Ziel. (...) Ich gebe für einen solchen Mann der Tat (...) hundert Männer der liberalen Gesinnung, der machtlosen Ehrlichkeit."[73] Die Nationalbewegung, die sich schon im Schleswig-Holstein-Konflikt als zwar lautstark aber machtlos erwiesen hatte, sollte nach dem preußischen Sieg über Nacht zusammenbrechen.[74]
Doch soweit war es noch nicht. Nachdem auf europäischer Ebene die Fronten geklärt schienen, forderte Bismarck ein aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervor-gegangenes deutsches Nationalparlament. Auf diese Weise beabsichtigte er, die Mittelstaaten unter Druck zu setzen und das Bürgertum für sich zu gewinnen. Im April war Österreich endgültig zum Krieg bereit. Man wollte in Wien das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Die Übertragung der Entscheidung über die Zukunft der Elbherzogtümer an den Deutschen Bund kam einer Kriegserklärung an Preußen gleich. Die Situation schien für Bismarck denkbar schlecht. Während sein Versuch, die Opposition in Preußen und die deutsche Nationalbewegung für sich zu gewinnen, gescheitert war, hatte Österreich zahlreiche Bündnispartner gewonnen. Dennoch marschierten am 9. Juni 1866 preußische Truppen in Holstein ein. Fast zeitgleich beantragte der preußische Gesandte in Frankfurt am Main ein Bundesreform im Sinne Preußens.[75]
Österreich mobilisierte sowohl seine Süd- als auch seine Nordarmee und beantragte in Frankfurt sowohl die Mobilmachung gegen Preußen als auch die Bundesexekution. Daraufhin erklärte Berlin den Bundesvertrag für gebrochen und erloschen. Schon knapp drei Wochen später, nach dem preußischen Sieg in der Schlacht bei Königgrätz am 3.7.1866, war der Krieg praktisch entschieden. Bismarck drängte auf einen schnellen Friedensschluß und wollte Österreich, im Gegensatz zur preußischen Armeeführung, schonen. Für ihn waren die preußischen Kriegsziele schon erreicht. Der Deutsche Bund war erloschen, Preußen hatte freie Hand in Norddeutschland und Österreich mußte sich aus Mitteleuropa zurückziehen. Das Kriegsergebnis konnte für Bismarck nur identisch mit dem schon vorher angestrebten Kompromiß sein, wollte er sich nicht mögliche politische Verbindungen für die Zukunft verbauen. In seinen Augen galt es den Krieg schnell zu beenden, um ein Ausufern des Konflikts zu verhindern. Hierüber geriet er in heftigen Streit mit dem König und dem Militär. Mit Hilfe des Kronprinzen konnte er sich schließlich durchsetzen und im Vorfrieden von Nikolsburg am 26.7.1866 wurde die Auflösung des Deutschen Bundes und der Ausschluß Österreichs bei der Neuordnung Deutschlands vereinbart. Im Frieden von Prag mußte Wien seine Zustimmung zur Gründung eines neuen Bundes nördlich des Mains unter preußischer Führung geben. Preußen annektierte u.a. Hannover, Holstein, Schleswig und Frankfurt am Main. Damit war die preußische Hegemonie über Nord- und Mitteldeutschland zementiert.[76]
Der schnelle Friedensschluß mit Österreich erwies sich als geschickter Schachzug Bismarcks. Aufgrund einer zunächst zögerlichen Haltung hatte Frankreich die Chance verspielt, sich in den Konflikt einzuschalten. In Paris empfand man die Niederlage Österreichs bald als eigene. Die angestrebte Vermittlerrolle war Napoleon III. nun verwehrt, und auch die Träume von französischen Gebietsgewinnen zerplatzten. Dennoch erhob Frankreich Kompensationsansprüche. Dies ermöglichte es Bismarck, mit den süddeutschen Staaten "Schutz- und Trutzbündnisse" abzuschließen. Im Kriegsfall erklärten sich die süddeutschen Länder bereit, ihre Truppen unter den Ober-befehl Berlins zu stellen. Auch deswegen blieb das Verhältnis zu Frankreich belastet.[77]
Im Bewußtsein der Menschen war der Krieg keineswegs ein Einigungskrieg. Man sah in diesem Konflikt vielmehr einen Kabinettskrieg im klassischen Sinne. In der Tat beruhte der preußische Sieg auf dem Einsatz traditioneller Mittel: Bismarck isolierte den Konflikt in Europa, ging ein Bündnis mit Italien ein und setzte auf die Schlagkraft der preußischen Armee unter der Führung Moltkes.[78]

3.4. Der Norddeutsche Bund
Nach dem Kriegsende kamen auf Bismarck eine Vielzahl von Aufgaben zu. Es galt die annektierten Länder einzugliedern, eine Verfassung für den Norddeutschen Bund zu schaffen und die Zollvereinsfrage zu lösen. Seine Forderung nach einem deutschen Nationalparlament erschienen nun in einem ganz anderen Licht. Im Überschwang nationaler Erwartungen mußte Bismarck nun sogar mahnende Worte sprechen. Er wurde zum alleinigen Wortführer der nationalen Sache. In Preußen selbst ging es Bismarck zunächst zum eine Verständigung mit der liberalen Opposition. Die Regierung gab zu, die getätigten Ausgaben zwar aus einer Notlage heraus, aber ohne gesetzliche Grundlage getätigt zu haben und bat das Parlament mit der sogenannten Indemnitätsvorlage um die nachträgliche Genehmigung. Der Landtag stimmte der Vorlage zwar zu und beendete so den preußischen Verfassungskonflikt, aber der Streit um die Zustimmung hatte die Opposition gespalten. Es gründete sich die Nationalliberale Partei, die zu einer weitreichenden Zusammenarbeit mit Bismarck bereit war. Man wollte die Einheit Deutschlands nun zu Bismarcks Bedingungen erreichen und dann die freiheitlichen Rechte und Forderungen im geschaffenen Nationalstaat durchkämpfen.[79]
Auf der Grundlage der preußischen Bundesreformpläne begann man ab August 1866 mit der Gründung des Norddeutschen Bundes, dem alle ehemaligen Mitglieder des Deutschen Bundes nördlich des Mains angehörten. Während eines Kuraufenthaltes diktierte Bismarck die Grundzüge der künftigen Verfassung, deren elementare Punkt die preußische Hegemonie war. Im Februar 1867 fanden Wahlen zum konstituieren-den Norddeutschen Reichstag statt. Die Nationalliberalen siegten und beeinflußten ihrerseits den Entwurf der Verfassung. Ihr Ziel war auch die Erweiterung des Bundes nach Süddeutschland. In der Verfassung wurde das allgemeine Wahlrecht fest-geschrieben. Hierfür hatte Bismarck lange kämpfen müssen. Darin sah allerdings kein zu förderndes demokratisches Element, sondern die Möglichkeit, partikularistische Strömungen einzudämmen.[80]
Österreich hatte sich seit Anfang der 60er Jahre wirtschaftlich schon weit von Restdeutschland entfernt, das mit Preußen im Zollverein eng verbunden war. Der Handelspolitik war im Vorfeld des Krieges eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um die deutsche Frage zugefallen. Der Zollverein war ein wichtiges Element für Preußens wirtschaftlichen Vormachtstellung, und schließlich entsprachen die Grenzen des Zollvereins den späteren Grenzen des kleindeutschen Reiches. Nach Verhandlungen im Jahre 1867 wurde der Zollverein zwischen Norddeutschem Bund und den süddeutschen Staaten umgebildet. Bismarck sah im Zollverein eine Möglichkeit, durch eine engere Anbindung der süddeutschen Staaten eine Vorentscheidung für die politische Entwicklung hin zu einem kleindeutschen Nationalstaat zu fällen. Durch einen Zollbundesrat und ein Zollparlament sollten mehr Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden. Bei den Wahlen siegten allerdings fast überall katholische, antipreußische und partikularistische Kräfte. Bismarcks Politik hatte südlich des Mains keine Basis. Er erkannte, daß es noch einige Zeit bis zur Vollendung der kleindeutschen Lösung dauern würde. Entgegen immer wieder laut werdenden Forderungen wollte er aber keinen Druck auf die süddeutschen Staaten ausüben.[81]

3.5. Der letzte Schritt stand noch bevor
Ab 1867 drohte daher der Einheitsbewegung ein Stillstand. Dies war gleichbedeutend mit einer Niederlage des Kanzlers des Norddeutschen Bundes. Bismarck rang zwar gemeinsam mit der Nationalbewegung um die Schaffung eines Nationalstaates, aber in der Frage der inneren Ausrichtung des zu schaffenden deutschen Staates herrschte eine tiefe Kluft zwischen Bismarck und der Nationalbewegung. Diese wollte einen liberalen Nationalstaat á la England, während Bismarck für einen obrigkeitsstaatlichen und preußisch orientierten Staat eintrat. Die liberale Nationalbewegung forderte also die Schaffung eines kleindeutschen Nationalstaates und nicht eines großpreußischen Norddeutschlands. Auch von anderer Seite geriet Bismarck unter Druck: Banken und Industrie drängten auf Beendigung des kostspieligen Konfliktes mit Frankreich, der durch hohe Militärausgaben die Haushalte belastete.[82]
Im Mai 1868 sagte Bismarck: "Wir tragen alle die nationale Gesinnung im Herzen. Aber für den rechnenden Politiker kommt zuerst das Notwendige und dann das Wünschenswerte, also zuerst der Ausbau des Hauses und dann dessen Erweiterung. Erreicht Deutschland sein nationales Ziel noch im neunzehnten Jahrhundert, so erscheint mir das als etwas Großes und wäre es in zehn oder gar in fünf Jahren, so wäre das etwas Außerordentliches, ein unerhofftes Gnadengeschenk Gottes."[83]
Dabei sah er die Möglichkeit, den Einheitsprozeß durch einen europäischen Krieg erneut in Gang zu bringen. Jedoch wollte er einen Krieg nicht mit Gewalt herbei-führen. Er wartete auf die passende Gelegenheit. Das Verhältnis zu Frankreich hatte sich andauernd verschlechtert, und es war daher klar, daß die Gründung eines deutschen Nationalstaats unter Führung Preußens nur gegen erheblichen Widerstand Frankreichs möglich sein würde. Eine "Reichsgründung von oben", d.h. die Eingliederung der süddeutschen Staaten in den preußisch dominierten Norddeutschen Bund war das Endziel der Bismarckschen Einigungspolitik. Es war klar: Die deutsche Einheit wollte er nur von oben - unter seiner und Preußens Führung - oder gar nicht.[84]
Bismarck hatte sein Ziel so gut wie erreicht: Österreich war aus Deutschland hinaus-gedrängt, Preußen war nicht zuletzt durch den Zollverein zur wirtschaftlichen und militärischen Hegemonialmacht in Deutschland aufgestiegen und trotz einiger Zugeständnisse war die innere Ordnung Preußens und die Monarchie gefestigt. Die Vormachtstellung des Königs gegenüber dem Parlament blieb erhalten. Nur die Schaffung eines deutschen Nationalstaates stand noch bevor. Der sich anbahnende Streit um die Thronfolge in Spanien sollte Bismarck die Gelegenheit geben, das letzte Kapitel auf dem Weg zur Gründung des Deutschen Reiches aufzuschlagen. Mit einem begrenzten, kontrollierten und kontrollierbarem Krieg auf rein militärischer und diplomatischer Ebene sollte die Umgestaltung Mitteleuropas abgeschlossen werden. Mit der Reichsgründung 1871 trat an die Stelle der alten europäischen Ordnung jetzt das Prinzip der nationalstaatlichen Ordnung Europas.[85]

4. Literaturliste
4.1. Quelleneditionen
Bismarck, Otto Fürst von: Die gesammelten Werke (Friedrichsruher Ausgabe), 15 in 19 Bdn., Berlin 1924-1935
Dellbrück, Rudolf von: Lebenserinnerungen 1817-1867, 2 Bde., Leipzig 1905
Gall, Lothar (Hrsg.): Bismarck. Die großen Reden, Berlin 1981.
Huber, Ernst-Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2 Bde., Stuttgart 1964
Kohl, Horst (Hrsg.): Die politischen Reden des Fürsten Bismarck, 14 Bde., Stuttgart 1982-1905
Roon, Albrecht Graf von: Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon. Sammlungen von Briefen, Schriftstücken und Erinnerungen, 3 Bde., Breslau 1897.
Rothfels, Hans (Hrsg.): Bismarck-Briefe, Göttingen 1955.

4.2. Literatur
Doering-Manteuffel, Anselm: Die deutsche Frage und das europäische Mächtesystem 1815-1871, (Enzyklopädie deutscher Geschichte 15), München 1993.
Gall, Lothar: Europa auf dem Weg in die Moderne 1850-1890, (Oldenbourg - Grundriß der Geschichte 14), München 1997.
Gall, Lothar: Bismarck. Der weiße Revolutionär, Berlin 1997.
Keudell, Robert von: Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen von 1846 bis 1872, Berlin/Stuttgart 1901.
Krockow, Christian Graf von: Bismarck, Stuttgart 1997.
Lucius von Ballhausen, Robert Freiherr: Bismarck - Erinnerungen, Stuttgart/Berlin 1920.
Mommsen, Wilhelm: Bismarck, Hamburg 1997.
Nirnheim, Otto: Das erste Jahr des Ministeriums Bismarck und die öffentliche Meinung, (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 20), Heidelberg 1908.

Rumpler, Helmut (Hrsg.): Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866, (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 16/17), Wien/München 1990.
Schulze, Hagen: Der Weg zum Nationalstaat, München 1994.
Stürmer, Michael: Die Reichsgründung, München 1993.
Ullmann, Hans-Peter: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, Frankfurt am Main 1995.
Willms, Johannes: Bismarck. Dämon der Deutschen, München 1997


[1] vgl. Stürmer, Michael: Die Reichsgründung, München 1993, S. 25ff. und Krockow, Christian Graf von: Bismarck, Stuttgart 1997, S. 113.
[2] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 26.
[3] vgl. Schulze, Hagen: Der Weg zum Nationalstaat, München 1994, S. 113/Doering-Manteuffel, Anselm: Die deutsche Frage und das europäische Mächtesystem 1815-1871, (Enzyklopädie deutscher Geschichte 15), München 1993, S. 39/Gall, Lothar: Europa auf dem Weg in die Moderne 1850-1890, (Oldenbourg - Grundriß der Geschichte 14), München 1997, S. 61f und Stürmer, Reichsgründung, S. 43.

[4] vgl. Gall, Lothar: Bismarck. Der weiße Revolutionär, Berlin 1997, S. 31 ff und Krockow, Bismarck, S. 22 ff.
[5] Bismarck, Otto Fürst von: Die gesammelten Werke (Friedrichsruher Ausgabe), Bd. 15, Berlin 1924-1935, S. 5.
[6] vgl. Krockow, Bismarck, S. 31.
[7] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 11 und Mommsen, Wilhelm: Bismarck, Hamburg 1997, S. 9.
[8] Bismarck, Werke, Bd. 14, S. 14 ff.

[9] vgl. Gall, Revolutionär, S. 41 ff.
[10] Rothfels, Hans (Hrsg.): Bismarck-Briefe, Göttingen 1955, S. 47.
[11] vgl. Gall, Revolutionär, S. 69 und Krockow, Bismarck, S. 35.

[12] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 7 f.
[13] vgl. Gall, Revolutionär, S. 70 ff und Willms, Johannes: Bismarck. Dämon der Deutschen, München 1997, S. 20.
[14] Kohl, Horst (Hrsg.): Die politischen Reden des Fürsten Bismarck 1847-1897, Bd. 1, Stuttgart 1892-1905, S.45 f.
[15] Roon, Albrecht Graf von: Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon. Sammlungen von Briefen, Schriftstücken und Erinnerungen, Bd. 1, Breslau 1897, S. 192.
[16] Bismarck, Werke, Bd. 14, S. 79.

[17] Lucius von Ballhausen, Robert Freiherr: Bismarck - Erinnerungen, Stuttgart/Berlin 1920, S. 20.
[18] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 18/Mommsen, Bismarck, S. 21 und Krockow, Bismarck, S. 63 f.
[19] vgl. Gall, Europa, S. 16 und Krockow, Bismarck, S. 75.
[20] Kohl, Reden, Bd. 1, S. 92.
[21] Vgl. Gall, Revolutionär, S. 105 ff.

[22] Gall, Lothar (Hrsg.): Bismarck. Die großen Reden, Berlin 1981, S. 43 ff.
[23] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 19 und Mommsen, Bismarck, S. 23.
[24] vgl. Krockow, Bismarck, S. 81 f und Gall, Revolutionär, S. 133.

[25] vgl. Krockow, Bismarck, S. 40 und Mommsen, Bismarck, S. 29.
[26] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 20.
[27] Bismarck, Werke, Bd. 2, S. 23.
[28] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 20/Mommsen, Bismarck, S. 29 f und Krockow, Bismarck, S. 86 f.
[29] vgl. Krockow, Bismarck, S. 95 und Mommsen, Bismarck, S. 32.
[30] vgl. Gall, Revolutionär, S. 167 ff.

[31] Bismarck, Werke, Bd. 2, S. 297 f.
[32] Gall, Revolutionär, S. 150 ff.
[33] zit. in: Stürmer, Reichsgründung, S. 127 f.
[34] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 34 f/Stürmer, Reichsgründung, S. 20 ff und Gall, Europa, S. 16.

[35] vgl. Doering, Mächtesystem, S. 35 ff und Gall, Europa, S. 42 ff.
[36] zit. in: Gall, Europa, S. 45.
[37] Gall, Revolutionär, S. 195 ff.
[38] Bismarck, Werke, Bd. 14, S. 469.
[39] vgl. Schulze, Nationalstaat, S. 102 ff und Krockow, Bismarck, S. 121.
[40] vgl. Ullmann, Hans-Peter: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, Frankfurt am Main 1995, S. 19/Schulze, Nationalstaat, S. 105 f und Doering, Mächtesystem, S. 39.
[41] vgl. Krockow, Bismarck, S. 115 f.
[42] Bismarck, Werke, Bd. 14, S. 494 f.
[43] vgl. Schulze, Nationalstaat, S. 104 ff/Mommsen, Bismarck, S. 38 und Gall, Revolutionär, S. 316 f.
[44] vgl. Krockow, Bismarck, S. 125 ff/Schulze, Nationalstaat, S. 108 und Gall, Revolutionär, S. 232 ff.
[45] vgl. Gall, Europa, S. 59 f. und Mommsen, Bismarck, S. 43 f.

[46] vgl. Krockow, Bismarck, S. 127 ff und Stürmer, Reichsgründung, S. 24.
[47] vgl. Ullmann, Kaiserreich, S. 20 und Krockow, Bismarck, S. 133.
[48] Bismarck, Werke, Bd. 14, S. 565.
[49] vgl. Stürmer, Reichsgründung, S. 43 und Gall, Revolutionär, S. 206.

[50] vgl. Doering, Mächtesystem, S. 39/Gall, Europa, S. 60/Mommsen, Bismarck, S. 47 f und Gall, Revolutionär, S. 283 f.
[51] Keudell, Robert von: Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen von 1846 bis 1872, Berlin/Stuttgart 1901, S. 110.
[52] Nirnheim, Otto: Das erste Jahr des Ministeriums Bismarck und die öffentliche Meinung, (Heidelberger Ab-handlungen zur mittleren und neueren Geschichte 20), Heidelberg 1908, S. 65.

[53] vgl. Schulze, Nationalstaat, S. 113 und Gall, Europa, S. 16 f.
[54] Bismarck, Reden, S. 58 ff.
[55] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 50 und Gall, Revolutionär, S. 300 ff.
[56] Bismarck, Werke, Bd. 6 b, S. 2.

[57] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 52.
[58] Bismarck, Werke, Bd. 4, S. 118.
[59] vgl. Krockow, Bismarck, S. 160 ff und Gall, Revolutionär, S. 319 ff.

[60] Huber, Ernst-Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1964, S. 63 ff.
[61] vgl. Krockow, Bismarck, S. 165.
[62] vgl. Gall, Revolutionär, S. 308 und Mommsen, Bismarck, S. 53 ff.
[63] zit. in: Mommsen, Bismarck, S. 56.

[64] Huber, Dokumente, Bd. 2, S. 138.
[65] vgl. Gall Revolutionär, S. 339 und Krockow, Bismarck, S. 176 f.
[66] vgl. Gall, Europa, S. 62 f.

[67] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 59 und Gall, Revolutionär, S. 343 ff.
[68] vgl. Gall, Revolutionär, S. 346 ff.
[69] vgl. Gall, Europa, S. 63/Doering, Mächtesystem, S. 42 und Schulze, Nationalstaat, S. 117.

[70] vgl. Doering, Mächtesystem, S. 43 und Gall, Revolutionär, S. 390 ff.
[71] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 68/Doering, Mächtesystem, S. 43 ff.

[72] Dellbrück, Rudolf von: Lebenserinnungen 1817-1867, Bd. 2, Leipzig 1905, S. 370.
[73] zit. in: Schulze, Nationalstaat, S. 117 f.
[74] vgl. Schulze, Nationalstaat, S. 117.
[75] vgl. Gall, Revolutionär, S. 409 ff und 415 ff.

[76] vgl. Doering, Mächtesystem, S. 45/Gall, Europa, S. 64 f und Gall, Revolutionär, S. 425 ff.
[77] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 70 ff und Gall, Revolutionär, S. 430 ff.
[78] vgl. Gall, Europa, S. 64.
[79] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 76 ff/Ullmann, Kaiserreich, S. 21 und Gall, Revolutionär, S. 436 ff.

[80] vgl. Mommsen, Bismarck, S. 79 ff und Gall, Revolutionär, S. 445 ff.
[81] vgl. Hahn, Hans-Werner: Mitteleuropäische oder kleindeutsche Wirtschaftsordnung in der Epoche des Deutschen Bundes, in: Rumpler, Helmut (Hrsg.): Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866, (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 16/17), Wien/München 1990, S. 207 ff/Mommsen, Bismarck, S. 84 f und Gall, Revolutionär, S. 476 f.

[82] vgl. Stürmer, Nationalstaat, S. 70 ff/Ullmann, Kaiserreich, S. 21 f und Gall, Revolutionär, S. 489.
[83] zit. in: Mommsen, Bismarck, S. 88.
[84] vgl. Gall, Revolutioinär, S. 482 f und Stürmer, Nationalstaat, S. 71 ff.

[85] vgl. Gall, Europa, S. 61 ff und 16.