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PROF.DR. GOESSL, ÜBUNG IN ÖFFENTLICHEN RECHT FÜR FORTGESCHRITTENE WS 1996/97

2. Hausarbeit

Unbekannte Täter entführten Ende August 1996 in der Großstadt x (Nordrhein-westfalen) ein achtjähriges Kind auf dem Schulweg und verlangten für die Freilassung von den wohlhabenden Eltern ein Lösegeld von 1 Mio. DM. Zur Rettung ihres Kindes wollten die Eltern das Lösegeld unter Ausschluß der Polizei zahlen. Die Übergabe des Geldes scheiterte an den Sicherheitsvorkehrungen der Entführer. Diese argwöhnten die vereinbarungswidrige Einschaltung der Polizei durch die Eltern. Sie drohten diesen wegen ihrer ,Unvernunft" und wegen ihres ,,Wortbruchs" mit der Tötung des Kindes und als ,,letzte Warnung" mit der Zusendung eines Ohres des Kindes. Die Entführer ließen dann zunächst nichts von sich hören. Die weiteren Ermittlungen der Polizei blieben zunächst erfolglos.

 

Zur Zeit der Entführung lief ein Ermittlungsverfahren gegen A, B und C wegen Straftaten nach § 3Db Abs.l BtMG (,,Sartonus.' Nr.275]. In diesem Verfahren wurde die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der Verdächtigen nach § lOOa S.1 Nr.4 StPO (richterlich> angeordnet. Bei der Überwachung wurde als sog. ,,Zufallsfund" ein fernmündliches Gespräch aufgenommen, das eine unbekannte Person vom Anschluß des B aus mit Z führte. Das ,,verklausuliert" geführte Gespräch ergab deutliche Anhaltspunkte für eine Beteiligung oder doch Mitwisserschaft des Z an der Kindesentführung.

 

Z hatte sich 1988 an einer versuchten Kindesentführung beteiligt und wurde wegen dieser Tat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seit seiner Entlassung aus der Strafhaft wohnt Z in der Kleinstadt M, die von der Großstadt X etwa 25 km entfernt liegt und etwa 26.000 Einwohner hat. Er arbeitet bei eine: Firma als Auslieferungsfahrer. Seit seiner Entlassung aus der Strafhaft ist Z strafrechtlich nicht mehr n Erscheinung getreten.

Bei der Befragung durch die Polizei räumte Z das aufgezeichnete Gespräch ein. Er brachte vor, daß ihm der Anrufe: unbekannt sei und seine Einlassung auf das Gespräch nur der ,,Abwimmelung" des lästigen Anrufers gedient habe.

Die Polizei hegte gegen Z weiter den Verdacht der Beteiligung oder Mitwisserschaft an der Kindesentführung. Der Verdacht verstärkte sich durch die Durchsuchung einer Werkstatt, die in dem aufgezeichneten Gespräch von dem Anrufe: ,,verklausuliert' genannt war. Der Verdacht gegen Z lag für die Polizei aber noch immer unter der Schwelle eines dringenden Tatverdachts" (etwa i.S. der Haftbefehlsvoraussetzungen des § 112 Abs.l StPD)

 

Intensive weitere Ermittlungen der Polizei blieben erfolglos. Den Eltern des Kindes wurde von Unbekannten als Lebenszeichen eine Videoaufnahme zugespielt, in der das Kind eine zwei Tage alte Tageszeitung zeigte und über dort genannte Ereignisse sprach. Aus der Videoaufnahme und aus anderen Indizien ergaben sich für die Polizei Anhaltspunkte dafür, daß sich das noch in einem ungefähren 60-km-Umkreis um die Großstadt X befand.

Der Polizeipräsident in X erhielt auf seine Bitte vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) die Möglichkeit zu Sendungen, in denen die Öffentlichkeit über die Kindesentführung sowie die derzeitige Lage informiert und um Unterstützung der Polizei gebeten wurde. Die Sendungen von jeweils fünf Minuten Dauer wurden an zwei Tagen im Anschluß an die abendlichen Nachrichtensendungen ,,heutet' und ,,heute-journal" ausgestrahlt. In den Sendungen sprachen der Polizeipräsident in x und der Kriminaloberkommissar K.

Der Polizeipräsident P stellte sich und seinen Mitarbeiter K vor, erinnerte an die aus den Medien bekannte Kindesentführung in der Stadt X, berichtete über die bislang erfolglosen Bemühungen der Polizei um Ermittlung des Verstecks des Kindes und bat die Zuhörer dringend um ihre Mithilfe.

 

Sodann schilderte der Kriminaloberkommissar K an Hand eines nachgestellten Filmes den mutmaßlichen Tathergang. Er verdeutlichte an Hand von Karten und Bildern den Tatort und den 60-km-Umkreis um die Stadt X unter Hinweis auf möglicherweise tatrelevante Umstände. Schließlich zeigte der Beamte ohne Namensnennung ein Lichtbild des Z und erklärte, daß die Entführer möglicherweise im Umfeld des abgebildeten Mannes zu suchen seien. Er fragte die Zuschauer, ob sie den mit Lichtbild gezeigten Mann seit Mitte August 1996 insbesondere in dem 60-km-Umkreis um die Stadt X gesehen haben und ggf. über Orte und Gebäude, an bzw. in denen sich der Mann aufgehalten hat, und über Personen, mit denen der Mann Kontakte hatte, Angaben machen können.

Der Beamte erklärte nachdrücklich, daß die mit dem Lichtbild gezeigte Person mit dem Verbrechen möglicherweise nichts zu tun hat und derzeit gegen sie allenfalls ein gewisser Verdacht besteht.

 

Abschließend erklärte der Polizeipräsident P: ,,Sehr verehrte Zuschauer 1 Zu der öffentlichen Verwendung des Lichtbildes haben wir uns nicht leicht entschlossen. Eine Beteiligung des auf dem Lichtbild gezeigten Mannes an der Kindesentführung oder auch nur eine Mitwisserschaft sind nicht erwiesen. Entsprechend den Ausführungen meines Mitarbeiters besteht derzeit allenfalls ein gewisser Verdacht in dieser Richtung. In einen Verdacht kann aber jeder schuldlos kommen - auch Sie und auch ich. Gleichwohl kann nach der Erfahrung nicht ausgeschlossen werden, daß auch ein bloßer Verdacht durch Unkenntnis und Unverstand zu schweren Diskriminierungen und anderen Nachteilen für den Betroffenen führen kann. Andererseits geht es um das Leben und den Leib des unschuldigen Kindes, das sich in der Hand besonders brutaler Verbrecher befindet. Zur Rettung des Kindes muß nach unserer Überzeugung auch die letzte Möglichkeit ausgeschöpft werden. In diesen schweren Konflikt haben wir uns trotz der Gefahren zur öffentlichen Verwendung des Lichtbildes entschlossen.

Unsere dringende Bitte um Ihre Mithilfe dient neben der Rettung des Kindes auch der Ermittlung und Ergreifung der Entführer. Die brutalen Verbrecher müssen schnell der verdienten Strafe zugeführt und dadurch an der Verübung weiterer Verbrechen an Kindern gehindert werden. Auch Ihr Kind kann sonst das nächste Opfer sein. Wir haben hinsichtlich der Strafverfolgung unser Vorgehen mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt und handeln im vollen Einvernehmen mit dieser Behörde."

Trotz der fehlenden Namensnennung wurde die Person des Z in seinem Bekanntenkreis und in seinem

 

Wohnort sogleich bekannt. Trotz der aufklärenden Worte des Polizeipräsidenten über die Bedeutung eines bloßen Verdachtes ergossen sich über Z und seine Familie Beschimpfungen und Verwünschungen Sie reichten im Falle des Z bis zu Morddrohungen, ,,wenn er nicht sofort für die Freilassung des Kindes sorgt". Die beiden minder3ährigen Kinder des z mußten in Interesse ihrer gedeihlich~~ Entwicklung in einem weit entfernt liegenden Heim untergebracht werden.

 

Einige Zeit später gelang der Polizei die Aufspürung und Befreiuung des entführten Kindes und die Festnahme von zwei Entführern. Der entscheidende Hinweis kam aus der Bevölkerung und hatte mit der ,,Fernsehfahndung" nichts zu tun. Die weiteren Ermittlungen ergaben keinerlei Anhaltspunkte für eine Beteiligung oder Mitwisserschaft des Z an dem Verbrechen.

Z begehrt nunmehr von dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Zweiten Deutschen Fernsehen wegen der ,,Fernsehfahndung" Folgenbeseitigung und Schadensersatz in Geld.

 

1. z verlangt von dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Zweiten Deutschen Fernsehen zunächst die umgehende Information der öffentlichkeit über seine Unschuld in folgender Weise: Das Zweite Deutsche fernsehen soll umgehend an mindestens zwei Tagen im Anschluß an seine abendlichen Nachrichtensendungen ,,heute" und ,,heute-journal" Sendungen ausstrahlen, in denen der Polizeipräsident P und ein Sprecher des Senders unter Bezugnahme auf die früheren Sendungen erklären, daß erstens Z mit der inzwischen aufgeklärten Kindesentführung erwiesenermaßen nichts zu tun hatte und zweitens die in den früheren Sendungen erfolgte Verwendung seines Lichtbildes rechtswidrig gewesen ist.

 

Z sieht in der ,,Fernsehfahndung" in der Sache eine im Rahmen der ,,Gefahrenabwehr" erfolgte öffentliche Befragung nach 5 18 Abs. 3 und 4 oder nach § 17 Abs.1 ASOG. Er meint, daß die Maßnahme insbesondere wegen der Verwendung seines Lichtbildes von Anfang an rechtswidrig gewesen sei oder mindestens nachträglich (nach Aufklärung der Kindesentführung) rechtswidrig geworden sei Z denkt bei seinem Begehren an einen Folgenbeseitigungsanspruch, einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung, einen Schadensausgleichsanspruch nach §§ 59 Abs.2, 60-65 ASOG und an einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem bzw. aufopferungsgleichem Anspruch.

Die Ansprüche sind nach Auffassung des Z auch gegeben, wenn und soweit in der ,,Fernsehfahndung" auch Maßnahmen der Strafaufklärung und -verfolgung nach den §§ 161, 163 Abs.1 Stpo liegen sollten.

 

II. Z verlangt weiter von dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Zweiten Deutschen Fernsehen gesamtschuldnerisch erstens Ersatz seiner Aufwendungen für die Heimunterbringung seiner Kinder in Höhe von 20.000 DM und zweitens Ersatz seiner immateriellen Schäden durch ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 DM.

 

Z denkt bei seinem Begehren an einen Schadensersatzanspruch aus Amtahaftung, an einen Schadensausgleichsanspruch nach §§ 59 Abs.2, 60-65 ASOG und einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem bzw. aufopferungsgleichem Eingriff.

Für den Fall, daß die ,,Fernsehfahndung" entgegen seiner Auffassung als rechtmäßig beurteilt werden sollte, denkt Z an einem Schadensausgleichsanspruch aus §§ 59 Abs.1, 60-65 ASOG und an einen Entschädigungsanspruch aus Enteignung bzw. Aufopferung.

 

A. Z bittet um ein Gutachten über das materiellrechtliche Bestehen der erwogenen und evtl. anderer Ansprüche.

 

B. Z bittet weiter um Begutachtung seiner Möglichkeiten zur gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche.

 

C. Hinsichtlich der Ausstrahlung der begehrten Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens bittet Z auch um Begutachtung seiner Möglichkeiten zur Erlangung von vorläufigem Rechtsschutz (etwa durch eine einstweile Anordnung nach § 123 VwGO)

Die Bearbeitung des Aufgabenteiles C ist fakultativ. Die Nicht- oder Schlechtbearbeitung erfährt keine negativen Auswirkungen auf die Bewertung der Arbeit.

 

D. Ändert sich die Beurteilung im Ergebnis oder in der Begründung, wenn unterstellt wird, daß die Strafprozeßordnung im Zeitraum der Ereignisse bereits in der Fassung galt, die sie nach dem ,,Referentenentwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes" i.d.F.v. 22.12.1988 [Wiedergabe im Anhang der Aufgabe] erhalten soll ?

 

 

VERMERK FÜR DIE BEARBEITUNG

1. Bei der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs nach den 55 bOa, lOOb Stpo stellt sich die Frage nach Verwertungsverboten oder -beschränkungen für sog. ,,Zufallsfunde". Hierzu entwickelte zunächst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Maßstäbe (u.a. in BGHSt 26,298; 27,355; 28,122; 29,32; 30,217; 31,296; 32,10). Später wurde ein Teil des Komplexes gesetzlich geregelt (5 1QOb Abs.5 StPO i.d.F.d. Art.3 OrgKG v. 15.7.1992, BGB1. 1 S.1302) Die Vorschrift gestattet die Verwendung von ,,Erkenntnissen" zur Aufklärung anderer (,,Katalog"-] Straftaten i.S. des § 100a Stpo.

Die Zulässigkeit der Verwendung von ,,Zufallsfunden" für Zwecke der ,,Gefahrenabwehr" ist in der Strafprozeßordnung weder in § l00b Abs.5 noch an anderer Stelle näher geregelt. Bei richtigem Verständnis dürfte die Strafprozeßordnung der Verwendung von ,,Zufallsfunden" für Zwecke der ,,Gefahrenabwehr" mindestens insoweit nicht entgegenstehen, als die Verwendung zur Unterbindung anhaltender und zur Verhinderung bevorstehende: [,,Katalog"-] Straftaten i.S. des Art. 100a StPO erfolgt. Unberührt bleibt ein evtl. Verwendungsverbot aus Gründen außerhalb der Strafprozeßordnung <etwa Verletzung des Persönlichkeitsrechts>

Bei der Bearbeitung der Aufgabe kann (ohne Begründung) von dem gezeigten Verständnis der Strafprozeßordnung hinsichtlich der Verwendung von ,,Zufallsfunden" für die ,,Gefahrenabwehr" ausgegangen werden.

Eine dem § lOOb Abs.5 StPO vergleichbare Regelung findet sich ~n 5 3 Abs. 3 und 5 des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz v. 3.8.1968 i.d.F.d. Art.2 Gesetz zur Änderung .. . v. 28.2.1992 (BGBl. 1 S.997) [,,Sartonus Nr.7).

 

 

2. Bei der Anwendung von Landesrecht kann, wie schon in der Aufgabe geschehen, an Stelle des Rechts des Landes Nordrhein-Westfalen das Recht des Landes Berlin zugrundegelegt werden.

 

3. Bei der Anwendung des ASOG Bin 1992 kann die Nicht-Anwendbarkeit der Regelungen in den

55 42-51 [,,Befugnisse für die weitere Datenverarbeitung"] und insbesondere der Regelungen in den §5 44,45 [,,Datenübermittung"] (ohne Begründung) unterstellt werden.

Die Nicht-Anwendung der §§ 44,45 ASOG auf den von der Polizei in der ,,Fernsehfahndung" öffentlich kundgemachten Verdacht gegen den lichtbildlich gezeigten Z ergibt sich bei richtiger (wenn auch nicht zweifelsfreier) Sicht schon aus § 6 Ans.2 Km. 2 und 3 DSG Berlin (GVBl.1991 5.16) weil die ,,Datenübermittlung" nur die Übermittlung von ,,gespeicherten Daten" betrifft und solche Daten nur ,,personenbezogene Daten auf ,,Datenträgern" sind. Möglicherweise ergibt sich die Nicht-Anwendbarkeit der §§ 44,45 ASOG auch noch aus anderen Gründen.

 

 

4. Im Bereich der Strafverfolgung richtet sich die Praxis bei der Inanspruchnahme von ,,Publikationsorganen" zur Fahndung nach Personen nach den ,,Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung nach Personen bei der Strafverfolgung". Diese [,,besonderen"] Richtlinien bilden nunmehr die ,,Anlage B" der [,,allgemeinen"] ,,Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)" v. 1.7.1977 in der seit dem 1.10.1992 geltenden Fassung.

Die ,,allgemeinen" und die ,,besonderen" Richtlinien wurden von dem Bundesjustizminister und den Landesjustizministern (-senatoren) auf Grund eines gemeinsam beschlossenen Musters als Allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. Sie gelten im Bund und in den Ländern inhaltsgleich und insofern ,,bundeseinheitlich". Die [,,besonderen"] ,Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung ...,, wurden in Berlin erstmals von dem Senator für Justiz auf Grund des 5 6 Abs.2 AZG 1958 durch die Allgemeine Verfügung v. 12.2.1973 (ABl.Bln.S.221) erlassen. Sie wurden 1979 und 1989 durch inhaltsgleiche neue Richtlinien ersetzt.

Die ,,allgemeine" und die ,,besonderen" Richtlinien sind abgedruckt u.a. bei KLEINKNECHT/MEYERGOSSNER, Strafprozeßordnung, 42. Aufl. München 1995 [= ,,Beck'sche Kurzkommentare Bd.6] im Anhang Nr.15 [S.1693-1777 bzw. S.1779-1781].

 

Die [,,besonderen"] ,,Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung sind unabhängig von ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit in dem Aufgabenfall wegen ihrer Differenzierungen, ihrer Gesichtspunkte und ihrer Abwägungen für die Bearbeitung des Aufgabenfalles von Interesse.

 

 

 

5. Die Rechtsverhältnisse des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) bestimmen sich nach dem ,,ZDF-Staatsvertrag" = Art.3 des ,,Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinigten Deutschland" v. 31.8. 1991 (Abdruck u.a. in GVBI.Bln. 1991 5.309,319 und GVBl.NW 1991 S.408,417).

 

6. Bei dem von Z erhobenen Anspruch auf Schmerzensgeld von 50.000 DM kann unterstellt werden, daß der Betrag hinsichtlich der Höhe angemessen erscheint.

 

ANHANG. Strafprozeßordnung (StPO) in geltender und in geplanter Fassung

 

1. Strafprozeßordnung in derzeit geltender Fassung

 

5 131. [Steckbrief]. (1) Auf Grund eines Haftbefehls qder eines Ünterbringungsbefehls können die Staatsanwaltschaft oder der Richter einen Steckbrief erlassen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.

(2)4ohne Haft- oder Unterbringungsbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur zulässig, wenn ein Festgenommener entweicht oder sich sonst der Bewachung entzieht. 21n diesen Fällen kann auch die Polizeibehörde einen Steckbrief erlassen.

(3> In dem Steckbrief ist der Verfolgte zu bezeIchnen und soweit möglich zu beschreiben. 2D~e Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung sind anzugeben.

(4) . .

 

§ 160. [Ermittlungsverfahren) . (1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Weg von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob dIe öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) . . . (3) .

 

§ 161. [Ermittlungen]. Zu dem im vorstehenden Paragraphen bezeichneten Zweck kann die Staatsanwaltschaft von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen. 2Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen.

 

§ 163. [Aufgaben der Polizei]. (1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.

(2) .

 

2. Strafprozeßordnung i.d.F.d. ,,Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung

des Strafverfahrensrechts (Strafverfahrensänderungsgesetz 1988)" [Stand 22.12.1988]

 

§ 131. (1) Ist der Aufenthalt eines Beschuldigten oder eines Zeugen nicht bekannt,so können die Staatsanwaltschaft und, wenn Gefahr im Verzug ist, ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung veranlassen.

<2) In der Ausschreibung ist die gesuchte Person zu bezeichnen und soweit möglich zu beschreiben.

 

§ 131a. (1) Aufgrund eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls können die Staatsanwaltschaft oder der Richter die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen h~lt.

(2)Liegen die Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls vor, dessen Erlaß aber nicht ohne erhebliche Gefährdung des Fahndungserfolges abgewartet werden kann, so können die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten [§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält und die Fahndung auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.2Die Entscheidung über den Erlaß des Haft- oder Unterbringungsbefehls ist binnen zwei Tagen herbeizuf'ühren.

(3) In der Ausschreibung ist der Beschuldigte zu bezeichnen und soweit möglich zu beschreiben, er darf abgebildet werden. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung sind anzugeben.

 

§ 131b. (1) Fahndungsmaßnahmen aufgrund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung dürfen nur an Behörden gerichtet werden.

(2)1Fahndungsmaßnahmen aufgrund einer Ausschreibung zur Festnahme dürfen sich auch an die öffentlichkeit richten. Bei einer Straftat mit erheblicher Bedeutung ist die Verbreitung von Informationen und Abbildungen über Publikationsorgane Presse, Rundfunk, Fernsehen) zulässig, wenn die Maßnahme unerläßlich ist.2Die §§ 115 und 115a gelten entsprechend.

(3) Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat mit erheblicher Bedeutung dringend verdächtig ist, ist auch zulässig, soweit dies zur Erlangung der Tataufklärung dienlicher Hinweise oder zur Erlangung von Hinweisen auf die Identität eines unbekannten Täters unerläßlich ist.

(4)1unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 dürfen Fahndungsmaßnahmen nach einem Zeugen auch an die Öffentlichkeit gerichtet werden.2Die Durchführung der Maßnahme muß erkennbar machen, daß die gesuchte Person nicht Beschuldigte ist.3Abbildungen des Zeugen und Hinweise auf das der i4aßnahme zugrunde liegende Strafverfahren dürfen nur erfolgen, soweit dies unerläßlich ist.

(5)1Fahndungsmaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes angeordnet werden. 2Fahndungsmaßnahmen nach Absatz 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

 

§ 160. (1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von den Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) . . . (3) .

1.

(4) Kommen mehrere gleichermaßen erfolgversprechende Ermittlungs- und Fahndungsmaßnahmen in Betracht, so trifft die Staatsanwaltschaft diejenige, die den einzelnen am wenigsten beeinträchtigt, soweit dies ohne Gefährdung des Ermittlungsziels möglich ist.2 Eine Maßnahme ist unzulässig, wenn sie außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht oder soweit besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.3Sie ist unverzüglich zu beenden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung nicht mehr vorliegen, ihr Zweck erreicht ist oder wenn sie sich aus sonstigen Gründen erledigt hat.

 

§ 161. (1)1Zu dem in § 160 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen öffentlichen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen.

 

§ 163. (1)1 Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. 3Zu diesem Zweck sind sie befugt, von allen öffentlichen Behörden Auskunft zu erbitten und Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

 

1.) Die Verfassungsmäßigkeit der Anzeigenserie

 

Die Anzeigenserie des Umweltministers U wäre verfassungswidrig, wenn er durch diese die Opposition in den ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet hätte.

 

I.) Rechtmäßigkeit

 

Das Recht der Regierung, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

 

Aus Art. 20 Abs. 1; Abs. 2,S.1 GG geht der Gedanke der freiheitlichen Demokratie hervor, des sogenannten Demokratieprinzips, wonach das Volk Träger der Staatsgewalt und letztlich Ursprung aller staatlichen Willensbildung ist. Näher wird die Grundentscheidung der Verfassung für die demokratische Staatsform in Art. 38 Abs. 1, S.1 GG, durch den die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl der Abgeordneten garantiert wird, konkretisiert. Und in Art. 21 Abs. 1 GG wird die Basis des Demokratieprinzips ferner dahin ausgestaltet, daß die politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken.

Durch Wahlen schafft das Volk die demokratische Legitimation, daß die Staatsgewalt vom gesamten Volk ausgeht, nämlich mittelbar durch die Organe der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und die Rechtsprechung . Somit vollzieht sich die Mitwirkung des Volkes bei der Bildung des Staatswillens daher der Sache nach in den Wahlen. Wahlen können demokratische Legitimation i.S.d. Art. 20 Abs. 2 GG aber nur dann verleihen, wenn sie frei sind. Sowohl die Stimmabgabe muß frei von Zwang und unzulässigem Druck bleiben, wie es Art.38 Abs. 1 GG gebietet, als auch das Urteil des Wählers muß in einem freien, offenen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung gewonnen und gefällt werden können. Aufgrund von Art. 21 GG haben Parteien in dem Prozeß der politischen Willensbildung eine große Bedeutung, da ihnen dieser einen verfassungsrechtlichen Status zuerkannt hat. Allerdings muß sich die politische Willensbildung aufgrund des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes grundsetzlich vom Staatsvolk zu den Staatsorganen vollziehen, wobei die Willensbildung des Volkes nicht auf Wahlen beschränkt ist, sondern vielfältige Formen der Einflußnahme auf den politischen Prozeß umfaßt. Die Ausübung der bürgerlichen Beteiligungsrechte, die Bildung des kreativen Volkswillens bei Wahlen und die freie Entfaltung von Meinung und Gegenmeinung setzen Informationen über das Staatswesen voraus. Durch stetige Unterrichtung über staatliches Planen und Handeln wird die bürgerliche Mitwirkungsbereitschaft hervorgerufen und gefestigt. Somit wird der Informationsaspekt als Voraussetzung demokratischer Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hervorgehoben. Nur informierte Bürger, die aufgrund von Kenntnis über politische und gesellschaftliche Entwicklungen am Staatsleben teilhaben, können den Verfassungsanspruch der Volkssouveränität, der sich aus Art. 20, Abs. 2, S.1 GG ergibt, wirklich erfüllen. Demokratisierend wirkt Öffentlichkeitsarbeit dann, wenn der Bürger durch die so geschaffene Transparenz staatlichen Handelns am politischen Geschehen mitwirken und eine weitestgehende Kontrollfunktion der Machtausübung wahrnehmen kann. Durch die ausreichende Informationsgrundlage des Volkssouverans läßt sich der Sinn staatlicher Öffentlichkeitsarbeit aus dem Demokratieprinzip ableiten. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung ist demnach nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um Staatsbewußtsein und Identifikation der Bürger mit dem Staat im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Die Staatsorgane sind befugt, sich selbst und die eigene Arbeit der Bevölkerung vorzustellen, d.h. die Politik der Regierung und ihre Maßnahmen darzulegen, fällt in den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit.

 

1.) Formelle Rechtmäßigkeit

 

Fraglich ist, ob die Veröffentlichung einer Anzeigenserie, die das Abfallkonzept der Landesregierung beinhaltet, in den Zuständigkeitsbereich des Umweltministers U fällt.

 

In Art. 20, Abs.1 GG begründet sich das Bundesstaatsprinzip, wonach Bund als auch Länder jeweils eigene Staatsgebilde mit eigener Hoheitsgewalt sind.

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gründet sich auf Art. 30 GG. Danach ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das GG keine anderen Regelungen trifft oder zuläßt. "Anregende" und "informelle" Tätigkeiten bleiben von dieser Befugnis jedoch ausgespart. Ausnahmen von der Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder müssen im Text des GGes enthalten sein. Ausnahmen, namentlich für die Verwaltung, werden von Art.83 GG geregelt. Gem. Art.83 GG führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. I.V.m. §19 AbfG wird die Zuständigkeit der Behörden durch die Landesregierungen bestimmt, sofern keine Regelung durch ein Landesgesetz erfolgt. Im Landesabfallgesetz von Baden - Württemberg wird die Zuständigkeit durch § 28 geregelt. Gem. § 28 LAbfG wird das Umweltministerium als oberste Abfallbehörde bestimmt, der der Vollzug des AbfGes und dieses Gesetzes obliegt. Hierin begründet sich die Zuständigkeit des Umweltministers U bezüglich des Abfallressorts und der in diesem Rahmen vorgenommenen Veröffentlichung des Abfallkonzepts, die somit formell rechtmäßig ist.

 

2.) Materielle Rechtmäßigkeit

 

I.) Erfordernis einer rechtlichen Grundlage: Grundsätzlich ist für die materielle Rechtmäßigkeit eine rechtliche Grundlage erforderlich. Da schlichtes Verwaltungshandeln aber nicht gezielt in die Individualrechtsgüter der Bürger eingreift, sondern die Beeinträchtigung der Rechtswirkung lediglich faktische Folge tatsächlichen Verwaltungshandeln ist, wird man eine rechtliche Grundlage nur dort fordern können, wo von vornherein absehbar ist, daß Rechte des Bürgers beeinträchtigt werden. Im vorliegenden Fall ist davon jedoch zunächst nicht auszugehen, da der Bürger frei entscheiden kann, ob er dem Rat des Umweltministers U folgt. Ein Zwang kraft Rechtspflicht besteht nicht.

 

II.) Abgrenzung der fundamentalen verfassungsrechtlichen Prinzipien gem. Art.20 GG:

 

a) Verletzung der Chancengleichheit und des Gebots zur Neutralität: Wesentlicher Inhalt des Demokratieprinzips ist nach dem Vorgesagten das Recht des Volkes, Abgeordnete in freier und gleicher Wahl wählen zu können. Hinzu kommt als für eine Demokratie wesensmäßig, daß alle Personen beim politischen Willensbildungsprozeß die gleichen Chancen haben müssen. Auf dem Grundsatz der formalen Wahlgleichheit und Wahlfreiheit gem. Art.38 Abs.1 GG können sich aber nicht nur Bürger, sondern auch Parteien berufen, deren Anspruch auf formale Gleichbehandlung gem. § 5 Abs.1, S.1 PartG gerade bei Wahlen der zentrale Bestandteil ihres Anspruchs auf Chancengleichheit ist. Daraus folgt für die Staatsorgane, zu denen auch die Regierung und die ihr angehörenden Minister gehören, die Pflicht zur parteipolitischen Neutralität. Genau diese Neutralität wäre aber die Vorraussetzung, um eine gemeinwohlverpflichtete Staatspflege, die den Staat deutlich als denjenigen aller Bürger präsentiert, zum Integrationsfaktor werden zu lassen. Die Versuchung, staatliche und parteiliche Repräsentation zu identifizieren, wäre zu groß, um ihr nicht zu erliegen. Aus diesem Grund ist es jedem Staatsorgan verwehrt, im Vorfeld von Wahlen in seiner amtlichen Funktion offen oder verdeckt für eine bestimmte Partei einzutreten, diese unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, und dadurch den Grundsatz eines freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu verletzen. Ein parteiergreifendes Einwirken ist auch in Form von Öffentlichkeitsarbeit nicht zulässig, da in diesem Zusammenhang die Grenze zur unzuläsigen Wahlwerbung überschritten werden könnte. Was zur Folge hätte, daß das Recht der Opposition auf Chancengleichheit und die damit verbundene Möglichkeit, einen eventuellen Machtwechsel herbeizuführen, beeinträchtigt würde. Zur Feststellung, ob diese Grenze überschritten ist, bedarf es der Überprüfung bestimmter Abgrenzungskriterien im Einzelfall.

 

b)Konkrete Anwendung der Abgrenzungskriterien bezüglich der Anzeigenserie:

1)Inhalt der Anzeigenserie:

Inhaltlich kann der parteiergreifende Charakter durch konkrete Äußerungen der Regierung über ihre Absicht, im Amt bleiben zu wollen, erkennbar werden, indem sie sich als von bestimmten Parteien getragene Regierung darstellt oder für sie wirbt oder sich mit negativem Akzent bzw. herabsetzend über die Oppositionsparteien und deren Wahlbewerber äußert.

Da die Anzeigenserie des Umweltministers U aber weder Bezug auf eine Wahl im allgemeinen, noch auf die Landtagswahl im Besonderen nimmt, und auch nicht für oder gegen eine an der Wahl beteiligten Partei oder Person - Name und Parteizugehörigkeit des Umweltministers werden nicht genannt - oder für oder gegen ein perteipolitisch umstrittenes Ziel wirbt, ist sie inhaltlich nicht als verfassungsrechtlich unzulässige Wahlwerbung zu betrachten.

2)Gestaltung der Anzeigenserie:

Ferner kann sich ein Hinweis, daß ein Hineinwirken in den Wahlkampf bezweckt ist, aus der Gestaltung der Anzeigenserie ergeben, wenn nämlich der informative Gehalt eindeutig hinter die reklamehafte Aufmachung zurücktritt. Darüber ergeben sich aus dem Sachverhalt allerdings keine näheren Angaben.

3)Veröffentlichung der Anzeigenserie in Tageszeitungen:

Wie einleitend dargelegt, baut das demokratische Prinzip auf den informierten Bürger seine wissende Nähe zum Staat auf. Nachdem sich Befehl und Zwang allein - insbesondere im Umweltschutz - nicht mehr als zuverlässige Garanten für Gesetzestreue und -befolgung erweisen. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit muß daher über die bloße Publizität hinaus offensiv auf den Bürger zugehen und dessen Problembewußtsein schärfen, ihn gegebenenfalls mobilisieren.Sofern die Öffentlichkeitsarbeit von der Regierung betrieben wird, ist sie zu deren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu zählen. Um auf dem effektivsten Weg die Öffentlichkeit zu erreichen, ist das Medium "Zeitung" mit kaum vergleichbarer Breitenwirkung ein geeignetes Mittel, um die Kommunikationsschwelle zum Bürger zu überwinden. Schließlich steht die Ebtscheidung über die Mediennutzung und den Kommunikationsweg im Ermessen der Regierung. Somit läßt auch die Wahl des Mediums "Zeitung" nicht grundsätzlich auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Wahlwerbung schließen.

4)Zeitliche Nähe der Anzeigenserie zur bevorstehenden Landtagswahl:

Auch wenn sich aufgrund von inhaltlichen, gestalterischen und veröffentlichungstechnischen Indikatoren der regierungsamtlichen Publikationen keine Werbemaßnahmen erkennen lassen, können sie unzulässig sein. Im nahen Vorfeld von Wahlen können Veröffentlichungen dieser Art nämlich, wenn sie ohne akuten Anlaß in großer Anzahl erscheinen und in ebensolchem Umfang verbreitet werden, die freie Willensbildung im Blick auf die Wahlen beeinflussen. Daher steht die Gratwanderung zwischen einer an sich zulässigen Information der Öffentlichkeit und unzulässiger Wahlwerbung in dirkter Verbindung mit der Nähe zum Wahltermin. In der Vorwahlzeit ist die Regierung verpflichtet, sich jeder parteiergreifenden Einwirkung auf die Wahl zu enthalten, woraus sich das Gebot äußerster Zurückhaltung ergibt. Ein genauer Zeitraum, in dem dieses Gebot zu befolgen gilt, läßt sich jedoch nicht konkret defenieren. Sowohl die Fünf-Monats-Frist, die bislang von der Exekutive als maßgebend galt, als auch die Orientierung an § 16 BWahlG sind keineswegs verfassungsrechtlich bindend und eher willkürlich gewählt. Ungeachtet dessen kann die exakte Definition dieses Zeitraumes in Bezug auf den vorliegenden Fall ohnehin dahingestelt sein, da auch im Sachverhalt keine konkrete Angabe gemacht wird. Da der Landtagswahlkampf erst im kommenden Jahr beginnt, kann man davon ausgehen, daß man sich auf keinen Fall in der "heißen" Phase des Wahlkampfes befindet.

Somit weist das Kriterium der zeitlichen Nähe zu den Wahlen nicht genügend Trennschärfe auf, zumal auch eine kontinuierliche Beeinlussung der politischen Meinungsbildung über Jahre hinweg die Wahlchancen der Regierungsmehrheit gegenüber den Oppositionsparteien merklich verbessern kann. Der Rechtssprechung zufolge muß eine strikte Differenzierung zwischen parteipolitisch neutraler Sachaufklärung einerseits und dem Versuch der Einflussnahme durch Regierungsparteien im Bezug auf bevorstehende Wahlen andererseits getroffen werden. In diesem Zusammenhang widerspricht sich die Rechtssprechung:

aa) Der VerfGH NW geht bei seiner Urteilsfindung davon aus,daß der Öffentlichkeitsaufklärung als untypische Form der Öffentlichkeitsarbeit andere Beurteilungsmaßstäbe zugrunde gelegt werden müssen. Hinsichtlich dessen wird sachzielbestimmte Öffentlichkeitsarbeit nicht als "Annextätigkeit" eines die primäre Aufgabenerfüllung begleitende, weichen informalen Verwaltungshandelns, sondern als Regierungstätigkeit selbst angesehen, durch die normative Vorgaben unmittelbar umgesetzt werden. Wenn man diese Aufklärungstätigkeit im Vorfeld von Wahlen genauso restringieren würde, so könnte die Regierung, die in ihrer Verantwortung liegende Öffentlichkeitsarbeit und die damit verbundene Erfüllung von Sachzielen nicht bis zum Ende der Legislaturperiode wahrnehmen.

bb) Der BVerfGH hat in seiner Rechtsprechung keine derartige Differenzierung vorgenommen und daher auch objektive Sachinformationen nur dann für unbedenklich erklärt, solange es sich nicht um amtliche Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsberichte handelt und sie nicht in unmittelbarer Beziehung zu einer bevorstehenden Wahl stehen oder durch akuten Anlaß geboten sind.

 

II.)Fazit

 

Hier dient die Anzeigenserie des Umweltministers U dem Ziel, das allgemeine Bewußtsein für die Notwendigkeit der Abfallvermeidung im alltäglichen Verhalten zu wecken. Somit verkörpert sie unmittelbar ein Sachziel, nämlich das in § 1 LAbfG statuierte Ziel der Abfallwirtschaft, im Interesse des Umweltschutzes Abfälle zu vermeiden, bzw. wiederzuverwerten. Im Hinblick darauf, daß in jedem Haushalt Abfälle anfallen, ließe sich eine landesweite Abfallverminderung nur erreichen, wenn möglichst alle Bürger angesprochen sind. Die mehrfache Veröffentlichung in Tageszeitungen ist daher ein angemessenes Medium, um flächendeckende Resonanz zu erzielen. Damit handelt es sich nicht um eine bloße Erfolgsmeldung, sondern um die Umsetzung normativ vorgegebener Sachziele. Da auch nicht ersichtlich ist, daß die Anzeigenserie nach Form und Inhalt besonders aufdringlich gestaltet war, kann aus der bloßen zeitlichen Nähe zur Wahl nicht geschlossen werden, daß die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten ist. Die Maßnahme des Umweltministers ist daher nicht verfassungswidrig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.) Die Verfassungsmäßigkeit der Äußerungen des Bundesgesundheitsministers M

 

Der Bundesgesundheitsminister M hätte sich verfassungswidrig verhalten, wenn seine Äußerungen den A in seiner Berufsfreiheit gem. Art 12 Abs.1 GG verletzt hätte.

 

I.) Schutzbereich

 

Art. 12 Abs. 1,S.1 GG schützt dem Wortlaut nach nur die Freiheit der Berufswahl. Unter "Beruf" ist dabei jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die in ideeller wie in materieller Hinsicht zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht schlechthin gemeinschädlich ist. Da sich die Berufswahl im Beginn der Berufsausübung manifestiert und die Ausübung nach Satz 2 geregelt werden kann, muß über den Wortlaut hinaus auch die Berufsausübung als geschützt angesehen werden. Art. 12 Abs.1 beinhaltet mithin ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit. Darauf begründet sich das Recht, jede Tätigkeit, für die man sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen, auszuüben und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Sie konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab. Unter diese Definition fällt auch die von A ausgeübte Tätigkeit als Arzt und das in diesen Bereich fallende Verordnen von Medikamenten.

 

II.) Eingriff

 

In diesen Schutzbereich hätte eingegriffen werden müssen. Ein Eingriff liegt grundsätzlich dann vor, wenn staatliches Handeln dem Betroffenen ein Verhalten, das in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, unmöglich macht. Bloße Beeinträchtigungen der Berufsausübung müssen allerdings von einigem Gewicht sein, in engem Zusammenhang mit dieser stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen. Die Äußerungen des M stellen im traditionellen Sinn keinen Grundrechtseingriff dar, denn sie haben weder unmittelbare noch rechtlich verbindliche Folgen bezüglich der Betätigung des A. Die Wirkungen dieser Aussage lassen sich erst durch die Entscheidung der Patienten ermitteln. Jedoch ist allgemein anerkannt, daß auch eine von einem sog. schlichthoheitlichen staatlichen Handeln ausgehende, bloß tatsächliche und mittelbare Betroffenheit des Grundrechtsträgers im Rechtssinne einen Grundrechtseingriff darstellen kann. Der Schutzbereich des Art.12 Abs.1 GG ist aber grundsätzlich auch dann berührt, wenn die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Grundrechtsträgers nachhaltig eingeschränkt werden aufgrund negativer Äußerungen durch staatliche Stellen, die direkt Bezug auf dessen berufliche Tätigkeit nehmen. Man kann davon ausgehen, daß die Äußerrungen des M dazu führen, daß das bestehende bzw. potentiale Klientel des A bezüglich dessen fachlicher Kompetenz verunsichert ist. Somit ist ein Fernbleiben der Patienten im Einvernehmen mit möglichen wirtschaftlichen Folgen absehbar und die Schädigung des beruflichen Ansehens, als freiheits- und rechtsgutmindernde Wirkung der Äußerungen des M, als Kriterium für die Qualifikation eines Grundrechtseingriffs gegeben.

 

III.) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

 

Der Eingriff des Bundesgesundheitsministers M könnte aber gerechtfertigt gewesen sein, wenn die Äußerungen im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage getätigt wurden.

 

1.) Formelle Rechtmäßigkeit:

Die Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministers, sich in Fragen des Gesundheitsreform- und Kostendämpfungsgesetz öffentlich zu äußern, stützt sich auf Art.74, Nr.19 GG. Danach fällt das Gesundheitswesen in die konkurrierende Gesetzgebung. Die Bundesregierung kann jedoch in bestimmten Bereichen des Gesundheitswesens gesetzgeberische Maßnahmen treffen, wie auch im Verkehr mit Arzneimitteln. Die Gesundheitspolitik und deren Verwaltung gehören im Rahmen der Art. 83ff GG zu den Aufgaben des Bundes, somit auch der Regierung als Exekutive. Aus Art.65, S.2 GG ergibt sich die Kompetenz zur Organisationsgewalt im entsprechenden Geschäftsbereichdes jeweiligen Ministeriums, welches auch die Gestaltung der Politik einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit umfaßt. Dabei ist aber zu beachten, daß die Öffentlichkeitsarbeit nur eine Sekundärfunktion in dem Sinne ist, daß sie sich nicht von den Aufgaben des Staatsorgans lösen kann. Öffentlichkeitsarbeit kann also immer nur bezüglich solcher Inhalte verfassungsrechtlich zulässig sein, für die das jeweilige Staatsorgan zuständie ist. Somit fällt die Zuständigkeit, öffentliche Stellungnahmen bezüglich des Aufgabenbereiches seines Ressorts abzugeben, in die Kompetenz des Bundesgesundheitsministers.

 

2.) Materielle Rechtmäßigkeit:

Fraglich ist jedoch, ob die verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage auch die beanstandeten Äußerungen abgedeckt. Wenn der Staat durch seine Funktionsträger abträgliche Stellungnahmen über einen Bürger abgibt, bedarf es aufgrund des Gesetzesvorbehaltes des Art. 12 Abs.1, S.2 GG einer Ermächtigung durch die Legislative. In diesem Zusammenhang kann sich M nicht auf die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs.1, S.1 GG berufen, da dieses Grundrecht dem Staat und seinen Funktionsträgern nicht zusteht.

a) Nach Meinung der Literatur hängen bei mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliche Informationstätigkeit die nachteiligen Effekte vom Verhalten der Bürger ab, was zwar staatlicherseits zu bedenken sei, aber von der öffentlichen Gewalt nicht sicher zulenken ist. Danach würde sich die Befugnis zur Grundrechtsbeeinträchtigung direkt aus der Kompetenz ergeben. Ferner wird die Meinung vertreten, daß man zwischen staatlichen Meinungsäußerungen,die als Beitrag zur politischen Willensbildung gedacht seien und keine auch nur potentielle Verbindlichkeit beanspruchen, und solchen Äußerungen, die nicht zu beanstandende Festlegungen von staatlichen Verwaltungsstellen beinhalten, unterscheiden müsse. Soweit Bürger und Staat in einem freien Kommunikations- und Interaktionszusammenhang stünden, die staatlichen Äußerungen nicht vor dem Hintergrund einer verfestigten, planmäßig verfolgten Lenkungsabsicht zu sehen seien, gäbe es kein Bedürfnis für eine gesetzliche Äußerungsermächtigung. Somit wäre aufgrund fehlender Gesetzesgrundlage eine Rechtfertigung von vornherein nicht gegeben.

b) Die Rechtsprechung vertritt eine andere Auffassung, nach der die Regierung und ihre Mitglieder, ohne daß es eine entsprechende ausdrückliche Vorschrift im Grundgesetz gäbe, kraft Verfassungsrecht dazu ermächtigt seien, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und am politischen Meinungskampf teilzunehmen. Dazu gehöre auch das ureigene verfassungsmäßige Recht zur politischen Meinungsäußerung, das das sogenannte "Recht zum Gegenschlag" im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung umfaßt.

In diesem Fall war M berechtigt, in einem Fernsehbeitrag, der sich kritisch mit den Folgen des "Gesundheitsreform- und Kostendämpfungsgesetzes" auseinandersetzt, seinen politischen Standpunkt zu vertreten, über die Regelungen und ihre Folgen in der Praxis aufzuklären und zur Auslegung des Gesetzes durch die Ärzte Stellung zu nehmen. Vorallem dem Eindruck entgegenzutreten, nach der neuen Regelung würden notwendige Medikamente von den Leistungen der Krankenkassen nicht umfaßt.

c) Fraglich ist jedoch, ob M in seinem Beitrag, die durch die Verfassung für grundrechtsbeeinträchtigende Äußerungen gezogenen Grenzen überschritten hat. Dafür ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder um Werturteile handelt. Die zivilrechtliche Rechtsprechung hat bei der Überprüfung ehrverletzender Äußerungen eine Abgrenzung vorgenommen, die auch im öffentlichen Recht Geltung findet, indem der unterschiedliche Charakter dieser Aussageformen einer einheitlichen Bewertung entgegensteht.Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn nach dem Verständnis eines Durchschnittsempfängers der Gehalt der Äußerung oder objektiven Klärung zugänglich ist und dem Beweis offensteht. Die Tatsachenbehauptung ist uneingeschränkt nach den Kriterien der Wahrheit bzw. Unwahrheit zu beurteilen. Werturteile und Meinungsäußerungen sind im Gegensatz dazu am subjektiven Charakter der wertenden Aussage erkennbar, der keine Allgemeinverbindlichkeit zukommt. Sie sind schon vom Ansatz her im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit an anderen Maßstäben zu messen. Nur soweit Werturteilen ein Tatsachenkern zugrundeliegt, ist dieser wie eine Tatsachenbehauptung auf seine Wahrheit überprüfbar.Gemessen hieran ist die Äußerung, das der Patientin P verordnete Medikament sei offenbar notwendig, eine Tatsachenbehauptung, wohingegen die anderen Äußerungen Werturteile darstellen. Stellt ein Amtsträger eine Tatsachenbehauptung auf, so muß diese wahr sein. In diesem Fall war die Behauptung des M, das Medikament sei offenbar notwendig gewesen, unwahr. Laut Sachverhalt besteht hierüber unter Fachleuten Einigkeit. Allerdings konnte für einen objektiven Betrachter der Sendung der Eindruck entstehen, es handele sich um ein notwendiges Medikament, da der Fall der Patientin P als Beleg für die Kritikwürdigkeit des kürzlich verabschiedeten Gesetzes angeführt wurde. M hat es aber vermieden, eine absolute Behauptung aufzustellen, sondern den Vorbehalt " offenbar notwendig" verwandt. Durch dieser Einschränkung tritt ein erwägender Charakter hinzu, so daß es sich vielmehr um ein Werturteil handelt. Aber auch Werturteile dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten. Sie müssen auf einem im wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerechten und vertretbaren Tatsachenkern basieren. Hiernach waren die wertenden Äußerungen des M aufgrund der Unwahrheit der Tatsachen, auf die sich seine Behauptungen bezogen, nicht berechtigt. Zumal seine Darstellung nicht an die des A anknüpft, der den Eindruck erweckte, Abienzym sei nicht nur sinnvoll, sondern darüberhinaus auch notwendig. M hat eine entsprechende Einschränkung nicht gemacht. Angesichts dessen, daß die Sendung nicht live übertragen wurde, wäre der Bundesgesundheitsminister gehalten gewesen, sich, bevor er falsche Tatsachen in den Raum stellt, ausreichend abzusichern und unter Umständen den Rat von Gutachtern, die Fachleute ihres Gebietes sind, einzuholen. Diese Nachlässigkeit steht in keinem Verhältnis zu der vernichtenden Wirkung verbunden mit seinen Äußerungen. Die Behauptung, A hätte auf ein seiner Meinung nach medizinisch notwendiges Medikament aus rein kapitalistischen Gründen verzichtet, birgt sogar einen Vorwurf gegen die Verletzung des "Hippokratischen Eides" in sich, durch den sich Ärzte dazu verpflichten, die effektivste als auch wirtschaftlichste Therapiemethode zu wählen. Zu der Annahme, daß A aus egoistischen Motiven ein Medikament auf Privatrezept als nicht erstattungsfähig deklariet hätte, besteht kein Anlaß. M hat somit durch seine herabsetzenden Werturteile gegenüber A das für alles staatliche Handeln geltende Übermaßverbot, nachdem er weder willkürlich, besonders aggressiv noch unsachlich sein darf, nicht gewahrt. Somit sind die Äußerungen des M verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, M hat die verfassungsgemäßen Grenzen überschritten und dadurch die Berufsausübung i.S.d. Berufsfreiheit gem. Art. 12, Abs.1 GG des A erheblich beeinträchtigt.

 

IV.) Konkurrenzen:

 

a) Sofern die Voraussetzungen einer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit gegeben sind, ist Art. 12, Abs.1 GG lex specialis gegenüber Art.2, Abs.1 GG i.V.m. Art.1,Abs.1 GG, so daß die Ehrverletzung, die mit den Äußerungen des M einhergegangen sein könnten, dahingestellt seien.

b) Für das Verhältnis zur Eigentumsgarantie gem. Art.14, Abs.1 GG ist darauf abzustellen, ob die Maßnahme eher in die "Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit" eingreift, oder die "Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter" betrifft, ob es eher um den Erwerb oder das Erworbene geht. Ist durch die Maßnahmen der Erwerb tangiert, so greift Art. 12 GG.

 

V.) Endergebnis:

Der Bundesgesundheitsminister M hat sich im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Algemeinarztes A gem. Art.12, Abs.1 GG verfassungswidrig verhalten, indem er diese durch seine Äußerung beeinträchtigt hat.