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1. Einleitung

"Der geheimste Klub Deutschlands hat 5200*

*

Mitglieder. .... Kein Journalist darf mit ihnen sprechen, auch untereinander haben die illustren Vereinsmeier keinen Kontakt. Ihre Adressen werden gehütet wie die Goldbarren der Bundesbank. Was den verschwiegenen Zirkel, offiziell `Panel' genannt, so wichtig macht, ist ein banaler Auftrag: Die Mitglieder, ausgesucht als repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung, benutzen eine spezielle Fernbedienung für die Wahl ihrer Fernsehprogramme."[1]
So lautet die lapidare Darstellung der aktuellen Fernsehzuschauerforschung in einem Artikel des Nachrichtenmagazins SPIEGEL. Der Auftrag an die Panel-Teilnehmer mag banal klingen, doch das Resultat, das die gewonnenen Daten liefern, hat einen entscheidenden Einfluß auf die Angebotspalette des Mediums Fernsehen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen kurzen historischen Abriß über die Entwicklung der Fernsehzuschauerforschung und beleuchtet im Anschluß die aktuelle GfK[2]-Fernsehforschung.

2. Entwicklung der Fernsehzuschauerforschung in der Bundesrepublik Deutschland


Schon bevor ein tägliches Fernsehprogramm[3] ausgestrahlt wurde, gab es die erste Fernsehbefragung der Nachkriegszeit.[4] Diese wurde durch die Zeitschrift Funk und Familie durchgeführt, um die Bevölkerung hinsichtlich ihrer Beurteilung zur Einführung des neuen Mediums Fernsehen zu befragen. Auch der NWDR (Nordwestdeutsche Rundfunk) betrieb schon vor seinem Sendestart Zuschauerforschung bei den eigenen Hörerfamilien.[5]
1953 begann der NWDR eine regelmäßige Zuschauerforschung mittels telefonischer Befragungen in Hamburg und Berlin. Nach drei Jahren wurde die NWDR-Forschung bereits wieder aufgelöst. An Stelle der Rundfunkanstalten führten in der Folge andere Institutionen die Fernsehforschung durch. "Zunächst waren es die Programmzeitschrift Funk und Familie und das Monatsheft Fernsehen, die eigene Umfragen veranstalteten und weitergehende Pläne schmiedeten. Danach trat eine Fördergesellschaft - die »Gesellschaft der Freunde des Fernsehens e.V.« - auf den Plan, die die Fernsehforschung zu ihrer Sache machte."[6]
Ein gesteigertes Interesse der Rundfunkanstalten Ende der fünfziger Jahre bewirkte einen Vertragsabschluß zwischen dem NWRV (Nord- und Westdeutscher Rundfunkverband) und dem Institut Infratest über kontinuierliche Zuschauerforschung (1958-1961). Nach der Auflösung des NWRV (1961) übernahm die ARD den Vertrag mit Infratest. Von diesem Zeitpunkt an setzte in Deutschland eine kontinuierliche quantitative Fernsehzuschauerforschung ein.

3. Phasen der quantitativen Zuschauerforschung


"1963 nahm das ZDF seinen Sendebetrieb auf, und ARD und ZDF waren sich darüber im klaren: Wenn man zwei Systeme hat, die miteinander im Wettbewerb stehen - und sei es damals auch überwiegend nur im Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer - braucht man eine einheitliche Zuschauerforschung, ein einheitliches System, gemeinsame Quoten."[7]
Die Datenerhebung der Fernsehnutzung erforderte ein technisches Meßverfahren, welches die kontinuierliche Fernsehforschung in der Folge entscheidend prägen sollte. BUSS und DARKOW unterscheiden drei Phasen der quantitativen Fernsehforschung der Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland.

3.1. Erste Phase - Tammeter

In der Zeit von 1963 bis 1974 wurde das Institut Infratam/Wetzlar mit der Messung der Fernsehnutzung beauftragt. Das Instrument - Tammeter - registrierte die Ein-, Um- und Ausschaltung der Fernsehgeräte im Minutentakt. Die Panel-Basis[8] betrug 625 Haushalte. Parallel zu den quantitativen Messungen wurden Urteils-Indizes (mündliche Befragung repräsentativer Tagesstichproben von jeweils rund 300 Personen) durch Infratest erstellt. Diese ergänzten die elektronischen Daten.
Vor allem die werbetreibende Wirtschaft und das Werbefernsehen hielten die kontinuierliche Messung der Haushalts-Ratings für unverzichtbar.[9]

3.2. Zweite Phase - Teleskomat

Die zweite Phase der quantitativen Fersehzuschauerforschung basierte auf dem Bestreben der 1967 gegründeten Medienkommission, bestehend aus ARD und ZDF, die Fernsehforschung gemeinsam zu koordinieren.
1974 vergibt die Medienkommission die kontinuierliche Zuschauerforschung an Teleskopie.[10]
Die technische Entwicklung auf dem Metergeräte-Markt war bereits weiter vorangeschritten und ermöglichte eine weitaus genauere Datenmessung der Fernsehnutzung. Das teleskopie-Meßgerät - Teleskomat (ab 1979 Telemetron) - konnte inzwischen die Daten im 21,1-Sekunden-Takt aufzeichnen. Dabei erfaßte das Gerät bis zu sechs verschiedene Programme und bis zu sieben Personen pro Haushalt. Das Panel wurde von zunächst 825 auf 1.200 (1975) vergrößert.

3.3. Dritte Phase - GfK-Meter

Die dritte Phase beginnt nach BUSS/DARKOW 1984. Die Medienkommission ARD/ZDF schließt mit der Gesellschaft für Konsumforschung/Nürnberg (GfK) einen neuen Vertrag über die kontinuierliche Fernsehzuschauerforschung ab.
Ein neuerlicher Technologiesprung bei der Verbreitung der Fernsehprogramme[11] erforderte einen solchen auch bei der Messung der Daten. Mit dem GfK-Meter erreichte die Fernsehzuschauerforschung eine Dimension, die dem Forschungsgegenstand "Fernsehzuschauer" gerecht wurde, denn lange Zeit wurden nur Gerätereichweiten gemessen, nicht aber Personenreichreichweiten. Die Technologie des neuen Metergerätes ermöglicht eine Messung in Sekundentakt und die Registrierung der Nutzung zusätzlicher Geräte wie Bildschirmtext, Telespiele u.a.
Zudem werden regelmäßig Plausibilitätskontrollen durchgeführt, in denen Haushalte dahingehend überprüft werden, ob beispielsweise eine Person 24 Stunden ununterbrochen als fernsehend angemeldet war (in der Praxis sehr unwahrscheinlich) oder im umgekehrten Fall eine Person sich über einen längeren Zeitraum nie angemeldet hat. Diese Kontrollen werden auch Coincidentalchecks[12] genannt.[13]
Mittlerweile wurde der Vertrag mit der GfK zum wiederholten Male verlängert. Die kontinuierliche Fernsehforschung wird zunächst bis 1999 von der GfK Nürnberg durchgeführt.
Abb. 1: Phasen der quantitativen Zuschauerforschung der Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (nach Buss/Darkow)

1. Phase

2. Phase

3. Phase

1963 - 1974

1975 - 1984

1984 - 1999

Infratam/Wetzlar

Teleskopie/Bonn-Bad-Godesberg

GfK/Nürnberg

Tammeter

Teleskomat/TeleMetron

GfK-Meter


Sendebeginn Beginn von Sendebeginn
des ZDF fünf Dritten kommerzielle
Programmen Programme

4. Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF)


Auftraggeber der GfK-Fernsehforschung sind seit 1988 die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF sowie die Privatsender RTL, RTL 2, SAT 1, Pro 7 und Kabel 1. Sie alle zusammen bilden gleichberechtigt die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF). Daneben gibt es weitere Sender, die eine Lizenz zur Nutzung der gewonnenen Daten erworben haben. Zu den Lizenzsendern der AGF gehören Arte, DSF, EuroSport, n-tv, Super RTL, VOX und tm3.[14]

(Bild aus: Homepage der GfK-Fernsehforschung)
Unterschieden wird bei der AGF zwischen Mitglieds- und Lizenzsendern. Aus den gleichberechtigten Mitgliedern rekrutieren sich die Gremien der AGF, zum einen der Vorstand, als oberstes Entscheidungsgremium und, beratend in methodischen Fragen, die Technische Kommission.[15] Zwar sind die Lizenzsender in die Technische Kommission mit eingebunden, sie besitzen aber keine Entscheidungsbefugnis. In erster Linie zielt die Lizenznahme auf die Nutzung der gewonnenen Daten ab.
Um eine Mitgliedschaft in der AGF zu erwerben, muß ein Sender folgende Voraussetzungen erfüllen:
Firmensitz in der Bundesrepublik Deutschland
Mindestens zwei Jahre Lizenznahme
Mindestens 50 % technische Empfangbarkeit des Programms
Ausstrahlung eines bundesweiten Programmes
Marktanteil von mindestens 1 % in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung

Die Frage nach der Mitgliedschaft ist jedoch nicht nur eine Frage nach der Mitverantwortung sondern auch eine finanzielle, denn die Mitglieder der AGF haben im Vergleich zu den Lizenznehmern ein doppelt so großes Kostenvolumen zu tragen.

5. Aktuelle Fernsehzuschauerforschung


Bereits seit über einem Jahrzehnt liegt die Erhebung der Daten über das Fernsehverhalten deutscher Bundesbürger in den Händen der GfK/Nürnberg (s. Abb. 1, S. 3). Über die Jahre etablierte sich die Meßmethode der GfK und wurde nach und nach technisch verfeinert. Die Fernsehzuschauerforschung wird auch bis zur Jahrtausendwende Sache der GfK sein, so daß im folgenden eine Betrachtung der aktuellen Forschungsmethode vorgenommen wird. Dabei wird die GfK-Fernsehzuschauerforschung auf statistische Gütekriterien wie Validität und Reliabilität untersucht. Im Anschluß daran werden Probleme aufgezeigt, derer sich selbst so ein hochwertiges, technisches Verfahren wie die GfK-Forschung nicht entziehen kann.

5.1. Reliabilität und Validität des Meßverfahrens

Sozialwissenschaftliche Meßverfahren, wie die GfK-Fernsehforschung, sollen nicht nur bestimmten Objekten und Phänomenen Zahlenwerte zuweisen. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, ein mehr oder weniger abstraktes Konzept in konkrete Forschungsoperationen umzuformulieren. Begriff und operationelle Definitionen können sich dabei in ihrem Bedeutungsgehalt oder Umfang unterscheiden: Der Umfang der operationellen Definition kann enger oder weiter sein als der Umfang des Begriffs. Am häufigsten sind wahrscheinlich die Fälle, in denen sich Begriff und operationelle Definition in ihrem Bedeutungsumfang überschneiden, d.h., die operationelle Definition deckt den Begriff nur teilweise, geht aber zugleich an anderen Stellen über ihn hinaus. Nur aufgrund einer solchen Operationalisierung theoretischer Konzepte lassen sich quantitative Meßwerte angemessen beurteilen. Die hierzu herangezogenen Kriterien sind die der Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässigkeit).
Eine Messung ist gültig, "...wenn man durch Vollzug der in der operationellen Definition angegebenen Meßoperationen genau das erfaßt, worauf der Begriff in seinem Bedeutungsinhalt verweist".[16]

Demnach betrifft die Validität nicht das Meßinsturment selbst, sondern vielmehr die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Instrument und dem Ziel, das es verfolgt. Wird also nach der Gültigkeit einer Messung gefragt, muß die Frage stets lauten: "Gültig für welchen Zweck?", denn eine operationelle Definition ist niemals für sich allein betrachtet gültig, sondern nur in Hinblick auf das zu messende Phänomen.
Da Validität demnach nur unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Fragestellung geprüft werden kann, lassen sich auch keine Maßzahlen für das Ausmaß an Gültigkeit ermitteln. Vielmehr muß versucht werden, argumentativ zu klären, an welchen Punkten die operationelle Definition zu wünschen übrig läßt.
Für die Reichweitenmessung der GfK-Fernsehforschung kommen hierfür in Betracht:
* Die Definition der Grundgesamtheit (Deckt die abgegrenzte Grundgesamtheit tatsächlich alle Personengruppen ab, die mit Blick auf das Forschungsziel von Bedeutung sind?)
* Die Operationalisierung des Begriffs "Fernsehen" (Was genau wird unter Fernsehnutzung verstanden und wie soll sie gemessen werden?)
* Meßeffekte bei den Panel-Teilnehmern (Entstehen durch die Beobachtung an sich schon Verzerrungen?)
Während das Gütekriterium der Validität auf das Verhältnis von Begriff und operationeller Definition abzielt, betrifft die Reliabilität die Durchführung der Messung. Jürgen Friedrichs betont: "Die Zuordnung der Werte soll systematisch vorgenommen werden; hierauf bezieht sich die Reliabilität: auf die Stabilität und Genauigkeit der Messungen sowie die Konstanz der Meßbedingungen. Der Reliabilitätskoeffizient ist der Quotient aus der Fehlervarianz der Messungen und ihrer Gesamtvarianz."[17]
Anders als die Validität bezieht sich die Reliabilität auf das Meßinstrument selbst. Der Reliabilitätskoeffizient ist hoch, wenn ein Instrument bei wiederholter Anwendung sehr ähnliche Ergebnisse erzielt, d.h., ein Meßverfahren muß reproduzierbar sein. Somit ist die Reliabilität eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Validität einer Messung.
Für die Zuverlässigkeit der Fernsehreichweitenmessung sind vor allem von Bedeutung:
* Die Frage, ob die beobachteten Personen sich auch genau entsprechend ihrer Fernsehnutzung am Meßgerät an- und abmelden.
* Die Präzision des Meßgeräts.

5.2. Die Messung des Fernsehverhaltens - Methodische Grundlagen

Die Daten über die quantitative Fernsehnutzung (wer sieht was, wann und wie lange?) werden seit 1963 systematisch erhoben. Das Ziel der GfK-Fernsehforschung ist, die Fernsehnutzung in Deutschland so präzise wie möglich zu ermitteln. Dazu bedarf es einer Definition der Grundgesamtheit sowie eines Konzeptes der Stichprobenziehung, wobei die Stichprobe repräsentativ sein soll.
KLAUS BERGMANN von der GfK Data Services definiert Repräsentativität wie folgt: " Eine Stichprobe kann als repräsentativ bezeichnet werden, wenn von ihr ein Schluß auf die Grundgesamtheit erlaubt ist. Dies sollte dadurch erreicht werden, daß die Stichprobe ein `verkleinertes Abbild' der Grundgesamtheit darstellt."[18] "In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 33 Millionen deutsche Fernsehhaushalte mit rund 71 Millionen Personen ab drei Jahren, die die Grundgesamtheit der Fernsehforschung darstellen."[19] Das Fernsehpanel der Bundesrepublik Deutschland, welches weltweit als das größte seiner Art gilt[20], umfaßt 5.200 Haushalte mit insgesamt 13.000 Personen. Damit stehen nach dem Hochrechnungsfaktor eine Person für 5.500 andere deutsche Bundesbürger.

5.2.1. Stichprobenanlage

Die Stichprobenanlage des GfK-Fernsehpanels beruht analog zur Media Analyse auf einem mehrstufigen Auswahlverfahren. Zur Nachanwerbung für die Panel-Haushalte werden zunächst sogenannte "Sreening-Interviews" (Kurzbefragungen über zentrale strukturelle Haushaltsinformationen) durchgeführt, wobei die Haushalte nach dem random-route-Verfahren (Zufallsprinzip) ausgewählt werden.[21]
"Grundlage der Anwerbesteuerung bildet der sogenannte 81-Zellen-Plan, in dem die Soll-Verteilung der Panelhaushalte nach MA-Angaben den jeweiligen aktuell angeworbenen Haushalten gegenübergestellt wird. Die Panelsteuerung erfolgt dabei nach den Merkmalen Haushaltsgröße und Vorhandensein von Kindern im Haushalt kombiniert mit Schulbildung und Alter des Haushaltsvorstandes. .... Die Panelsteuerung bildet in der gezielten Anwerbung von Panel-Haushalten das zentrale Element zur Sicherung der Panelrepräsentativität."[22]

5.2.2. Operationalisierung des Begriffs "Fernsehen"

Die Operationalisierung des Begriffs "Fernsehen" erweist sich als kritisches Moment in der Methode der Fernsehzuschauerforschung. Kritisch insofern, als daß "Fernsehen" definiert werden muß (Was ist "fernsehen"; Wann schaut jemand fern?), um eine Aussage hinsichtlich der Validität des Meßverfahrens treffen zu können. Erinnert sei an dieser Stelle an MAYNTZ/HOLM/HüBNER, daß die angegebenen Meßoperationen genau das erfassen sollten, worauf der Begriff in seinem Bedeutungsgehalt verweist.[23]
Folglich muß das technische Meßverfahren betrachtet werden, um die Bedeutung des Begriffs "Fernsehen" nach dem Verständnis der GfK eruieren zu können.

Das Fernsehverhalten der Panel-Teilnehmer wird durch das GfK-Meter[24] gemessen, welches die folgenden Vorgänge automatisch erfaßt:
1. Das Ein- und Ausschalten des Fernsehgerätes
2. Die Nutzung von bis zu 98 Kanälen
3. Die Registrierung der Nutzung von Videorecordern, Video-Text, Tele-Spiele, Bildschirmtext etc.
Die Anmeldung erfolgt über eine Infrarot-Fernbedienung mittels derer sich bis zu acht Haushaltsmitglieder (sowie zwei Gäste) über das GfK-Meter in die Datenmessung einloggen. Per Knopfdruck wird also aktiv die Entscheidung getroffen, wann eine Person "fernsieht". Die Betätigung des Peoplemeters[25] entscheidet folglich darüber, ob der Panel-Teilnehmer offiziell als Fernsehzuschauer registriert wird. Dabei wird nicht unterschieden, ob sich der Teilnehmer dem Fernsehprogramm aufmerksam zuwendet oder vielleicht sogar parallel eine andere Tätigkeit (essen, lesen, Hausarbeit usw.) ausübt.
Zum Vergleich des Bedeutungsgehaltes des Begriffs "Fernsehen": In Großbritannien gilt bereits das Betreten des Raumes, in dem sich ein eingeschaltetes Fernsehgerät befindet, als "fernsehen".
Die Operationalisierung des Begriffs "Fernsehen" nach der GfK erscheint sinnvoller, da der Panel-Teilnehmer, wenn er sich zur Registrierung anmeldet, bewußter eine Entscheidung trifft, wohingegen die britische Methode sogar "Fernsehen im Vorbeigehen" registriert.

5.3. Quote mit Folgen - Probleme des Meßverfahrens

5.3.1. Fehlerquellen des Meßverfahrens

Vor Fehlern ist auch ein hochtechnisches Verfahren wie die GfK-Fernsehforschung nicht gefeit. In der Computer-Ära wird jeder schon eine negative Erfahrung mit dem künstlichen Gehirn gemacht haben, sei es, daß der Computer einfach nur "abgestürzt" ist. Programmfehler, Unzulänglichkeiten bei der Datenübermittlung und nicht zu vergessen der Mensch - schließlich muß die elektronische Rechenmaschine nach wie vor "von menschlicher Hand" bedient werden. Neben den technischen Fehlerquellen stellt sich zudem die Frage, ob das Fernsehpanel der GfK-Forschung tatsächlich ein "Abbild der Grundgesamtheit" und somit repräsentativ ist?

5.3.1.1. Repräsentativität im Fernseh-Panel - eine rein "deutsche" Frage?

Die Basis für das Panel der GfK-Fernsehforschung bilden 5.200 deutsche Haushalte. In einem zusammenwachsenden Europa gewinnen jedoch andere Nationalitäten zunehmend an Bedeutung. Nicht zu vergessen, daß die Fernsehnutzung schon lange kein rein deutsches Monopol mehr ist. Im Panel der GfK-Forschung fehlen die ausländischen Fernsehhaushalte. Zwar hatte die GfK eine Erweiterung des Panels erwogen - ab 1995 war ein zusätzliches Ausländer-Panel (440 Haushalte) angedacht - doch bis heute ist dieses Vorhaben gescheitert. Sprachbarrieren, Probleme bei der Identifizierung ausländischer Haushalte sowie das Fehlen ausreichender Daten über die Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in Deutschland ließen das Vorhaben auch als solches bestehen. Dabei wäre doch gerade diese Gruppe für die Programmplaner (Berücksichtigung von Minderheiten) und für die werbetreibende Wirtschaft (Ausländer gelten als markenbewußte Konsumenten) von großer Wichtigkeit.

Die Teilnahme am Panel beruht auf der freiwilligen Entscheidung des ausgewählten Haushalts. Die durch einen Interviewer durchgeführten "screenings" (Basisinterview) verlaufen in 89, 3 % der Fälle positiv, wobei sich jeder dritte Haushalt bei diesem Interview spontan bereit erklärt, am Panel für die Fernsehforschung teilzunehmen.[26] Es wäre doch interessant zu hinterfragen, ob die Panel-Verweigerer (ein Drittel im "screening") von vornherein dem Fernsehen kritischer gegenüberstehen und im Umkehrschluß die Panel-Teilnehmer eventuell sogar zur Kategorie der "Vielseher" gehören. Die genannten zwei Punkte sollen Gedankenanstöße sein, um die Repräsentativität des Fernsehpanels kritisch zu hinterfragen.

5.3.1.2. Grenzen der Technik

Daß die Technik nach wie vor mit Tücken behaftet ist, soll hier exemplarisch an einigen Beispielen aufgezeigt werden. Bei einer aufwendigen Modernisierung des GfK-Systems unterlief den Software-Spezialisten ein Fehler. Ein neues Computer-Gerät lieferte wochenlang falsche Ergebnisse bei Haushalten, die per Satellitenschüssel ihr TV-Angebot empfangen. Demnach sahen knapp 600 Haushalte nur die beiden Programme RTL und RTL 2.[27]
Die Technik stößt auch in dem Moment an Grenzen, in dem der Mensch mit einbezogen wird. So entscheiden die Panel-Teilnehmer per Knopfdruck, wann sie als Fernsehkonsument registriert werden. "Hier liegt auch die größte potentielle Fehlerquelle des Systems, denn menschliches Versagen, Irrtümer sind nicht ganz auszuschließen."[28]
Ein weiteres kurioses Ergebnis lieferte die GfK im Sommer des Jahres 1997. Obwohl ein Blitz in der Sendezentrale des ZDF in Mainz einschlug, wies die Quote 160.000 bis 220.000 Zuschauer aus.[29] TV-Forscher Michael Darkow von der GfK merkte zu diesem Ergebnis lediglich an, daß es "nun mal auch Menschen gibt, die sich ein Testbild angucken".

5.4. Quote mit Folgen

"Berti Vogts kriegt selten einen Lachkrampf. Aber als ran-Chef Reinhold Beckmann ihm sagte, die Nationalmannschaft sei uninteressant, da hat´s den deutschen Fußball-Bundestrainer geschüttelt: `Sehen Sie mal die Einschaltquoten', hat er geantwortet, `Bayern gegen Dortmund hatte knapp zehn Millionen, wir hatten im Freundschaftsspiel gegen Südafrika zwölf'."[30] Das WM-Spiel zwischen Deutschland und den USA[31] verfolgten 64,9 % am Fernsehgerät. Eine Million Zuschauer sahen zuletzt das Polit-Magazin "Privatfernsehen" mit Moderator Friedrich Küppersbusch. Zu wenig für die ARD-Programmkonferenz, die daraufhin die Sendung aus dem Programm nahm.
Die von der GfK ermittelten Quoten lassen den einen zittern, den anderen mit der Zunge schnalzen. Die Einschaltquoten sind das Maß, an dem sich die Programm-Verantwortlichen ebenso orientieren wie die werbetreibende Wirtschaft. Bei den privaten Sendern entscheidet die Quote über wirtschaftlichen Erfolg und Mißerfolg, den öffentlich-rechtlichen Sendern dienen sie der Erfolgskontrolle und Legitimation.
Viele Prominente wurden Opfer der Quote: Thomas Gottschalk ("Haus-Party"), Dieter Kronzucker und Milena Preradovic ("Spot - Das Magazin")[32] und auch Roger Willemsen (Willemsens Woche) mußten ihre (Sende-)Plätze räumen.
Pro Sieben-Programmchef Georg Kofler wurde ebenso von falschen Zahlen in die Irre geführt und verbannte die populäre Zeichentrickserie "Simpsons" auf einen anderen Sendeplatz. Als Konsequenz sprangen Werbekunden ab und hinterließen ein großes finanzielles Loch im Etat des Senders.

6. Aktuelle Ergebnisse und Befunde

Die Daten, die die GfK-Fernsehforschung liefert, können nach sehr vielen, unterschiedlichen Aspekten ausgewertet werden. Programmveranstalter haben ein verstärktes Interesse an den Segbeteiligungswerten der Deutschen hinsichtlich des eigenen Senders, die werbetreibende Wirtschaft richtet ihr Augenmerk auf einen Sendeplatz zu einer bestimmten Tageszeit in Bezug auf die eigenen Adressaten und Moderatoren haben ebenso wie Programmdirektoren ein Interesse an den Einschaltquoten einzelner Sendungen.
Exemplarisch sollen hier einige Tendenzen im Zuschauerverhalten aufgezeigt werden, denen die letzte Auswertung der Fernsehgewohnheiten und Programmgewohnheiten des Jahres 1997 zugrunde liegen. Die Aufarbeitung der Daten erfolgte durch WOLFGANG DARSCHIN und BERNWARD FRANK[33], erschienen in Media Perspektiven [4/98].

Grundsätzlich hat sich der Fernsehkonsum in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Bezugsjahr 1996 kaum verändert und stagnierte auf hohem Niveau. Im Durchschnitt verbrachte jeder Bundesbürger mehr als drei Stunden pro Tag vor dem Fernsehgerät. Auffällig dabei ist der wesentlich höhere Konsum ostdeutscher Zuschauer von 203 Minuten pro Tag gegenüber 178 Minuten im Westen.[34]



Bei der Betrachtung der täglichen Sehbeteiligungswerte, die nachfolgend nach Altersgruppen unterteilt wurde, fällt vor allem die hohe Prozentzahl von 80 % bei den über 50jährigen ins Auge. Dagegen nimmt sich die Fernsehnutzung durch Jugendliche mit knapp 60 % verhältnismäßig niedrig aus.




Hinsichtlich der Sehbeteiligungswerte im Tagesverlauf liegt die Prime-Time der Fernsehnutzung erwartungsgemäß in der Zeit zwischen 19 Uhr und 21 Uhr. Auffällig ist auch hier der Unterschied im Fernsehkonsum zwischen den neuen und alten Bundesländern.
Von großer Bedeutung ist das Sehbeteiligungsverhältnis zwischen den einzelnen Programmen, welches sich im Vergleich zum Vorjahr nur minimal verschoben hat. Danach bleibt der Privatsender RTL - trotz leichter Verluste - das meistgesehene Fernsehprogramm. 16,1 % des täglichen Fernsehkonsums der Deutschen entfielen im Jahr 1997 auf den privaten Anbieter RTL. Danach folgen das Erste mit 14,7 %, das Zweite Deutsche Fernsehen mit 13,4 % und SAT 1 (12,8 %). Die Dritten Programme der ARD konnten ihre Position verbessern und erzielten einen Marktanteil von 11,6 % und lagen damit deutlich vor Pro 7 (9,4 %). Leichte Zugewinne verzeichneten RTL 2, Kabel 1 und VOX.[35]
Festzuhalten bleibt, daß sich der Fernsehkonsum der Bundesbürger im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert hat. Gleiches gilt für das Sehbeteiligungsverhältnis zwischen den Programmen. "Hinsichtlich der gesamtdeutschen Durchschnittswerte sind die Zuschauerzahlen des ZDF geringfügig gesunken; beim Ersten bleiben sie im großen und ganzen stabil, und bei den Dritten Programmen steigen sie auch weiterhin an. Zugleich gilt für die Privatsender, daß RTL, SAT 1, PRO SIEBEN und RTL 2 - in Übereinstimmung mit dem bisherigen Trend - Zuschauer abgeben mußten, während kleinere Sender wie Kabel 1 und Super RTL leichte Gewinne verzeichnen konnten."[36]

7. Fazit - Das Fernsehen als Geißel der Quote?


Die Fernsehzuschauerforschung in der Bundesrepublik Deutschland nähert sich einer präzisen Abbildung der "wirklichen" Fernsehnutzung an. In Hinblick auf die Reliabilität des Meßverfahrens liefert die GfK-Fernsehforschung sehr zuverlässige Ergebnisse, die vor allem durch die Coincidental Checks abgesichert werden. Auch wenn hin und wieder technische Probleme auftreten, so überwiegen doch die Stärken der GfK-Forschung. Zu diesen zählt das weltweit größte Fernseh-Panel dieser Art, ein Metergerät, das auf hohem technischen Standard gehalten und kontinuierlich verbessert wird sowie die Strukturmerkmale des Panels, die eine hohe Repräsentativität gewährleisten.
Einer der größten Kritikpunkte, der der Vernachlässigung spezieller Bevölkerungsschichten (z.B. Berücksichtigung der Ausländer in einem eigenen Panel), wird bereits in den Vorbereitungen für eine neue Phase der kontinuierlichen Fernsehzuschauerforschung angedacht, konnte jedoch bis zum Start des neuen Systems der GfK-Fernsehforschung noch nicht umgesetzt werden.[37]
Eine Aussage kann mit Sicherheit getroffen werden: Die Quoten werden auch in Zukunft über Karrieren, Sendungen und Firmenschicksale entscheiden. Waren sie zu Beginn der kontinuierlichen Fernsehzuschauerforschung von ihren Auftraggebern ARD und ZDF als Vergleichsdatum für die Zuschauergunst vorgesehen, so hat sich diese Aufgabe bis dato nicht verändert - lediglich die Dimension, die ist mittlerweile eine ganz andere.
Bei einem Vortrag in Göttingen stand ein sehr gut gelaunter NDR-Intendant Jobst Plog vor einem studentischen Plenum und referierte über Perspektiven der Medien, ohne dabei zu vergessen, eine aktuelle Zahl der GfK-Forschung zu präsentieren. Das Weltmeisterschaftsspiel zwischen Deutschland und den USA in Frankreich, übertragen von der ARD, erzielte eine Einschaltquote von 64,9 Prozent.
Wohl dem, der solche Zahlen vorweisen kann. Doch welche Konsequenzen erwachsen daraus für die Zukunft des Fernsehens, denkt man beispielsweise an prominente "Quoten-Opfer" wie Roger Willemsen, der zwar Qualität zu bieten hatte, nicht aber Quantität. Das Programmangebot als Geißel der scheinbar übermächtigen Fernsehquote?


aktualisierte Zahl
[1] DER SPIEGEL (52/1994, 68)
[2] Gesellschaft für Konsumforschung
[3] NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) beginnt 1952 als erste Anstalt tägliches Fernsehen
[4] Vgl. Bessler (1980, 105)
[5] Vgl. a.a.O. (1980, 106)
[6] Bessler (1980, 119)
[7] Müller (1997, 470)
[8] Repräsentative Personengruppe für die Meinungsforschung.
[9] Vgl. Darkow/Buss (1985, 186)
[10] Gesellschaft von IfD Allensbach und Infas, Bad Godesberg - später Übergang in "teleskopie-Fernsehzuschauerforschung GmbH"
[11] Zu Beginn der 80er Jahre vermehrtes Programmangebot durch Verkabelung der Privathaushalte und Satellitenabstrahlung.
[12] Coincidentalchecks: Telefonische Abfrage der Testhaushalte (Läuft der Fernseher? - Welches Programm wird gesehen?); später erfolgt ein Vergleich der Meßdaten mit den Telefonangaben
[13] Vgl. Müller (1997, 471)
[14] Müller (1997, 470)
[15] Müller (1997, 470)
[16] Mayntz/Holm/Hübner (1978, 22)
[17] Friedrichs (1990, 102)
[18] Bergmann (1994, 620)
[19] Müller (1997, 471)
[20] Vgl. a.a.O.
[21] Vgl. GfK Fernsehforschung/Homepage
[22] GfK Fernsehforschung/Homepage
[23] Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978, 22)
[24] siehe 3.3. Dritte Phase - GfK-Meter
[25] Bezeichnung für das Erfassungsgerät (Infarot-Fernbedienung)
[26] Vgl. Buß (1994, 616)
[27] Vgl. DER SPIEGEL (52/1994, 67)
[28] Müller (1997, 471)
[29] Vgl. DER SPIEGEL (52/1994, 70)
[30] Süddeutsche Zeitung (20./21. Dezember 1997)
[31] 15. Juni 1998 in Frankreich
[32] Vgl. Berliner Morgenpost (1997)
[33] Wolfgang Darschin, Medienreferent der Programmdirektion Deutsches Fernsehen/ARD; Bernward Frank, Leiter ZDF-Marketing
[34] Darschin/Frank (1997, 211)
[35] Vgl. Darschin/Frank (1998, 155)
[36] Darschin/Frank (1998, 155)
[37] Vgl. Buß (1994, 614)