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I. Vorwort

"Die Identitätskrise des Mannes dauert an"(Psychologie heute 10/96 , Editorial). Nach wie vor werden in der Gesellschaft bestimmte Eigenschaften als die männlichen bewertet. Dazu gehören die Bereitschaft hart zu arbeiten, damit es der Familie gut geht; die Bereitschaft Mühen und Schmerzen auf sich zu nehmen, um anderen zu helfen; Integrität, Standhaftigkeit und Prinzipientreue; Hartnäckigkeit bei der Lösung von Problemen und Liebe und Zuneigung in Form von Taten auszudrücken.
Weichen Männer von diesen Verhaltensmustern ab, so gelten sie als nicht männlich oder als "Soft-Mann". Sehr deutlich wird dies in der unterschiedlichen Gestaltung von Kommunikation. Männer tendieren viel mehr dazu, auf der Sachebene zu kommunizieren. Sie tun sich schwer damit über Ängste, Sorgen, Trauer usw. zu reden.
Doch woher kommen diese Muster? Sind Männer und Frauen schon von Geburt an unterschiedlich? Welche Einflüsse wirken auf Männer in Familie und Gesellschaft, daß die traditionellen Verhaltensmuster noch immer so verfestigt in der Gesellschaft sind? Ein nicht unwesentlicher Einfluß stellt die "Sozialisation im weiblichen Binnenraum" dar, auf welche ich in dieser Arbeit näher eingehen möchte.

A. Der weibliche Binnenraum

Der Vater ist das erste und prägendste Vorbild für einen Jungen. In etwa 15% aller Familien erziehen die Mütter ihre Kinder ganz alleine, bei den übrigen Familien beschränkt sich die Erziehung der Väter vor allem auf das Wochenende. Weiter ist die Erziehung durch die Väter gefühlsmäßig eher distanziert. Fragt man junge Männer nach der Erinnerung an ihre Väter in der Kindheit, so ist meistens die Rede von der Abwesenheit der Väter.
Die Mutter ist also über das Austragen und Stillen hinaus, in den ersten Jahren für die Versorgung, Betreuung, Erziehung und Freizeitgestaltung des Kindes zuständig, während der Mann arbeitet. In der Zeit bis etwa zehn wächst der Junge in einer Art "Binnenraum" auf, in Bereichen, die hauptsächlich von Frauen bestimmt sind: das Zuhause (Mutter+Kind/Kinder), der Kindergarten (Erzieherinnen), die Grundschule (meist Lehrerinnen). Im Gegensatz zum Mädchen, welches in der ersten Periode ihres Lebens vom gleichgeschlechtlichen Vorbild umgeben ist, hat der Junge wenig Kontakt zum direkten Vorbild "Mann". Da vielen Jungen also der Vater nicht als zweite Identifikationsfigur zur Verfügung steht, wird ihnen Männlichkeit in Form einer doppelten Negation vermittelt. Vereinfacht: Mann sein = nicht Frau sein.
"Frau ist, wer kein Mann sein kann. Eine Frau ist Nicht-Mann. Dem Jungen aber wird seine Männlichkeit zunächst durch Abgrenzung von der Mutter vermittelt, um diesen ihm am nächsten stehende Erwachsene ist das, was er nicht sein darf, um ein Mann zu werden. So wird sein Geschlecht als Nicht-Nicht-Mann bestimmt" (Hagemann-White 1984 S.92)
Durch den Beruf des Vaters bekommen die Jungen nicht viel mit von ihm. Meistens haben sie nicht einmal die Möglichkeit ihren Vater bei der Arbeit zu erleben. Und Jungen können sich nicht mit etwas identifizieren, was sie gar nicht mitbekommen. Daß ihre Väter die Versorger der Familie sind bleibt abstrakt.
Das bedeutet also für Jungen, daß alles, was im Leben konkret abläuft und zählt von Frauen kommt: Erziehung, Ernährung, private Problemlösungen sowie Kindergarten und Schule.
Die Väter wenden sich zwar ihren Söhnen im allgemeinen mehr zu als ihren Töchtern, bestärken diese aber mehr in ihrem geschlechtstypischen Verhalten. Jungen werden mehr zu riskanterem Verhalten gegenüber ihrem eigenen Körper ermutigt ("Indianer kennt keinen Schmerz"). Mädchenverhalten wird von Jungen daher viel mehr mißbilligt als umgekehrt.

B. Die Individuationsphase

In der Zeit von etwa 18 Monaten bis vier Jahren; der sogenannten "Individuationsphase", finden gravierende Prozesse in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes statt. Es muß sich von der Mutter lösen, sich ausprobieren und wieder annähern, zurückgehen zur Mutter. Die Geschlechtsunterschiede sind Kindern mit Ende des ersten Lebensjahres bekannt und schon in Laufe des zweiten Jahres bekommen sie eine Wertschätzung mit, bei der Frauen in unserer gesellschaftlichen Situation tiefer stehen. Aufgrund dessen haben Jungs in der "Wiederannäherungsphase" ein Problem. Sie wissen, sie sind ein anderes Geschlecht, müssen aber auf die Mutter zurückgreifen, da niemand anderes da ist.
Es entsteht ein "Nähe-Distanz-Problem", das Lösen und doch wieder zurückgehen können. "Jungen prägen sich ein, daß diese "Sache" - vereinfacht gesagt - etwas mit dem Verhältnis von Männern und Frauen zu tun hat. Der unbewußte Gedankengang läuft in etwa so: In der Phase, in der der Junge so alleine war oder große Probleme gehabt hat, war eine Frau beteiligt, die ihre Rolle gespielt hat - und das ist prägend."(Wahl 1990 S. 15/16).
Die Folgen, die aus der Abwesenheit des Vaters und damit des männlichen Vorbilds entstehen, können vielseitig sein. Beispielsweise kann der Sohn so für die Mutter zum Partnerersatz werden und gerät dabei zwischen die Fronten der Paarbeziehung seiner Eltern. Derartige Beziehungen bauen auf der Idealisierung des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil (hier des Vaters) auf und stecken meist voller Erwartungen und Ambivalenz. Der Sohn muß in solchen Konstellationen Erwachsenenarbeit leisten, mit der er zwangsläufig überfordert ist. Oftmals werden in späteren Paarbeziehungen die Muster aus der Kindheit reinszeniert und wiederholen sich so lange, bis das Verhalten bewußt gemacht wird und mit einem anderen Vorzeichen besetzt wird.

1. Verlassen des Binnenraumes

Bis zu Beginn des Schulalters spielen Mädchen und Jungen meist noch gemeinsam. Im Alter von etwa zehn trennen sich die Wege. Die Jungen verbünden sich in sogenannten Peer-Groups. Sie spielen andere Sachen, gehen anders miteinander um, entwickeln eine andere Sprache als Mädchen. Geschlechtstypisches Verhalten wird bei Jungen schon hier eher unterstützt als geschlechtsuntypisches. Die Teilnahme von Jungen an Mädchenaktivitäten ist weitaus seltener als umgekehrt. Jungen nutzen diese Gruppen in einer anderen Form als Mädchen. Sie grenzen sich in einem anderen Maß ab. Dies ist verständlicher durch die notwendige Abgrenzung von der Mutter, um "männlich" werden zu können. Da männliche Vorbilder weitgehend fehlen, schließen sich die Jungen zusammen und verbünden sich sozusagen.
"Eine wichtige Bindung scheint über den "imaginierten Vater" zu laufen: die gemeinsame Vorstellung von Männlichkeit etwa in geteilter Begeisterung für Superman, Rumenigge o.ä. Die Gruppe bietet die praktische Chance, Befriedigung in der Freiheit von Erwachsenennormen und Kontrollen zu suchen, wie auch die psychische Chance, Unterstützung und Anerkennung in weiteren Schritten zur Selbständigkeit zu finden, ohne das die Erinnerung an frühe Niederlagen und an die Hilflosigkeit des Kleinkindes wachgerufen wird. In diesem Sinne kann die Bande die Mutter ablösen" ( Hagemann-White,1984 S.93)
Auch hier baut sich die Männlichkeit durch eine Anti-Weiblichkeit auf. Die Struktur von Jungen-Peer-Groups wird bestimmt durch Verbrüderung und gemeinsames Starksein.

C.

D. Zusammenfassung der Einflüsse

Sicherlich sind dies nicht alle Einflüsse, die auf den Jungen in der männlichen Sozialisation aus dem großen System Gesellschaft einwirken. Schon aus diesem Teil wird jedoch deutlich, daß sich die Bereiche ergänzen und gegenseitig bestätigen. Vereinfacht könnte man den Weg eines Jungen so schildern:
Ein Junge kommt zur Welt. Sein Vater ist geprägt durch die traditionelle Vaterrolle. Der Junge bekommt wenig mit von seinem Vater und bekommt sein erstes Verständnis von Männlichkeit durch die Mutter - indem er Männlichkeit als nicht weiblich sein definiert. In den verschiedenen Peer-Groups, sei es in der Nachbarschaft, im Kindergarten, in der Schule oder sonstigen Jugendgruppen solidarisiert er sich mit anderen Jungen und baut sein Bild von Männlichkeit weiter aus. Gemeinsam mit den anderen Jungen bestätigt sich wieder, daß männliches Verhalten sich von weiblichem abheben muß. Schließlich werden die Eigenschaften, die das gelernte männlich sein jetzt beinhalten, noch durch Medien und Computer verhärtet.

II. Erkenntnis

Männer und Frauen sind von Geburt an nicht unterschiedlich, müssen aber doch schon früh mit unterschiedlichen Voraussetzungen leben. Entgegen der üblichen Meinung, Jungs hätten es einfacher in unserer patriarchalen Gesellschaft, verlassen sie im Alter von 10 Jahren doch eher unfertig den Binnenraum, ohne gefestigte Geschlechtsidentität. Durch die falsche Definition, daß Mann sein Nicht-Frau sein bedeutet, durch das Fehlen reeller, gleichgeschlechtlicher Vorbilder, treffen sie in eine Männerwelt und kopieren nun die Rolle der Männer ihres Umfelds. Die Sozialisation im Binnenraum ist meiner Meinung nach ein Faktor, welcher die traditionellen Verhaltensmuster unserer Gesellschaft verfestigt.
Dem kann man entgegenwirken, indem man als Mann das Erziehungsjahr in Anspruch nimmt, was heutzutage auch öfters der Fall ist. Auf diesem Gebiet hat sich meiner Meinung nach einiges getan. Es ist wichtig, dem Jungen als Vorbild zur Verfügung zu stehen, und entgegen dem idealisierten Mann in den Medien vorzuleben, daß ein Mann auch verletzlich sein kann, auch Geschirr spülen kann, traurig sein kann, über alles reden kann usw.
Anmerkung
Durch die Bearbeitung dieses Themas kam ich zu der Erkenntnis, daß enorm viele verschiedene Einflüsse auf einen Jungen in seiner Kindheit wirken, was mir die Arbeit nicht gerade erleichterte. Mir war es leider nicht möglich, mich auf das Thema Binnenraum zu beschränken und mußte mich immer wieder bremsen, nicht zu weit davon abzuschweifen.
Literaturverzeichnis:
Hagemann-White, Carol: Sozialisation: Weiblich-männlich , Leverkusen 1984
Psychologie heute: Titel "Alles falsch gemacht" 10/96
Wahl, Peter: "Einige Aspekte männlicher Sozialisation" in: Wilhelms, Horst;
Winter, Reinhard (Hrsg.); "....damit du groß und stark wirst"; Bei-
träge zur männlichen Sozialisation, Schwäbisch Gmünd und Tübingen 1990