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Studienbeleg

Grundlagen der Unternehmensführung

Frederick Winslow Taylor

 

 

 

 

 

 

 

"Das Bestreben, die von der Natur gebotenen Hilfsquellen unseres Lands zu konservieren, ist nur ein Schritt zur Lösung der großen Frage nach dem Wege zur Erzielung der ökonomischsten Ausnutzung aller Werte der Nation und damit zu r Erhöhung der nationalen Leistungsfähigkeit".

Theodore Roosevelt, Präsident der USA

 

"Das Hauptaugenmerk einer Verwaltung sollte darauf gerichtet sein, gleichzeitig die größte Prosperität des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers herbeizuführen und so beider Interesse zu vereinen ... die größte Prosperität ist das Resultat einer möglichst ökonomischen Ausnutzung des Arbeiters und der Maschinen, d.h. Arbeiter und Maschine müssen ihre höchste Ergiebigkeit, ihren höchsten Nutzeffekt erreicht haben."

Frederick Winslow Taylor

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tim Niemeyer

November 1998

Frederick Winslow Taylor

Grenzen und Erkenntnisse Taylor´s im "Wissen-schaftlichen Managements"

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Biographie F.W. Taylor
  3. Grundzüge des Taylorismus
  4. Reale Anwendungen
    1. in den USA
    2. in Deutschland
    3. in Russland

  5. Fortführende Theorien
  6. Kritik am Taylorismus unter damaliger Sicht
  7. Kritik am Taylorismus unter heutiger Sicht

1 Einleitung

Dieser Beleg befaßt sich mit Frederick Winslow Taylor und seinen "Principles of Scientific Management".

Taylor´s Ideen und Theorien haben sich bis zur heutigen Zeit auf unsere Wirtschaft und Wissenschaften ausgewirkt.

Leider ist sein Ansehen in der breiten Bevölkerung häufig diskreditiert worden, wenige Leute haben sich tiefergehend mit ihm beschäftigt, so daß manches Urteil über Taylor eher als Vorurteil zu werten ist.

Die Ansicht, Taylor wäre ein "Leuteschinder" gewesen, ist stark verbreitet, Taylor wird in der Regel generell verurteilt und als zutiefst inhuman kritisiert. Dabei wird meist übersehen, daß zum ersten die Grundideen des Taylorismus in weiten Teilen unserer Wirtschaft immer noch angewendet werden und zum zweiten seine Vorstellungen von der Beeinflußbarkeit des menschlichen Geistes zwar naiv und simpel waren, jedoch paritätisch das Wohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber zum Ziel hatten.

Um also diese Kritik beurteilen zu können, muß man die Grundzüge des Taylorismus kennen, daher folgt nach der Biographie Taylor´s ein Exzerpt aus den "Principles of Scientific Management", die, auf dem historischen Hintergrund gesehen, ein ganz neues Gesicht bekommen.

Die Umsetzung in verschiedenen Ländern (USA, Deutschland, Russland) illustrieren Taylor´s Ideen und die Auswirkung auf ähnliche Entwicklungen, die bis heute andauern.

Um die Entwicklung und Bedeutung Taylors dem Leser möglichst verständlich nahezubringen, erfolgen die Ausführungen in möglichst wertfreier Weise. In den beiden letzten Kapiteln wird dann die Kritik an Taylor beleuchtet.

2 Biographie

Am 20. März 1856 wurde Frederick Winslow Taylor in Philadelphia /USA als Sohn wohlhabender Quäker geboren.

Durch dieses Elternhaus standen Taylor organisatorisch und finanziell alle Wege offen. So konnte er mit seinem Privatlehrer in jungen Jahren viel reisen; u.a. nach Europa.

Zu dieser Zeit wurden schon die ersten Ansätze für seinen Hang zu exakten Methoden und Systematisierungen erkennbar: er kategorisierte z.B. alle Hotels, in denen sie verweilten, nach Preis und Qualität. Bekannt ist ebenfalls die von ihm mit 12 Jahren erfundene Alptraum-Vermeidungsmaschine: da er unter schweren Alpträumen litt, die ausnahmslos erfolgten, wenn er auf dem Rücken schlief, erfand er ein Gerät, das ihn mit spitzen Bleistiften stach, sobald er sich auf den Rücken drehte.

Sein erstes Patent entwickelte er aus seiner Leidenschaft für den Tennissport: ein löffelförmiger Tennisschläger.

Durch seine übertriebene Genauigkeit und seine ständigen Analysen machte er sich bei seinen Kameraden früh unbeliebt und galt bis zu seinem Lebensende als Sonderling.

Taylor beabsichtigte, in Harvard Jura zu studieren daher besuchte er das College Exeter, aus dem er allerdings als 18jähriger aufgrund eines starken Augenleidens ausschied. Man mutmaßt, daß dieses wohl eher psychosomatisch bedingt war. Daraufhin begann er eine Ausbildung als Werkzeugmacher und Maschinist. Nach deren Abschluß 1878 stellte er sich als Arbeiter in die Dienste der Midvale Stahlwerke. Dort blieb er 12 Jahre, wobei er sich schnell vom Maschinisten über den Vorarbeiter bis zum Techniker hocharbeitete.

Parallel studierte er an dem Stevens Institute of Technology und wurde 1883 als diplomierter Ingenieur Chefingenieur in den Midvale Stahlwerken.

Bei Midvale entwickelte er Zeit- und Bewegungsstudien und ein System der Prämienentlohnung. Im Jahre 1890 wechselte er zur Manufacturing Investment Co., Philadephia, um die Umsetzung seiner Ideen in die Praxis zu perfektionieren. Da seine Rationalisierungsmaßnahmen aber nicht von Erfolg gekrönt waren, gab er 1893 seinen Posten als Generaldirektor auf und machte sich als Unternehmensberater selbständig.

Er war u.a. verantwortlich für die Organisation des Managements von Bethlehem Steel Company und der Cams Shipbuilding Company.

Auf der Pariser Weltausstellung erhielt er 1900 sogar eine Goldmedaille für seine Erfindung des Taylor-White-Prozesses zur Behandlung moderner Hochgeschwindig-keitswerkzeuge.

Während seiner Arbeit als Ingenieur entwickelte Taylor an die 100 Patente (v.a. in der Stahlbearbeitung) und schrieb seine Erfahrungen in fünf Büchern nieder, wobei "The Principles of Scientific Management" und "Shop Management" als Wegbereiter der modernen Managementlehre gesehen werden.

Beeindruckend ist der Einsatz, mit dem Taylor 30 Jahre lang durch viele Länder reiste und sich bemühte, Firmen und Staatschefs von seinen Theorien zu überzeugen.

Taylor starb als frustrierter Mann am 21.03.1915 in Philadelphia /USA. Er war depressiv und verwirrt, die Anerkennung, die er als selbstverständlich angesehen hatte, ist ihm erst post mortem zuteil geworden.

3 Grundzüge des Taylorismus

Dies sei "eine Epoche der Erfindungen und des Fort-schrittes, wie sie in der Weltgeschichte einzigartig dasteht.(...) Es war eine gigantische Woge menschlichen Erfindungsgeistes und menschlicher Begabungen, so ge-waltig in ihrer Größe, so komplex in ihrer Vielfalt, so tief-gründig in ihren Gedanken, so fruchtbar in ihrem Reich-tum, so wohltätig in ihren Ergebnissen, daß unser Vor-stellungsvermögen überfordert wird, wenn es das alles in seiner ganzen Fülle begreifen soll."

Zeitschrift Scientific American, 1896

Amerika wurde etwa 1870 von einer Modernisierungswelle erfaßt, die sämtliche Bevölkerungskreise erfaßte und begeisterte. Die Zahl der angemeldeten Patente verdoppelte sich von 1866 bis 1896; Thomas Alva Edison, Orville und Wilbur Wright erfanden die elektrische Beleuchtung, das Flugzeug und die drahtlose Telegrafie; Dinge, die das moderne Leben umwälzten und nachhaltig veränderten. Durch diese Erfindungen und die fortschreitenden maschinellen Rationalisierungsmaßnahmen wurde das Leistungspotential der Fabriken enorm erhöht.

Der tatsächliche Ausstoß lag allerdings in der Regel darunter, was u.a. auf die mangelnde Qualifikation der (meist aus angelernten Arbeitern bestehende) Belegschaft zurückzuführen ist.

Hierbei muß man sich die damalige Situation vor Augen halten, die mit den fast aseptischen Produktionsstätten heutzutage wenig gemein hat:

In einem Industrieunternehmen, das für Taylors Ideen die nötige Größe hatte, waren mindestens 1000 Arbeiter beschäftigt (ohne Vorarbeiter, Werkmeister usw.), die in Kolonnen unterteilt waren. Jede dieser Kolonnen wurde auf einem bestimmten Abschnitt des Produktionsgeländes (Midvale Stahlwerke: 3km Länge x 1km Breite) eingesetzt und mußte, da es keine Arbeitsplatzkarten, Organigramme, genaue Produktionsablaufpläne gab, in der Lage sein, sämtliche dort anfallenden Arbeiten zu verrichten.

Durch diese ungenaue Einteilung und Organisation ging viel Potential verloren, weil natürlich nie alle Arbeiter ausgelastet waren.

Dazu kommt, daß die wenigen fachlich ausgebildeten Arbeiter, die in der Summe ihrer Qualifikation den Querschnitts des amerikanischen Handwerks darstellt, allein durch mündliche Überlieferung und vage Beschreibungen ihrer Tätigkeit ausgebildet wurden.

Daher wäre es nach Taylor nur natürlich, daß es viele verschiedene Methoden gebe, eine bestimmte Arbeit durchzuführen; keine glich der anderen, da die Arbeiter in der Regel nur durch "Sehen, wie es die anderen machen" von ihren Vorarbeitern lernten.

Darüber hinaus ist den Arbeitern sowohl die Wahl des Verfahrens als auch des Arbeitsgerätes freigestellt, was dazu führe, daß viel unbrauchbares, zumindest jedoch unpraktisches (zu schwer, unhandlich usw.) Werkzeug in Gebrauch sei.

Keine der von den Arbeitern gewählte Methode führe zu einem befriedigendem Ergebnis, da sie zum einen nicht daran interessiert seien, ihre "wahre" Tagesleistung zu offenbaren, zum anderen es ihnen an der nötigen Intelligenz und Möglichkeit (Wissenschaftliche Betriebsführung!) fehle, die effizienteste Methode zu wählen.

Taylor disqualifiziert ausdrücklich nicht das Wissen der Arbeiter und erkennt an, daß dieses Wissen, das der Betriebsleitung fehlt, das Potential des Unternehmens darstellt ("die heutigen Methoden stellen die geläuterte Endsumme der geeignetsten und besten Ideen dar).

Dieses Potential sei aber nie "systematisch erfaßt, planmäßig analysiert und nur ausnahmsweise beschrieben" worden. Taylor erstellte ein System (eigentlich sind dies viele Einzelsysteme, die in ihrer Komplexität den Umfang des Belegs sprengen würde, daher nur eine elementare Auswahl), die nachfolgend beschrieben werden:

  • Zeitstudien
  • Spezialmeister (für eine Funktion, beispielsweise Maschinendrehen) statt Einzelmeister für einen ganzen Bereich
  • Standardisierung aller Werkzeuge
  • Standardisierung aller Handgriffe
  • Einrichtung eines Dispositionsbüros zur zentralisierten Aufgabenverteilung
  • Instruktionsblätter für jeden Arbeiter, wie er welche Arbeit auszuführen hat
  • Pensumlohn begleitet von einem Bonus
  • Mnemotechnische Systeme zur Klassifizierung der Produkte
  • Moderne Selbstkostenrechnung
  • Zeitstudien bildeten die Grundlage für Taylors Umorganisation. Durch Beobachtung und akribischen Notizen beabsichtigte er nicht nur herauszufinden, wieviel Zeit für einen Vorgang "wirklich" benötigt wurde, sondern auch mit welchen Handgriffen man diesen Vorgang am schnellsten und ergonomischsten ausführen konnte. So gestaltete er das Arbeitsumfeld eines Maurers derart um, daß dieser statt ca. 20 Handgriffen nur noch 4 brauchte, um einen Ziegelstein zu mauern. Außerdem erfand er eigenhändig mehrere Werkzeuge, z.B. unterschiedliche Schaufeln, deren Größe sich nach dem optimalen Beladungsgewicht richtete.
  • Spezialmeister sind darin geschult, Arbeitern die optimalen Bearbeitungsparameter näherzubringen, wie zum Beispiel mit welcher Geschwindigkeit, welchem Bohrkopf und welchen Handgriffen ein Werkstück zu bearbeiten ist.
  • Durch das Dispositionsbüro sollte jedem Arbeiter eine Tagesleistung an Arbeit zugewiesen bekommen, damit er im Laufe des Tages keine Zeit verschwendet. Gleichzeitig sollte er durch die Farbe des Zettels auf die Qualität seiner Leistung am vorherigen Tage hingewiesen werden, um eine gewisse Transparenz der Entlohnung (damals noch tägliche Berechnung) zu gewährleisten.
  • Der Pensumlohn soll sich nach der individuellen Arbeitsleistung richten, einen Bonus gibt es für besondere Leistungen; der Einheitslohn wird von Taylor als nicht zweckmäßig, als Motivationsbremse gesehen bei schlechter Leistung gab es allerdings auch Abzüge)
  • Mnemotechnische Systeme sollen den meist analphabetischen Arbeitern die Produktzuordnung erleichtern und die top-down.Kommunikation vereinfachen und standardisieren
  • eine moderne Selbstkostenrechnung soll eingeführt werden, um die Kalkulation zu vereinfachen und um berechnen zu können, wieweit die Arbeiter am Erfolg partizipiert werden können

4 Reale Anwendungen

4.1 in den USA

1882 fing Taylor zunächst alleine an, Zeitstudien durchzuführen und die gemessenen, komplexen Bewegungsabläufe in Bewegungssequenzen zu unterteilen. Durch Ausprobieren bemühte er sich, einen optimalen Ablauf zu finden und befahl seinen Arbeitern, diesen neuen Ablauf als Norm zu sehen. Dabei berücksichtigte er bestimmte Leerlaufzeiten für unvermeidbare Verzögerungen, kleine Unfälle, Unerfahrenheit und Ruhepausen. Das Ergebnis waren detaillierte Anweisungen für die Arbeiter und festgelegte Ruhepausen.

Taylor stellte jedoch fest, das das "Wissenschaftliche Management" aus mehr bestand, nämlich die komplette Restrukturierung der Produktionsanlagen, die Anordnung der Anlagen in bestimmter Reihenfolge, was die Wartezeiten verkürzen sollte ("just-in-time"!), die Verbesserung der Werkzeuge, Maschinen und Bearbeitungsverfahren usw.

Das diese Eingriffe in die persönliche Erfahrungs- und Arbeitswelt der Arbeiter, ihre Degradierung zu formbaren Teilen eines Systems, die Kompetenzbeschneidung, der stetige Verdacht der "quota restriction" ("stalling", Bummeln) zu Ausein-andersetzungen bis hin zur physischen Bedrohung von Taylor führte, darf nicht verwundern (er hat schließlich mit den Leuten gearbeitet, vor Ort in der Fabrik). Daß Taylor überhaupt in der Lage war, bestimmte Veränderungen durchzusetzen, lag an dem Schutz William Sellers, dem Präsident der Midvale Stahlwerke, Taylors erster größerer Wirkungskreis. 1912, etwa dreißig Jahre später, erklärte er bei einer Anhörung im Kongreß, daß die Prozesse, die er versuchte in Gang zu bringen, von einer großen "Bitterkeit" begleitet waren, daß sie einem Kampf glichen, obwohl seine "Sympathien den Arbeitern gehörten" und er aber auch den "Leuten verpflichtet waren, die (ihn) angestellt hatten".

Obwohl also eines der Hauptprobleme der Industrie die Arbeitsorganisation war, gab es relativ wenige Betriebe, die sein Modell anwenden wollten; zum einen, weil sie den Konflikt mit den in den USA schon damals übermächtigen Gewerkschaften fürchteten, zum anderen hätte Taylors System bedeutet, daß die Betriebsleitung Kompetenzen an andere Leitungsebenen hätte abgeben müssen, was der Leitung nicht recht wahr.

Erschwerend kam hinzu, daß sich nach Taylors Schätzung überhaupt nur 17% der Unternehmen für eine Taylorisierung eigneten, die Zeit der großen Massen-produktion war nämlich noch nicht angebrochen.

Die American Federation of Labor (AFL) verabschiedete 1911 eine Resolution gegen den Taylorismus, in der die Mitglieder aufgefordert wurden. Widerstand gegen die Taylor-Systeme zu leisten.

Als Taylor seine Systeme im Watertown Heeres-Arsenal einzuführen begann, inszenierten die Gewerkschaften einen Streik, der 1915 zu einem Verbot von Zeitstudien und tayloristischen Prämien in der Öffentlichen Verwaltung führte.

Während des Ersten Weltkrieges kam es allerdings durch den allgemeinen kriegsbedingten Ruf nach Effizienzsteigerung zu einer Annäherung von AFL und den Tayloristen. Die Gewerkschaften akzeptierten den Taylorismus als Mittel zur Lohnsteigerung und die Tayloristen erkannten die Rolle der Gewerkschaften in Lohnverhandlungen an.

4.2 in Russland

Als Lenin 1916 auf Taylor traf, waren sie paradoxerweise voneinander fasziniert. Lenin hatte zuvor die Schriften Taylors und Gilbreth studiert und in einer Randbemerkung notiert, daß das "Wissenschaftliche Management" zu einem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus führen könnte. Ihn erstaunte vor allem, daß Amerikaner ein System entwarfen, daß nicht die Ausbeutung des Arbeiters, sondern das Wohl zum Ziel hatte. Lenin hoffte durch die Einführung des Taylorismus´ im industriell rückständigen Russland eine große Zahl ungelernter Arbeitskräfte verwenden zu können, die durch die notwendige zentrale Überwachung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsvorgänge von politisch zuverlässigen Fachleuten überwacht werden könnten, um bourgeoise Saboteure und andere korrupte Personen zu eliminieren. In seinem Bemühen, die Industrieproduktion und alle daran Beteiligten straff zu organisieren und zu kontrollieren nahm er in mancher Hinsicht die gleiche verbissene Haltung an wie Taylor.

Im Jahre 1918, als das Land demoralisiert und desorganisiert am Boden lag, sagte Lenin: "...Das System von Taylor, die neueste Errungenschaft des Kapitalismus..., ist wie jede kapitalistische Neuerung eine Kombination aus der subtilen Brutalität bourgeoiser Ausbeutung und einer Anzahl der größten wissenschaftlichen Errungenschaften des Kapitalismus auf dem Gebiet der Analyse mechanischer Bewegungen während der Arbeit...Die Sowjetunion muß um jeden Preis alles Wertvolle an wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften auf diesem Gebiet übernehmen...Wir müssen in Russland Studium und Lehre des Taylor-Systems organisieren, es systematisch erproben und unseren Zielen anpassen."

Lenin ließ die Werke Taylors und Gilbreth in großer Auflage drucken und verteilen.

Auch Trotzki war, wenn auch eher aus Disziplin- und Machterhaltungsgründen von Taylor begeistert; es läßt sich jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Taylorismus in Russland überschätzt und ungenügend adaptiert wurde, die Rahmenbedingungen wurden unzureichend berücksichtigt und selbst der großangelegte Einkauf von amerikanischem know-how und Personal beachtete nicht das Paradoxon, ein für ein hochentwickeltes Land mit einer komplexen Marktwirtschaft erfundenes System in einem rückständigen, vom Krieg verwüsteten Agrarland einzusetzen.

4.3 in Deutschland

1924 entwickelte der spätere Präsident der USA, Charles Dawes, einen Investitionsplan, der den Deutschen die Reparationszahlungen erleichtern sollten. In der Folge investierte Amerika ungeheure Summen in Deutschland, dessen Wiederaufbau dadurch beschleunigte wurde. Die Deutschen sahen im amerikanischen System nur Wohlstand und Produktivität, für sie war die Stütze de Demokratie der Wohlstand der Amerikaner, die stetig steigende Massenkaufkraft, das Haus und Auto für jeden bedeutet damals in Deutschland eine Stabilität, nach der sich nach dem Krieg fast alle sehnten. Der Taylorismus wurde damit zum Inbegriff dieses Zusammenwirkens von wirtschaftlicher Prosperität und demokratischer Politik, da das Taylor´sche System dabei half, die Produktivität und damit das Einkommen jedes Einzelnen zu erhöhen.

Der Journalist, Publizist und selbsternannte Schüler Taylor´s, Gustav Winter, rühmte sich 1920 damit, schon 100‘000 Exemplare seiner Schrift über die Einführung des Taylorismus in Deutschland verkauft zu haben.

Die begeisterten Anhänger Taylor´s kamen aus allen Schichten der Wirtschaft und der Politik. Liberale Verfechter der neuen parlamentarischen Weimarer Republik, konservative Industrielle, Gewerkschaftsführer, revisionistische Sozialisten und sogar reaktionäre Intellektuelle stimmten den Lehrsätzen Taylor´s über das wissenschaftliche Betriebsführung, zumindest soweit es den Interessen dieser Gruppen entsprach.

Die Arbeiter lehnten den Taylorismus ähnlich wie in den USA ab, weil sie erhebliche Einschnitte in ihre Souveränität fürchteten, doch wurden ihre Argumente weitestgehend mit der Feststellung entkräftet, daß man die in den USA gemachten Fehler vermeiden könnte.

Diese Faszination für Taylor (und später für Ford, dessen Biographie sich 200'000 Mal verkaufen ließ) war natürlich von einer allgemeinen Bewunderung für die USA begründet und wurde auch aus dem allgemeinen Notstand heraus geboren, man suchte nach einem "Rezept", das Land nicht nur politisch wieder an das übrige Europa anzuschließen. Viele Artikel, Bücher wurde in 1920er Jahren veröffentlicht, nicht wenige Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler besuchten mit dem Ziel die USA, Detroit zu erleben und das Wirtschaftswunder mit eigenen Augen zu sehen. Franz Westermann, ein deutscher Ingenieur, der der Ansicht war, daß auch er ein Buch über Amerika schreiben müsse, berichtete:"Die stärkste, eindrucksvollste Erfahrung meines Lebens hat mir der Besuch der Fordwerke vermittelt, wo die Hand des Menschen in kurzer Zeit einen gigantischen Produktionskomplex geschaffen hatte, der nicht nur durch seine Größe und seine technischen Merkmale einen gewaltigen Eindruck machte, sondern den Betrachter auch mit dem mächtigen Organisationsgeist seiner Schöpfer erfüllte."

Nicht alle Deutsche der Weimarer Zeit teilten diese Begeisterung für die USA, eine ambivalente Haltung gegenüber den neuen Technologien und Produktionsmethoden zeichnete sich ab: man wollte, ähnlich wie Russland, sich der amerikanischen Technologie bedienen, sie aber von ihrem "seelenlosen" Ballast befreien und sie mit deutscher Ästhetik, Philosophie und generellen geistigen Werte anreichern, um so langfristig wieder den politischen und wirtschaftlichen Rang zu erreichen, der Deutschland nach Ansicht einiger zusteht (der Widerstand gegen Versailles und die deutschen Großmachtvorstellungen waren trotz der Kriegsniederlage sehr aktuell und gegenwärtig).

5 Fortführende Theorien

Taylor legte den Grundstein für die Organisationstheorie, deren wissenschaftliche Akzeptanz durch den Praxiseinsatz von Universitätsabsolventen erreicht wurde. Die jungen Ingenieure und Betriebswirtschatfler erhofften sich durch Orga-nisationstheorien, die vor allem den psychologischen Ansatz berücksichtigen, mehr Einfluß auf die Arbeiter, aber auch auf die Arbeitsbedingungen zu bekommen.

Man geht von einer stufenweisen Entwicklung aus, wobei die eine Stufe auf die andere aufbaut, ohne daß die vorherige negiert wird, sie wird nur verändert, unter einem neuen Aspekt gesehen:

  • individualwissenschaftliche Stufe ("Psychotechnik")
  • gruppenwissenschaftliche Stufe (sozial- und industriepsychologische Themen)
  • aktionswissenschaftliche Stufe (Arbeitsinhalte, Arbeitsgestaltung)

Diese Weiterentwicklungen wurden notwendig, um neue Intensifikationspotential zu erschließen, da durch stets verminderte Arbeitszeit und immer höheren Kosten des Faktors Arbeit eine höhere Leistung produziert werden mußte.

6 Kritik am Taylorismus unter damaliger Sicht

Wie bereits oben erwähnt, sahen die Arbeiter und damit mittelbar die Gewerk-schaften den Taylorismus als weitere Verfeinerungsstufe der Ausbeutung an. Die Gewerkschaften fürchteten um ihren Einfluß, da der Taylorismus individuelle Lohnverhandlungen und individuell veränderbare Lohnhöhen vorsahen. Sie maßen dem offensichtlich mehr Bedeutung bei als die Entwicklung von ersten ergonomischen Werkzeugen, die individuelle Möglichkeit der Lohnsteigerung, der effizientere Einsatz des Faktors Arbeit (es ist unwahrscheinlich, daß jeder Arbeiter Bummelei genießt) und die Verbesserung des Arbeitsumfeldes.

Die Bereitschaft Taylor´s, die Arbeiter am Unternehmensgewinn teilhaben zu lassen, ist für jene Zeit revolutionär und dürfte viele Kapitalgeber abgeschreckt haben.

7 Kritik am Taylorismus unter heutiger Sicht

Die Teilung von praktischer Erfahrung und theoretischem Wissen hat in vielen Unternehmen zu einem bürokratischem Wasserkopf geführt, da sich die arrogante, meist akademisch gebildete Sachkompetenz häufig nicht in der Lage befand, Situationskompetenz zu zeigen.

Durch die Bevormundung der produzierenden Bereiche des Unternehmens fühlen sich diese auch nicht dazu verpflichtet, selbstverantwortlich ins Geschehen einzugreifen. Die Inhumanisierung der Arbeit durch immer kleinteiligere Arbeitsschritte, der Verlust der sensitiven Rezeption durch Einsatz von Maschinen und computergesteuerten Produktionsanlagen läßt den Arbeiter sich austauschbar vorkommen. Dadurch erledigt er nur seinen "job", etwaige "good-will"-Leistungen sind nicht von ihm zu verlangen.

"Auch die organisatorischen Abläufe werden durch ressortegoistische Denk-muster, durch hierarchisch bedingte Blockaden, durch Sabotagen usw. erheblich beeinträchtigt." 12

Offensichtlich genügt dem allgemeinen Management die Kritik am Taylorismus, um das im eigenen Betrieb eingeführte System unbeachtet zu lassen, man folgt hier dem Vogel-Strauß-Prinzip.

a)

Die rückhaltlose Bewunderung den Japanern gegenüber Anfang der 90er, ausgelöst durch eine nahezu kritiklos Lobeshymne (Womack u.a., 1990), führte zu einer weltweiten Reorganisationswelle mit der Überschrift "lean management", die Gruppenarbeitskonzepte, das Ende der klasssischen Arbeitsteilung, die dezentrale Ganzheitlichkeit und partielle organisatorische Autonomie zum Ziel hatte - theoretisch. Praktisch sah es allerdings so aus, daß man in unterentwickelten Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit unter Ausschaltung der Gewerkschaften Produktionswerke mit extrem niedrigen Taktraten, hohem Arbeitsteilungsgrad und einer starken Meisterposition eingeführt hat (Sunderland, Schottland; nicht ganz so schlimm: Neue Bundesländer).

b)

Eine weitere, "verdeckte" Taylorisierung fand mit Einführung EDV-gestützter Verwaltungssysteme statt, da auch hier durch die Spezialisierung von Systemadministratoren und der Zuweisung von bestimmten Zugriffsbereichen sowie der Formalisierung und Standardisierung von Arbeitsvorgängen dem Arbeitnehmer die Durchschaubarkeit und Kontrolle abhanden gekommen ist.

Eine fundierte kritische Analyse, die sich offen mit der "Re"-Humanisierung der Arbeit auseinandersetzt, wäre vonnöten, stände sie nicht diametral dem Interesse des Arbeitgebers gegenüber, die Produktivität zu steigern. Daß die grundsätzliche Zufriedenheit des Arbeitnehmers (Herzberg/Blum: Motivatoren, Hygiene-Faktoren) langfristig das Überleben des Unternehmens sichert, ist offensichtlich keine weit verbreitete Ansicht.

 

Bibliographie

1 Bertelsmann Discovery Lexikon, CD-ROM, München, 1996

3 Frederick Winslow Taylor

Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung

(Übersetzung von Rudolf Roesler)

Reprint der autorisierten Ausgabe, München, Oldenbourg, 1913

neu hrsg. und eingeleitet von Walter Bungard / Walter Volpert

Beltz PsychologieVerlagsUnion, Weinheim, 1995

4 ebda.

5 Berterlsmann Discovery Lexikon

6 ebda.

9 ebda.

11 Franz Westermann

Amerika, wie ich es sah: Reiseskizzen eines Ingenieurs

Halberstadt, 1926

12 J. Kerner & T. Maisson

Die kalkulierte Verantwortungslosigkeit

Reinbek, Hamburg, 1980