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Die Rundfunksituation in der Bundesrepublik Deutschland
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

 
  Autor: Helgo Ollmann
im Dezember 1997

 

 

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1 Rundfunkgeschichte

1.1 Das Radio wird in Deutschland zum Massenmedium

1.2 Die Arbeiterbewegung und der Rundfunk

1.2.1 Die Arbeiter-Radio-Klubs

1.2.2 Radiotheorie von Bertolt Brecht

1.3 Rundfunk im dritten Reich

1.3.1 Radio aus dem Untergrund

1.3.2 Deutschsprachige Auslandssender

1.3.3 Rundfunk im Dienst des Nationalsozialismus

1.4 Nach 1945: Der Rundfunk wird öffentlich-rechtlich

1.5 Freie Radios

2 Rundfunk heute

2.1. Das Duale System

2.2 Offene Kanäle

3 Entwicklung des Rundfunks: Die dritte Generation - das digitale Zeitalter

Literaturverzeichnis

 

 

Einleitung

Inhalt und Ziel dieser Arbeit ist es, die Geschichte des Rundfunks in Deutschland zu betrachten, seine Situation in der Gegenwart zu beleuchten und ein Versuch in seine Zukunft zu schauen.

Seit Bestehen des Rundfunks hat es ebenso immer Kämpfe um seine Aufgaben und Ziele gegeben, als auch darum, wer in Besitz und Kontrolle des Rundfunks ist, sein darf oder seien sollte.

Angereichert wird diese bis heute andauernde Diskussion noch mit dem Streit darüber, was eigentlich Rundfunk ist. Diese neue Auseinandersetzung begann spätestens nach Einführung des Videotextes. Es stellte sich die Frage, ob es sich beim Videotext noch um Rundfunk (also Wort und Bild) handele, oder nicht.

Der bis dahin gültige Rundfunkbegriff war durch das Fernmeldeanlagengesetz von 1928 im Staatsvertrag der Länder über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5.12. 1974 bestimmt: "Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und in Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleiter oder längs oder mittels eines Leiters." (nach Ratzke 1977, zit. in Faulstich, W., 1979, S. 192)

Durch neue elektronische Massenmedien, wie zunächst der Videotext, wurde der weitgehend aufs technisch reduzierte Rundfunkbegriff vor allem durch die Zeitungsverleger in Frage gestellt, die sich in die Rundfunkdiskussion einmischten und zugleich den Zugang zur Breitbandkommunikation forderten, insbesondere bei der Einrichtung von lokalem Hörfunk und Fernsehen. (vgl. Ratzke 1977, zit. in Faulstich, W., 1979, S. 193).

Durch die technische Fortentwicklung der elektronischen Massenmedien wird die Auslegung des Rundfunkbegriffes im Sinne einer juristischen Definition entscheidenden Einfluß auf die Organisationsstruktur der Medienbetreiber und somit auf die Inhalte und deren Verfügbarkeit sowie Kontrollmöglichkeiten haben. (vgl. Faulstich, W., 1979, S. 192) Aktuelle und kontroverse Forderungen in der Diskussion um den Rundfunkbegriff sind u.a. die Abschaffung der Rundfunkgebühr für Nutzer und Nutzerinnen ausschließlich privater Rundfunkanbieter; Rundfunkgebührenpflicht für Internetzugang; Einschränkung des öffentlich rechtlichen Programmangebots auf Beiträge, die nicht durch Werbung finanzierbar sind.
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Rundfunkgeschichte

Als der Physikprofessor Heinrich Hertz 1887 die elektromagnetischen Wellen, welche sich mit der Geschwindigkeit des Lichtes ausbreiten, nachwies, machte sich noch niemand Gedanken um den Begriff des Rundfunks und seiner möglichen Verwendung. Aber nur zehn Jahre später, im Jahr 1897 wurden die deutschen Militärs mit Unterstützung Kaiser Wilhelms II auf diese neuartige übertragungsmöglichkeit von Nachrichten aufmerksam, deren Hauptnutznießer eindeutig im Militär und in der Marine im besonderen gesehen wurde. Eine rasante technische Entwicklung setzte ein. 1906 war es bereits möglich Nachrichten nicht nur wie bisher als Morsesignal, sondern auch in Form von Tönen (Sprache und Musik) zu übertragen. Funker auf Schiffen und in Sendestationen an Land sendeten sich gegenseitig Musikdarbietungen und Ansagen zu. 1910 wurde erstmals die Stimme eines Sängers aus der Metropolitan Oper in New York per Funk übertragen. Zwar war bei den deutschen Militärs die Telegrafie (übermittlung von Morsezeichen) die gebräuchlichste Betriebsart, dennoch wurden in der letzten Phase des I. Weltkrieges vermehrt Musiksendungen in die Schützengräben übertragen. 1917 erprobte der Direktor von Telefunken, Hans Bredow, zu diesem Zweck an der Westfront den ersten Röhrensender. An diese ersten deutschen Musiksendungen knüpften Beamte der Reichspost in der Hauptfunkstelle König Wusterhausen 1920 an. Es wurde Schallplattenmusik übertragen, welche durch Verlesen von Zeitungsartikeln unterbrochen wurde. Es blieb bei den unregelmäßigen Testaustrahlungen, bis zum 13. Mai 1923. Jetzt wurde von der Sendestelle König Wusterhausen regelmäßig ein Sonntagskonzert übertragen und am 29. Oktober 1923 wurde der Rundfunk als Massenmedium eröffnet. Die Berliner Funkstunde eröffnete das neue Zeitalter mit dem "Radio für alle". Bis zu diesem Zeitpunkt war das Betreiben von Funkanlagen (auch von Empfängern!) für den Normalbürger in Deutschland verboten. (vgl. Diller, A., 1997, S. 313, 314)

Wie restriktiv in Deutschland das Betreiben von Fernmeldeanlagen gehandhabt wurde, zeigt ein Vergleich mit den USA. War es in Deutschland, von Versuchslizenzen für Radioamateure abgesehen, bis 1923 sogar verboten Empfänger zu besitzen, gab es schon 1920 in den USA über 2 Millionen Empfangsstationen und über 35.000 Sendestationen, von denen die meisten jedoch kleinere selbstgebastelte Amateurstationen darstellten (vgl. Günther, H. 1923, S. 21).

Jeder Amerikaner konnte nicht nur problemlos ein Empfangsgerät betreiben, sondern auch einen Sender und damit ein beliebiges Programm ausstrahlen.

1920 gab es neben den vielen Amateursendern in den USA einige hundert Stationen, die von der Rundfunkindustrie betrieben wurden und fast die gesamte Fläche des Landes abdeckten. Das schnelle Anwachsen der Amateursender führte zu Forderungen, zumindest den Sendebetrieb einer scharfen staatlichen Kontrolle zu unterwerfen, während zuvor noch "die völlige Freiheit auch des Sendeverkehrs in den Vereinigten Staaten als das Ideal des Radiosportlers galt" (Günther, H. 1923, S. 22).
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1.1 Das Radio wird in Deutschland zum Massenmedium

Am 29. Oktober 1923 wurde in Deutschland der Rundfunk als Massenmedium eröffnet. Die Berliner Funkstunde startete mit dem "Radio für alle" und erhielt eine doppelte Zielsetzung: Zum einen sollte es den Arbeitern und Arbeiterinnen Zerstreuung und Unterhaltung bieten, zum anderen der Industrie neue Absatzmöglichkeiten in Form von Rundfunkempfängern erschließen. Hans Bredow, Generaldirektor der Firma Telefunken, wurde erster Reichsrundfunkkommissar und ging in die Geschichte als "Vater des deutschen Rundfunks" ein. In seiner Eröffnungsrede zur Freigabe des neuen Mediums sagte er: "In einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not und politischer Bedrängnis wird der Rundfunk für die Allgemeinheit freigegeben." (Bredow 1956, zit in CD ROM 20er Jahre, SDR Schulfunk, 1994). "Das deutsche Volk ist wirtschaftlich verarmt, und es ist auch nicht zu bestreiten, daß auch die geistige Verarmung Fortschritte macht ... Erholung, Unterhaltung und Abwechslung lenken den Geist von den schweren Sorgen des Alltags ab, erfrischen und steigern die Arbeitsfreude: Aber ein freudloses Volk wird arbeitsunlustig. Hier setzt die Aufgabe des Rundfunks ein ... ,wenn gleichzeitig der Industrie ein neues Tätigkeitsfeld eröffnet ... wird, dann wirkt der Rundfunk aufbauend ..." (Bredow 1956, zit. in Faulstich, W., 1979, S. 193). In dieser Rede zeichnete Bredow einen ökonomischen und ideologischen Funktionszusammenhang des neuen Massenmediums Radio. Zum einen greift es indirekt in den Wirtschaftsprozeß ein: Durch "Erholung, Unterhaltung und Abwechslung" sollen die arbeitenden Menschen dem Produktionsprozeß wieder zugänglich gemacht werden. Zum anderen wird der Kommunikationsindustrie ein neuer Absatzmarkt geschaffen. (vgl. Faulstich, W., 1979, S. 193, 194).

Die Rechnung ging auf: Zu Beginn des Jahres 1926 gab es eine Million Rundfunkteilnehmer. Die Expansion des neuen Mediums erforderte bald neue Räumlichkeiten. Am 29. Mai 1929 war in Berlin Grundsteinlegung für das "Haus des Rundfunks". Unter denjenigen, die Hammersprüche aufsagten waren der preußische Kultusminister Carl H. Becker, der Berliner Oberbürgermeister Gustav Boese, Hans Bredow und der geschäftsführende Direktor der Reichsrundfunkgesellschaft, Kurt Magnus. (vgl. CD ROM 20er Jahre, SDR Schulfunk, 1994) (s. Tondokument 1: Hammersprüche bei der Grundsteinlegung zum "Haus des Rundfunks")

"Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise und dem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit verschärfte sich das kulturelle und politische Klima der Weimarer Republik dramatisch. Die Reichsregierung verkündete ihre Notverordnungen, mittels derer sie regierte, über das Radio, und schon allein dadurch bekamen sie Gesetzeskraft. Reichsinnenminister Freiherr von Gayl von der DNVP informierte am 15. Juni 1932 die Bevölkerung über den Rundfunk, welche Politik die Reichsregierung angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten betreiben wollte." (CD ROM 20er Jahre, SDR Schulfunk, 1994) (s. Tondokument 2: Ausschnitt aus der Ansprache des Reichsinnenministers Wilhelm, Freiherr von Gayl vom 15.6.1932)

Trotz aller harter Maßregeln nutzte die Bevölkerung das angebotene Vergnügen, als Ablenkung vom Alltag. Am 2. März 19930 hatte der Rundfunk mit etwas besonderem aufzuwarten, das geradezu sensationell war: der Reportage eines Fußballänderspiels - Deutschland spielte gegen Italien. (s. Tondokument 3: Ausschnitt aus der übertragung des Fußballänderspiels Deutschland - Italien vom 2.3.1930 in Frankfurt am Main. Reporter ist Paul Laven)
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1.2 Die Arbeiterbewegung und der Rundfunk

Selbstverständlich hatten die Arbeiter auch ganz andere Vorstellungen über die Nutzung des Rundfunks. Dies wurde bereits vor dem Start des ersten Sendeabends der Berliner Funkstunde "Radio Für Alle" offensichtlich: Nach dem ersten Weltkrieg kehrten 190.000 Soldaten heim, die an Funkanlagen ausgebildet worden waren. In den Auseinandersetzungen vom November 1918 gründeten einige dieser der Funktechnik mächtigen Soldaten eine "zentrale Funkleitung". So gelang es vorübergehend das Funkwesen in die eigene Hand zu nehmen und es für die Ziele der Arbeiter- und Soldatenräte zu nutzen. Diese übernahmen sämtliche im gesamten Reich verstreuten Funkstationen und konnten so vier Wochen lang über die Sender die Revolution koordinieren und Proklamationen sowie Bekanntmachungen ausstrahlen. In einem Geschichte gewordenen Funkspruch "An Alle!" wurde über die revolutionären Ereignisse in Deutschland berichtet. Zum ersten Male entstand eine organisierende Kraft des neuen Medium Radio. Jedoch nicht für lange. Die bürgerlichen Kräfte setzten sich bald durch und bestimmten von nun an auch die Gestaltung und das politische Profil der Berliner Funkstunde "Radio für alle". (vgl. Grieger, K., 1995)
 
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1.2.1 Die Arbeiter-Radio-Klubs

Die organisierten Arbeiter und auch Arbeiterinnen bestimmten jedoch auch weiterhin die medienpolitischen Aktivitäten mit. Zunächst wurden Anstrengungen in Gang gesetzt, den Arbeitern das Radiohören überhaupt zu ermöglichen, da industriell gefertigte Empfangsgeräte für werktätige Menschen nicht erschwinglich waren. "1924 kostete ein Radiogerät ... zwischen 400 und 500 RM, ein einfacher Detektorempfänger kostete etwa 70 RM. Ein gelernter Arbeiter ... verdiente durchschnittlich 88 Pfennige die Stunde, ein kleiner Angestellter etwa 160 RM im Monat." (Dahl, P., 1983. zit. in: Grieger, K.; 1995) Also bauten die Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Radiogeräte selber. So gründete sich am 10. April 1924 (ein halbes Jahr nach dem ersten Sendeabend der Berliner Funkstunde) der erste Arbeiter-Radio-Klub (ARK). Dieser Club hatte bei technisch interessierten Werktätigen eine hohe Resonanz. Es folgten viele weitere solcher Clubs.

Nach Erhebungen der Reichspost waren Ende 1925 über eine Millionen Radios angemeldet - davon mehr als die Hälfte (600.000) selbstgebaute. (vgl. Grieger, K.; 1995)

Die Arbeiter-Radio-Klubs verstanden sich aber nicht nur als reine Bastelklubs technisch Interessierter. Immer stärker wurde Kritik an der politischen Struktur des Programmschemas des herrschenden bürgerlichen Rundfunks geäußert. Am 26. Februar 1928 schrieb Erich Mühsam in der Zeitschrift Arbeiterfunk: "Der Rundfunk wird ein sehr wertvolles Mittel zur Förderung des Selbstbewußtseins ... der Kultur des Proletariats werden, sobald er dem Monopol der bürgerlichen Klasse entzogen seien wird.


Es gibt keine Tendenzlose Kunst, keine Tendenzlose Wissenschaft - es gibt überhaupt keine Tendenzlosigkeit. Die Benutzung des Rundfunks den Klassentendenzen des Proletariats vorenthalten, heißt den Rundfunk zur Waffe gegen das Proletariat zu machen. Das Proletariat hat Anspruch auf die Dienstbarmachung des Radios für seine eigene Sache unter vollständiger Befreiung von jeder bürgerlichen Zensur."

Erich Mühsam formulierte eine klare Forderung. Die Arbeiter sollten nicht nur Zugang zu den Empfängern haben, sondern selber eigenverantwortlich das Programm gestalten: In eigenen Sendezeiten im bürgerlichen Rundfunk und über eigene Arbeitersender.

Diese klar formulierte Forderung fand jedoch nicht in der gesamten Arbeiterbewegung Rückhalt. Der von der SPD dominierte Teil der Arbeiterbewegung wollte derart weitgreifende Forderungen nicht unterstützen. Die SPD favorisierte ein System der Mitbestimmung durch die organisierte Arbeiterbewegung am bestehenden herrschenden Rundfunk, während die KPD die direkte Teilhabe einforderte. (vgl. Grieger, K., 1995)

 

 

Spaltung der Arbeiterradiobewegung

Am 1. Mai 1929, als im Verlauf der blutigen Auseinandersetzungen in Berlin der sozialdemokratische Polizeipräsident auf demonstrierende Arbeiter schießen läßt, kommt es zur endgültigen Spaltung der Arbeiterbewegung - und somit auch der Radioarbeiterbewegung.

Die KPD gründete den "Freien Radio Bund Deutschlands", die SPD Anhänger waren weiterhin im "Arbeiter Radio Bund Deutschland" organisiert. Beide Bewegungen bekämpften sich untereinander.

Der "Freie Radio Bund Deutschland" gab ab Januar 1930 wöchentlich die Zeitschrift "Arbeiter-Sender" heraus. Der Name ist Programm, denn die KPD hält weiterhin an der Forderung nach eigenen Sendern fest. Weiterhin veröffentlicht der "Arbeiter-Sender" Artikel gegen den reformistischen Sozialdemokratischen Bund, sowie Aufklärung über die zunehmende Unterwanderung des Rundfunks durch Rechtskonservative und Nazis.

Die Entwicklung des sozialdemokratischen "Arbeiter Radio Bund Deutschlands" spiegeln seine Presseorgane wieder. Der "Arbeiterfunk" kehrt zu den Anfängen der Arbeiter Radiobewegung zurück und entwickelt sich zu einer Radio-Selbstbau Zeitschrift. 1932 wird der Titel in "Volksfunk" umbenannt. Von nun an wird gänzlich von klassenspezifischen politischen und kulturellen Forderungen Abstand genommen.

 

 

Zerschlagung der Arbeiterradiobewegung

Am 26. Februar 1933 wird der KPD-nahe "Freie Radio Bund Deutschlands" gewaltsam aufgelöst und deren Mitglieder in die Illegalität getrieben. Der sozialdemokratische "Arbeiter Radio Bund Deutschland" kann sich nur wenige Monate länger halten und wird im Zuge des SPD-Verbots im Juli 1933 zerschlagen. (vgl. Grieger, K., 1995)
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1.2.2 Radiotheorie von Bertolt Brecht

1932, ein Jahr vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, und dem damit verbundenen Ende jeglicher freiheitlicher Rundfunkmodelle, stellte Brecht in einer Rede über die Funktion des Rundfunks, seine Vision, nämlich den Rundfunk als Kommunikationsapparat zu nutzen, vor: "Unsere Gesellschaftsordnung ... ermöglicht es, daß Erfindungen gemacht werden, die sich ihren Markt erst erobern, ihre Daseinsberechtigung erst beweisen müssen, kurz Erfindungen, die nicht bestellt sind. So konnte die Technik zu einer Zeit so weit sein, den Rundfunk hervorzubringen, wo die Gesellschaft noch nicht so weit war, ihn aufzunehmen. Nicht die öffentlichkeit hatte auf den Rundfunk gewartet, sondern der Rundfunk wartete auf die öffentlichkeit ... Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. ... Aber abgesehen von seiner zweifelhaften Funktion (wer vieles bringt, wird keinem etwas bringen), hat der Rundfunk eine Seite, wo er zwei haben müßte. Er ist reiner Distributionsapparat, er teilt lediglich zu. ... Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. ... Der Rundfunk müßte demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren. ... Er hat überdies hinaus die Einforderung von Berichten zu organisieren, das heißt die Berichte der Regierenden in Antworten auf die Fragen der Regierten zu verwandeln. Der Rundfunk muß den Austausch ermöglichen. ... Sollten Sie dies für utopisch halten, bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist. ... Es ist keineswegs unsere Aufgabe, die ideologischen Institute auf der Basis der gegebenen Gesellschaftsordnung durch Neuerungen zu erneuern, sondern durch unsere Neuerungen haben wir sie zur Aufgabe ihrer Basis zu bewegen." (zit. in: KUNST UND MEDIEN, S. 33 ff)

Brecht wollte den einseitigen, nicht umkehrbaren Kommunikationskanal vom Sender zum Empfänger aufheben und die Hörer zu potentiell aktiven Mitgestaltern des Programms machen. Allerdings sah er in der bestehenden Gesellschaftsordnung dazu keine Möglichkeit. "Undurchführbar in dieser Gesellschaftsordnung, durchführbar in einer anderen, dienen die Vorschläge, welche doch nur einen natürliche Konsequenz der technischen Entwicklung bilden, der Propagierung und Formung dieser anderen Ordnung." (Brecht, ebd.)
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1.3 Rundfunk im dritten Reich

Die Parole "Ein Volk! Ein Reich! Ein Rundfunk!" vom Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky wird zum neuen Dogma erhoben. Es duldet weder den Anspruch auf eigene Sender, noch den Mitbestimmungsanspruch, oder überlegungen, den Rundfunk als gesellschaftlichen Kommunikationsapparat einzurichten. Am 10. Mai 1933 brannten in Berlin auf dem Opernplatz Bücher, als klares Signal, keinerlei vom nationalsozialistischen System abweichende Meinungen und Wissenschaften zu dulden. Darüber berichtete der Rundfunk: (S. Tondokument 4: Ausschnitt aus der Reportage über die Bücherverbrennung der deutschen Studentenschaft in Berlin auf dem Opernplatz am 10.5.1933)
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1.3.1 Radio aus dem Untergrund

Aktivistinnen und Aktivisten aus der Arbeiterradiobewegung schlossen sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten zusammen. Sie errichteten im Deutschen Reich mehrere Widerstandssender; mit dabei waren unter anderem auch Mitglieder der Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose". Selbst aus dem KZ Buchenwald konnten Sendungen ausgestrahlt werden. Mit Hilfe eines von Häftlingen zusammengebauten Senders konnten im April 1945 amerikanische Truppen um Hilfe gerufen werden, gerade noch rechtzeitig, um die von der SS geplanten Evakuierungen und Massenvernichtungen zu verhindern. (vgl. Grieger, K., 1995)
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1.3.2 Deutschsprachige Auslandssender

Nicht nur Sender des organisierten Widerstands in Deutschland setzten den gleichgeschalteten Medien ihre Informationen entgegen. Bereits im September 1938 hatte die BBC in London begonnen, deutschsprachige Sendungen ins Deutsche Reich auszustrahlen: Die ersten Takte der 5. Symphonie Beethovens, gefolgt von dem Morsezeichen "V" für Victory, geschlagen auf einer Pauke, dies war das Erkennungszeichen für alle, die sich nicht ausschließlich über die gleichgeschalteten deutschen Medien informieren wollten. (S. Tondokument 5: Erkennungsmelodie des deutschsprachigen Dienstes der BBC). Wer selbst beim abhören von Auslandssendern belauscht wurde, sei es von Nachbarn, oder dem örtlichen Gestapospitzel, der mußte mit hohen Zuchthausstrafen rechnen. Nicht wenige bezahlten bei Weitergabe von Meldungen, die sie den "Feindsendern" entnommen hatten, mit ihrem Leben. (vgl. Sarkowicz, H., 1990, S. 7). Um die "Volksgenossen" eindringlich auf das Abhörverbot ausländischer Rundfunksender hinzuweisen, verteilten 1941 alle NSDAP-Ortsgruppen Zettel, die an die Senderabstimmknöpfe der Rundfunkempfänger angebracht werden mußten.

Auf diesen stand: "Denke Daran. Das Abhören a u s l ä n d i s c h e r S e n d e r ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet." Trotz solch drakonischer Maßnahmen und dem Einsatz von Radiokontrolleuren, wollten große Teile der Bevölkerung es sich nicht nehmen lassen, Auslandssendungen zu empfangen. So weist die offizielle Statistik der sogenannten "Rundfunkverbrecher" allein für 1942 fast eintausend (985) Verurteilungen aus, wobei die Zahl der ohne ein Gerichtsverfahren in ein KZ eingelieferten Gefangenen nicht bekannt ist. (vgl. Sarkowski, H., 1990, S. 26)

Der bei den Deutschen beliebteste Auslandssender wurde der deutschsprachige Dienst der BBC, der 1940 eine feste Organisationsstruktur bekam. (vgl. Sarkowski, H., 1990, S. 20)

Leiter wurde Hugh Carleton Green. Hier zu hören in einem Beitrag vom 22.10.1941, in dem er die Ablehnung eines Friedens mit Hitler, nicht jedoch mit dem deutschen Volk bekundete. (S. Tondokument 6: 22.10.1941. Deutscher Dienst der BBC. Zur Ablehnung eines Friedens mit Hitler, jedoch einem Ja zu einem Frieden mit dem deutschen Volk. Hugh Carleton Green.)

Auch im Exil lebende Deutsche verlasen Meldungen über die Sender im deutschen Ausland. Mit der bekannteste Immigrant, der sich so an das deutsche Volk wandte ist Thomas Mann. Hier zu hören mit einer Ansprache an das deutsche Volk im März 1941: (S. Tondokument 7: "Deutsche Hörer!" - Ansprache an das deutsche Volk mit Warnung vor Hitler und seinem "Brandstifterregime". März 1940).
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1.3.3 Rundfunk im Dienst des Nationalsozialismus

Die Nationalsozialisten kannten die Wirkung, die von der Rundfunkpropaganda ausging, genau. Dazu erklärte Joseph Goebbels 1933 gegenüber der Intendantenkonferenz seine rundfunkpolitischen Vorstellungen "Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und das allerwichtigste Massenbeinflussungsmittel., das es überhaupt gibt. ... Der Rundfunk muß der Regierung die fehlenden 48 Prozent zusammentrommeln, und haben wir sie dann, muß der Rundfunk die 100 Prozent halten, muß sie verteidigen, muß sie innerlich so durchtränken mit den geistigen Inhalten unserer Zeit, daß niemand mehr ausbrechen kann." (zit. in: Sarkowski, H., 1990, S. 8, S. 9)

Zusammen mit der Industrie plante die Reichsrundfunkkammer Einheitsempfänger in hohen Stückzahlen zu produzieren. Diese "politischen Rundfunkgeräte" sollten alle Privathaushalte und Wehrmachtsangehörige aus politisch-propangandistischen Gründen versorgen. Die Reichsrundfunkkammer übernahm die Hörerwerbung und verpflichtete sich von 1936 an mindestens zehn größere Funkausstellungen in Verbindung mit den Rundfunkwerbewochen zu veranstalten. Höhepunkt der Werbung für den Rundfunk stellten die alljährlichen Berliner Funkausstellungen dar. (vgl. Diller, A.; 1980, S. 158, ff.)
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1.4 Nach 1945: Der Rundfunk wird öffentlich-rechtlich

Im Januar 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Mit Unterstützung der Alliierten wird am 5. August 1950 die Anstalt des öffentlichen Rechts - die "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" (ARD) gegründet. Mit ihr sollten Lehren aus der Zeit der Weimarer Republik und vor allem des Nationalsozialismus gezogen werden. In der Weimarer Republik war der Rundfunk als Staatsrundfunk definiert und als eine Art staatlicher Verwaltung konzipiert. Dies erleichterte den Nationalsozialisten die völlige Gleichschaltung der Medien zur einer Popagandamaschine für ihre Zwecke. Im neuen, demokratischen Deutschland sollte sich der Rundfunk an den unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen orientieren. Er durfte weder staatlich gelenkt, noch kommerziell gestaltet sein. Vielmehr mußte er überparteilich organisiert und dem Gemeinwohl verpflichtet sein.

Ein erneuter staatlicher Mißbrauch sollte durch seine Hauptstützpfeiler verhindert werden: (vgl. Grieger, K. 1995)

 

 
 
Förderalistische Struktur des Rundfunksystems 

Die Kulturhoheit und damit auch die Zuständigkeit in Sachen Rundfunk- und Medienpolitik wird auf Länderebene angesiedelt.

Die Rundfunkanstalten werden als selbstständige, selbstverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts ins Leben gerufen. Die Finanzierung erfolgt auf Grundlage von Gebühren der Rundfunknutzer und Nutzerinnen. Auf staatliche Steuer wird verzichtet. Gesellschaftlich bedeutsame Kräfte in den Rundfunkräten kontrollieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Interesse der Allgemeinheit. Sie sollen gewähren, daß alle wesentlichen Meinungen, auch die von Minderheiten, im Programm vertreten sind.
öffentlich-rechtlicher Rundfunk nach 1945

Mit der Einführung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems war ein Anspruch eines Teils der Arbeiterradiobewegung, nämlich der der Arbeiterinnen und Arbeiter an eigenen Sendern, oder eines eigen gestalteten Programms in bestehenden Sendern, völlig aufgehoben. Der Anspruch der SPD auf Mitbestimmung schien jedoch verwirklicht zu sein: Einige Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sind als "gesellschaftlich relevante Gruppe" in den Aufsichtsräten und Programmausschüssen vertreten, denn das Rundfunksystem ist repräsentativ gestaltet: Delegierte aus Parteien, Verbänden und Institutionen haben als Rundfunkräte Kontrollfunktion. Damit wurde zunächst im Radio, später auch im Fernsehen, eine Programmstruktur entwickelt, die alle Meinungen der Gesellschaft repräsentativ im Programm vertreten sollte.

Von Anbeginn war auch die öffentlich-rechtliche Rundfunkordnung Gegenstand machtpolitischer Einflußnahme und Kontrollversuche gewesen. Dies verstärkte sich besonders ab Mitte der fünfziger Jahre, als das Fernsehen zum Massenmedium wurde. Zwar war in den früheren Jahren die Rundfunkpolitik keinesfalls unpolitischer, sie spielte sich vielmehr in einem wenig von der öffentlichkeit betrachteten Kreis von Politikern und Fachleuten ab. (vgl. Kleinsteuber, H.J., 1982, S. 95)

Um zu begreifen, warum mit dem Aufkommen des Fernsehens das massive Interesse an der Rundfunkpolitik bei Politikern aller Richtungen, sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen, entstand, muß man "sich vor Augen führen:

In den fünfziger Jahren mischten sich auch die Zeitungsverleger in die Rundfunkdiskussion ein. Zunächst traten 1951 einige einzelne Interessenten aus dem Kreis der Süddeutschen Verleger auf, und versuchten Sendelizenzen zu erwerben. Ausgelöst durch die Einführung eines kommerziellen Fernsehkanals in Großbritannien 1954/55, erhoben die Zeitungsverleger als festen Programmpunkt des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Anspruch auf einen eigenen Rundfunk. Mit der Einführung des Werbefernsehens 1956 fürchteten sie um Werbeeinnahmen ihrer Zeitungen. Sie argumentierten, wenn Werbung im Fernsehen gesendet werde, dann sollen die Zeitungsverleger (wie auch bei der Presse) die einzigen Veranstalter sein. Spätere Untersuchungen (Ergebnisse der sog. Michel Kommission 1967) ergeben, daß die Einführung des Werbefernsehens praktisch keine Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen der Presse hatte. (vgl. Kleinsteuber, H.J. 1982, S. 60)

Einen weiteren Versuch, das alleinige Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzuschaffen, unternahm selbst gegen den Willen der CDU Ministerpräsidenten, der Bundeskanzler Konrad Adenauer. Adenauer verbündete sich mit Unternehmern und Verlegern und wollte so eine zweite Fernsehkette in Deutschland installieren - die "Deutschland-Fernsehen-GmbH". (vgl. Grieger, K. 1995).

Nach Satzung und die in ihr enthaltenen Programmgrundsätze, war die Deutschland-Fernsehen-GmbH eine vom Staat beherrschte privatrechtliche Gesellschaft. In ihren Aufsichtsrat waren mindestens zehn, höchstens fünfzehn Mitglieder zu wählen. Bis zu zehn dieser Mitglieder wurden von der Bundesregierung bestimmt - jeweils ein Mitglied von der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, des Arbeitgeberverbands und der Gewerkschaft. (vgl. Bausch, H. 1980, S. 420). "Die jeweilige Bundesregierung kann die Satzung jederzeit ändern, ohne daß die öffentlichkeit überhaupt etwas davon erfährt." (Erklärung der hessischen Landesregierung. Zit in: Bausch, H., 1980, S. 421). Am 25. Juli 1960, dem Tag der Unterzeichnung des Vertrags über die neue Fernseh-GmbH wandte sich der Stuttgarter Intendant Hans Bausch, vor seiner Wahl Landtagsabgeordneter der CDU in Baden Württemberg, nach der Tagesschau im Auftrag aller Intendanten der ARD an das Fernsehpublikum. (ebd. S.417): "...Die Niedersächsische Landesregierung ist von der Gründung einer Deutschland-Fernsehen-GmbH ebenso wie die gesamte Bevölkerung völlig überrascht worden. ... Das eigenmächtige Handeln des Bundeskanzlers beweise, daß es ihm in erster Linie nicht um ein zweites Fernsehen, sondern um ein Propagandainstrument für die Bundestagswahl 1961 gehe. ... Die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik haben folgende Erklärung abzugeben: 'Mit der Gründung einer privatwirtschaftlich organisierten Gesellschaft für das zweite Deutsche Fernsehprogramm wird die öffentlich-rechtliche und gemeinnützige Basis der Rundfunkorganisation in Deutschland aufgegeben. Dieser einseitige und vorbedachte Schritt der Bundesregierung erfüllt die Intendanten mit Sorge und Bestürzung. Im Gegensatz zu der bewährten öffentlich rechtlichen Grundlage des Fernsehens soll nunmehr ein kommerzielles System, geschaffen werden. Die Intendanten sehen darin eine Gefahr für die Unabhängigkeit und Objektivität eines der wichtigsten Informationsmittel. Sie warnen vor den Folgen für unsere Gesellschaft und das politische Leben.'" (zit. in Bausch, H., 1980, S.418, S.419).

Das von einigen Ländern angerufene Verfassungsgericht erklärte am 28. Februar 1961 im Geschichte gewordenen "Fernsehurteil" die Deutschland-Fernsehen-GmbH für verfassungswidrig. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, sowie die übrigen Anträge und Schriftsätze umfassen über 800 Seiten. Sie wurden 1964/65 in einem zweibändigen Werk (Zehner. Der Fernsehstreit) veröffentlicht. (ebd. S.433)

Drei Monate nach dem Fernsehurteil, am 6. Juni 1961, unterzeichneten die Ministerpräsidenten der Länder den "Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)". Der Aufbau dieses zweiten Fernsehens erfolgte nach dem Prinzip der Landesrundfunkanstalten. Es hat an der Spitze einen Intendanten, einen Fernsehrat, bestehend aus Vertretern der Allgemeinheit (den "gesellschaftlich relevanten Kräften"), sowie einen Verwaltungsrat, welcher die Geschäftsführung kontrolliert. Bis das ZDF sendebereit war, wurde das neue Fernsehprogramm vom 1. Juni 1961 bis zum 31. März 1963 von den ARD-Anstalten ausgestrahlt. (vgl. Diller, A., 1997, S. 345)

22 Monate hatte nun die ARD mit ihren eigenen Kapazitäten das zweite Fernsehprogramm gestaltet und verbreitet. Diese mit dem eigenständigen Sendestart des ZDF am 1. April 1963 freigewordenen Kapazitäten wurden als Grundstock für die regionalen Dritten Fernsehprogramme genutzt. Diese sollten die beiden "nationalen" Fernsehprogramme ergänzen. (vgl. Bausch, H., 1980, S.509).

Einen weiteren Versuch der machtpolitischen Einflußnahme auf das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Abschaffung seiner Monopolstellung dokumentiert ein internes Planungspapier der CDU-Bundeszentrale von 1978. Es geht davon aus, daß die Bundestagswahl 1980 nur dann zu gewinnen sei, wenn der WDR in seinen Programminhalten mehr auf CDU-Kurs gebracht werden kann. Dazu sollte ein "Kurs der öffentlichkeitsgestützten Konfrontation" eingeschlagen werden. (Originalzitate aus Wirtschaftswoche vom 11.08.77, S. 26f. zit in Kleinsteuber, H.J., 1982, S.97): "Die Verunsicherung der linkslastigen Führung und des überwiegenden Redaktionspotentials mit dem Ziel, daß sich beide unter ständiger Kontrolle fühlen und dadurch zu besonderer Vorsicht gegenüber der CDU angehalten sind." Es wird gefordert, das Privatfernsehen als Gegengewicht zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu installieren: "Dies um einmal das etablierte System zu verunsichern, zum anderen auch um den Rundfunk- und Fernsehmitarbeitern alternative Ausweichmöglichkeiten aufzuzeigen, um dem goldenen Politik-Gefängnis zu entfliehen." (ebd.)
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1.5 Freie Radios

Nicht nur von Seiten der Wirtschaft (hier insbesondere der Zeitungsverleger) und rechts-konservativer Politiker wurde das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisiert und angegriffen. Auch die (zumeist bürgerliche) Linke hatte andere Vorstellungen vom Rundfunk. "In der 'Stunde Null' wurden dem neuen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk die besten Anlagen mit auf den Weg gegeben. Doch die Anstalten sind Aufpasser geworden. ... Das letzte Wort im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben sie Aufseher der Ausgewogenheit., die Zeitnehmer des Proporz, die Staats-Groupies und die Pioniere kommerzieller Glätte. Irgendwann wird das Verteidigungsministerium das letzte Wort haben. ... Die wieder aktuell gewordene Diskussion über demokratische Alternativen zum herrschenden Rundfunksystem ist nicht nur eine Reaktion auf die kommerziellen Medienpläne von Verlagskonzernen, großer Industrie und CDU/CSU. Mit ihrem Mix aus seichter Muse, anspruchslosen Gags und ein paar kleingehexelten Wirklichkeitsfetzen haben die Sendefabriken ihr entsprechend dösendes Publikum gefunden. Das hat aber auch bei einigen Teilen der Bevölkerung produktive Phantasien für andere Medien(be)nutzung provoziert." (Wolfgang Hippe u.a., 1983)

Mitte der siebziger Jahre gingen von den Bürgerbewegungen (die wie es ihr Name schon verrät, meist bürgerlichen Ursprungs waren) Gruppen hervor, die weg von der öffentlich-rechtlichen Ausgewogenheit wollten. Sie forderten freien Zugang zum Rundfunk. Diese Forderung konnten sie jedoch nicht durchsetzen. So entstanden "freie Radios", die illegal betrieben wurden. Kleine Gruppen technikbegeisterter Menschen bastelten Radiosender, die sie den Bürgerbewegungen zur Verfügung stellten - ähnlich wie die "zentrale Funkleitung" im November 1918. Diese Sender waren unter anderem in der Lage, bei der Räumung von Hüttendörfern der Anti-AKW-Bewegung öffentlichkeit herzustellen.

Radio Freies Wendland machte mit seiner Liveberichterstattung von der Räumung des Hüttendorfes "Republik Freies Wendland" Rundfunkgeschichte. So informierte das Radio die ausgesperrten Vertreter der öffentlichkeit und Nachbarn mit Informationen der Räumung durch die Polizei und den Bundesgrenzschutz. (vgl. Hadamczik, M., 1983, S. 135)

Es ist nicht auszuschließen, daß ohne diese öffentlichkeit viele dieser Einsätze noch weitaus brutaler verlaufen wäre. Auch dienten die "freien Radios" zur Koordination von Demonstrationen. Des weiteren wurden über diese Radiosender Themen besprochen und Ansichten verbreitet, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen Platz hatten. ähnlich wie im November 1918 wurde das Radio als organisierende Kraft genutzt.

Den bisher letzten großen Einsatz hatte das illegal betriebene Freie Radio bei den Auseinandersetzungen um die Hamburger Hafenstraße 1987. Aus einem besetzten Haus heraus sendete Radio Hafenstraße mit Direktschaltungen zu Demonstrationen und Kundgebungen zu seinen Hörerinnen und Hörern. (S. Tondokument 8: Radio Hafenstraße). Doch wer waren und sind (potentielle) Hörerinnen und Hörer des Freien Radios?

"Es ist paradox. Obwohl die Normalbürger wohl nur in den seltensten Fällen ein Freies Radio hören, wendet sich ein großer Teil des Programms an sie. Genauer gesagt wendet er sich nicht an eine öffentlichkeit, sondern an die öffentlichkeit. Wenn etwa Hausbesitzer eine Sendung machen, dann nutzen sie die Zeit nicht unbedingt ... zum gezielten Ansprechen von Leuten, die den Sender vermutlich hören, sondern dazu, um Verständnis zu werben, um über die Wohnungsnot und Häuserspekulation aufzuklären. Alles Dinge, bei denen die tatsächlichen Hörer wahrscheinlich ... nicken und sagen: sehr richtig, das muß den Leuten mal gesagt werden. Diejenigen, für die das Programm gedacht ist, hören es nicht. Die es hören, ... wird nicht viel neues erzählt ... auf die Sendungen können sie verzichten." (vgl. Hadamczik, M., 1983, S. 146)

Mit dem Ende der Bürgerbewegungen stellten die meisten "freien Radios" ihren Betrieb wieder ein. Eine Ausnahme stellt das Freiburger "Radio Dreyeckland" dar. Es hatte in der Bevölkerung eine so starke Basis gefunden, daß es gelang, eine legale Frequenz zu erkämpfen. Dies blieb aber die Ausnahme.
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2 Rundfunk heute

2.1 Das Duale System

Bis 1984 stellte das öffentlich-rechtliche System die gesetzliche Grundlage für den Rundfunk dar. In diesem Jahr viel der Startschuß zum Kabelpilotprojekt in Ludwigshafen. Dies war die Geburtsstunde des privat-kommerziellen Rundfunks. Nach Eiführung des elektronischen Mediums Rundfunk im Jahr 1923 stellte das duale Rundfunksystem (die Koexistenz eines öffentlich-rechtlichen und des privat-kommerziellen Rundfunks) die vierte Rundfunkordnung in Deutschland dar (vgl. Hall, P., 1997, S. 21).

Mit der Zulassung privat-kommerzieller Sender in den Kabelpilotprojekten durch entsprechende Landesmediengesetze löste das duale Rundfunksystem im April 1987, aufgrund eines Rundfunkvertrags der Länder, das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem offiziell ab.

Ein Jahr nach Unterzeichnung des Rundfunkstaatsvertrages über das duale System wurde der erste ASTRA Satellit ins All geschickt. Mittlerweile befinden sich sechs dieser Satelliten in gleicher geostationärer Position, d.h. alle diese Satelliten können mit nur einem Parabolspiegel empfangen werden. über die ASTRA Satelliten werden diverse Hörfunk- und über 60 analoge Fernsehprogramme, davon derzeit 26 deutschsprachige, übertragen.
 
Deutschsprachige analoge ASTRA Fernsehprogramme
ARD öffentlich-rechtlich
ZDF öffentlich-rechtlich
ARTE/Kinderkanal öffentlich-rechtlich (Kulturkanal/Kinderkanal)
3sat öffentlich-rechtlich
Phoenix öffentlich-rechtlich (Ereigniskanal ARD/ZDF)
MDR öffentlich-rechtlich (3.Programm)
West 3 öffentlich-rechtlich (3.Programm)
Bayern 3 öffentlich-rechtlich (3.Programm)
N3 öffentlich-rechtlich (3.Programm)
Südwest 3 öffentlich-rechtlich (3.Programm)
ORB 3 öffentlich-rechtlich (3.Programm) ab Dezember 97
SAT.1 Privat-kommerziell 
RTL Privat-kommerziell 
Super RTL Privat-kommerziell 
RTL2 Privat-kommerziell 
PRO SIEBEN Privat-kommerziell 
Kabel 1 Privat-kommerziell 
n-tv Privat-kommerziell - Nachrichtenkanal
Eurosport Privat-kommerziell - Sportkanal
DSF Privat-kommerziell - Sportkanal
VOX Privat-kommerziell 
TM 3 Privat-kommerziell (Frauenkanal)
Nickelodeon Privat-kommerziell (Kinderkanal)
H.O.T. Privat-kommerziell (Einkaufsfernsehen)
QVC Privat-kommerziell (Einkaufsfernsehen)
Teleclub
Privat-kommerziell (Pay-TV, verschlüsselt)
Premiere Privat-kommerziell (Pay-TV, verschlüsselt)
Das Verhältnis der Programme (öffentlich-rechtlich zu privat-kommerziell) auf den ASTRA-Satelliten entspricht in etwa auch dem der Publikums Reichweite: 40% der Einschaltquote gehen auf das öffentlich-rechtliche, 60% auf das privat-kommerzielle Programm.

Dieses Verhältnis gibt Anlaß zu öffentlich kontrovers geführten Debatten. Vielfach wird argumentiert, daß die Fernsehgebühr von etwa 20,00DM/Monat (die Radiogebühren sind hier nicht mit eingerechnet) für nur 40% des Programms ungerechtfertigt sind. Doch ist privat-kommerzielles Fernsehen wirklich kostenlos? Hier machte Hans J. Kleinsteuber am 1.9.97 in der Süddeutschen Zeitung folgende Rechnung auf: Die Privat-kommerziellen Fernsehsender hatten 1996 Werbeeinnahmen in Höhe von 6,3 Milliarden DM (Quelle RTL-Hauszeitung). Teilt man nun diese Werbeeinnahmen auf die 32 Millionen Haushalte auf, so entfällt auf jeden Haushalt knapp 200,00 DM für das privat-kommerzielle Fernsehen. Kleinsteuber nennt dies "versteckte Werbesteurer", finanziert über die Produkte der werbetreibenden Industrie.
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2.2 Offene Kanäle

Mit der Einführung des Duales Systems wurden die "Offenen Kanäle" geschaffen. Dies sind entweder eigene Frequenzen im Kabel, oder im äther, bzw. Sendezeiten in den Programmen der kommerziellen Rundfunkstationen. Es gibt Offene Kanäle sowohl für Radio- als auch Fernsehprogramme. Die Struktur dieser für jedermann frei zugänglichen Kanäle ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Allen gemeinsam ist der freie Zugang und die Möglichkeit der freien Gestaltung der Sendungen. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde damit die legale Möglichkeit geschaffen, den Rundfunk als gesellschaftlichen Kommunikationsapparat zu nutzen, denn prinzipiell kann hier jeder bisherige Medienkonsument und jede Medienkonsumentin zum Medienmacher und zur Medienmacherin werden. Dennoch sind diese Offen Kanäle noch weit von den Möglichkeiten der freien Radios entfernt:

- nicht in jedem Bundesland sind Live-Sendungen möglich,

- in manchen Bundesländern sind die Offenen Kanäle nur über Kabel zu empfangen, und so nicht allen potentiellen Empfängern zugänglich,

- teilweise senden die Offenen Kanäle über die kommerziellen Sender zu Zeiten, in denen kaum Hörerreichweite besteht,

- nicht in allen Bundesländern tragen die Produzentinnen und Produzenten die Programmverantwortung, sondern der Sender, über den sie ihre Sen- dungen verbreiten.

In NRW sind die privat-kommerziellen Lokalradios verpflichtet, 15% ihrer eigenen Sendezeit sogenannten "Bürgerfunkgruppen" zur Verfügung zu stellen. Die Sendezeiten für den Bürgerfunk schwanken, je nach Lokalradio zwischen 45 und 70 Minuten täglicher Sendezeit. Der Bürgerfunk wird in aller Regel zwischen 18.00 Uhr und 21.00 Uhr ausgestrahlt. Es dürfen faktisch keine Live Sendungen produziert werden, sondern es wird auf Tonträger vorproduziert. Die Verantwortung für den Bürgerfunk liegt beim lokalen Radiosender. In aller Regel prüft dieser Sender drei Tage vor Ausstrahlung den Inhalt der Bürgerfunksendung auf presserechtliche Unbedenklichkeit.

Weiterhin besteht in NRW die Möglichkeit einen Offen Fernsehkanal, der über Kabel auszustrahlen ist, zu lizensieren.
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3 Entwicklung des Rundfunks: Die dritte Generation - das digitale Zeitalter

Wir stehen im Moment an der Schwelle einer neuen, der dritten Generation des Rundfunks in der Bundesrepublik. Darüber, wie das digitale Zeitalter genau aussehen wird, laßt sich nur spekulieren. Allerdings werden heute die Weichen dafür gestellt - und einige sind bereits gestellt. Wie bereits erwähnt werden ca. 60 analoge Fernsehprogramme europaweit über die ASTRA-Satelliten ausgestrahlt. Drei viertel aller Bundesdeutschen Haushalte beziehen das Fernsehprogramm direkt, oder indirekt über Kabel (die deutsche Telekom speist ihre Programme über ASTRA Empfangsanlagen in ihr Netz), über diese ASTRA-Satelliten. Betreiber der ASTRA-Satelliten ist die luxemburgische SES (Société Eurpéenne des Satellites), eine Gesellschaft Luxemburger Rechts und somit auch keinerlei bundesdeutschen Mediengesetzen unterworfen. Zur Zeit befinden sich sechs ASTRA-Satelliten im All, ein siebter soll in kürze seinen Betrieb aufnehmen. Jeder dieser Satelliten ist in der Lage, 16 analoge Fernsehprogramme zu übertragen. Werden nun statt analoger, digitalisierte Fernsehsignale über diese Satelliten ausgestrahlt, so erhöht sich die übertragungskapazität pro Kanal auf fünf bis 15 Programme. Dies bedeutet, daß ein ASTRA-Satellit statt16 etwa 150 Fernsehprogramme übertragen kann. Rein technisch gesehen ist es schon heute möglich etwa eintausend digitaler Fernsehprogramme europaweit auszustrahlen. Es ist geplant bis zum Jahr 2000 die Kapazität auf drei bis viertausend Fernsehkanäle zu erweitern.

Seit 1994 wurde versucht das digitale System der Fernsehübertragung in Europa zu nutzen. Dazu wollte Leo Kirch zusammen mit Bertelsmann und der Telekom die Media-Service-Group gründen. Dies wurde jedoch von der Europäischen Union untersagt, weil dieser Zusammenschluß ein zu mächtiges Kartell gebildet hätte. So versuchte es Leo Kirch im Juni 1996 im Alleingang und gründete das DF 1 (Digitales Fernsehen 1). Um dieses Fernsehen empfangen zu können, benötigt der Fernsehkonsument und die Fernsehkonsumentin eine sogenannte "Set Top Box". Dieses Zusatzgerät wird zwischen den Satellitenempfänger und dem Fernsehgerät geschaltet. Den Namen "Set Top Box" (setze oben drauf Schachtel) trägt dieses Zusatzgerät, weil es üblicherweise auf den Fernseher gestellt wird. Eine solche Box kostet etwa 1100,00 DM und monatlich werden Gebühren in Höhe von 20,00 DM fällig. Damit sind dann neben den üblichen Programmen noch 30 deutschsprachige Fernsehprogramme zusätzlich zu empfangen. Dies sind u.a. 24 Stunden Spielfilm Spartenkanäle, wie Westernkanal, Science-fiction-Kanal Liebesfilmkanal und andere.

Weiterhin kann diese "Set Top Box" mit dem Telefon verbunden werden. So besteht ein Rückkanal zu DF 1. Hiermit kann die Konsumentin und der Konsument sich einen Film aus einem großen Spielfilmangebot auswählen, den er dann direkt nach der Bestellung bezahlt (ein Film kostet zur Zeit 6,00 DM). Dieses Verfahren heißt "Pay per View" (PPV). Im Gegensatz zum Pay-TV (Pay per channel), wie z.B. bei premiere, werden nur Filme berechnet, die zuvor bestellt wurden sind und nicht die Möglichkeit des Empfangs eines Fernsehkanals.

Weiterhin wird, wenn die übertragungskapazität ausreicht (und dies wird bei drei bis viertausend Fernsehkanälen im Jahr 2000 nicht mehr lange dauern) die Möglichkeit des "Video on Demand" (VOD) bestehen. Hier besteht die Möglichkeit, sich einen Film, wie in einer Videothek auszuwählen und in Sekundenschnelle über den Rückkanal zu bestellen. Gleichzeitig besteht dann die Möglichkeit, im Gegensatz zum "Pay per View", wie beim Videorekorder Vor- Rücklauf und Stopfunktionen anzuwenden.

Eine weitere Möglichkeit, die die "Set Top Box" über den Rückkanal darstellt, ist ein interaktives "Teleshopping". Die über einen Verkaufskanal angebotene Ware kann so direkt per Knopfdruck bestellt werden.

Die differenzierten Pay-TV Angebote und Teleshoppingmöglichkeiten ergeben in den Zentralen des neuen digitalen Fernsehens genaue Nutzerprofile der Kunden und Kundinnen. So ist leicht zu ermitteln, welche Filme bevorzugt werden und welche Produkte gekauft werden. Dies wirft Fragen des Datenschutzes auf, die noch gar nicht behandelt sind.

Die "Set Top Boxen" sind kleine Computer, die von den Zentralen fernbedienbar und somit auch umprogrammierbar sind. Dies geht soweit, daß einzelne Programme aus dem Angebot genommen werden können. 1996 hatten sich einige eine "Set Up Box" gekauft, weil darüber italienisches Fernsehen zu empfangen war. Von einem Tag zum nächsten, wurde die Box so umprogrammiert, daß kein italienisches Fernsehen mehr zu empfangen war. Probleme des Urheberrecht waren der Grund. Fest steht, daß der Anbieter des digitalen Fernsehens darüber entscheiden kann, welche Programme der Konsument, oder die Konsumentin empfangen kann. Technisch geht das soweit, daß theoretisch jede einzelne Box beliebig programmierbar ist. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu erwähnen, in welcher Reihenfolge die Programme z.Z. angeboten werden: Beim DF 1 waren bei der Funkausstellung 1997 die ersten 30 Programme selbstverständlich die eigenen DF 1 Kanäle. Die ARD hatte einen Programmplatz bei den siebziger, das ZDF sogar erst bei den achtziger Kanalnummern.

Der Rückkanal der heutigen "Set Top Boxen" ist so schwach ausgelegt, daß er nicht ins Internet zugreifen kann - obwohl es sich um die gleiche Technik, Datenübertragung per Modem, handelt. Die Fernsehzuschauer sollen hier beim Fernsehen gehalten werden, sie sollen nicht ins Internet wechseln. Hier unterscheidet sich das Europäische Digitale Fernsehen eindeutig vom Nordamerikanischen. In Nordamerika wurde 1993 der "Information Super Highway" ins Leben gerufen. Nutzer des digitalen Fernsehens können dort über den Rückkanal nicht nur ins Internet gelangen, sondern auch eigene Programme ins Netz einspeisen. Dies ermöglicht auch kleinen Programmanbietern sich am digitalen Fernsehen zu beteiligen, was mit der europäischen Technik, die das starre Sender-Empfänger-Prinzip verfolgt nicht möglich ist. Somit ist Europa von der Theorie Bertolt Brechts, daß jeder Empfänger ein potentieller Sender sein muß noch weit entfernt, während sie in Nordamerika Wirklichkeit zu werden scheint.

Allerdings hatte sich Leo Kirch mit dem Einstieg in das digitale Fernsehzeitalter verkalkuliert. Bis Ende 1996 hatte er damit gerechnet, 200.000 Abonnenten für DF1 zu bekommen. Allerdings waren es bis Mitte 1997 lediglich 30.000. Gleichzeitig hatte Kirch sämtliche Filmmärkte für neue Hollywood Ware, zum Teil überteuert, leergekauft. Damit hat er zwar dafür gesorgt, daß Bertelsmann nicht als Konkurrenz auftreten kann, denn Bertelsmann hatte nicht genügend Filme, um ein gleiches System einführen zu können. Allerdings hatte sich Kirch weit höhere Umsätze ausgerechnet. Es wird geschätzt, daß Kirch mit seinem DF 1 Projekt bereits eine Milliarde DM verloren hat. So ist Kirch in den letzten Monaten erneut, jetzt deutlich geschwächt, wieder in Verhandlungen mit Bertelsmann getreten. Angestrebt wird wieder ein Kartell zwischen Bertelsmann, Kirch und der Telekom.

Wie sich das digitale Medienzeitalter bei uns in Europa und Weltweit weiterentwickeln wird, ist noch nicht abzusehen. Es wird mindestens genau so spannend bleiben, wie die gesamte Entwicklung des Rundfunks seit der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen im Jahr 1887 gewesen ist.

 

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Literaturverzeichnis

CD ROM 20er Jahre, SDR Schulfunk, 1994

Wirtschaftswoche vom 11.08.77

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Ratzke, Dietrich. (Hrsg.). Die Bildschirmzeitung. Berlin, 1977 (Sammelband mit Beiträgen zur Auseinandersetzung neuer Funktechnologien).

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