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Universität Tübingen

 
Historisches Seminar
Institut für geschichtliche Landeskunde / Proseminar
"Reformation in Südwestdeutschland"
Württembergische Außenpolitik nach der Einführung der Reformation
Von der Restitution Ulrichs bis zum Interim
Leitung: Sabine Holtz
Achim Glasbrenner
SS 1992  / Note: 2

 
 
 
 



 
 

Bibliographie
 

I. Quellen

DICKMANN, Fritz: Geschichte in Quellen. Renaissance - Glaubenskämpfe - Absolutismus, Bayrischer Schulbuchverlag, 1976, 2.Auflage
 

II. Literatur

BRECHT, Martin - EHMER, Hermann: Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg 1534, Stuttgart 1984

GRUNDMANN, Herbert: Philipp von Hessen in Augsburg 1530, in: HEIMPEL, Hermann Hsg, Aus Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts, Göttingen 1958, Schrift 5

MARQUARDT, Ernst: Geschichte Württembergs, Stuttgart 1985, 3. Auflage

GEBHARDT: Handbuch der deutschen Geschichte. Band 2. Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus , Stuttgart 1970, 9. Auflage

GRUBE, Walter: Der Stuttgarter Landtag 1457-1957 , Stuttgart 1957

DEETJEN, Werner-Ulrich: Studien zur württembergischen Kirchenordnung unter Herzog Ulrich 1534-1550, Calwer Verlag, 1981
 
 



 

Inhaltsverzeichnis
 
 

I. Einleitung

II. Der Beginn Ulrichs zweiter Herrschaftsperiode

II.a Die Vorgeschichte und die Situation nach dem Sieg bei Lauffen

II.b Vor dem Beitritt zum Schmalkaldischen Bund

II.c Württemberg im Schmalkaldischen Bund

III. Veränderungen der Außenpolitik nach dem Frankfurter Anstand

IV. Das Scheitern der Entspannung. Der Krieg

V. Zusammenfassung
 
 



 

I. Einleitung
 

Es erschien mir zweckmäßig zum besseren Verständnis der württembergischen Politik nach Ulrichs Restitution, auch kurz auf einige herausragende Ereignisse der Reichspolitik zwischen 1519 und 1534 einzugehen, insofern sie für die weitere Entwicklung von Bedeutung sind.

In den folgenden Kapiteln versuchte ich, den Interessenkonflikt zwischen Ulrich, Ferdinand und Karl zu verdeutlichen, der sich bis zum Krieg fortsetzte. Der eine möchte reformatorische Veränderungen einführen, die anderen sahen in der ganzen Bewegung eine drohende Einschränkung ihrer Macht. Der eine möchte aber gleichzeitig auch noch seine volle fürstliche Souveränität wieder zurückerlangen, die anderen möchten das mit Gewalt entrissene Territorium noch nicht verloren geben.

Obwohl sich Ulrich besonders nach dem Frankfurter Anstand ernstlich um einen Ausgleich der Interessen bemühte, entwickelten sich die Dinge mit "einer inneren Zwangsläufigkeit"(1) zum Krieg hin.
 
 
 

II. Der Beginn Ulrichs zweiter Herrschaftsperiode
 

II.a Die Vorgeschichte und die Situation nach dem Sieg bei Lauffen
 

Nachdem Ulrich im März 1519 durch die Truppen des Schwäbischen Bundes vertrieben worden war, wurde zunächst ein landständisches Regiment unter Schirmherrschaft des Schwäbischen Bundes eingerichtet. Da der Bund aber als Militärbündnis konstituiert war und die geforderte Rückerstattung der Kriegskosten aus den leeren Kassen des Herzogtums nur langsam voranging, entschloß man sich, wohl auch verunsichert durch einen ersten Rückeroberungsversuch Ulrichs (August 1519), Württemberg gegen Erstattung der Kriegskosten an den Kaiser abzugeben.(2)

Dieser setzte seinen Bruder Ferdinand als Gubernator aller deutschen Länder Habsburgs ein und so geriet auch Württemberg unter die Verfügungsgewalt des Erzherzogs (März 1522). Das habsburgische Regiment unter Statthalter Zevenhagen versuchte, die Anhänger des Herzogs von politischen Ämtern auszuschließen. Daß Ulrichs Rückhalt beim Volk noch sehr groß war, zeigte ein zweiter Versuch ('25), das Land militärisch zurückzugewinnen. Es unterstellten sich ihm viele württembergische Bauern freiwillig, doch als die schweizer Tagsatzung auf Druck Zevenhagens die Landsknechte, die Ulrich angeworben hatte, zurückrief, schlug auch dieser Versuch fehl.(3)

Seit dem Jahre '27 fand Ulrich trotz der mehrfach gegen ihn verhängten Reichsacht Asyl bei seinen Vetter Philipp, Landgraf von Hessen, und hatte durch ihn Zugang zu protestantischen Kreisen. Auf Religionsgesprächen machte er Bekanntschaft mit Luther und Zwingli. Mit Letzterem verband ihn gegenseitige Sympathie. Im Gefolge Philipps nahm er an Reichstagen teil und versuchte, durch Gesuche und Fürsprecher seine Wiedereinsetzung auf friedlichem Wege zu erreichen.

Der Reichstag zu Augsburg 1530 war in vielerlei Hinsicht bedeutend für die folgenden Jahre. Der Kaiser war als Vogt der Kirche entschlossen, die Glaubenskonflikte endgültig zu klären. Als Gegenstück zur Confessio, zur Tetrapolitana und zur zwinglianischen ratio fidei erschien aber lediglich die unversöhnliche Confutatio. Die Verhandlungen des Kaisers mit dem Papst scheiterten an dessen Angst, durch ein Konzil an Einfluß zu verlieren. Selbst eine gewaltsame Entscheidung der Glaubensfrage, die der Kaiser sich als letzten Ausweg offenhielt, scheiterte an der Unentschlossenheit der katholischen Reichsstände. Als Reaktion auf den Reichstagsabschied, die drohende Exekution des Wormser Edikts und die Reichskammergerichtsprozesse, und auf die Wahl Ferdinands zum römischen König, schlossen sich die Speyrer Protestanten 1531 zum Schmalkaldischen Bund zusammen.

Das Reich teilte sich somit in zwei konfessionelle Blöcke und vor allem die Schmalkaldener waren bemüht, ihre Position durch Vergrößerung des Bundes zu stärken. Das Engagement Landgraf Philipps für Ulrichs Sache ist deshalb um so verständlicher, und schon auf dem Reichstag zu Augsburg beriet er mit Herzog Heinrich von Braunschweig- Wolfenbüttel über eine gewaltsame Restitution Ulrichs, die aber damals an der Zurückhaltung des Braunschweigers scheiterte.(4)

Als sich aber zu Beginn des Jahres '34 der Schwäbische Bund wegen religiöser Streitpunkte zwischen den katholischen Mitgliedern (v.a. Bayern u. Habsburg) und den vorwiegend zwinglianisch reformierten oberdeutschen Städten auflöste, sah Philipp den Zeitpunkt für gekommen, einen Feldzug nach Württemberg zu unternehmen. Mit Unterstützung des französischen Königs, zu dem Ulrich während seines Exils Verbindung aufgenommen hatte, und mit hessischen Geldern, wurde durch die Schlacht bei Lauffen am Neckar die habsburgische Besatzung beendet.

Da König Ferdinand nicht mit Philipp oder Ulrich, die er als Landfriedbrecher ansah, verhandeln wollte, stellte sich in Kaaden für die Schmalkaldener Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen zur Verfügung. Der Kurfürst hatte dem militärischen Vorgehen erst nach langem Ringen und nur ungern zugestimmt, deshalb ist es nicht sehr verwunderlich, daß er kein engagierter Anwalt in Ulrichs Angelegenheiten war. Nach zähen Verhandlungen gab er seine Opposition gegen die Königswürde Ferdinands auf. Im Gegenzug einigte man sich formelhaft auf die Verlängerung des Nürnberger Anstands ('32) für alle protestantischen Fürsten und die Rückführung Herzog Ulrichs, allerdings als Aftervasall Habsburgs. Darüber hinaus verzichtete Philipp auf die vom französischen König erwartete Fortführung des Krieges nach Böhmen. Ulrichs Verärgerung darüber, daß er sein Land nicht mehr als reichsunmittelbarer Fürst regieren sollte, erklärt zum Teil die von nun an gespannten Beziehungen zu den Schmalkaldenern. Diese hatten aber erreicht, was sie wollten: einen protestantischen Fürsten an der Spitze Württembergs und die Verlängerung des Nürnberger Anstands.

Ferdinand widersprach aber zunächst der protestantischen Auffassung, im Kaadener Vertrag würde Ulrich ein ius reformandi zugestanden. In weiteren Verhandlungen konnte die Auslegung der Abmachungen doch zumindest offengehalten werden. Die Situation Ferdinands, der Krieg, den er in Böhmen führte und das im Süden stehende Heer Philipps und Ulrichs, sowie die Gefahr einer Eskalation zwischen den konfessionellen Blöcken, mögen ihn dazu bewogen haben.(5)

Die größte Schwierigkeit im Hinblick auf eine Reformation in Württemberg machte aber der sogenannte Sakramentiererartikel, der eine zwinglianische Reformation eindeutig ausschloß. Die reformatorische Richtung hätte aber auch ohne diese Bestimmung Rücksicht auf die geopolitische Lage des Herzogtums nehmen müssen.

An den Eidgenossen als mögliche Bündnispartner war dem Herzog ebenso gelegen wie an den oberdeutschen Städten. Beide hätte man mit einer rein lutherischen Reformation vor den Kopf gestoßen. Sie war wegen des großen Einflusses Straßburgs auf Ulrich und Philipp genauso unwahrscheinlich wie eine rein zwinglianische, obwohl man letztere aufgrund der guten Beziehungen Ulrichs und seines Bruders Georg mit den Schweizern eher hätte erwarten können. über Ulrichs persönliche Neigung und über seine Stellung zum Abendmahlsstreit ist wenig bekannt, aber ich denke, selbst wenn Ulrich einen Gewissenskonflikt hätte austragen müssen, hätte er doch deutlich die Notwendigkeit gesehen, beide Richtungen an der Reformation des Landes zu beteiligen. Die zwinglianische wegen den Oberdeutschen, die lutherische schon wegen des Sakramentiererartikels.

Für die lutherischen Schmalkaldener war der Kaadener Vertrag in theologischer Hinsicht zwar kein großer Erfolg, da der Sakramentiererartikel die ohnehin schwierigen Beziehungen zu den Oberdeutschen noch weiter erschwerte, doch war zumindest die katholische Vormacht im Südwesten gebrochen.
 

II.b Vor dem Beitritt zum Schmalkaldischen Bund

Die Verärgerung über die Einschränkung seiner fürstlichen Souveränität durch den Kaadener Friedensschluß und die Enttäuschung wegen des frühen Einlenkens der schmalkaldischen Verhandlungspartner in dieser Sache, bestimmtem zunächst die Handlungen Ulrichs. Er weigerte sich bis zum August '35, dem Vertrag zuzustimmen und zur Belehnung nach Wien zu reisen, begann aber sofort mit der Reformation und versuchte parallel dazu, seine rechtlich noch unsichere Position als Herrscher von Württemberg durch Bündnisse zu festigen.

Für die Aufgaben der Reformation stellten sich unter Vermittlung Hessens und Straßburgs bald der Lutheraner Schnepf und der Oberdeutsche Blarer als zwei fähige und erfahrene Theologen heraus. Durch sie wurde den reformatorischen Strömungen im Land Rechnung getragen und durch die Stuttgarter Konkordie im August '34, in der sich Blarer an die lutherische Abendmahlsauffassung annäherte, wurde ein erster Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Ansichten erzielt. Die Wirkungsgebiete wurden aufgeteilt. Schnepf betätigte sich nördlich der Weinsteige, der Blarer im Süden.(6)

Trotz der Stuttgarter Konkordie entging Ulrich nicht den bis zur Entlassung Blarers (38) anhaltenden Vorwürfen Ferdinands, den Süden des Landes zwinglianisch zu reformieren und somit gegen den Sakramentiererartikel zu verstoßen, den Ulrich im Wiener Vertrag neben anderem erst im August '35 anerkannte.

Die ständigen gutgemeinten Mahnungen des Landgrafen, dem Kaadener Vertrag zuzustimmen, überhörte Ulrich anfänglich.

Die Beziehungen zu Hessen waren wegen der Kriegsschuldforderungen verstimmt. Um die Gelder aufzubringen, war Ulrich gezwungen, hart bei der Enteignung des Kirchenbesitzes vorzugehen, was ihm allerdings gefährliche Klagen beim Reichskammergericht einbrachte. Ebenso mußte die Grafschaft Mömpelgard, die er zur Finanzierung seiner Rüstung an Frankreich verpfändet hatte, zurückgekauft werden. Ohne die zügige Einführung der Reformation und die damit verbundene Ausweitung fürstlicher Macht auf bis dato kirchliches Eigentum, hätte Ulrich die benötigten Summen wohl nur schwerlich aufbringen können. Daß Ulrich sich bei der Besteuerung vor allem an die Reichen, an die Prälaten noch mehr als an die Ehrbarkeit hielt, um den gemeinen Mann zu schonen, kann als Ausdruck einer volksnahen Gesinnung verstanden werden.(7)

Wohl um seine Verhandlungsposition bei den Verhandlungen mit Ferdinand zu stärken und doch noch als reichsunmittelbarer Fürst restituiert zu werden, versuchte er zwischen August '34 und August '35, mit verschiedenen Nachbarn Bündnisse einzugehen.(8)

Auf ein Angebot Bayerns im August '34 ging er zuerst ein. Es sollte ein Defensivbündnis mit einigen oberdeutschen Städten sein, das aber keine religiösen Punkte berührt und die Schwächung des habsburgischen Einflusses bewirken sollte. Nach Bekanntwerden des Linzer Vertrags (September 34), in dem Bayern und Habsburg ihre Beziehungen normalisierten, wurde Ulrich aber die Gefahr bewußt, daß Bayern mit Hilfe von christophinisch-katholischen Teilen der Ehrbarkeit eher die Einsetzung seines Sohnes und seine Vertreibung beabsichtigte.

Ulrichs Versuche, die Eidgenossen als starke Partner zu gewinnen, schlugen trotz anfänglichem Interesse der Schweizer nach Bekanntwerden des Sakramentiererartikels fehl, doch blieben die Beziehungen freundlich. Ebenfalls nicht zum Vertragsabschluß kamen Verhandlungen mit Markgraf Bernhard, dem badischen Nachbarn, im Oktober '34 über eine gemeinsame Einführung der Reformation.

Die Beziehungen zu Hessen wurden auf dem Vergleichstag zu Ladenburg ('35) normalisiert. Der Landgraf konnte Ulrich inzwischen auch die Gefährlichkeit seines Kurses klarmachen, da Ulrich noch immer nicht offiziell mit dem Herzogtum belehnt worden war und im Falle eines militärischen Vorgehens des vor allem wegen Ulrichs Kontakte zu Frankreich (August/September '34) immer mißtrauischer werdenden Königs Ferdinand, ohne Partner dastehen würde.

Endlich im August '35 reiste Ulrich nach Wien und erkannte im Wiener Vertrag die Verhandlungsergebnisse in Kaaden an. Das unnachgiebige Beharren Ferdinands auf dem Sakramentiererartikel erschwerte die ohnehin umstrittene Position Blarers als württembergischer Reformator noch weiter. Die Gefahr einer erneuten Vertreibung war mit diesem Canossagang aber vorerst gebannt.

Im selben Jahr wurde auf dem Bundestag der Schmalkaldener auf Drängen Hessens beschlossen, mit potentiellen Mitgliedern wie z.B. Württemberg nähere Verhandlungen zu beginnen. Nicht nur Kursachsen sondern auch Ulm hatten aber Bedenken, Herzog Ulrich in den Bund aufzunehmen. Kurfürst Johann Friedrich sah in der Unberechenbarkeit und in der Eigensinnigkeit Herzog Ulrichs einen Risikofaktor.

Ulm befürchtete zum einen ein Übergewicht an fürstlichen Territorien im Bund, wodurch der Einfluß der kleineren Reichsstädte zurückgehen könnte, zum anderen eine Bedrohung der reichsstädtischen Souveränität durch den wiedererstarkten württembergischen Nachbarn. Der später ausbrechende Streit Ulrichs mit reichstädtischen Bundesmitgliedern bestätigte diese Befürchtungen.

Doch die hessischen Bemühungen erreichten schließlich im April '36 die Aufnahme Württembergs in den Schmalkaldischen Bund. Der Herzog jedoch wollte seine Mitgliedschaft nur auf Kirchen- und Religionssachen beschränkt wissen und auch nur einen halben Beitrag leisten. Dieser Wunsch begründet sich in Ulrichs großer Wertschätzung seiner fürstlichen Souveränität, die er nicht durch zu enge vertragliche Bindungen eingeschränkt sehen wollte und in der Rücksichtnahme auf seinen katholischen Lehnsherrn, dem er keinen Vorwand für eine erneute Vertreibung geben durfte.

Der Beitritt brachte Ulrich die Sicherheit einer politisch immer stärker werdenden Gruppe von protestantischen Fürsten und Reichsstädten. Darüber hinaus gelangte er, freilich nur nach schmalkaldischer Lesart, in den Schutz der Reichsfriedstände für alle Anhänger der Confessio Augustana. Auf eine reichsrechtlich verbindliche Absicherung der württembergischen Reformation mußte er noch warten. Sie zu erreichen, war Ulrichs politisches Ziel der nächsten Jahre.
 

II.c Württemberg im Schmalkaldischen Bund

Der Beitritt Württembergs zum Schmalkaldischen Bund und das Scheitern Ulrichs vorangegangener Bündnisbemühungen zeigen, wie sehr inzwischen das Zustandekommen von Vertragsabschlüssen von der Konfession der Verhandlungspartner abhängig geworden war.

Für die Protestanten bestand spätestens nach dem Reichstagsabschied zu Augsburg 1530 die Notwendigkeit, eine drohende gewaltsame Unterdrückung ihrer Überzeugung durch die Stärke eines gemeinsamen Bündnisses zu verhindern. Da aber die im Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossenen protestantischen Territorien eine rechtliche Gleichstellung oder zumindest eine Duldung ihrer Konfession erreichen wollten, war, um vor dem Kaiser oder auf einem Konzil mit einer starken gemeinsamen Stimme sprechen zu können, eine einheitliche Linie vonnöten, sowohl in religionstheoretischen Fragen als auch in der Art und Weise der Durchsetzung reformatorischer Veränderungen in den einzelnen Ländern, also eine Einheitlichkeit in der Idee und in der Durchführung der Reformation.

Die Idee, also die theoretische Grundlage des protestantischen Glaubensverständnisses und -bekenntnisses wurde in der Wittenberger Konkordie ('36), durch eine weitere Annäherung der zwinglianischen Oberdeutschen zu den Lutheranern, weiter vereinheitlicht. Diese Übereinkunft machte den Beitritt weiterer oberdeutscher Städte möglich. Die Frage allerdings, wie mit dem in der Hand des altgläubigen Klerus befindlichen Kirchenbesitzes umzugehen sei, blieb weiter schwierig, weil die Vorgehensweise hierbei in der Verantwortung der jeweiligen fürstlichen oder städtischen Regierungsgewalt lag. Die auf Einheitlichkeit bedachten Schmalkaldener mußten also zwangsläufig an dem selbstherrlichen und mitunter auch recht harten Vorgehen Ulrichs in dieser Sache Anstoß nehmen.

Aus Ulrichs Sicht waren seine Ansprüche und seine Handlungen nicht nur legitim, sondern entsprachen auch einer konsequenten Ausübung seines Herrschaftsverständnisses. Für ihn war die Fürsorge um und die Verwaltung von kirchlichem Besitz eine Pflicht und ein ererbtes Recht seines Standes. Trotz ständiger Mahnungen Philipps mochte der Herzog von dieser Ansicht über die Aufgaben und Rechte eines Herrschers nicht abgehen. Wie sehr das württembergische Verhalten ein Störfaktor für die Beziehungen zum Bund sein mußte, wird dadurch deutlich, daß seit '37 auf jedem schmalkaldischen Bundestag über eine gleiche und geordnete Verfahrensweise in der Kirchengüterfrage beraten wurde.(9)

Daneben war die Person Ulrichs nicht unumstritten. Wegen des Mordes an Hans von Hutten und des Überfalls auf Reutlingen, fürchtete man um das Ansehen des Bundes und seine persönlichen Konfrontationen mit den reichsstädtischen Bundesmitgliedern Ulm und Esslingen ließen an seiner Loyalität zweifeln. Daß Ulrich nur ein einziges Mal auf einem schmalkaldischen Bundestag persönlich anwesend war, nämlich bei seinem Beitritt 36 in Frankfurt, und sich in den folgenden Jahren durch Gesandte vertreten ließ , empfanden einige fürstliche Mitglieder als Affront, andere interpretierten es als Desinteresse, auf jeden Fall aber, da die Gesandten oft Rückfragen mußten, wurde der Entscheidungsablauf des Bundes aufgehalten.

Das ungeklärte und gespannte Verhältnis Ulrichs zu seinem Sohn Christoph gab zu weiteren Mahnungen Anlaß. Da Christoph noch katholisch war, mußte nach dem Tode Ulrichs eine Wiedereinführung der alten Lehre in Württemberg befürchtet werden. Der Bundestagsabschied in Braunschweig 38, sah deshalb vor, daß alle Mitglieder Vorkehrungen für den Erhalt der Reformation zu treffen hätten.(10)

Ulrichs verhaltenes Engagement und seine Zurückhaltung in Bundes-angelegenheiten laßt sich mit seiner Rücksichtnahme auf den königlichen Lehnsherrn erklären, schließlich war Württemberg noch immer habsburgisches Reichslehen. Rechtlich war es ohnehin fragwürdig gewesen, daß Ferdinand ein Reichslehen weiterverlieh. Zwar hörten die Mahnungen des Königs wegen der Beteiligung Blarers an der württembergischen Reformation nach dessen Entlassung '38 auf, doch in den weiteranhaltenden Klagen gegen Ulrich vor dem Reichskammergericht wegen Einzug des Kirchenbesitzes konnte Ferdinand immer noch eine Möglichkeit sehen, Ulrich seiner Position zu entheben.

Trotz Ulrichs Status als Aftervasall nahm seine Innenpolititk fast absolutistische Züge an. Die Ergebnisse des Landtags in Stuttgart '38 zeigen deutlich den Machtzuwachs des erst vor vier Jahren zurückgekehrten Herzogs. Durch die Aufhebung der Ausschußverfassung, die Nichterneuerung des Tübinger Vertrags, die Verdrängung der Prälaten aus dem Landtag und durch die Teilung und dadurch quasi Mattsetzung der Landschaft konnte er seine innere Souveränität gegenüber 1519 sogar noch vergrößern. Ohne diese strukturellen Veränderungen wären die ungeheuren Summen die zu Beginn zur Deckung der Kriegsschulden und die nun zum Ausbau der Festungsanlagen und zur Anlage eines Kriegschatzes notwendig wurden, nicht oder nur sehr viel langsamer zu erbringen gewesen.(11)

Letztere Ausgaben waren nötig geworden, da sich die Lage im Reich zuzuspitzen schien. 1538 wurde in Nürnberg der katholische Kontrabund als Gegengewicht zum Schmalkaldischen Bund gegründet. Bayern nahm dort eine führende Rolle ein und es ging das Gerücht um, Christoph könnte mit Hilfe seiner bayrischen Verwandten eine erneute Vertreibung Ulrichs planen.

Der Kaiser aber, der nach langer Abwesenheit nun wieder einen Reichstag in Frankfurt ausrufen ließ, hatte Pläne für einen erneuten Türkenfeldzug. Dazu benötigte er die vor allem finanzielle Hilfe aller Reichsstände. Deshalb kam im Frankfurter Anstand ein erneuter und noch umfangreicherer Religionsfriede zustande als in Nürnberg. Durch die Ausdehnung des Religionsfriedens auf alle der Confessio Augustana verwandten Konfessionen erlangte zum ersten Mal auch die Reformation in Württemberg eine reichsrechtliche Bestätigung. Zudem wurden die besonders für die Reichsstädte bedrohlich werdenden, aber auch für Württemberg gefährlichen Reichskammergerichtsprozesse suspendiert. Durch die Vermittlung Brandenburgs wurden Religionsgespräche vereinbart, die die protestantische Hoffnung auf ein Konzil vergrößerten.(12)

Der Frankfurter Anstand bedeutete für Württemberg Schutz und Anerkennung der reformatorischen Veränderungen und damit auch eine Stärkung Ulrichs gegenüber Ferdinand.
 
 

III. Veränderungen der Außenpolitik nach dem Frankfurter Anstand
 

Durch den Frankfurter Anstand bestärkt, verfolgte Ulrichs Außenpolitik in den folgenden Jahren zwei große Ziele. Seinen Titel als reichsunmittelbarer Fürst wiederzuerlangen, den er bis 1519 innehatte und somit seine volle Souveränität als Herzog von Württemberg und außerdem die friedliche Schlichtung des Glaubensstreites zwischen den Protestanten und dem Kaiser und damit verbunden die Anerkennung der reformatorischen Veränderungen in seinem Land. Er versuchte dieses Vorhaben durch eine Art Entspannungspolitik zu verwirklichen.

Erste Station dieses Kurses war die Aussöhnung mit den bayrischen Verwandten seiner Frau im Lauinger Vertrag ('41), der unter Vermittlung Hessens und Straßburgs zustande kam. Später wurde diese Übereinkunft zu einem formellen Hilfebündnis erweitert ('43).(13)

Auf den in Frankfurt vereinbarten Religionsgesprächen in Worms, Hagenau und Regensburg bemühten sich Ulrichs Theologen engagiert, die protestantischen Standpunkte zu klären und einen Ausgleich mit der kaiserlichen Seite zu erreichen.

Ulrich mußte bei einer Annäherung an den Kaiser zwangsläufig auf Distanz zu den Schmalkaldenern gehen. Im Gegensatz zu ihnen unterstützte er den Kaiser weiterhin finanziell bei seinen Türkenfeldzügen. Im Gegenzug bestätigte der Kaiser auf dem Reichstag in Regensburg ('41) Ulrichs Rechte als Reichsfürst und die folgenden Besuche von Kaiser und König in Stuttgart ('42/'43) dürfen wohl als freundliche Ehrerbietungen angesehen werden.

Ebenfalls auf Seiten des Kaisers stand Ulrich, als er die Vertreibung des Herzogs von Braunschweig durch Truppen des Schmalkaldischen Bundes ('42) schroff ablehnte. Er sah in diesem Bruch des Landfriedens durch das protestantische Bündnis, dem er ja auch angehörte, eine Gefährdung der sich bessernden Beziehungen zum Kaiser. Vielleicht sah er auch die Gefahr, daß der Kaiser darin einen Vorwand finden könnte, militärisch gegen den Bund vorzugehen.

Trotz der zwangsläufigen theologischen Konfrontation mit den kaiserlichen Ansichten auf den Religionsgesprächen, blieben die Beziehungen freundlich. Einen letzten Erfolg konnte Ulrich im Reichstagsabschied in Speyer ('44) verbuchen, in dem erneut die Reichsfriedstände für die Protestanten verlängert und die auch für Württemberg gefährlich gewordenen Reichskammergerichtsprozesse erneut suspendiert wurden.
 
 

IV. Das Scheitern der Entspannung. Der Krieg
 

Daß dieser Friede nur vorläufig war, wurde schon auf dem folgenden Reichstag in Worms (45) klar. Weitere Beschwerden von Esslingen, Gmünd und anderen kleineren Nachbarn, ließen erneut Gerüchte über eine bevorstehende Vertreibung des Herzogs entstehen. Deetjen vertritt die Ansicht, daß diese durchaus zur Reichsacht hätten führen können, der Kaiser allerdings hätte schon in größerem Stil eine militärische Klärung der Glaubensstreitigkeiten geplant und deshalb davon abgesehen.(14)

Darauf deutete auch schon die Verhärtung der Fronten zwischen dem Kaiser und den Protestanten auf den Religionsgesprächen in Worms, Hagenau und Regensburg hin.

Daß auch Ulrich der Ernst der Lage bewußt war, läßt sich aus der Tatsache schließen, daß er schon vor der offiziellen Achterklärung gegen die schmalkaldischen Bundeshäupter ('46) versuchte, mit den Eidgenossen ein Verteidigungsbündnis zu schließen, was jedoch fehlschlug. Wie sehr Ulrich einen Krieg scheute, zeigen die Bemühungen, nach der Achterklärung im April '46 zwischen Kursachsen und Hessen und dem Kaiser wegen einer friedlichen Einigung zu vermitteln.

Gleichzeitig schlug er alle Angebote des Kaisers aus, die ihm seine fürstliche Souveränität sichern und ihn aus dem von ihm nicht gewollten Konflikt hätten heraushalten können. Wäre er auf diese Angebote eingegangen, hätte aber die Reformation in Württemberg bei einer Niederlage der Schmalkaldener allein nicht lange bestehen können. Das mag beweisen, daß es ihm um beides, um die Wahrung seiner Souveränität und gleichzeitig um die Sicherung und den Erhalt der Reformation ging. Die Chance, beides gleichzeitig zu behalten, hatte er aber nur auf Seiten der Schmalkaldener, wo er schließlich Stellung bezog.

Der Krieg, zu dem es schließlich kam, war schnell entschieden. Zum einen durch die schwerfällige militärische Organisation der Schmalkaldener, zum anderen durch den Dolchstoß Herzogs Moritz von Sachsen, den der Kaiser mit der Versprechung der sächsischen Kur gekauft hatte.

Im Heilbronner Friedensvertrag (Januar '47) legte der Kaiser Ulrich seine Forderungen dar: 300.000 fl Kriegsentschädigung, völlige Unterwerfung, Lossagung von den Verbündeten und Besetzung der Landesfestungen durch spanische Truppen. Ulrich hatte keine Wahl, dazu kam aber noch, daß er sich ganz eindeutig des Bruchs des Lehenseids gegenüber Ferdinand schuldig gemacht hatte. Daß dieser darin eine erneute Möglichkeit sah, Württemberg doch noch an Habsburg zu bringen, ist verständlich. Im Februar '48 begann folglich der Felonieprozeß gegen Ulrich. Ein Urteil erlebte er nicht mehr, er starb im November 1550.
 
 

V. Zusammenfassung
 

Die zweite Regierungsperiode Ulrichs war durch zwei entscheidende Faktoren beeinflußt. Die Art und Weise seiner Rückführung und der sich daraus ergebende Kaadener Vertrag und Ulrichs Absicht, sein Land zu reformieren.

Es ging ihm um die Wiedererlangung seiner vollen Souveränität als Reichsfürst. Nach innen konnte er seine Machtposition gegenüber 1519 sogar noch ausbauen, in der Außenpolitik war er gezwungen Rücksicht auf Kaiser und König zu nehmen. Dies ist ein Grund für die Sonderrolle, die er im Schmalkaldischen Bund spielen mußte. Daß er allein herrschen wollte, ein anderer, der wohl in seiner Persönlichkeit begründet ist und in seiner Vorstellung von fürstlich ererbten Rechten seines Standes.

Ob Ulrich nun aus religiöser Überzeugung reformiert hat oder ob er in der Reformation nur ein Mittel sah, seine fürstliche Macht nach innen auszubauen, mag hier ungeklärt bleiben. Ohne die protestantische Hilfe wäre er aber nicht restituiert worden und ohne den Beitritt zum Schmalkaldischen Bund hätte die Reformation im Land und damit Ulrich als Herzog wohl nicht den Anfeindungen der katholischen Mächte widerstehen können. Daß er aber vor Ausbruch des Krieges noch zu vermitteln suchte und nach Ausschlagen der kaiserlichen Angebote doch zu den Schmalkaldenern stand, halte ich für einen Beweis für Ulrichs reformatorische Gesinnung und sein Vorhaben, der Reformation auf friedlichem Wege zur Anerkennung zu verhelfen.
 


Fußnoten
 

1 Deetjen, S.50
2 Grube, S112
3 Über die Zeit der habsburgischen Verwaltung Württembergs, vgl. Grube S126-174
4 Über eine geheime Abmachung der drei Herzöge berichtet Grundmann, S.348
5 Zum Kaadener Vertrag vgl. Marquardt S.93, Deetjen S34ff sowie Gebhardt S.99 und v. a. Brecht, Ehmer S.199ff
6 Über den Abendmahlsstreit vgl Brecht, Ehmer S.206ff
7 Wie Ulrich die Gelder aufbrachte und zur Innenpolitik, vgl. Gruber S.175ff
8 Über Ulrichs Bündnispolitik, vgl. Deetjen S.38f
9 Deetjen, S.45
10 Zur Person Ulrichs im Bund, vg. Deetjen S.44
11 Zur Innenpolitik vgl. Grube S.175ff
12 Zum Frankfurter Anstand vgl. Gebhardt S.105
13 Deetjen S.50
14 Deetjen S.51