Dynamiken der Enträumlichung

Über ´global flows´ in der transnationalen Anthropologie Arjun Appadurais

 

"Der moderne Mensch tauscht Heimat gegen Welt ein. Welch ein glänzendes Geschäft!"

Jean Améry, 1958

 

    1. Globalisierung = Globalisierung der Wirtschaft?
    2. Zum Begriff der Globalisierung
    3. Kulturelle Dynamiken der Enträumlichung
    4. 3.1 Ethnoscapes

      3.2 Mediascapes

      3.3 Technoscapes

      3.4 Financescapes

      3.5 Ideoscapes

    5. Schlussfolgerungen

 

 

1. Globalisierung = Globalisierung der Wirtschaft?

Mit dem Milleniumstreffen der Welthandelskonferenz (WTO), bei dem sich Vertreter aus 135 Mitgliedsstaaten dieser Organisation in Seattle im Dezember 1999 trafen, ist der Begriff der Globalisierung in einer breiten Öffentlichkeit einmal mehr wahrgenommen und diskutiert worden. Eine breite und heterogene Masse von Demonstranten, die sogenannten Globalisierungsgegner, in denen sich Menschen aus Umweltschutzorganisationen, den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen, Menschenrechtsorganisationen, Dritte Weltländern und Gruppierungen, die nationale Interessen vertreten, sammelten, wollte auf die negativen Auswirkungen und Folgen der Globalisierung aufmerksam machen, was zu einer Eskalation, dem Ausrufen des Ausnahmezustands durch den Bürgermeister von Seatte und letztendlich zum Einsatz der amerikanischen Nationalgarde führte. Bei diesem Treffen sollte es primär um eine Ausweitung und Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen, einen Abbau von Handelsschranken und eine Stärkung des Freihandels gehen, welche durch das unvorhergesehene Ausmaß der Gegendemonstrationen jedoch nicht in der gewünschten Art und Weise zustande kam. Bemerkenswert ist hierbei, daß der Begriff der Globalisierung in der Öffentlichkeit hauptsächlich mit einer globalisierten Wirtschaft gleichgesetzt wird und die Auswirkungen auf Bereiche der Ökologie, der Wissenschaft, Wissens- und Informationsverteilung, der Idee der sozialen Gerechtigkeit, der nationalen und sozialen Identität, Kunst, Kultur und anderen Bereichen lediglich als deren Folge angesehen wird. Innerhalb der Kultur- und Sozialwissenschaften werden Ursachen und Folgen der Globalisierung nicht als rein ökonomische Tatsachen, sondern als interdependente Prozesse betrachtet, wobei sich Ursprung und Folge oftmals nicht eindeutig bestimmen lassen.

Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, anhand des Globalisierungskonzepts von Arjun Appadurai grenzüberschreitende Bewegungen und Wanderungen zu beleuchten und darzustellen. Besonderes Augenmerk soll dabei die Welt der Dinge und Sachen, das Universum der materiellen Kultur, erhalten und Veränderungen und Auswirkungen auf sie, anhand von Beispielen, untersucht und dargestellt werden.

 

2. Zum Begriff der Globalisierung

In der Debatte um Begriffe, die versuchen die gegenwärtig existierenden Prozesse weltweiten Ausmaßes darzustellen, findet sich der Gegensatz zwischen homogenisierenden und heterogenisierenden Tendenzen. Begrifflich spiegelt sich dies in den Ausdrücken der Globalisierung und der Lokalisierung.

Globalisierung steht in diesem Fall für eine Homogenisierung, Universalisierung und Angleichung der Welt. Dieser Prozeß führt zum Entstehen eines Weltmarktes, einer Weltpolitik, möglicherweise zu einer Weltkultur oder gar zu einer Weltgesellschaft im weitesten Sinne. Im Gegensatz dazu steht Lokalisierung für die Betonung bestimmter Orte oder Regionen und kulturell bestimmter Identitäten. Mit diesem Begriff werden Tendenzen der Heterogenisierung, Partikularisierung oder Fragmentalisierung der Welt verbunden. Globalisierung und Lokalisierung sind keine statischen Zustände sondern unfertige Prozesse, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Die Ebenen auf denen sich diese Prozesse abspielen sind beispielsweise die des Informations- und Wissensflusses, der Ökologie, des Finanzmarktes, die der Produktion und Arbeitskooperation sowie politische und kulturelle Ebenen. Eine der gewichtigsten Ursachen für Prozesse des weltweiten Austauschs stellt das Schwinden der Entfernungen durch die rasante Entwicklung von Kommunikations-, Vernetzungs- und Informationstechnologien dar, die es möglich machen, andere, ebenfalls ans Kommunikationsnetz angeschlossene, Personen binnen Sekunden nahezu überall auf der Welt zu erreichen. Zusätzlich hat die Entwicklung und zunehmende Verbreitung immer schneller und leistungsstärker werdender Transportmittel dazu geführt, daß immer mehr Menschen die Möglichkeit einer grenzüberschreitender Mobilität bekommen. Als Folge der einfachen Überwindung von großen Entfernungen ist das Handeln und Leben über Begrenzungen durch Nationalstaaten, Religionen, Regionen und Kontinente hinweg möglich geworden. Ulrich Beck (1998: 28f) versteht deshalb unter Globalisierung "die Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke querverbunden werden."

Obwohl Globalisierung ein recht aktuelles Thema darstellt ist sie dennoch als geschichtlicher Prozeß, der schon seit etlichen Jahrzehnten andauert und am wirken ist, zu verstehen. So sehen etwa Karl Marx, Immanuel Wallerstein und Roland Robertson den zeitlichen Beginn der Globalisierung um 1500, Anthony Giddens datiert ihn mit dem Anbruch der Moderne um 1800 (vgl. Pieterse 1998: 91, Robertson 1990: 26f).

Mit dem zunehmenden Überschreiten und Wandern über natürliche und künstliche, von Menschen gemachte Grenzen hinweg kam es verstärkt zu Kontakten zwischen unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten und deren Artefakten. Die daraus resultierenden Fremdheitserfahrungen und Probleme, wie beispielsweise grenzüberschreitende Rechtstreitigkeiten oder das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Umgangsformen führten in den späten 1960ern zur Herausbildung eines neuen Forschungsfeldes, der mittlerweile eigenständigen Disziplin der Interkulturellen Kommunikation (Featherstone 1990: 8). Man kann davon ausgehen, daß interkulturelle Probleme in einer zunehmend globaler und vernetzter werdenden Welt in naher Zukunft eher zu- als abnehmen werden und der Disziplin der Interkulturellen Kommunikation durch interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Lösung derselben eine gewichtige Rolle zukommen wird. Das Feld der Interkulturellen Kommunikation ist somit selbst ein Produkt kultureller Globalisierung und zugleich, als eigenständige Disziplin, eine (kultur-) wissenschaftliche Antwort darauf. Eine kulturelle Globalisierung macht sich nicht nur beim Zusammentreffen von Menschen aus verschiedenen Kulturen bemerkbar, auch die Rückbesinnung auf ältere, lokale Eigenheiten und regionale Identitäten können Reaktionen auf kulturelle Einflüsse von außen sein. Kulturelle Globalisierung stellt einen besonders komplexen Prozeß dar, da kulturelle Bedeutungen nicht immer sichtbar sind und viele Gegenstände und Objekte, Handlungen und Verhaltensmaßregeln kulturell geteilte Werte und Normen beinhalten, die für andere so nicht ersichtlich sind. Zudem kommt, auch für Forscher und Wissenschafter, die kaum zu überwindende Problematik des Ethnozentrismus hinzu, der oftmals völlig unbewußt am wirken ist und deshalb nicht wahrgenommen oder geleugnet wird. Als besonders schwierig erweist sich bei der Erforschung kultureller Globalisierung die Wahl von Untersuchungs- und Analyseeinheiten. Oftmals wird hier der einfachste Weg gegangen, beispielsweise indem man heterogene, aus mehreren Kulturen bestehende Nationalstaaten mit einer bestimmten Kultur gleichsetzt, und so weder der Komplexität des Untersuchungsgegenstands, noch den kulturellen Eigenheiten der Bevölkerung gerecht wird (zum diesem Thema vgl. Wallerstein 1990: 31ff).

 

3. Kulturelle Dynamiken der Enträumlichung

Arjun Appadurai, der an der Universität von Chicago Anthropologie lehrt, schlägt zur Erforschung der kulturellen Dynamiken der Enträumlichung auf verschiedenen Ebenen ein Konzept vor, mit dem fünf Dimensionen kultureller weltweiter Veränderungen und Flüsse (von Appadurai als global cultural flows bezeichnet) untersucht werden können: Ethnoscapes, Mediascapes, Technoscapes, Financescapes und Ideoscapes. (1996: 33). Er bezeichnet diese Dimensionen als –scapes (was im Deutschen allgemein mit Räumen oder Landschaften übersetzt wird; die von ihm als Ethnoscapes bezeichnete Dimension wurde beispielsweise mit "Globalen ethischen Räumen" übersetzt) um auf die flüssige und unregelmäßige Gestalt der jeweiligen Dimension aufmerksam zu machen, die nicht objektiv aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, sondern immer unter subjektiven Gesichtspunkten und Darstellungen einzelner Akteure wahrgenommen wird. Appadurai legt Wert darauf, daß das Dilemma von Perspektive und Darstellung bestimmter Einstellungs- und Wahrnehmungstraditionen und Veränderungen der Situation des Beobachters, sowohl den Beobachtungsprozeß selbst, als auch dessen Resultat beeinflußt.

Die beiden Hauptursachen für weitreichende kulturelle Interaktionen sieht er zum einen in Kriegen und den jeweils damit verknüpften politischen Systemen und zum anderen in den großen expandierenden Religionen, die, wie im Fall des Islams, Kriegsführung als legitimes Mittel ihrer Ausbreitung betrachteten. Für den Fluß und den Austausch von Gütern und Waren über größere Entfernungen hinweg waren hauptsächlich Händler, aber auch Reisende, Soldaten, Entdecker und Forscher entscheidend. Durch die relativ eigenständige Entwicklung von großen, zum Teil recht aggressiven, sozialen Einheiten wie den Azteken und Inkas in Amerika, oder den Mongolen in Eurasien bildeten sich überlappende Lebensräume innerhalb und zwischen denen es durch Migration, Eroberungen und Handel zu zunehmend dauerhafteren, gesellschaftsüberschreitenden Bindungen kam. Dieser Prozeß wurde durch den Transfer von Technologien und Innovationen im späten 18. und 19. Jahrhundert beschleunigt und verstärkt, was zur Herausbildung einer komplexen kolonialen Ordnung führte, die ihre Zentren in der Europäischen Welt hatte und sich von dort aus über den Rest der Welt hinweg ausbreitete. In der Überlappung und den Interaktionen innerhalb und zwischen diesen "Eurokolonialen Welten" sieht Appadurai die Ursache für das Entstehen und die Verbreitung der Ideen der Nation und der Volkszugehörigkeit, die zur Entstehung der Einheiten führte, die Appadurai "imagined communities" nennt, und die für die heute noch wirkenden Nationalismen auf der Welt Ausschlag gebend sind. Durch die weitreichenden technischen Neuerungen in den Bereichen Transport und Informationsverbreitung wie etwa Dampfschiffen, Flugzeugen, dem Automobil, Telefonen, Kameras, und Computern kam es nun zur problemlosen Verbreitung von gemeinschaftstiftenden neuen Inhalten, die nicht mehr auf Orte oder Regionen bezogen sind. Durch diesen Zustand weltweiter Nachbarschaft kommt es zur Bildung der neuen imaginierten (Medien)Gemeinschaften für die Raum und Entfernungen keine Rolle mehr spielt.

3.1 Ethnoscapes

In der Dimension Ethnoscapes faßt Appadurai Personen zusammen, die für den gegenwärtige globalen Wandel charakteristisch sind. Dazu gehören Touristen, Immigranten, Flüchtlinge, Exilanten, Gastarbeiter und andere mobile Gruppen und Individuen. In einem bisher nicht dagewesenen Ausmaß beschäftigen sie Innen- und Außenpolitik unterschiedlicher Nationen, so wie in jüngster Zeit etwa die Anwerbung und Beschäftigung indischer Computerspezialisten in der BRD kontrovers diskutiert wurde und von der konservativen Opposition in zum Teil offen ausländerfeindlichen Kampagnen im Landtagswahlkampf instrumentalisiert worden ist. Appadurai behauptet nicht, daß es nirgendwo auf der Welt mehr stabile Gemeinschaften, Verwandschafts-, Freundschafts-, Arbeits- oder sonstige Beziehungen mehr gäbe, vielmehr macht er darauf aufmerksam, daß Beziehungen und Gemeinschaften von den Wanderungen der Menschen geprägt und zu einem gewissen Teil auch abhängig sind. Desweiteren macht er darauf aufmerksam, daß die Dimensionen der Wanderungen größer werden, das heißt, daß beispielsweise Männer und Frauen aus indischen Dörfern nicht zwingend in indische Großstädte wie Bombay oder Madras gehen werden, genau so gut ist es möglich, das sie nach Houston oder Dubai ziehen. Die Dimension Ethnoscapes, die Ebene der Personen, ist mit den anderen vier Dimensionen verknüpft; so verlassen Flüchtlinge aufgrund politischer Umwälzungen ihre Heimat, Arbeitsmigranten wandern in wirtschaftlich blühende Länder, in denen Arbeitskräfte benötigt werden und Touristen reisen in Länder, in denen die Währung gerade schlecht steht um einen preiswerten Urlaub zu machen. Illustriert werden derartige Zusammenhänge an einem Beispiel Appadurais (1998: 14f):

"Die Menschen in Bombay fürchten die reichen Araber aus dem Golf-Staaten, die die Preise etwa für Mangofrüchte in die Höhe getrieben haben und nach Auffassung der Bevölkerung auf grundlegende Weise den Charakter der Hotels, der Restaurants und vieler anderer Dienstleistungen verändert haben – nicht anders als in London. Aber dennoch ist die Einstellung der meisten Einwohner Bombays gegenüber den Arabern in ihrer Stadt nicht eindeutig negativ. Denn die Kehrseite zu deren Anwesenheit bilden die in der Ferne weilenden Freunde und Verwandte, die im Mittleren Osten, an indischen Verhältnissen gemessen, viel Geld verdienen und mit diesem Geld sowie Luxusgütern nach Bombay oder in andere Städte Indiens zurückkehren. Diese importierten Waren verändern in den betreffenden Städten selbstverständlich das Konsumverhalten. Häufig landen diese auf dem Luft- oder Seeweg eingeschmuggelten Güter auf dem >>grauen<< Märkten der Straßen Bombays. Auf diesen grauen Märkten (ein Ausdruck, den ich wähle, weil er den quasi legalen Charakter jener Abläufe benennt), können die Mittelklasse von Bombay oder das Lumpenproletariat der City Waren verschiedenster Art einkaufen. Die Skala reicht von einer Stange Marlboro-Zigaretten bis zu Old Spice Rasiercreme oder Madonna-Kassetten. Ähnliche graue Wege werden nicht selten von schmuggelnden Matrosen, Diplomaten oder den Stewardessen von Fluggesellschaften beschritten, Personen also, die ein Land routinemäßig betreten oder verlassen können. Sie stellen sicher, daß die grauen Märkte von Bombay, Madras oder Kalkutta regelmäßig mit Gütern aus dem Westen beliefert werden und ebenso regelmäßig mit Gütern aus dem Nahen Osten, aus Hongkong und Singapur. Diese Berufsreisenden sind auch zunehmend die Verursacher der transnationalen Verbreitung von Krankheiten, wobei AIDS nicht an letzter Stelle steht."

Mit den grenzüberschreitenden Bewegungen von Personen geht die Wanderung der Sachkultur einher. Touristen führen Konsumgüter mit sich, die so auch am Urlaubsort bekannt und verbreitet werden. Den zu Hause gebliebenen Freunden und Verwandten werden Souvenirs, kleine traditionelle Kunstgegenstände und andere Dinge aus dem Urlaubsland mitgebracht (vgl. hierzu Appadurai 1986: 47). Austauschstudenten oder Gastwissenschaftler bringen kleine Geschenke, die ihre Heimat repräsentieren sollen, Dinge ihres bisherigen Alltags wie Nahrungsmittel oder Kosmetikprodukte und bestimmte Arbeitsweisen und -geräte ins Gastland mit. Menschen, die ihre Heimat auf längere Sicht verlassen, bringen Produkte und Haushaltswaren, Andenken an die Heimat, Spiele und Sportgeräte, Kunstgegenstände, Schmuck und Kleidung, Geräte und Mittel zur Nahrungszubereitung, manchmal gar Teile der Wohnungseinrichtung aus ihrer bisherigen Umwelt mit und gebrauchen sie oft wie sie es in den bisherigen Kontexten getan haben. Im Prozeß einer Kreolisierung (Ulf Hannerz) werden Dingen, Waren und Produkten aus fremden Kontexten ein, dem eigenen Kontext angemessener Bedeutungs-, Sinn- oder Funktionszusammenhang zugeschrieben, der dem ursprünglichen Sinn oft nicht mehr entspricht. Dieser Prozeß wirkt in doppelten Sinn; Menschen die in einen neuen Kontext geraten, benutzen vorgefundene Dinge in einer Art und Weise die ihrem bisherigen Kontext entsprechen, mitgebrachte und somit unbekannte Dinge werden im Gastland möglicherweise anders gebraucht, als im Herkunftsland vorgesehen. Die Auswirkungen der Produktion, des Konsums und des Flusses bestimmter (regionalspezifischer) Waren, Güter und Produkte im Rahmen der Globalisierung auf die soziale und kulturelle Identität der Menschen beschreibt Jonathan Friedman (1990: 327) folgendermaßen:

"For several years now there has been an ongoing reconceptionalization of processes of production and especially consumption as more than simply material aspects of subsistence. Following a line of argument that began with the recognition that goods are building blocks of live-worlds, we have suggested, as have others, that they can be further understood as constituentes of selfhood, of social identiy. From this point of view, the practice of social identity encompasses a practice of consumption and even production. If we further assume a global historical frame of reference it is possible to detect and even to account for the differences among broad classes of strategies of identity and therefore of consumption and production as well as their transformations in time. This is the case, at least to the extent that the different strategies of identity, which are always local, just as their subsumed forms of consumption and production, have emerged in interaction with one another in the global arena."

 

3.2 Mediascapes

In die Dimension der Mediascapes fallen sämtliche Kapazitäten der Verbreitung und Bildung von Information, Bildern und Wissen, wie etwa Zeitschriften und Zeitungen, Fernsehsender, Filmstudios und das Internet, die in zunehmenden Maße immer mehr privaten und öffentlichen Interessen zugänglich werden. Diese Dimension ist die primäre Ursache für die Bildung und Festigung von imaginierten Landschaften (landscapes of images) die zu neuen Gemeinschaften, die unabhängig von Orten sind, führt. Durch die Verbreitung von Informationen über politische, regionale und kulturelle Grenzen hinweg wird es für immer mehr Menschen möglich, sich Wissen, das an keinen Ort und an keine Zeit mehr gebunden ist, anzueignen und durch diese Aneignung auf der Ebene der Informationen der eigenen Lokalität zu entgehen. Imaginationen, die durch Medien vermittelt werden, unterscheiden sich jedoch in mannigfacher Weise, abhängig von der Absicht, ob sie zu Dokumentations- oder Unterhaltungszwecken verbreitet werden, von ihrer Verbreitungsart, ob sie auf Papier gedruckt oder elektronisch übermittelt werden, den Interessen derer, die sie besitzen und kontrollieren und nicht zuletzt von der beabsichtigten Zielgruppe, die lokal, national oder transnational sein kann. Mediascapes bilden ein Konglomerat aus Dingen, Waren und Produkten, beispielsweise der Hardware der es zur elektronischer Informationsverbreitung oder der Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen bedarf, sowie Datenträgern wie Disketten, Audio- und Videokassetten oder des Papiers, auf dem Zeitschriften und Zeitungen gedruckt sind. Sie beinhalten eine krude Mixtur aus Unterhaltung, Nachrichten, Werbebotschaften, Phantasien, Erzählungen und Politik, weshalb die Dimension der Ideoscapes eine ausgesprochene Bindung an die Mediascapes aufweist. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität sind hierbei oftmals fließend; je weiter das Publikum dabei vom tatsächlichen Geschehen entfernt ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß verschwommene, ästhetisierte oder gar phantasierte Vorstellungen von der Welt konstruiert werden, besonders wenn sie unter den Gesichtspunkten einer anderen imaginierten Welt und deren Perspektive betrachtet werden. Über die Medienlandschaft werden, in zum Teil aufwendigen Kampagnen, die Bedürfnisse und Wünsche nach Konsumgütern und Luxuswaren geweckt, deren Bekanntheitsgrad erhöht und die Orte, Bezugsmöglichkeiten und Adressen, über die sie zu erwerben sind, bekanntgegeben. Kommerzielle Interessen stehen oft auch bei der Berichterstattung über technische Neuerungen oder die derzeitig aktuelle Mode der jeweiligen Metropolen im Hintergrund.

Als Folge der Macht der Imagination werden für mehr Menschen in vielen Teilen der Welt massenmedial vermittelte Vorbilder und Symbolfiguren zugänglich und relevant, lokale Lebensformen werden mit Leitfiguren, Produkten und Vorbildern, die räumlich und sozial aus einem anderen Kontext stammen, aufgefüllt und in Widerspruch zur eigenen Identität gesetzt. Zur Illustration verschiedener Aspekte dieser Dimension Appadurai (1996: 194f):

"Television, both in ist conventional broadcast forms as well as through new forms of satellite hookup, increasingly leapfrogs the public spaces of cinema viewing and comes into forests of antennae, often in the poorest slums of the world, such as those of Rio de Janeiro and Sao Paulo. The relationship between film viewing in theaters and on videocassettes in domestic settings itself creates very important changes, which have been argued to signal the end of cinema viewing as a classical form of spectatorship (Hansen 1991). At the same time, the avalability of video-production technologies to small communities, sometimes in the Fourth World, has made it possibe for these communities to create more effective national and global strategies of self-representation and cultural survival (Ginsburg 1993, Turner 1992). Fax machines, electronic mail, and other forms of computer mediated communication have created new possibilities for transnational forms of communication, often bypassing the intermediate surveillance of the nation-state and of major conglomerates. Each of these developments, of course, interacts with the others, creating complicated new connections between producers, audiences, and publics – local and national, stable and diasporic.

It is possible to sort through this bewildering plethora of changes in the media environments that surround the production of neighborhoods. But there are numerous new forms of community and communication that currently affect the capability of neighborhoods to be context-producing rather than largely context-driven. The much-discussed impact of news from CNN and other similar global and instantaneous forms of mediation, as well as the role of fax technologies in the democratic upheavals in China, Eastern Europe, and the Soviet Union in 1989 (and since) have made it possible both for leaders and nation-states, as well as their various oppositional forces, to communicate very rapidly across local and even national lines."

Anzunehmen ist, daß durch die weite und noch lange nicht zum Stillstand gekommene Ausdehnung des Internets immer mehr Menschen die Möglichkeit zur Mitwirkung an transnationalen Informationsflüssen, nicht nur passiv als Konsumenten, sondern auch in aktiver Teilhabe, bekommen werden. Die Problematik von (kinder)pornographischen wie politisch radikalen Inhalten der Seiten im weltweiten Datennetz macht die schiere Unmöglichkeit der Zensur des gesamten Internets deutlich, was verfolgten Gruppen und Minderheiten oder Dissidenten die Möglichkeit bietet, über das Internet relativ unkontrolliert zu kommunizieren und dort eine Plattform zu erhalten (so wie beispielsweise die mexikanische zapatistische Befreiungsarmee EZLN oder die serbische Regierung genauso die Möglichkeit nutzt eine Homepage ins Netz zu stellen, wie die Bundesregierung, Privatpersonen oder das FBI). Die technischen Voraussetzungen für die Teilhabe am elektronischen Datenaustausch sind der Zugriff auf kompatible Hard- und Softwarekomponenten und einen funktionierender Telefonanschluß. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Entwicklung von Internet-Technologien auch materielle Auswirkungen auf weitere Objekte haben wird, so wie Stromleitungen als Datenhighways benutzt werden und Fernseher, Zapfsäulen, Kühlschränke und weitere Gegenstände des Alltagslebens zunehmend vernetzt werden. Computer- und Strategieexperten sehen die Möglichkeit, bisher auf einer materiellen Ebene stattfindende Kriegsführung in naher Zukunft in die immaterielle Ebene des Internets zu verlagern; wo vieles vernetzt ist läßt sich auch vieles über das Netz lahmlegen, konventionelle Waffen werden hierzu möglicherweise nicht mehr gebraucht.

Daß sich global agierende Medienkonzerne, um in bestimmten Regionen erfolgreich senden zu können, auch an die jeweiligen regionalen Kontexte anzupassen haben, zeigt das Beispiel des global agierenden Jugend- und Musiksenders MTV. Zu Beginn seiner weltweiten Ausstrahlung war die Programmgestaltung homogen, gesprochen wurde auf Englisch, die Musik aus den Sparten Pop, Rock, Hip Hop, Rap und Dance stammte größtenteils aus den USA und Westeuropa. Als in Deutschland der Konkurrenz-musiksender VIVA auf Deutsch auf Sendung ging, schwanden die Zuschauerzahlen des englischsprachigen Senders aus dem Grund, daß vielen deutschen Jugendlichen die englische Sprache nicht geläufig war und sie es als angenehmer empfanden Moderationen auf Deutsch zu hören und somit auch zu verstehen. MTV, die bisher in Europa von London aus gesendet hatten, reagierten mit dem Zuschneiden eines Sendekonzepts für den deutschen Markt: Die Zentrale wurde von da an nach Berlin verlegt und der größte Teil der Moderationen wurde von nun an auf Deutsch gehalten. Eine wesentlich krassere Transformation vollzog sich bei dem in Indien gesendeten Programm, nachdem die ursprüngliche weltweite Konzeption auf völliges Unverständnis sowie aktive Proteste gestoßen ist. Ende 1996 startete das neu konzipierte MTV India, das nun eine indische Identität angenommen hatte. Alle Moderatoren sind von nun ab Inder, die Englisch und Hindi sprechen und das Logo des Senders trägt nun die Farben orange, weiß, grün; die Farben Indiens. Westliche Videoclips haben nun nur noch einen minimalen Anteil am Programm, im Mittelpunkt stehen vor allem die Menschen Indiens und die auf der Tradition der Masala-Movies basierenden Musikclips der indischen Schlagersänger, deren Musik von jugendlichen und erwachsenen Indern gleichermaßen gehört und geschätzt wird. Videos, die Nacktszenen, Obszönitäten, schmutzige Sprüche oder Gewaltdarstellungen enthalten, werden zensiert oder gar nicht gesendet. Seitdem diese Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt und das Programm an die indischen Vorlieben angepaßt wurden, ist MTV India kommerziell ein Erfolg und alle Shows des indischen MTV werden mittlerweile von großen Firmen gesponsort (vgl. hierzu Trojanow 1999, Widmann 2000). Auch andere Sender, die kommerziell erfolgreich in weiteren Ländern senden wollen, müssen sich an die jeweiligen Kontexte anpassen. Dem Australier Rupert Murdoch, der unzählige Fernsehsender und Filmstudios besitzt, wurde von den chinesischen Machthabern in Peking die Formel <<No sex, no violence, no news>> empfohlen um legal und störungsfrei in ganz China senden zu können (Martin und Schumann 1996: 26).

Um die Verbindung solcher weltweiten Expansionen auf der einen Seite und die Anpassung an lokale Kontexte auf der anderen Seite begrifflich zu fassen schlägt Roland Robertson (1998) die Verwendung des Ausdrucks der Glokalisierung vor. Mit der Ineinanderblendung von global und lokal will er darauf aufmerksam machen, daß Lokales nicht als Gegenspieler von Globalem, sondern als ein zu berücksichtigender Aspekt der Globalisierung zu verstehen ist. Das heißt, Homogenisierung und Heterogenisierung sind keine autarken Prozesse, sie bedingen sich gegenseitig.

 

3.3 Technoscapes

In der Dimension der Technoscapes geht es um grenzüberschreitende Bewegungen von Technologien. Zusammengefaßt werden hier traditionelle und alte Techniken genauso wie modernste Hightech Projekte und Anlagen, mechanische sowie Informationstechnologien, die sich mit hoher Geschwindigkeit über den Erdball verbreiten. Auch diese Dimension ist hochgradig mit den anderen Dimensionen verknüpft. Hinter dem Transfer von Technologien stehen des öfteren sowohl ökonomische als auch politische Interessen. Der Verkauf moderner Rüstungs- und Waffentechnik muß beispielsweise auf politischer Ebene abgesichert sein. Schwerwiegende politische Folgen können sich etwa nach Rüstungs- und Waffengeschäften mit Ländern, die unter Sanktionen stehen, ergeben oder im Fall der rot-grünen Bundesregierung bei Lieferung der in Deutschland produzierten Leopard II Panzer an die türkische Armee, die nach Auffassung mehrerer Abgeordneter und Menschenrechtsorganisationen gegen die Menschenrechte verstößt und diese Panzer möglicherweise unrechtmäßig gegen die kurdische Bevölkerung einsetzt, gar zu einer Regierungskrise führen.

Bei der Errichtung technischer Anlagen im Ausland reisen oft Ingenieure, Wissenschaftler und andere Experten mit, um den Aufbau und die Inbetriebnahme zu unterstützten und zu überwachen. Auch zu Wartungszwecken und bei Störfallen ist eine Anwesenheit von Experten vor Ort oftmals nötig, so daß mit dem Transfer technischer Anlagen grenzüberschreitende Bewegungen von Menschen einhergehen. Das Errichten von Betriebsstätten schafft Arbeitsplätze was wiederum zu Arbeitsmigrationen aus ferneren Gebieten führen kann. Appadurai (1996: 34) schildert solche Verknüpfungen folgendermaßen:

"Many Countries now are the roots of multinational enterprise: a steel complex in Lybia may involve interestes from India, China, Russia, and Japan, providing different components of new technological configurations. The odd distribution of technologies, and thus the pecularities of these technoscapes, are increasingly driven not by any obvious economies of sale, of political control, or of market rationality but by increasingly complex relationships among money flows, political possibillities, and the availability of both un- and high skilled labour. So, while India exports waiters and chauffeurs to Dubai and Sharjah, it also exports software engineers to the United States – indentured briefly to Tata-Burroughs or the World Bank, then laudered through the State Departement to become wealthy resident aliens, who are in turn objects of seductive messages to invest their money and know-how in federal and state projects in India."

Auch mit der Medienlandschaft ist die Sphäre der Technik eng verknüpft. Zum einen stellt die Technik die Möglichkeiten zur Verbreitung von Informationen bereit, zum anderen werden Ingenieure und Techniker durch die Medien über neue Verfahren und Techniken informiert. Das Internet bietet die Möglichkeit technische und andere Informationen von Kollegen aus anderen Teilen der Welt zu beschaffen und mit ihnen über Grenzen hinweg in Kontakt zu bleiben.

Die Dimension der Technoscapes ist die Ebene in der materiell greifbare Anlagen, Dinge, Güter, Produkte und Waren am ehesten ihren Platz zugewiesen bekommen, obgleich sie in den anderen Dimensionen funktional erforderliche Requisiten darstellen. Jede Form von technischer Innovation, Produkte und Waren entstehen durch Menschen, die wiederum in spezifische soziokulturelle Kontexte eingegliedert sind. Innerhalb dieser Kontexte werden den Dingen, Waren und Produkten, ebenso wie technischen Errungenschaften, den jeweils vorherrschenden Wertesystemen, Normen, Ideen und Glaubensvorstellungen entsprechende Sinnzusammenhänge und Bedeutungen zugemessen, die von Kultur zu Kultur und von Kontext zu Kontext variieren. Mit anderen Worten ist die Technik (und in diesem Zusammenhang auch die Naturwissenschaften) keine universale Weltsprache, vielmehr ist der Umgang und die Nutzung von Technik in regionale Dialekte gegliedert. Technik und kulturelle Kontexte stehen in Wechselwirkung zueinander und bedingen sich zum Teil gegenseitig (so wird technischer Raffinesse in Deutschland eine besonders gewichtige Bedeutung zugemessen; in der Konkurrenzsituation des internationalen Automobilbaus werden Fahrzeuge deutscher Hersteller oftmals technisch innovativer und ausgereifter als die anderer Hersteller wahrgenommen, die wiederum besonderen Wert auf komfortable Ausstattung und Bequemlichkeit oder außergewöhnliche Robustheit und Langlebigkeit legen). Für die Disziplin der Interkulturellen Kommunikation bedeutet dies, daß es auch beim Transfer und im grenzüberschreitenden Umgang mit Technik zu weitreichenden interkulturellen Mißverständnissen und Problemen kommen kann, deren Erforschung ein weites Betätigungsfeld darstellt und Lösungsansätze zum Umgang mit dieser Problematik bisher kaum vorhanden sind [1]. Bei Produkten und Gütern ist es also nötig den jeweiligen Kontext in Betracht zu ziehen, beim Export von Armbanduhren beispielsweise die Konsumptions- und Verwendungsmöglichkeiten als Gebrauchsgegenstand, Prestigeobjekt oder Schmuck oder bei der Fertigung von Fahrzeugen die Produktdifferenzierung, je nachdem ob es am Zielort Rechts- oder Linksverkehr gibt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung Marieke de Mooijs (1998: 3):

"Markets are people, not products. There may be global products, but there are no global people. There may be global brands, but there are no global motivations for buying those brands. The Sony Walkman is often used as an example of a global product, developed for global consumers with global needs, who would use it with similar motives. That is not true: There are two distinctly different motives for using that product. In Western world, the motive is that of enjoyment of music without being disturbed by others. This was not the motive for Masaru Ibuka (...) of Sony Corporation, for inventing the Walkman. He wanted to listen to music without disturbing others."

Etliche der transnational agierenden Großkonzerne reagieren in Marketing Kampagnen und in ihrer Verkaufsstrategie auf Formen der Kontextgebundenheit. Coca-Cola und der Sony-Konzern bezeichnen ihre Strategie als "globale Lokalisierung", deren Ziel es ist Teil der jeweiligen Kultur zu werden (vgl. Beck 1998: 86). Coca-Cola bietet deshalb seine Limonaden in China und Japan in verschiedenen Geschmackssorten an, gesüßt nach den jeweiligen kulturellen Vorlieben und Eigenheiten eines Landesteils (vgl. Martin und Schumann 1996: 32). Rolf Linder (1997) stellt in seinem Beitrag "Global logo, local meaning" fest, daß der Großteil der wissenschaftlichen Autoren zum Thema genauso wie global agierende Marketingspezialisten das Konzept einer "global market culture" (genauso wie die Vorstellung eines globalen Designs) verwerfen und statt dessen besonderen Wert auf den Einfluß regionaler kultureller Unterschiede legen und eine Vermittlung mit den jeweiligen kulturellen Identitäten und ihrem Bezug zu regionalen Traditionen suchen. Beim Vergleich von Werbung für Bier in den USA und Großbritannien stellt er fest daß die Inhalte der Werbung den jeweiligen kulturellen Bedingungen angepaßt sind, in Großbritannien steht man dem Bierkonsum liberal gegenüber, die Werbung ist auf Humor ausgerichtet und meist sind Personen, die in Alltagssituationen Bier trinken, zu sehen. In den USA, die in dieser Hinsicht eine konservativere öffentliche Meinung vertreten, ist in der Werbung der eigentliche Akt des Bierkonsums kaum zu sehen, und wenn, trinken die Charaktere der Werbespotts nur in außergewöhnlichen Situationen Bier. Zum gleichen Ergebnis kommt er beim Vergleich von Talkshows, die in ihrem Konzept und den Inhalten auf die verschiedenen spezifischen Länder und Regionen zugeschnitten sind. Ohne Kenntnis der jeweiligen länder- und regionstypischen Eigenheiten ist eine Adaption an den jeweiligen Kontext äußerst problematisch, zur erfolgreichen Etablierung werden globale Formen an lokale Gegenheiten angepaßt.

Eine gegensätzliche Meinung zu diesem Thema vertritt in einem Interview Chris Bangle [2], Leiter der Entwicklungs- und Designabteilung der BMW AG, hier zum Thema Automobildesign:

"..Vergessen nicht, daß unsere gesamte Gesellschaft globaler geworden ist, Natürlich bleibt Italien immer Italien, Amerika Amerika. Trotzdem tragen wir alle die gleiche Kleidung, die Blue Jeans sind immer die gleichen, wo immer sie getragen werden. Auch rund ums Auto ist mittlerweile viel homogenisiert. Nehmen Sie die Fahrregeln, die Sicherheitsvorschriften, die Kundenerwartungen. Die Lieferantenstruktur ist global und die Gesetze, nach denen die Ingenieure arbeiten. Die kulturellen Unterschiede liegen also nicht mehr in der Nationalität. Sie liegen aber sehr wohl in der Marke. Heute bildet die Marke eine eigene Kultur."

 

3.4 Financescapes

In der Dimension der Financescapes werden grenzüberschreitende Bewegungen von Kapital und Geldströmen erfaßt. Dieser Ebene zuzuschreiben sind u. a. die Devisenmärkte, nationale Börsen, und Spekulationsgeschäfte. Wie auf den anderen Ebenen auch, darf nicht vergessen werden, daß die globale politische Ökonomie eng mit Wanderungen von Menschen, Technologietransfer und dem Fluß von Waren und Produkten verknüpft ist. Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Besteuerung von Kapital und Einkommen beispielsweise ist verknüpft mit nationalstaatlichen Herrschaftsverhältnissen, die wiederum politische und soziale Verhaltensweisen nach sich ziehen können. Die Wirtschaftsmacht von Organisationen und Gruppen spielt hierbei ebenso eine Rolle, wie die Verfügungsgewalt über öffentliche Mittel. Durch die Senkung von Importzöllen und der daraus resultierenden Erhöhung der Importquote kommt es (wie im Falle Chinas im November 1999) zu einer Öffnung der Märkte und damit zum weiteren Austauschverhältnissen auf der Ebene der Banken und Versicherungen, der Warenströme und des Technologietransfers, die wiederum oftmals eine Verbesserung und Ausweitung außenpolitischer Beziehungen mit sich führt.

Grenzüberschreitende finanzielle Transaktionen finden heute kaum mehr im Sinne Georg Simmels, der in seiner Philosophie des Geldes das Geld als eine Vergegenständlichung des Geistes und letztendlich als substanzgewordene Sozialfunktion ansieht, im Austausch von greifbaren Münzen und Geldscheinen statt. Der Großteil der Finanzwirtschaft stellt sich zunehmend als Transfer immaterieller Geldsummen in Zahlenwerten, Kauf- und Verkaufsordern über elektronische Vermittlungswege heraus (vgl. Ramonet 2000), wofür funktionierende Telekommunikationsmittel und kompatible Hard- und Softwarekomponenten zwingende Voraussetzungen sind. Mit der Verlagerung finanzieller Transferleistungen auf die Ebene der elektronischen Datenübermittlung kommt es zu einer zunehmenden Beschleunigung und Ausweitung von ökonomischen Transaktionen und Kreisläufen. Im Vergleich zu den Strömen, Flüssen und Wanderungen von Personen, Waren und technischen Innovationen, kann man annehmen, daß, da die virtuellen finanziellen Transfers im Verhältnis weniger Restriktionen wie etwa einer strengen Einwanderungspolitik unterliegen, die virtuellen Finanzströme ein relativ hohes Ausmaß der Grenzüberschreitung annehmen und diese sich im Verhältnis zu den anderen Ebenen relativ schnell vollziehen lassen. Im Zusammenhang mit dem Fluß von Waren und Produkten stellt Arjun Appadurai (1986: 10) jedoch fest, daß es auch in der gegenwärtigen Welt Formen des Tauschhandels gibt, die ohne finanzielle Transaktionen zustande kommen:

"Barter in the contemporary world is on the increase: one estimate has it that an estimated $ 12 billion a year in goods and services is bartered in the United States alone. International barter (Pepsico syrup for Russian vodka; Coca-Cola for Korean toothpicks and Bulgarian forklifts are examples) is also developing into a complex alternative economy. In these latter situations, barter is a response to the growing number of barriers to international trade and finance, and has a specific role to play in the lager economy. Barter, as a form of trade, thus links the exchange of commodities in widely different, social, technological, and institutional circumstances. Barter may thus be regarded as a special form of commodity exchange, one in which, for a variety of reasons, money plays either no or a very indirect role (as a mere unit of account). By this definition of barter, it would be difficult to locate any human society in which commodity exchange is completely irrelevant. Barter appears to be the form of commodity exchange in which the circulation of things is most divorced from social, political, or cultural norms. Yet wherever evidence is available, the determination of what may be bartered, where, when and by whom, as well as of what drives the demand for the goods of the "other," is a social affair. There is a deep tendency to regard this social regulation as a largely negative matter, so that barter in small-scale societies and in earlier periods is frequently regarded as having been restricted to the relation between communities rather than within communities. Barter is, in this model, held to be in inverse proportion to sociality, and in foreign trade, by extension, is seen to have ´preceeded´ internal trade (Sahlins 1972). But there are good empirical and methodological reasons to question this view."

 

3.5 Ideoscapes

In die Dimension der Ideoscapes fällt die Verknüpfung und Verkettung von Ausdrücken, Begriffen und Bildern mit politischen oder ideologischen Inhalten. Im Mittelpunkt stehen dabei oft, im Rahmen der Aufklärung aufgekommene, Schlagworte wie Freiheit, Wohlfahrt, Gerechtigkeit, Souveränität, und als allumfassender Oberbegriff Demokratie. Die Auslegung dieser Begriffe variiert entsprechend den jeweiligen Kontexten und Absichten in denen sie gebraucht werden. Mit dem zunehmenden Austausch von Informationen und der Ausweitung freiwilliger wie gezwungener Diasporas von Intellektuellen und Dissidenten werden den, oft schon lange in einer bestimmten Art und Weise gebrauchten, Begriffen neue Inhalte und Bedeutungen hinzugefügt. Dies kann im extremsten Fall zu Legitimationskrisen ideologischer Regime oder politischer Systeme führen. Eine besondere Verbindung besteht zu der Medienlandschaft, die zum Transport und zur Verbreitung politischer Inhalte, Propaganda oder ideologischer Anschauungen genutzt wird. Das serbische Regime unter Slobodan Milosovic belegte auch nach der militärischen Niederlage unabhängige Medien mit Geldstrafen und Sendeverboten, Berichterstatter wurden schikaniert und ausländische Journalisten wurden ausgewiesen. Als sich besonders große Demonstrationen gegen das regierende Regime ankündigten, reagierten die staatlichen Sender mit der ununterbrochenen Ausstrahlung aktueller Filme wie "American Beauty" oder dem aktuellen James Bond Film (ironischerweise Filme aus den Ländern der militärischen Gegner), um die Bevölkerung von der Teilnahme an Demonstrationen abzuhalten [3]. Auch der Fluß und Austausch moderner Technik ist eng mit den jeweiligen politischen Verhältnissen und Ideologien verknüpft. Ein Beispiel dafür stellt etwa die Bindung des Austauschs von Hochtechnologie zwischen der damaligen UdSSR und den USA dar, die nur im Rahmen von Abrüstungsverhandlungen (den SALT Gesprächen) erfolgen konnte, oder das Exportverbot der Spielekonsole Playstation II des japanischen Herstellers Sony, bei der eine bestimmte Verschlüsselungstechnik verwendet wird, die auch militärisch genutzt werden könnte (Computer&Co 04/2000).

Materielle Kultur wird oft von den politischen oder ideologischen Verhältnissen geprägt: bestimmten Farben und Kleidungsstücken werden besondere Bedeutungen zugemessen und Denkmäler, Plätze und Bauten werden errichtet. Besonders deutlich zeigen sich Auswirkungen politischer Umstürze auf die materielle Kultur wenn Gedenkstätten, Statuen und Denkmäler, religiöse Stätten, Geschäfte und Wohnhäuser Oppositioneller, zerstört, Straßen und Plätze umbenannt und Bücher, Kunstwerke und repräsentative und aussagekräftige Gegenstände mit hohem symbolischen Gehalt verbrannt und vernichtet werden. So war in Spanien unter der Diktatur F. Francos (von 1939 bis 1975) beispielsweise das Tragen von Blue Jeans problematisch, da sie als Wahrzeichen der Vereinigten Staaten mit einem Protest gegen das Regime gleichgesetzt wurden. Innerhalb bestimmter historischer Epochen zeigen sich neben verschiedenen anderen Bereichen, insbesondere auf dem Gebiet der Architektur teilweise gar grenzüberschreitende Auswirkungen politischer Systeme, wie Anthony King (1990: 405) an der Verbreitung des Kolonialstils feststellt:

"...when you look at the built environment, at urban forms or hierachies produced by a given economic and social formation, they do not fit into the politically or geograhically-defined nation state, such as the UK, or USA, which has traditionally been taken as the unit of analysis in social theory. This is most obviously demonstrated, and illustrated, by examples of colonial societies. In the early twentieth century, Britain, South Africa, India, Australia, Kenya, and many other places were, for the white British migrants who went there, in one sense, one single colonial society: not, in any way, a series of societal clones displaced round the wolrd, but a single social and cultural system whose occupations, lifestyles und subcultures, as well, of course, as built environments, were determined by their participation in a colonial mode of production which was in turn part of a larger international division of labor."

Im Zusammenhang mit der Verleihung symbolhafter Eigenschaften und Bedeutungen an Teile materieller Kultur durch ideologische Regime und deren politischen Gegnern ist das russische Maschinengewehr AK 47 ein illustratives Beispiel. Die nach ihrem Erfinder Michail Kalaschnikow benannte Infanteriewaffe "Awtomat Kalaschnikow 47" (AK 47), die mittlerweile in allen Teilen der Welt verbreitet ist und auch ohne Lizenz in vielen Staaten nachgebaut wird, stellt für unzählige revolutionäre und terroristische Gruppen ein Symbol des politischen Befreiungskampfes dar. Dies spiegelt sich bis in Embleme und Logos revolutionärer Gruppen, auf denen die Waffe mit dem charakteristischen, nach vorne gebogenen Lauf, abgebildet ist. Mittlerweile haben sogar mehrere Länder die AK 47 in ihr Staatswappen aufgenommen (SZ vom 10. 11. 1999).

 

4. Schlußfolgerungen

Auf den fünf Ebenen sind Dynamiken der Enträumlichung zu erkennen, die sich auf allen Ebenen mit unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit vollziehen. Hierbei kann nicht von eindeutigen Prozessen einer Heterogenisierung oder Homogensierung gesprochen werden, beide Prozesse stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, sie bedingen sich zum Teil aber auch gegenseitig. Alle fünf Ebenen sind hochgradig miteinander verknüpft, weshalb es nicht genügt die globale Ausweitung von Finanztransfers, den Strom von Waren und Gütern oder die grenzüberschreitenden Bewegungen von Personen für sich alleine und losgelöst von den anderen Ebenen zu betrachten, da jede Bewegung auf einer Ebene unterschiedliche Folgen und Auswirkungen auf den anderen Ebenen nach sich zieht. Durch die ständige Dynamik und das stetige im-Fluß-sein aller Landschaften verlieren Orte und Territorien für Arjun Appadurai zunehmend an Bedeutung. Durch die zunehmende Macht und Verbreitung von Imaginationen, die hauptsächlich durch die globale Medienlandschaft etabliert und gefördert werden, kommt es zunehmend zur Entstehung deterritorialisierter, von Orten losgelöster Gemeinschaften und Gruppen. Nach Ansicht Appadurais kann man deshalb bei lokalen Besonderheiten nicht mehr von etwas >>Handfesten<< ausgehen, da lokales Denken, Handeln, Konsumieren und Produzieren mit Vorstellungen, Ideen und Denkweisen von anderen Plätzen der Welt in Berührung gekommen sind und somit auch Dynamiken der Enträumlichung unterliegen.

Für die Analyse materieller Kultur bedeutet dies, daß die jeweiligen anderen Ebenen, die mit der Präsenz der Dinge verknüpft sind, zur Untersuchung genauso relevant sind, wie die Dinge und Objekte selbst. Um die für die Interkulturelle Kommunikation bedeutsamen Aspekten der Sachkultur; der kulturgeprägte Umgang mit Dingen, Technik als Voraussetzung für (interkulturelle) Kommunikation und die Bedeutung von Dingen als Zeichen, Symbole und Indikatoren (vgl. Roth 1999) angemessen untersuchen zu können, ist es notwendig die Kontexte ihrer Entstehung, ihrer Wanderungen, ihres Gebrauchs und der Gruppen, die die Dinge benutzen miteinzubeziehen. Arjun Appadurais Konzept der global flows auf den Ebenen der Ethnoscapes, Technoscapes, Financescapes, Mediascapes und Ideoscapes kann hierbei einen fruchtbaren Beitrag liefern.

 

 

Literatur

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Ramonet, Ignacio (2000): Virtuelle Ökonomie, in: LE MONDE diplomatique April 2000

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Robertson, Robert (1998): Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit, in: Beck, U.(Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt am Main, 1998, S. 192 – 220

Roth, Klaus (1999): Zur Sache! Materielle Kultur und interkulturelle Kommunikation, in Grieshofer, F. und Schindler, M. (Hrsg): Netzwerk Volkskunde: Ideen und Wege; Festgabe für Klaus Beitl zum siebzigsten Geburtstag, Wien, 1999: S. 317 - 335

Simmel, Georg (1989): Philosophie des Geldes, Frankurt am Main (1900)

Staring, Richard, Land, Marco v.d., Tak, Herman und Kalb, Don (1997): Localizing cultural identity, in: Focaal no. 30/31, 1997: S. 7 - 21

Trojanow, Iliga (1999): Mad in India, in: jetzt # 49 vom 6. 12. 1999: S. 6 - 12

Wallerstein, Immanuel (1990): Culture as the Ideological Battleground of the Modern World-System, in: Theory, Culture & Society, Vol. 7, London, Newbury Park, New Delhi, 1990: S. 31 - 55

Widmann, Carlos (2000): Die Mythen schlagen zurück, in: Der Spiegel 2/2000, S. 130 – 132

 

Anmerkungen:

[1] Vgl. hierzu die Dissertation von Marc Hermeking: "Kulturen und Technik: Techniktransfer als Problemfeld der interkulturellen Kommunikation - dargestellt an Transferprojekten in Arabien, Russland und Lateinamerika" (eingereicht an der LMU München).

[2] "Es gibt keine schönere Skulptur", Chris Bangle im Gespräch mit Toni Schmidt in: aviso 1/2000, S. 30 - 37

[3] Bericht der ARD Tagesschau vom 14. 04. 2000

 

Joachim Allgaier

München im April 2000