von Cand. phil. Martin Franz Martiska
I. Einleitung
II. Die prinzipielle Diskontinuität von Theorie
und Praxis
III. Der Egoismus als denkbares Prinzip menschlichen
Handelns
IV. Erziehung und Egoismus
V. Literaturverzeichnis
Bevor man daran geht, empirische Erziehungswissenschaft zu betreiben,
sollte man sich mit den Ursachen des Phänomens befassen, dass ein
Großteil der möglicherweise pädagogisch relevanten Forschungsergebnisse
sowohl in der institutionalisierten als auch in der privaten Erziehungswirklichkeit
nur wenig Beachtung finden . Anderenfalls bleibt erziehungswissenschaftliche
Forschung bloßer Selbstzweck und praktisch angewandte Pädagogik
in einem - wie Herbart es nennt - “praktischen Zirkel” stecken, in
dem jedem Erzieher freigestellt bleibt, nach seinem individuellen Vorverständnis
von Erziehung oder nach Belieben zu agieren. Selbstverständlich ist
auch jede Theorie von Erziehung letztlich immer subjektiv, auch wenn sie
meist nach außen hin Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt,
und abhängig vom jeweiligen Menschenbild des Forschers, seiner Ontogenese,
seiner Intention und Methode sowie seiner Interpretation, auch wenn nicht
jeder Forscher so ehrlich ist wie beispielsweise Schwendenwein von “meiner
Theorie [Hervorhebung vom Verfasser]” zu sprechen.
Neben der “prinzipielle[n] Nicht-Koinzidenz von Reflexion und
Vollzug” , pragmatischen Gründen – “wobei die Untersuchung der Möglichkeit
einer Änderung oder Schaffung geeigneter Anwendungsvoraussetzungen
stillschweigend oder ausdrücklich ausgeschlossen, gelegentlich aber
auch bestritten oder moralisch diskreditiert wird” -, sprachlichen
Barrieren und den (individuellen wie allgemeinen) Grenzen der Informationsverarbeitung
(Bei Erziehung handelt es sich “um einen so vielschichtigen Prozeß
[sic!] [...], bei dem wir bisher noch nicht alle einfließenden Faktoren
erkannt haben, geschweige denn, daß [sic!] wir sie in Kenntnis aller
möglichen Folgen zu steuern vermögen.” ) will sich dieser Aufsatz
vor allem transzendentalphilosophisch mit der Möglichkeit auseinandersetzen,
dass auch der Egoismus als denkbares und bis dato nicht widerlegtes Prinzip
des menschlichen Handelns für das Theorie-Praxis-Problem in der Pädagogik
und die oftmals zu beobachtende Annahme, wissenschaftliche Forschung sei
irrelevant für die erzieherische Tätigkeit, mitverantwortlich
sein könnte. Dazu wird zunächst der Begriff Egoismus zu definieren
und aufzuzeigen sein, warum er denkbares Prinzip menschlicher Praxis ist,
bevor er in weiterer Folge als “Prüfungshorizont” zur Erläuterung
praktischer Beispiele und zur Textkritik herangezogen werden kann.
So könnte einerseits erklärt werden, warum Theoretiker
wie Praktiker ständig ihre individuellen Ansichten durchzusetzen und
dabei gleichzeitig andere Meinungen möglichst abzuwerten versuchen,
andererseits aber auch, warum der Egoismus als ein wenigstens denkbarer
Grund für das “Theorie-Praxis-Problem” nicht oder nur indirekt angesprochen
wird. Eine begrenzte Erkenntnismöglichkeit und die Unmöglichkeit
erziehungswissenschaftlich fundierter Praxis wären die Folgen. Vielleicht
herrscht innerhalb der Theorie wie auch innerhalb der Praxis ebenso wie
zwischen Theorie und Praxis lediglich ein Kampf einzelner bzw. zu Gruppen
zusammengeschlossener Egoismen. Vielleicht ist sogar schon Erziehung an
sich, die Freud “als eine ebenso unmögliche Aufgabe wie Regieren oder
Kurieren” bezeichnete, nur der Versuch von Egoismen, durch Einschränkung
oder “Verzweckung” anderer Egoismen selbst effektiver agieren zu können.
Der Theoretiker, der etwas Unbestimmtes, vermutlich Unerreichbares,
wie die (individuelle) Vollkommenheit des Menschen voraussetzt, wäre
dann daran interessiert aufzuzeigen, dass weder die Thesen konkurrierender
Strömungen noch die gängigen Erziehungs- und Unterrichtsmethoden
dem (wohl niemals zu erfüllenden) Anspruch der Pädagogik genügen
und Eltern wie Lehrer nur nicht dazu imstande seien, sich ihnen zur Verfügung
stehendes theoretisches “Wissen” zu besorgen und dieses anschließend
in ihren spezifischen Vollzug zu transferieren. Außerdem könnte
der oftmals zu beobachtende Widerstand der Wissenschaft(er) gegen neue,
manchmal vielleicht revolutionäre, Erkenntnisse begründet werden.
Dem Praktiker würde nichts an Theorien liegen, die seine
individuellen Methoden in Frage stellen, seine Einstellungen und Vorannahmen
zu verändern trachten oder Annehmlichkeiten seines Berufs- und/oder
Privatlebens einzuschränken suchen, und er würde bestrebt sein,
sie, ebenso wie solchermaßen geartete Anregungen oder Verordnungen
anderer Praktiker und deren Handlungsweise, tunlichst zu ignorieren, zu
falsifizieren, zu bekämpfen oder auf ihre (vermeintliche) Undurchführbarkeit
hinzuweisen und somit die Schuld für die landläufige Nichtbeachtung
erziehungswissenschaftlicher Forschung dem Theoretiker zuschieben.
Gleichzeitig wäre dann der höchste Wert des Menschseins
gefunden, und damit das, was wir in der Pädagogik wie auch in der
Philosophie suchen: Der Mensch wäre vollkommen als ein perfekter Egoist,
der sich gekonnt auf sein Ich hin gerichtet verhält und es versteht,
andere für seine Zwecke zu benutzen (wozu es auch häufig der
Kunst bedarf, den eigenen Egoismus zu verbergen und die eigenen Interessen
vorübergehend zurückzustellen), um handlungsfähig zu bleiben
und sein Leben genießen zu können. Beide Disziplinen müssten
diese Einsicht jedoch verschweigen, um ihren Fortbestand zu sichern.
II. Die prinzipielle Diskontinuität von Theorie und Praxis
Kant nennt die Ablehnung der Theorie für die Praxis einen
“Gemeinspruch” . Er meint also, dass es sich dabei um eine weit verbreitete
Alltagstheorie handelt, die wissenschaftlich nicht fundiert ist. Auffällig
ist, dass es sich bei dieser Ansicht, die Kant in seiner Abhandlung überprüft,
selbst um eine Theorie handelt, die - im Sinne der Kant´schen Definition
- Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, zugleich aber der Theorie
ihre Gültigkeit abspricht – eigentlich ein Paradoxon. Die Formulierung
“Das mag [Hervorhebung vom Verfasser] [...] richtig sein”
impliziert, dass man der Theorie im Allgemeinen sehr wohl ihren Raum lässt
und sie mitunter als gültig und auch als vorhanden akzeptiert, allerdings
als ein von der Praxis abgetrenntes, für sich alleine bestehendes
eigenes System, denn sonst könnte man ja nicht im Unklaren darüber
sein, ob denn jetzt eine bestimmte Theorie zwar logisch schlüssig,
aber dennoch nicht in der Praxis anwendbar ist oder die Theorie selbst
schon in sich nicht konsistent ist.
Um sich mit dem Verhältnis von Theorie und Praxis zu befassen,
muss man zunächst ein Prinzip verstanden haben, das schon Kant in
seinem Aufsatz zum Theorie-Praxis-Problem aufzeigt: Zwischen Theorie und
Praxis steht prinzipiell (zumindest) ein “Mittelglied” , nämlich die
Urteilskraft, die es dem Handelnden erlaubt, vom Allgemeinen auf das Besondere
zu schließen.
Wie Herbart seinen “pädagogischen Takt” , stellt also auch
Kant ein “Mittelglied” zwischen Theorie und Praxis, das es dem Erzieher
erlaubt, Mensch zu bleiben und seinem Willen und seinem Verstand gemäß
zu agieren. Ohne theoretisches Wissen aber, das ja - auch - aus der Erfahrung
kommen muss, da ein Denken ohne aus der Erfahrung kommende Inhalte schlichtweg
nicht denkbar ist (es handelt sich um mittels der Urteilskraft systematisierte
Erfahrungen), bleibt er in einem – um wieder einen Herbart´schen
Terminus zu verwenden – “praktischen Zirkel” oder sieht – mit Kant
– mit “Maulwurfsaugen” und “[...] glaubt, durch Herumtappen in Versuchen
und Erfahrungen, ohne sich gewisse Prinzipien [...] zu sammeln, [sic!]
und ohne sich ein Ganzes [...] über sein Geschäft gedacht zu
haben, weiter kommen zu können, als ihn die Theorie zu bringen vermag.”
Das bedeutet, der Betreffende kann weder sein in der Praxis erworbenes
Wissen theoretisch, im Sinne von Prinzipien, weitergeben oder “systematisch
vor[tragen]” - wenn er dies doch tut, so kann dies große Gefahren
in sich bergen - noch sein Handeln evaluieren - und schließlich geht
es uns ja in einer pragmatischen Wissenschaft (von der Kant spricht) um
die Verbesserung bzw. Korrektur des Handelns (das dann im Sinne eines “hermeneutischen
Zirkels” wieder theoretisch systematisiert und untersucht werden soll).
Eine Theorie kann nach Kant nie jede spezifische praktische Situation
bzw. alle möglichen Bedingungen genau erfassen – dies ist auch nicht
ihr Bestreben – sie ist aber insofern allgemein gültig, als sie Prinzipien
vorgibt, die den jeweils vorherrschenden Bedingungen entsprechend mit Hilfe
der Urteilskraft variiert werden müssen. Eine “Hantierung” dürfe
sich überhaupt erst dann Praxis nennen, wenn sie “[...] als Befolgung
gewisser im allgemeinen [sic!] vorgestellten Prinzipien des Verfahrens
gedacht wird” , also ein theoretisches Fundament hat und reflektiert passiert.
Theoretischer Unterricht ist notwendig (dazu muss es aber Menschen
geben, die theoretisches, also systematisiertes, Wissen vermitteln können),
da der Einzelne nicht alle möglichen - zum Teil notwendigen - Erfahrungen
selbst machen kann; auch soll seine Wahrnehmungsfähigkeit und sein
Interpretationsverständnis so geschult werden, dass er Erfahrungen
richtig zu deuten versteht.
Insofern besteht immer eine Distanz zwischen Reflexion und Handeln,
die es aber nach Meyer-Drawe beiden Seiten erst ermöglicht “[...]
ihren produktiven Sinn [...] entfalten [zu] können” , da - wie auch
Herbart bereits wusste - die Theorie die Praxis erst belehrbar bzw. interpretierbar
macht und der konkret Handelnde während des Vollzugs nicht in der
Lage ist über sein Agieren zu reflektieren. “Wissenschaft heißt
also die Kenntnis der Vorgänge besitzen, und zwar in dem Sinn, daß
[sic!] man selbst jenseits der Vorgänge steht.” Erst durch Distanz
ist gegenseitige Revidierbarkeit, und damit gemeinsamer Fortschritt, möglich.
Somit wird auch klar, was Prondczynsky in seinem Aufsatz ausführt,
nämlich, dass Praxis, sei sie nun gut oder schlecht, eine Theorie
niemals bestätigen oder widerlegen kann .
Erst mit diesem Vorverständnis - wenn man erkannt hat, dass
Theorie keine “Rezepte” liefern kann, die sich kongruent auf eine konkrete
Situation und ein individuelles Kind bzw. einen individuellen Schüler
anwenden lassen - kann man an die Beschäftigung mit dem Verhältnis
von Theorie und Praxis herangehen. Ein technokratischer Zugang würde
zudem nicht nur einem Prinzip erzieherischen Wirkens - “Aufforderung zur
Selbsttätigkeit” - widersprechen, sondern auch die Freiheit
des Erziehers untergraben. Dass die universitäre Lehramtsausbildung
daher keine “praxistauglichen” Lehrer entlassen kann, ist evident.
Eine falsche Erwartungshaltung an die Erziehungswissenschaft
erklärt auch zum Teil die “praktische Belanglosigkeit pädagogisch
bedeutsamer Forschungsergebnisse”, mit der sich u. a. Heid in seinem Entwurf
auseinandersetzt. Wenn man von der Theorie etwas verlangt, “[...] was sie
als Theorie gar nicht zu leisten vermag” und “[...] Pädagogik
- über die ihr angestammte Zuständigkeit hinaus - für alles
und jedes zuständig [...] erklär[t]” , führt dies zwangsläufig
zu Enttäuschungen, was nicht nur eine Abkehr der praktizierenden Pädagogen
(Eltern, Lehrer) von der Erziehungswissenschaft zur Folge hat, sondern
- in weiterer Folge - sogar zu einer “Selbst-Destruktion pädagogischen
Denkens” führen kann.
III. Der Egoismus als denkbares Prinzip menschlichen Handelns
Wir könnten eigentlich erst dann vernünftig und sinnvoll
handeln, wenn wir die Begründungsproblematik gelöst und einen
letzten Grund unseres Daseins gefunden hätten. Da es bisher nicht
gelungen ist, eine allgemein verbindliche Letztbegründung für
Praxis zu finden, und die Menschheit nicht mehr - wie in einem sehr frühen
Stadium der Phylogenese - in ein Trost spendendes gemeinschaftliches Weltbild,
im Folgenden “Mythos” genannt, fraglos eingebettet ist, ist es naheliegend
sich der Frage anzunehmen, ob nicht das “Ich” für sich selbst Wert,
Sinn sowie eigenes Prinzip seines Handelns sein kann. Voraussetzung hiefür
sind mehrere Momente: 1. unsere Leiblichkeit und das daraus resultierende
direkte und indirekte Anstreben von Lust, 2. das Wissen von sich selbst,
um erst etwas auf das “Ich” hin betreiben zu können (Reflexion und
Selbstbestimmung) und 3. die Überwindung des “Mythos” durch Personen,
die selbst zum Weltgesetz erhoben wurden (Gottkönige wie z. B. in
der orientalischen Despotie) sowie die durch das Erkennen der sich daraus
ergebenden Diskrepanz folgende Ausbreitung der Alternative “‘Ich’ versus
Weltgesetz” als Prinzip des Handelns in der Gesellschaft.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch das Ego nicht
schlechthin das oberste Prinzip des Handelns sein kann, vielmehr handelt
es sich bei der Erhebung des Ego zum höchsten Wert immer um einen
subjektiven Wunsch, denn in realis trägt der Egoismus seine Widerlegung
bereits in sich selbst, da das Ego immer ein gefährdeter Wert ist
und ständig daran erinnert wird, dass es begrenzt und vergänglich
ist. Es erlebt ein ständiges Scheitern gegenüber der Natur, den
anderen und der Gesellschaftsordnung, und auch jeder Teilerfolg kann nur
für eine gewisse Zeit zu verdrängen helfen, dass der Egoismus
Illusion bleibt.
Um sich selbst zum höchsten Zweck zu machen, muss sich das
Ich immer selbst als Mittel gebrauchen, um etwas tun zu können und
sich selbst möglichst gut zu erhalten und zu fördern. Es verbraucht
sich somit in Handlungen, die es selbst erhalten sollen, und all seine
Bemühungen scheitern letztlich am eigenen Tod.
Auch für die Gesellschaft ist das Ego nicht das, was es
selbst so gerne sein will. Die Rechtsordnung als Kompromiss egoistischer
Individuen repräsentiert eine übergeordnete Allgemeinheit, die
für jegliches wider-rechtliche Handeln eine allgemeine Begründung
oder Rechtfertigung verlangt. Dabei hat das egoistische Individuum kein
Problem, vor sich selbst zu rechtfertigen, sich nach außen hin nicht
auf seinen Egoismus, der als nicht rechtsfähig gilt, zu berufen und
ihn hinter allgemeinen Regeln zu verbergen. Es betrügt ja schließlich
nur andere Egoisten und Betrüger mit gleichartigen Motiven, die alle
zumindest potentielle Feinde sind und lediglich danach trachten, seinen
Egoismus einzuschränken. In Bedrängnis mit sich selbst gerät
es erst dann, wenn die Misserfolge so überhand nehmen, dass Vorwürfe
gegen den Egoismus der anderen, deren “Glück” - subjektiv gesehen
- auf seine eigenen Kosten geht, erhoben werden, denn damit gelangt der
Egoist in die problematische Situation, seinen Egoismus nicht mehr vor
sich selbst rechtfertigen zu können; die Allgemeinheit muss innerlich
- wie früher im Mythos - wieder sinnstiftendes Kriterium für
das Handeln werden. “Die Allgemeinheit” muss dazu jedoch vom Individuum
bestimmt und für seine Zwecke aufbereitet werden. Viele bereits vorhandene
Ideologien stehen dabei zur Auswahl. Als einziges Kriterium für die
Wahl bleibt dem Individuum letztlich wieder nur die eigene Besonderheit,
denn einer philosophischen Untersuchung würde keine Ideologie standhalten.
Mittels scheinbarer Argumentation – gerade die tabuisierten Axiome sind
es ja, von denen sich das Individuum spontan angezogen fühlt - wird
das Ich aber über die Allgemeingültigkeit der Ideologie beruhigt,
und es kann das Gefühl haben, seinen Egoismus überwunden zu haben
und mit der Allgemeinheit überein zu stimmen. Egos, die am eigenen
Egoismus zu leiden beginnen, sich aber mit keinem der vorgegebenen “Gruppenegoismen”
anfreunden können, bleibt bloß die Möglichkeit, sich selbst
eine Ideologie zu erschaffen.
Vor allem die am meisten leidenden Menschen in Unterschichten
können ihr Scheitern als Strafe für ihre egoistischen Ziele empfinden.
Eine Ideologie, die diese Schuldgefühle fördert und sich selbst
(manipulativ) als Möglichkeit zur Erlösung von derartigen Gewissensbissen
anbietet, lässt sich gut als Herrschaftsinstrument gebrauchen. Der
Egoismus ist flexibel, und so kann es auch zu Umkehrungen kommen, ähnlich
wie bei einer stets “verteufelten” physischen Lust, bei der psychische
Unlust entsteht. Ein egoistisches Individuum, das seine ausweglose Situation
erkennt, lässt sich gerne zum “guten Menschen” bekehren, unterwirft
sich oder verlegt seine Bedürfnisbefriedigung und seinen Lustgewinn
in ein Jenseits. Es glaubt, den vorgegebenen Zwang freiwillig als Sinn
für die eigene Existenz anzunehmen.
Selbstverständlich können auch Herrschende an eine
Ideologie glauben, weil die oben beschriebene Problematik prinzipiell in
jedem Individuum auftreten kann, sie können aber die Ideologie besser
mitgestalten. Umso leichter kann ihnen auffallen, dass auch die Ideologie
egoistisch begründet ist, und umso eher können sie wieder in
ihren Einzelegoismus zurückkippen, der ja, solange er erfolgreich
ist, leicht vor sich selbst zu rechtfertigen ist.
Auch der Gruppenegoismus ist ähnlich bedroht wie der Einzelegoismus
und muss einen ständigen Kampf der Selbsterhaltung nach innen und
außen führen: Er muss einerseits die Erwartungen der egoistischen
Mitglieder erfüllen und sich andererseits gegen andere konkurrierende
Strömungen (auch Abspaltungen) verteidigen. Die Ideologie muss, um
stark werden zu können, vom Status eines “moralischen Bandes” in einen
der Herrschaft über die eigenen Mitglieder übergehen, da die
Gefahr des Ausbrechens sonst zu groß ist.
Bisher ist es der Philosophie in ihrer jahrtausendelangen Tradition
nicht gelungen, ein absolutes Gegenprinzip zum Egoismus zu finden, das
ihn auch tatsächlich widerlegt und nicht nur relativiert hätte.
“Warum Lehrer Lehrer werden” - so lautet der Titel eines Buches
der Wiener AHS-Professorin und Tiefenpsychologin Sylvia Zwettler, dass
die egoistischen Motive den Lehrberuf zu ergreifen darzustellen versucht.
Auch Zwettler möchte “die Möglichkeit ins Auge fassen, daß
[sic!] jedes ‘Opfer’ nur dann gebracht wird, wenn es sich bezahlt macht
für den, der es bringt.” Ihre These: “Indem der erwachsene Mensch
in die Schule zurückkehrt, kann er Probleme seiner Kindheit und Jugend
(nun von der anderen Seite der Schulbank her) quasi als ‘Stärkerer’
zu lösen versuchen”. Es müsste – denke ich – gar nicht erst erwähnt
werden, dass “[d]ie Lehrer [Zwettler] [...] dieses Buch nie verziehen”
haben. Damit musste sie rechnen, doch wird sie sich vom Verfassen dieses
Buches in irgendeiner Form eine Bedürfnisbefriedigung erhofft haben,
sonst hätte sie es ja nicht geschrieben. Zu dieser Erkenntnis gelangt
auch der Sprachwissenschaftler Hermann Reichert: “Viele Menschen lehnen
es gefühlsmäßig ab, den Willen als Grundlage jeder absichtlichen
Kommunikation, auch der sprachlichen zu betrachten. Sie meinen, nur Egoisten
öffnen den Mund nur, wenn sie etwas wollen. Doch ‘Nichtswollen’ ist
etwas, das einem lebenden Menschen gar nicht möglich ist.”
Der Egoismus wird - obwohl (zumindest bis dato) vielleicht das
einzig mögliche Prinzip menschlichen Handelns - oftmals als böse
kritisiert. Man könnte Menschen, die ihren Egoismus - so wie Zwettler,
Reichert (oder auch ich in der vorliegenden Arbeit) - wenigstens indirekt
öffentlich eingestehen, vorwerfen, sich gerade dadurch über andere
zu stellen versuchen, da sie als “ehrlicher” und “gescheiter” gelten wollen
als diese, so wie schon Sokrates deshalb als der Weiseste galt, weil er
“zugab” , “nichts” zu wissen. Generell dürfte es ein Grundbedürfnis
des Menschen sein, Erkenntnisse, die man glaubt gewonnen zu haben, nicht
zu verschweigen, sondern anderen mitzuteilen (vielleicht wieder um als
besonders klug zu gelten und weil nur durch Kommunikation mit anderen gemeinsamer
Fortschritt möglich ist, von dem wieder jeder Einzelne profitieren
kann). Vielen Menschen ist jedoch gar nicht bewusst, dass sie sich selbst
als Egoisten “outen”, wenn sie alle anderen als solche beschreiben oder
sie gar beschimpfen und verurteilen.
Im Falle Zwettlers wäre weiters denkbar, dass sie mittels
ihres Buches mit einem anderen Lehrer (sei es einer ihrer ehemaligen Lehrer
oder ein [ehemaliger] Kollege oder Vorgesetzter) - oder auch mehreren –
“abrechnen” wollte. Vielleicht will auch Reichert sich mit seiner Erkenntnis
über einen seiner ehemaligen Schul- oder Universitätslehrer erheben,
der ihm das klassische Organonmodell von Karl Bühler, das als wichtigste
Anwendungsmöglichkeit der Sprache die objektive Sachverhaltsdarstellung
ansieht, vermittelte, oder aber über heute an Universitäten oder
Schulen tätige Germanisten-Kollegen, die (immer noch) dieses Kommunikationsmodell
lehren oder über den hochangesehenen Karl Bühler selbst.
Ebensolche Vermutungen könnte man natürlich auch über
meine eigene Motivation die vorliegende Arbeit zu verfassen anstellen –
zum Teil sicherlich berechtigt (und das ist nicht bloß als Bescheidenheitstopos
gemeint!). Außerdem muss ich - auch um nicht als feige zu gelten
(Welches egoistische Individuum würde das wollen?) - zugeben, dass
auch ich den Entschluss fasste, Lehrer zu werden, weil meine eigene Schulzeit
- um es vorsichtig zu formulieren – kein “Honiglecken” war. Auch ich nahm
mir vor, es auf jeden Fall besser machen zu wollen als meine Lehrer und
habe auch zumindest das subjektive Gefühl, das verwirklichen zu können.
Mein Interesse für Pädagogik und die Erziehungswissenschaft rührt
zum größten Teil daher, dass ich mehr über Erziehung und
Unterricht wissen wollte als sie.
Doch Wissen alleine reicht noch nicht aus. Was hilft es, wenn
ein Lehrer weiß, dass er seine Schüler beispielsweise individuell
fördern sollte und auch wie er das tun könnte, wenn er die dadurch
anfallende Mehrarbeit nicht auf sich nehmen möchte. “Sein Gehalt ist
gut und sicher, seine Stelle unkündbar, und Anreize, sich aus eigener
Kraft zu verändern, gibt es nicht. In die nächsthöhere Gehaltsstufe
altern Lehrer auf natürlichem Weg hinein.” Viel angenehmer ist
es doch daher, sich selbst ein möglichst schönes Leben zu machen
und dafür lieber einige Schüler auf der Strecke bleiben zu lassen,
was durch die “höchst bemerkenswerte Tatsache” begünstigt
wird, “daß [sic!] Lehrer es sich (unter gegebenen Bedingungen) leisten
können, in sehr erheblichem Umfang besseres als jeweils praktiziertes
Wissen (demonstrativ) zu ignorieren” . “Es gibt kaum Anhaltspunkte für
die Annahme, daß [sic!] Lehrer genötigt sind, sich (außerhalb
oder innerhalb ihrer formellen Qualifizierung) die jeweils neuesten und
am besten bewährten Ergebnisse pädagogisch bedeutsamer Forschung
anzueignen” . “Wo zur Interpretation oder Rechtfertigung einer jeweiligen
Praxis Theorie explizite gefragt ist, kommt es weniger auf Wahrheit und
Richtigkeit, sondern primär auf Plausibilität und soziale
Geltung [Hervorh. v. Verf.] [...] an” .
[D]ie Theorie soll außerdem nach Möglichkeit gegen Kritik vor allem seitens sozial Sanktionsmächtiger (z. B. Elternverbände, öffentliche Kritik) immunisieren. Diese Immunisierung bezweckt nicht nur die Abwehr von Kritik an bildungspolitischen Optionen und bildungsadministrativen Regelungen, sondern auch den Schutz des unter Erfolgsdruck stehenden Lehrers [...] vor Selbstwert oder gar die materielle Existenzgrundlage bedrohenden Angriffen [Hervorh. v. Verf.].
Der Schüler als letztes Glied der Kette zählt - obwohl
er der eigentliche Arbeit- bzw. Auftraggeber aller, die beruflich mit Schule
zu tun haben, ist - in der vorherrschenden Schulpraxis (ebenso wie in der
Gesellschaft) am wenigsten. Viele Schüler sollten am besten noch auf
Knien einigen ihrer Lehrer dafür danken, dass sich diese “dazu herablassen”
sie an ihrem “großen umfassenden Wissen” teilhaben zu lassen. Nicht
selten “versteckt” sich der Lehrer in Wirklichkeit gerade deshalb in der
Schule, weil er dort mit weniger Gebildeten, den Schülern, arbeiten
kann, meist mehr weiß (oder zu wissen glaubt) als diese sowie Befehlsgewalt
über sie hat, was für ihn subjektiv natürlich eine andauernde
Bestätigung seiner Bildung, Weisheit und Macht darstellt. Diejenigen,
die es “besser machen” wollen “als jene Erzieher, die einem vorenthielten,
was man von ihnen gebraucht hätte” und sich für die Schüler
einsetzen, wollen dadurch von diesen und evtl. deren Eltern mehr geschätzt
werden als ihre Kollegen und nehmen dafür sogar oftmals eine größere
zeitliche Belastung sowie Probleme mit Kollegen und Vorgesetzten auf sich.
Die Lehrer, die selbst subjektiv eine schöne Schulzeit erleben durften
(auch solche soll es geben), wollen diese “prolongieren” und ebensolches
Ansehen genießen bzw. so bewundert werden wie ihre eigenen ehemaligen
Lehrer.
Durch ihre Machtposition, die sie - nebenbei bemerkt - sofort
und nicht erst nach vielen Jahren im Beruf oder besonders hervorragenden
Leistungen erlangen, ziehen Lehrer in jedem Fall starke Gefühle auf
sich. “Die Qualität der Gefühle, die sich auf den Lehrer richten,
kann positiv oder negativ sein: er wird geliebt und bewundert, oder er
wird gehaßt [sic!], aber selbst dann spielt er ja eine wichtige Rolle
im Leben der Schüler, die ihn mit intensiver Feindseligkeit verfolgen.
[...] Was also mit der Ausübung des Lehrberufes untrennbar verbunden
zu sein scheint, ist Zuwendung und gleichzeitig das Recht und die Macht,
den Wunsch nach Zuwendung durchzusetzen.” Dabei “erhält er [der
Lehrer] massive Unterstützung, nicht nur von seiten [sic!] seiner
Vorgesetzten und der Schule als Institution, sondern auch von seiten [sic!]
der Eltern” .
Praktische Beispiele für den Egoismus von Lehrern gibt es
viele. Um nicht dem Verdacht ausgesetzt zu sein, mich an irgendjemandem
“rächen” zu wollen, seien hier nur einige Exempel von Zwettler herausgegriffen,
die lediglich der Illustration, keinesfalls als Bestätigung meiner
Thesen, dienen sollen:
Eine Lehrerin gibt eine Note, die in keiner Weise die Dürftigkeit
der erbrachten Leistungen ausdrückt. Was die meisten Schüler,
Eltern und Kollegen als übergroße Milde und Gutherzigkeit interpretieren,
ist bloß der Wunsch, jeden Ärger zu vermeiden; wer von den Schülern
nichts verlangt, bei dem wird nicht so leicht gesucht, was er ihnen im
Unterricht bietet und wie gewissenhaft er die Erfolge kontrolliert; er
wählt den Weg des geringsten Widerstandes, um Ruhe zu haben.
[...]
Eine Mutter sucht Rat bei einem Klassenvorstand, ob sie der Tochter
schon erlauben solle, in die Tanzschule zu gehen. Die Lehrerin rät
ab, scheinbar aus Sorge um den schulischen Erfolg des Mädchens, in
Wirklichkeit aus Neid, weil sie selbst so viel in ihrer Jugend versäumt
hat, und aus Angst, die Schule [und damit sie selbst; Anm. d. Verf.] könnte
für die Schülerin an Bedeutung verlieren, wenn sie anderen Interessen
nachzugehen beginnt. [...]
Eine Lehrkraft verteidigt bei der Konferenz einen Schüler
und gibt ihrer Überzeugung Ausdruck, daß [sic!] er gut begabt
sei. Eigentlich ist sie gar nicht so fest überzeugt, daß [sic!]
sie mit dieser Behauptung recht [sic!] hat, aber sie mag den Kleinen so
gern und möchte ihn nicht verlieren. Es ist in diesem Fall ein Glück,
daß [sic!] der Bub in ihr eine Fürsprecherin gefunden hat, denn
er ist trotz ihrer geheimen Zweifel recht intelligent.
Dass ein Lernziel immer mit positiven Valenzen besetzt sein muss, um die dazwischenliegenden Barrieren mit negativen Valenzen zu überwinden, ist in Psychologie und Erziehungswissenschaft auch durch zahlreiche empirische Untersuchungen glaubhaft gemacht worden. “Überwiegt die abstoßende Wirkung der Barriere gegenüber der anziehenden Wirkung des Lernziels, dann wird der Lernprozeß [sic!] abgebrochen.”
Auch für Lehrer muss sich das Lernen lohnen, und zwar nicht nur im Sinne einer besseren persönlichen Befindlichkeit, sondern durchaus auch materiell. Vor allem hier, im Fehlen von wirklichen Aufstiegsmöglichkeiten, sieht der Erziehungswissenschaftler Oelkers den Grund für das viel beklagte “Burn-out-Syndrom” bei Lehrern [...] Während am Anfang der Berufslaufbahn die Motivationskurve noch nach oben ausschwingt, geht es schon nach wenigen Jahren immer stärker abwärts, wenn sich zeigt, dass sich die ganze Mühe nicht lohnt.
Um Erkenntnisse der Erziehungswissenschaft in die Praxis transferieren
zu können, bedarf es also auch einer positiven Zielvalenz für
den Lehrer, d. h. dem Lehrer müsste in irgendeiner Form vermittelt
werden, was er persönlich davon hat, wenn er sich bestimmte Inhalte
der Erziehungswissenschaft aneignet, denn “Handeln sucht seine Sicherheit
in der Bestätigung und im Erfolg” . Zumindest muss der Lehrer das
Gefühl haben, wenigstens bei seinen Schülern oder deren Eltern
oder Kollegen bzw. Vorgesetzten als “guter” Lehrer zu gelten, wenn er sich
pädagogisches Wissen aneignet, auch – und vielleicht gerade - wenn
er den Neid mancher Kollegen oder auch Eltern auf sich zieht. “Beobachtungen
der Realität bestätigen die Vermutung, daß [sic!] Praktiker
ihr Handeln an jenen Resultaten ihrer Arbeit orientieren (‘müssen’),
die insbesondere von den gesellschaftlich jeweils Sanktions-Mächtigen
positiv honoriert werden” . Jedoch bekommen Lehrer “kaum Kritik und noch
seltener Lob zu hören und wenn, dann richten sich solche Urteile nur
an ‘die Lehrer’.”
Im allerbesten Fall sollten seine Kenntnisse dem im Bildungssystem
praktisch tätigen Pädagogen finanzielle Vorteile bringen sowie
seine weitere Arbeit erleichtern, jedoch wird er keinesfalls an Theorien
interessiert sein, die ihm - in die Praxis transferiert - lediglich seine
Arbeit erschweren würden und von denen er selbst kaum bzw. gar nicht
profitieren zu können glaubt; ebenso wenig wie an Vorschriften, die
bloß seinen eigenen Egoismus einschränken.
Schon die pädagogische Ausbildung bietet den angehenden
Junglehrern meist nicht das, was diese wollen. Lehramtskandidaten erwarten
sich von der Erziehungswissenschaft nur allzu oft “Unterrichtsrezepte”
wie sie die Fachdidaktiken, die in ihrer Entwicklung in der Zeit vor Herbart
“steckengeblieben” ist, bietet, die sie tauglich machen sollen für
die Praxis und ihnen – wie sie glauben – den Berufseinstieg so weit wie
möglich erleichtern, und würden dafür sogar in Kauf nehmen,
dass ihre eigene Urteilskraft sowie ihr freier Wille untergraben werden.
Was die Studierenden dabei übersehen, ist, dass auch “Rezepte” nur
bedingt auf den einzelnen Schüler anwendbar sind und ihnen das Denken
keinesfalls ersparen, “[w]eil konkretes pädagogisches Handeln auf
Urteilskraft angewiesen bleibt” .
Solange pädagogisches Denken lediglich als eine Kultivierung und Disziplinierung eines natürlichen Wissens über Erziehung aufgefaßt [sic!] wird, kann es im Hinblick auf unmittelbare Relevanz nur enttäuschen. [...] Theoriefeindlichkeit von Studenten bezieht sich so zunächst nicht auf die Irrelevanz pädagogischer Konzeptionen im Hinblick auf eine spätere Praxis, sondern ihre Schelte richtet sich gegen die Untauglichkeit von Theorien zur Aufklärung ihrer eigenen erlittenen Schulgeschichte [Hervorh. v. Verf.].
Der durch die falsche Erwartungshaltung der zukünftigen Erzieher
an die Erziehungswissenschaft entstehende Frust äußert sich
in einer Reaktanz gegen erziehungswissenschaftliche Forschung im Allgemeinen
(“Beschäftigungstherapie” nennt etwa Walter Weiss, selbst Lehrer an
einem Wiener Gymnasium, die universitäre Lehrerausbildung ), was wiederum
die Forscher, die ihre Legitimation verteidigen wollen, dazu bringt, den
Praktikern gegenüber eine ablehnende Haltung einzunehmen und meist
“von oben herab” “mit erhobenem Zeigefinger” direkt oder indirekt auf sie
Einfluss zu nehmen versuchen, was in den Lehrern, die ja ihre eigene Schulzeit
verarbeiten wollen und nicht wieder “Lehrer” über sich dulden wollen
(sie wollen ja jetzt die Lehrer sein, und daher ist es für sie “‘[...]
furchtbar, als Erwachsener plötzlich wieder in die abgelegte Schülerrolle
gedrängt zu werden’” !), wiederum Ablehnung gegenüber der Theorie
erzeugt, denn “[s]ie stehen stets im Mittelpunkt und sind es gewöhnt,
dass alle zuhören.” “Kein Wunder, dass viele Schulmeister bei
ihren Mitmenschen als verhaltensauffällig gelten. Diese professionelle
Deformation und der Neid auf die langen Ferien belasten das Verhältnis
der Lehrer zu ihrer Umwelt von jeher.” “Der Psychologe Jörg
Fengler, Leiter einer ‘Arbeitsgruppe Klinische und Pädagogische Psychologie’
glaubt, dass viele Lehrer mit den Berufsjahren einen ätzenden Hang
zur Besserwisserei entwickeln, der fatal auf die Stimmung schlägt.”
Walter Weiss berichtet: “Die Lehrer sitzen zwar alle im selben Boot, haben
also dieselbe Schulbehörde über und die gleichen Schüler
unter sich, sie ziehen aber nicht am selben Strang, weil dies Arbeitsteilung
und Eingehen aufeinander bedeuten würde und die eigene Omnipotenz
in Frage stellte [Hervorh. v. Verf.]” “‘Viele Lehrerkollegien
klagen über endlose Streitereien – kein Wunder, wenn lauter Rechthaber
zusammen arbeiten müssen.’” , und auch die Erziehungswissenschaftler
untereinander “demonstrieren [...], wie man sich gegenseitig ignoriert,
ja, wie man sich einander vorwirft, entweder nicht Pädagogik oder
nicht Wissenschaft zu ‘betreiben’” .
“Die Politiker wiederum fühlen sich unter Druck und zum
Handeln getrieben. Denn Schulpolitik ist wieder ein Thema. Jeder neue Minister
präsentiert ein eigenes Reformkonzept. Vieles kommt zu schnell, klagen
die Lehrer, ist unausgegoren, zu widersprüchlich – und stets hören
sie den Unterton heraus: Euch werden wir es zeigen.”
Alles in Allem vielleicht lediglich der Kampf von Einzel- und
Gruppenegoismen um Macht, Anerkennung und den eigenen Vorteil?
Bücher
Breinbauer, Ines Maria: Einführung in die allgemeine Pädagogik. Wien: WUV 1996. ( = WUV-Studienbücher Grund- und Integrativwissenschaften 5).
Schwendenwein, Werner: Theorie des Unterrichtens und Prüfens. 5., gänzlich neugestaltete Auflage. Wien: WUV 1993.
Wallner, Fritz: Wissenschaft in Reflexion. Wien: Braumüller 1992 ( = Philosophica 10).
Weiss, Walter: Tatort Schule. Eine Bestandsaufnahme. Warum Kinder überfordert, Eltern verunsichert und Lehrer frustriert sind. 2. Aufl. Wien: Orac 1992.
Zwettler, Sylvia: Warum Lehrer Lehrer werden. Eine hilfreiche Verhaltensstudie
für Eltern, Lehrer und Schüler. Wien: Orac 1981.
Aufsätze
Benner, Dietrich: Das Theorie-Praxis-Problem in der Erziehungswissenschaft und die Frage nach Prinzipien pädagogischen Denkens und Handelns. In: Zeitschrift für Pädagogik, 1980, S.485-497.
Heid, Helmut: Über die praktische Belanglosigkeit pädagogisch bedeutsamer Forschungsergebnisse. In: Eckard König, Peter Zedler (Hg.): Rezeption und Verwendung erziehungswissenschaftlichen Wissens und pädagogischen Handlungs- und Entscheidungsfeldern. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1989, S. 111-124.
Kant, Immanuel: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. Werke in 12 Bänden, hg. von. W. Weischedel, Bd. 11, Suhrkamp Frankfurt 1964, S. 127-172.
Meyer-Drawe, Käte: Grenzen pädagogischen Verstehens – Zur Unlösbarkeit des Theorie-Praxis-Problems in der Pädagogik. In: Vjschr. f. wiss. Päd. 3, 1984, S. 249-259. (Antrittsvorlesung)
Prondczynsky, Andreas von: Zwischen “Vermittlung” und “Distanz”. Entparadoxierung
des Theorie-Praxis-Problems der Pädagogik durch Wissenschaftsforschung.
In: Vjschr. f. wiss. Päd. 4, 1996, S. 401-425.
sonstige Quellen
Das fliegende Lehrerzimmer. URL: http://www1.zeit.de/zeit/tag/aktuell/199949.lehrer-aufmacher.html (3. 12. 1999).
Ernstfall Unterricht. URL: http://www1.zeit.de/zeit/tag/aktuell/199949.ausbildung_.html (3. 12. 1999).
Olechowski, [Richard]: Theorie des Unterrichts – Wien, Skriptum s. a.
Reichert, H[ermann]: Lüge und Selbstgespräch. Zwei Kommunikationsmodelle – Wien, Skriptum 1994.
Verbrannte Seelen. URL: http://www1.zeit.de/zeit/tag/aktuell/199949.burnout_.html
(3. 12. 1999).