Profil der ersten Ausgabe „Archo - der Click in die Zukunft“

 

Kurzmeldungen

Spuren des Ebola-Virus in Kleintieren

Frühe Verletzungen des Gehirns beeinflussen das Verhalten

Fund ältester Saurierknochen

Vulkanische Eruptionen werden immer genauer voraussagbar

Fleisch und Gemüse

Spanisches Theater

So spielte Apollon Schach

Motorik

Die älteste Blütenpflanze

Leben an Land begann viel früher 

 

Berichte

Ein assyrisches Archiv

Enttäuschung für „Eiszeitpark

Gehirnverletzung und Moral

 

Interview

Noch nicht vorhanden

 

Rezensionen

Gorbatschows Memoiren

Briefwechsel Schmitt-Jünger

Lexikon der Öffentlichkeitsarbeit

Die Akten der Reichskanzlei

Stasi in Westdeutschland

Who is who der Wissenschaften

 

 

 

Ein assyrisches Archiv

 

Das erste altorientalische Weltreich, das Reich der Assyrer, hatte immerhin etwas mehr als 300 Jahre Bestand, nämlich von 932 - 612/610 vor Christus. Es unterlag schließlich einer Koalition zwischen Medern und Babyloniern. Die Assyrer verschwanden buchstäblich von der politischen Landkarte, - so zumindest die bisherige Lehrmeinung - weil nach 612/610 keine schriftlichen oder materiellen Zeugnisse mehr überliefert waren.

Unter der Leitung von Hartmut Kühne von der FU Berlin wurde1998 im heutigen Tell Schech Hamad in Nordost-Syrien ein Archiv von 550 Texten geborgen, das in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. datiert. Es ist das größte assyrische Privatarchiv, das bis heute außerhalb des assyrischen Kernlandes zutage gebracht werden konnte. Bisher wurde eine Fläche von ca. 45.000 qm ausgegraben. Seit 1993 wird schwerpunktmäßig ein Gebäude untersucht, das wegen seiner rot getünchten Raumwände das „Rote Haus“ genannt wurde. Das Gebäude bedeckte eine Fläche von etwa 7.000qm, was auf eine Nutzung als palastartige Residenz schließen läßt.

Eine genauere funktionale Zuweisung ist jetzt vielleicht durch das neu entdeckte Archiv möglich geworden, das in einem der letzten auszugrabenden Räume entdeckt wurde, und mit großer Sicherheit im oberen Stockwerk in Tonkrügen aufbewahrt worden war und bei Einsturz des Hauses in den darunter liegenden Raum heruntergefallen ist. Es konnten bisher vor Ort nur etwa 200 der insgesamt 550 Einheiten des Archivs gesichtet und vorläufig inhaltlich zugewiesen werden: Es handelt sich demnach um ein Privatarchiv eines gewissen Schulmu Scharri, der Leibwächter des letzten großen assyrischen Königs Assurbanipal (669-629 v.Chr.) war. Es ist zu vermuten, daß das ,,Rote Haus„ die eindrucksvolle Residenz der Familie dieses hohen militärischen Würdenträgers war. Das Archiv beurkundet vornehmlich Käufe und Verkäufe von Immobilien und Menschen, die Schulmu Scharri tätigte. Die Texte sind überwiegend in assyrischer Sprache und in Keilschrift auf Tontafeln eingeritzt; Ferner sind die Roll- oder Stempelsiegel der am Kauf beteiligten Personen auf den Texten angebracht

Die historische Bedeutung des Archivs liegt darin, daß die Funktion der Stadt nunmehr mit Hilfe eines weiteren in den Texten genannten Leibwächters und eines Streitwagenbesitzers als die einer Garnisonsstadt gedeutet werden kann. Der größte Teil der Texte datiert in die kritische Endphase, die sogenannte postkanonische Zeit des assyrischen Reiches, der jüngeren Regierungszeit des Königs Assurbanipal (668-626 v.Chr.) und seiner Nachfolger (625-610 v.Chr.), sowie in die Zeit des Zusammenbruchs dieses ersten altorientalischen Weltreiches und ist geeignet, eine dunkle historische Phase des Reiches und der Geschichte des Alten Vorderen Orients aufzuhellen. In einigen Texten scheint das Geschick der Stadt nach dem Zusammenbruch der assyrischen Zentralregierung unter der militärischen Koalition der Meder und Babylonier beleuchtet zu werden: Die assyrischen Würdenträger der Stadt nahmen die Amtsgeschäfte der Zentralregierung selbst wahr und bestimmten die Datierung, bis sie sich gezwungen sahen, den neuen Souverän, den großen babylonischen König Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.), anzuerkennen und nach ihm zu datieren. Umgekehrt scheint der babylonische Souverän nicht im Geringsten daran gedacht zu haben, die assyrischen Würdenträger durch babylonische zu ersetzen, im Gegenteil, er bediente sich ihrer und ihrer lokalen Kenntnisse, was in der Kontinuität der Namensnennung der assyrischen Familien in den Texten bezeugt ist.

 

 

 

Mammutfund in Sibirien; Enttäuschung für „Eiszeitpark“

 

Das genetische Material des im sibirischen Eis gefundenen Wollhaar-Mammuts ist vermutlich zu schlecht erhalten, um eine gentechnische Rekonstruktion zu ermöglichen.

Vor etwa zehntausend Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit, ist das große wollhaarige Mammut wohl doch für immer ausgestorben.

Mit der Bergung eines erstaunlich gut erhaltenen Tieres aus dem sibirischen Permafrostboden im Oktober wurden Hoffnungen wach, daß gentechnische Nachkommen dieser ausgestorbenen Art zu erzeugen wären. Allerdings scheinen sich die Chancen auf eine erfolgreiche Rekonstrukion immer weiter zu verschlechtern.

Zwar werden mit Sicherheit entscheidende Erkenntnisse aus den Untersuchungen des Materials gewonnen werden können, doch wird es sich dabei wohl hauptsächlich um theoretischen Gewinn handeln.

Eckhard Wolf vom Institut für Molekulare Tierzucht und Haustiergenetik der Universität München, der erste deutsche Wissenschaftler, dem ein Klonierungsversuch nach dem Vorbild des schottischen Dolly-Experiments gelang, über die Hintergründe der schlechten Chancen:

„Zum Klonen bedarf es unversehrter Zellkerne“ Intakte Zellkerne aber im Körper eines vor zwanzigtausend Jahren verendeten Tieres zu finden, sei praktisch unmöglich: Das tote Mammut sei langsam von außen nach innen eingefroren. Dadurch hätten sich im Gewebe scharfe und sich ausdehnende Eiskristalle gebildet, die die Zellen schließlich zerstörten.

Der Hamburger Zoologe Harald Schliemann hält die Wiederbelebung einer bereits ausgestorbenen Tierart mit den derzeitigen Methoden ebenfalls für unmöglich. Er führt weitere Gründe an. Schliemann geht davon aus, dass das Genmaterial an sich, die DNA, die Lagerung im Eis nicht überstanden hat, also unabhängig von der Unversehrtheit der Zellkerne selber. „Um ein komplexes Lebewesen zu klonen, wird die gesamte Erbinformation benötigt.“ Die DNA des Mammuts sei trotz der im Grunde konservierenden Kälte im Dauerfrostboden mit Sicherheit zerstört. Größere DNA-Stücke gebe es daher wahrscheinlich nicht mehr. Auch bei lebenden Organismen muß die Erbsubstanz ja ständig erneuert werden, um erhalten zu bleiben.

Doch angenommen, man fände einen intakten Zellkern und komplette DNA-Stränge, so bestünden noch weitere grundsätzliche Schwierigkeiten des Klonens. Was bereits mit lebenden Tierarten schwer zu bewerkstelligen ist, würde im Fall einer extinkten Tierart die Grenze des derzeit machbaren erreichen.

Wissenschaftler der amerikanischen University of Wisconsin-Madison experimentierten mit Kühen, Schafen, Affen und Ratten. Sie entkernten befruchtete Eizellen der Kühe und verschmolzen diese mit kernhaltigen Zellen aus dem Ohrgewebe der anderen Tierarten. Die neu zusammengesetzte Eizelle wurde dann von der Tierart ausgetragen, die den Zellkern gespendet.

Die Erfolgsquote war denkbar gering. Nur drei Prozent der verpflanzten Embryonen überlebten. Dagegen glückten Wolf in mehreren Versuchsreihen mit nur einer Tierart (Kühen) 25 bis 60% der Experimente. Da aber (in Mangel lebender Mammuts als Eizellenspender) die Zellkerne aus dem Eis mit einer artfremden Eizelle verschmolzen werden müßten, gelten auch hier äußerst geringe Erfolgsaussichten. Den größten Erfolg verspräche immerhin die Eizelle einer indischen Elephantenkuh, der nächsten der heute lebenden Verwandten.

Um schließlich die gesamte Tierart neu zu züchten, also eine moderne Mammutpopulation herzustellen, wäre ein Exemplar nicht genug. „Um die Tiere fortzupflanzen, benötigt man schließlich das Erbmaterial von Männchen und Weibchen“, erklärte Wolf. „Zudem ist eine Population nur dann stabil, wenn sie über eine weite genetische Variation verfügt - einen großen Genpool.“

Natürlich ist es auch denkbar, aus einem einzigen Pärchen viele Nachkommen und Folgegenerationen zu züchten. Bei Mäusen beispielsweise gibt es derartige Inzuchtstämme. In ihnen häufen sich indes negative genetische Faktoren. Wolf: „Die Fruchtbarkeit der Mäuse aus solchen Stämmen nimmt meist bis zur Hälfte ab.“ Je komplexer ein Lebewesen ist, je besser organisiert, desto instabiler wird seine Gattung bei Inzucht. Was bei Bakterien keine oder nur geringe Schwierigkeiten macht, stellt den Gentechniker bei Säugetieren vor die größten Probleme.

Bevor jedoch Inzuchtstämme von Mammut-Klonen erschaffen werden können, muß zunächst wenigstens ein Tier „wiederbelebt“ werden. Das ist derzeit jedoch offenbar unmöglich.

Aber auch die Vergangheit hat das Wort „unmöglich“ oft genug ad absurdum geführt: „Das Experiment Dolly hielten viele für unmöglich“, erinnert sich der Münchner Wissenschaftler. Noch lange nach

der Veröffentlichung der Ergebnisse kursierten Zweifel an deren Zuverlässigkeit. „Später zeigte sich dann, dass die Versuche unter bestimmten Bedingungen dennoch gelingen.

Möglicherweise ist das Mammuth einfach nur zu früh entdeckt worden, aber: wer weiß „um wieviel zu früh“?

 

 

Spuren des Ebola-Virus in Kleintieren

 

Ratten und Spitzmäuse könnten die Seuche übertragen

Eine französische Forschergruppe um Jacques Morvan, Marc Colyn, Vincent Deubel und Pierre Gounon hat bei der Untersuchung scheinbar gesunder Nagetiere in Afrika Spuren des Ebola-Virus gefunden. Bei der Vervielfältigung von Teilen des betreffenden Erbguts wurde im Gewebe von vier Säugetierarten Virus-Erbgut gefunden.

Daß Tiere Menschen mit Ebola infizieren können, ist bekannt. Unklar war hingegen, welche Tierarten als Überträger in Frage kommen. Es scheint sich herauszustellen, daß nicht nur, wie bislang vermutet, Tiere aus den oberen Bereichen der Regenwaldbäume für die Übertragung verantwortlich sein könnten, sondern auch Tiere die den Boden bewohnen, vor allem Nagetiere, wie die Elefantenspitzmaus und die Gemeine Afrikanischen Ratte, wiesen DNA - Teile des Virus auf. Die Nähe des Lebensraumes dieser Tierarten zu menschlichen Siedlungen macht diese Entdeckung besonders brisant

Die Ergebnisse der Untersuchungen werden kommenden Monat im Journal „Microbes and Infections“ Paris veröffentlicht.

 

 

 

Frühe Verletzungen des Gehirns beeinflussen das Verhalten

 

Mit Verletzungen in bestimmten Regionen des Vorderhirns verlieren Menschen häufig die Fähigkeit, Moralbegriffe und soziales Verhalten zu erlernen oder aufrechtzuerhalten. Je früher die Verletzung eintrat, desto größer sind die Folgen für das Verhalten. Betroffene Menschen lügen, stehlen und attackieren ohne die Konsequenzen mehr abschätzen zu können. Der US-Neurologe Antonio Damasio und seine Kollegen von der University of Iowa im Fachjournal „Nature Neuroscience“ haben das Phänomen an einer großen Zahl von Fällen untersucht. Die Intelligenz leidet dabei keineswegs unter der Verletzung, es scheint lediglich, daß die Betroffenen ein Gefühl der Gleichgültigkeit den Folgen gegenüber entwickeln würden.

Die Erkenntnisse stützten sich unter anderem auf eine Studie an einer 20-jährigen Frau und eines 23-jährigen Mannes, die beide im frühen Kindesalter eine Verletzung im vorderen Stirnlappenbereich der Hirnrinde erlitten hatten. Beide hatten sich äußerlich gut erholt und wuchsen in stabilen Familien auf. Mit zunehmendem Alter, zeigte sich jedoch ihre Unfähigkeit, sich an ethischen Normen zu orientieren.

Neurologen wissen seit dem klassischen Fall des amerikanischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage im

Jahr 1848, dass eine Verletzung im vorderen Hirnbereich die Persönlichkeit verändert. Dem Arbeiter hatte sich durch eine Explosion eine Eisenstange längs durch das Gehirn gebohrt. Er überlebte den Unfall zwar, wandelte sich jedoch vom verantwortungsbewussten Mitarbeiter zu einem vollkommen unzuverlässigen Menschen. Verletzungen dieser Art können zur Psychopathie führen, wobei nicht der Schock den Ausschlag gebe, sondern die Verletzung am Vorderhirn. Vor allem bei Verletzungen von Kleinkindern sei diese Entwicklung zu verfolgen

Dem 23-Jährigen war kurz nach der Geburt ein Hirntumor entfernt worden. Die 20-Jährige wurde im Alter von 15 Monaten durch einen Verkehrsunfall schwer verletzt.

Möglicherweise besteht folgender Zusammenhang zwischen Verletzung und verändertem Verhalten:

Eine Bereich in der Hirnrinde, die das Lernen durch Belohnen und Bestrafen ermöglicht, wird bei den Verletzungen des Vorderhirns beschädigt. Ebenso muß diese Region für das Aufrechterhalten des Gelernten zuständig sein. Das würde bedeuten, dass der Erwerb moralischer Fähigkeiten davon abhängt, Gefühle empfinden zu können, die durch Belohnung oder Bestrafung hervorgerufen werden. Ebenso, daß das moralische Fähigkeiten beständig durch Lernprozesse getragen und ausgebaut werden müssen. Offenbar kann keine andere Hirnregion gerade diese Funktion übernehmen und sozusagen „einspringen“, wenn eine Verletzung eintritt.

Nature Neuroscience, Bd. 2, S. 1032 / dpa

 

 

 

Fund ältester Saurierknochen

 

Die Vorfahren der Saurier waren etwa so groß wie Kängurus.

In einem trockenen Flussbett auf Madagaskar sind die wahrscheinlich ältesten Dinosaurierfossilien der Welt entdeckt worden. Ein internationales Team von Paläontologen berichtete vergangene Woche in Chicago, dass die Fossilien auf ein Alter von etwa 230 Millionen Jahren geschätzt werden. „Eine völlig neue Art wie diese wird nur alle paar Jahrzehnte entdeckt“, sagte Andre Wyss von der University of California, Santa Barbara.

Die Rekonstruktion der fossilen Skelette ergab etwa folgendes grobe Erscheinungsbild: Von der Größe eines kleinen Känguruhs liefen die Tiere vermutlich auf 4, vielleicht aber auch auf 2 Beinen. Lange Hälse trugen verhältnismäßig kleine Köpfe.

Vor etwa 160 Millionen Jahren hat sich die Insel Madagaskar vom ehemaligen Südkontinent Gondwana abgetrennt und ist vor die afrikanische Küste gedriftet. Die Fosslien haben die ganze Reise mitgemacht. Die weitere Erforschung des Fundes wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Auch madagassische Forscher wollen sich beteiligen.

Science, Bd. 286, S. 763

 

 

 

Vulkanische Eruptionen werden immer genauer voraussagbar

 

Amerikanische und japanische Forscher haben ein neues Verfahren zur Vorhersage von Vulkanausbrüchen entwickelt. Durch Messung der Veränderungen in der Landschaft vor einer Eruption, soll es möglich werden, den Zeitpunkt des Ausbruches genauer als bisher zu bestimmen. Diese Veränderungen sind am besten aus der Luft zu erkennen, weshalb sich das neue Verfahren auch der Satellitentechnik bedient.

Eingeübt wurde die Methode auf der japanischen Halbinsel Izu. Minimale Veränderungen des Bodens wurden von Satelliten vermessen, genauso wie die Reihe der Eruptionen selber. Der Vergleich der Daten brachte folgende Erkenntnis:

Das Beben führt zu einem Transport der geschmolzenen Lava in Bodennähe. Während die Beben nach zwei Tagen weniger wurden, setzte das Magma seine Aktivitäten noch für mehr als eine Woche fort.

Die Wissenschaftler sind sicher, daß durch dieses Verfahren grundsätzliche Erkenntnis darüber geben können, ob und wann eine Eruption nach einem Beben zu erwarten ist.

(Pressetext Austria, 31.11.99)

 

 

Leben an Land begann viel früher

 

Wesentlich früher als bislang angenommen begann das Leben auf der Erde

Geologen von der Penn State University haben in Südafrika einige Spuren entdeckt, für Lebewesen typische eisenreiche Gesteinsformationen. Die Sensation lag im Alter der Formationen: sie sind etwa 2,3 Milliarden Jahre alt. Diese Formationen, Laterite, sind sichere Hinweise auf das Vorhandensein früherer organischer Säuren. Wenn tote Organismen verwesen, lagert sich das dabei gelöste Eisen als Eisenoxid in dem darunterliegendem Boden ab. In Verbindung mit dem Sauerstoff der Atmosphäre bilden sich schließlich Laterite.

Eine typische Laterit-Formation enthält drei Stufen: eine „ausgelaugte“, eisenarme Schicht, die mit einer eisenreichen Schicht bedeckt ist, auf die wiederum eine eisenärmere Schicht folgt.

„Bisher war der früheste akzeptierte Zeitpunkt für die Entstehung von Landlebewesen etwa vor 1,2 Milliarden Jahren, aber nun können wir diesen Zeitpunkt um eine weitere Milliarde Jahre zurückdatieren“, sagt Dr. Hiroshi Ohmoto, Professor für Geowissenschaften an der Penn State University.

Die nun gefundenen Laterite haben ein Alter von bis zu 2,3 Miliarden Jahren, ein Beweis für die Existenz atmosphärischen Sauerstoffs und terrestrischen Lebens.

 

Die älteste Blütenpflanze

 

Die älteste Blütenpflanze der Erde heißt „Amborella“ und wächst in Neukaledonien. Den Beweis für das Alter erbrachten Genanalysen an der Harvard-Universität. Der Busch, ein Gewächs mit cremefarbenen Blüten und roten Früchten, scheint demnach die Wurzel derjenigen Pflanzengruppe der Bedecktsamer oder Angiospermen zu sein, die während der Kreidezeit die sogenannten

Nacktsamer - dazu gehören vor allem Koniferen - verdrängten. Zu den ältesten Blütenpflanzen gehören außerdem die Wasserlilien und einige australische Arten.

Bisher war wenig über den Ursprung der Blütenpflanzen bekannt, ebenso waren ihre nächsten Verwandten unbekannt, was es Botanikern schwer machte, genetische Unterschiede zu finden. Mathews und Donoghue von der Harvard-Universität konnten nun zeigen, dass sich die 26 ältesten Bedecktsamer in zwei Gruppen teilen lassen, deren Vorfahre Amborella zu sein scheint.

 

 

Motorik

 

Ob beim Laufen, Autofahren oder Inlineskating ohne daß wir es bemerken, leistet unser Gehirn Schwerstarbeit. In unzähligen Rechenschritten verbindet es Sinneseindrücke verschiedener Verarbeitungssysteme, was letztlich kontrollierte Bewegung möglich macht.

Dass wir zum Beispiel eine Straße überqueren können und dabei die Bewegung von sich nähernden Fahrzeugen richtig einschätzen können, oder dass wir geworfene Bälle auffangen können, ist bekannt, aber wie wir das machen, war bislang nicht zu erklären.

Wissenschaftlern von der Washington University School of Medicine ist es jetzt gelungen, die Gehirntätigkeit, die dabei vor sich geht, aufzuzeigen. Sie haben herausgefunden, dass der Mensch schon allein dadurch, dass er die Bewegung eines Gegenstands mit Gedanken erfasst, sein Gehirn auf die kommende Bewegung einstellt. Bevor das fragliche Objekt sich überhaupt von der Stelle gerührt hat, beginnt die Berechnung der Bewegung. „Durch diese Präaktivierung des Gehirns sind wir in der Lage, besser und gezielter zu reagieren, wenn das Objekt sich, wie erwartet, bewegt.“ erläutert Gordon L. Shulman, der Hauptautor der Studie, die in der November-Ausgabe des „Journal of Neuroscience“ erscheint. Das Gehirn kann also in gewisser Weise in die Zukunft sehen, auch wenn es sich dabei durchaus verrechnen kann. Die Erfahrung spielt eine zentrale Rolle bei dieser Fähigkeit.

Gehirnvorgängen wurden bislang durch Positronen-Emissionstomographie (PET) sichtbar gemacht.

Das Forschungsproblem, wie das Gehirn mit Bewegungen fremder Körper umgeht, war auf diese Weise nicht zu lösen, da hier bei Bildern, die innerhalb eines 40-Sekunden-Zeitrahmens aufgenommen werden, die geistige Vorwegnahme von Bewegung und die Wahrnehmung der Bewegung miteinander

vermengt werden.

Die Kernspinresonanztomographie (fMRI), eine vollkommen andere Methode, hatte den Vorteil, den Zeitrahmen, in dem die Bilder der verschiedenen Denkphasen vermischt werden, auf wenige

Sekunden zu verdichten.

In einem Versuch, bei dem die Versuchspersonen Bewegungen von Punkten auf einem Bildschrim erst vorhersagen und dann wahrnehmen sollten, konnten die Wissenschaftler die Phasen der Gehirntätigkeit aufzeigen. In der ersten Phase wird vor allem der posteriore Parietalcortex aktiviert, eine visuelle Region, die sich im hinteren Teil des Gehirns befindet. Wenn das Objekt sich dann bewegt, ist eher die ventrale parietale Region, die sich auf der rechten Seite des Gehirns befindet, aktiv.

„Diese Forschungsergebnisse werfen ein Licht auf die Ursachen für verminderte Aufmerksamkeit nach Gehirnverletzungen und können dazu genutzt werden, neue Rehabilitationsstrategien zu entwickeln“,

kommentiert Maurizio Corbetta, einer der Mitautoren der Studie die Ergebnisse.

 

 

Fleisch und Gemüse

 

Ötzi, der 5000 Jahre alte Alpinist, den man vor 8 Jahren fand, hat sich zu Lebzeiten vermutlich fast so ernährt wie der moderne Europäer heute.

Raúl Cano von der California Polytechnic in San Luis Obispo und Friedl Tiefenbrunner von der University of Innsbruck haben Proben aus den Eingeweiden untersucht und dabei Bakterien gefunden, die denen im Darm moderner Europäer gleichen. Daraus folgerten sie, daß Ötzi eine vergleichbare Ernährung zur Verfügung gestanden haben muß.

“He had the same type of diet as we do, with meat and vegetables, but he drank contaminated water,” sagte Cano. Das Ei eines Geißelwurmes, Trichuris trichuria, und das Bakterium Vibrio metschnikovii, ein Verwandter des Cholera-Erregers wurden ausfindig gemacht.

 

 

Geisteswissenschaften

 

Die Theaterleidenschaft im Spanien des ‚Goldenen Zeitalters’ - Siglo d’Oro - sorgte für eine heute kaum nachvollziehbare Produktivität der Autoren. Bis zu dreißigtausend gedruckte, ungedruckte, teils verschollene Theaterstücke werden vermutet - darunter wahre Bühnenspektakel mit Musik, Tanz und Erotik. Die hispanistische Forschung an der Universität Bochum (Prof. Dr. Manfred Tietz, Romanische Philologie/Hispanistik) und an der Universität zu Köln (Prof. Dr. Jürgen Rolshoven, PD Dr. Guido Mensching, Sprachliche Informationsverarbeitung) erschließt u.a. die Welt der Worte, die Ideen eines Autors oder sogar einer ganzen Epoche, zum Beispiel unter Zuhilfenahme sogenannter Konkordanzen.

 

 

So spielte Apollon Schach

 

Daß Schach spielen durchaus zur wissenschaftlichen Arbeit eines Philologen gehören kann, zeigen Prof. Dr. Reinhold F. Glei und Dr. Thomas Paulsen (Universität Bochum): Mit geradezu mathematischer Genauigkeit interpretieren sie ein lateinisches Gedicht aus dem Jahre 1510, das eine Schachpartie zwischen den Göttern Apollo und Merkur beschreibt. Erstmals ist es gelungen - was bislang niemand für möglich hielt - diese Partie der Götter nachzuspielen. Der Reiz dabei liegt nicht allein im schachtheoretischen Erkenntnisgewinn, sondern in der Evaluation von Interpretationsmethoden, um im Sinne einer ‚Hermeneutik more geometrico’ letztlich aus dem Text noch mehr Information zu gewinnen. Wer Lust hat, die Partie der Götter nachzuspielen oder wenigstens nachzulesen, kann das tun: in der aktuellen Ausgabe der Hochschulzeitung der Universität Bochum RUBIN 2/97.

 

 

Buchrezensionen

 

Friedemann Otterbach: Fanatische Welt Michael Walter: Die Oper ist ein Irrenhaus.  Sozialgeschichte der Oper im 19. Jahrhundert, J.B. Metzler, Stuttgart 1997, 360 Seiten, 78 Mark. „Das dumpfe Verlangen, dem Alltäglichen zu entfliehen“, treibe die Menschen in die Oper. Der Auffassung war im 19.  Jahrhundert der Kunstkritiker Théophile Gautier. Heute kursiert der Scherz vom Theater als Irrenhaus und der Oper als Abteilung für Unheilbare. Die fanatische Welt des Theaters, der vom alltäglichen Leben abgehobene, von einem außenstehenden Betrachter nur schwer durchschaubare Betrieb eines Opernhauses: Sind sie ein Fall für den Psychiater?

Gemach. Das Bonmot „Die Oper ist ein Irrenhaus“ dient Michael Walter nur

als reißerischer, verkaufsfördernder (?) Buchtitel. Der hinzugefügte

Untertitel „Sozialgeschichte der Oper im 19. Jahrhundert“ trifft den

Inhalt des Buches und den nüchternen, sachlichen Tonfall der Darstellung präziser. Musikgeschichtliche Darstellungen der Oper im 19. Jahrhundert gibt es viele. Dagegen führte die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Oper im deutschen Sprachraum bislang ein Mauerblümchendasein. Der Autor erlöst dieses Spezialgebiet der Operngeschichte aus seinem Schattendasein, indem er detail- und kenntnisreich sowie mit vielen Zitaten und Belegen gespickt einen zusammenfassenden Überblick über die Sozialgeschichte der Oper im 19. Jahrhundert gibt.

Das 360 Seiten starke Werk stellt die drei wichtigsten Länder für die Oper im 19. Jahrhundert vor: Italien, Frankreich, Deutschland. Wie wurden die Opernbetriebe in den unterschiedlichen Ländern organisiert?  Wer subventionierte die Theater? Der zweite Teil des Buches befaßt sich mit der Sozialgeschichte, derjenigen, die die Opernwerke produzierten: Librettisten, Opernsänger. Im letzten Abschnitt des Buches befaßt sich der Autor unter anderem mit Themen wie „Oper und Politik“, „Zensur und Oper“. Spannend ist auch ein Kapitel „Werkbegriff, Vertragspraxis, Urheberrecht“.

 

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John Simmons, “Who is Who der Wissenschaften. Von Archimedes bis

Hawking, von Gauss bis Lorenz“, Bettendorf, München u. Essen, 1997,

gebunden, 599 Seiten, 58,00 DM, ISBN 3-88498-115-3.

Daß der Begründer der modernen Naturwissenschaften, Isaac Newton (1642-1727), zu gewalttätigen Zornesausbrüchen neigte, ist wohl kaum bekannt. Geläufiger sind da schon die Experimente mit Graugänsen des Verhaltensforschers Konrad Lorenz (1903-1989). Andererseits wissen meist nur Fachleute, daß Emil Kraepeling (1856-1926) ein führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der Psychiatrie war. In dem Buch werden 100 Gelehrte der unterschiedlichsten Fachgebiete, deren Einfluß überall zu spüren und in unserer Welt nicht mehr wegzudenken ist, vorgestellt.

Albert Einstein ist genauso zu finden wie beispielsweise der Chemiker

Justus Liebig oder der Streßforscher und Arzt Hans Selye. Leider kann

nur eine kleine Auswahl ihrer Leistungen dargestellt werden. Dabei

gingen die Wissenschaftler recht unterschiedlich vor. Der Chemiker

August Kekulé verabscheute Laborarbeit, aber eines Abends hatte er einen Traum, aus dem die gesamte organische Chemie hervorging. Enrico Fermi, der den ersten Atomreaktor schuf, war glücklich, wenn er sich die Hände schmutzig machen durfte. Sein Freund Leo Szilard wollte damit nicht behelligt werden und zog es vor, mit anderen herumzusitzen und über Nuklearphysik zu diskutieren. Stephan Hawking betrachtete die Sterne nur ungern durch das Teleskop, trotzdem gehörte er zu den einflußreichsten Kosmologen seiner Generation. Die hier ausgewählten Wissenschaftler, auch Frauen befinden sich darunter, zeichneten sich dadurch aus, daß sie

Neues in der Natur entdeckten, aber nicht die Natur zu anderen Zwecken manipulierten. Die allgemein verständlichen Kurzbiographien bieten dem Leser die Möglichkeit, die Entwicklung der Wissenschaften zu verstehen. Überraschend ist vielleicht, daß die meisten sich nicht aus eigener Kraft hocharbeiten mußten. Sie stammten oft aus aufstrebenden Familien oder einem intellektuellen Elternhaus. Nur wenige, wie Michael Faraday, kamen aus ärmlichen Verhältnissen.

Holger Teubert

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Rainer Lange u. Marianne Ohmann (Hrsg.), „Fachlexikon

Öffentlichkeitsarbeit - Von Abonnementzeitung bis Zusatznutzen“, Verlag

Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt am Main,

1997, Paperback, 191 Seiten, 24,80 DM, ISBN 3-921-766-99-0.

Das übersichtliche Lexikon enthält die wichtigsten Fachausdrücke aus dem

Bereich der Öffentlichkeitsarbeit mit verständlichen Erklärungen, die

bis in den Computer-Bereich gehen. Dazu gehören auch Begriffe aus

Werbung, Marketing und Verkaufsförderung. Der 2. Teil der Broschüre

bietet unter anderem detaillierte Planungshilfen zur Vorbereitung und

Durchführung von PR-Kampagnen, Werbemaßnahmen, Pressekonferenzen und Spendenaktionen an. Literaturempfehlungen erhöhen den Informationswert der Neuerscheinung, die nicht nur für Anfänger geeignet ist.

Dr. Wolfgang Tulaszewski

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 Edition der Reichskanzlei-Akten

Zwei Bände dokumentieren die Vorhaben

 der NS-Regierung kurz nach der

 Machtübernahme

 

 Victor Klemperer, der durch seine Tagebücher aus der NS-Zeit bekannt gewordene Romanist, ist auf direkte Weisung Hitlers aus dem sächsischen Hochschuldienst entfernt worden. 1935 bestätigte der damalige Reichskanzler Klemperers Entlassung gegen geltendes NS-Recht. Als ehemaliger Frontkämpfer hätte Klemperer von Repressionen verschont bleiben müssen. Das geht unter anderem aus der in München vorgestellten Edition der Reichskanzlei-Akten für die Jahre 1934 und 1935 hervor. Mit der von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Reihe sollen erstmals auch Ministerbesprechungen oder der Schriftverkehr zwischen den Ressorts dokumentiert werden. In Fallbeispielen und unter Einbeziehung interner Akten illustrieren die beiden bei Oldenbourg erschienenen Bände die Vorhaben der NS-Regierung kurz nach der Machtübernahme.

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Gorbatschows Vereinigungsperspektive

 Der ehemalige Kreml-Chef blickt zurück

 und erzählt, „Wie es war“ - „Die

 Geschichte riss uns mit sich fort“

Nobert Seitz

 Er tingelt um die Welt, um seine Geschichte zu erzählen, für seine Stiftung zu sammeln und Autogramme zu schreiben. Michail Gorbatschow ist zu einer tragischen Figur geworden. Im eigenen Lande bleibt er für Altkommunisten und Schirinowski-Anhänger ein Verräter, der das Weltreich in Rekordzeit verscherbelte, während er unter Liberalen als Zauderer gilt, der die notwendigen Reformen nur halbherzig anpackte. In Enzensbergers Galerie der ehrbaren „Meister des Rückzugs“ rangiert er freilich noch immer ganz vorne.

 Nunmehr zieht er analytisch Bilanz. Gorbatschows Vision war die eines gesamteuropäischen Hauses mit einem starken russisch-deutschen Kraftzentrum. Dazu bedurfte es aber sowohl einer Fundamentaldemokratisierung der alten Sowjetunion wie einer Lösung der deutschen Frage. Den entscheidenden russischen Impuls zur Wiedervereinigung möchte er gern als von der Historie her logisch herunterspielen. Es sei nicht einmal das oberste Ziel Stalins gewesen, Deutschland zu zerstückeln, referiert er die Verhandlungen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. „Die nachfolgende Spaltung Deutschlands war durch die unterschiedliche Haltung der Siegermächte gewissermaßen vorprogrammiert.“

 Selbst im kältesten Krieg vermag Gorbatschow noch eine konstruktive deutsch-russische Tradition zu erkennen, von der Stalinnote 1952 über den Deutschland-Plan 1955 bis zur diplomatischen Anerkennung der Sowjetunion durch den „unversöhnlichen Antikommunisten“ Adenauer, ehe die frühe Ostpolitik den Schlüssel zur deutschen Einheit ohnehin in Moskau lokalisierte.

 Immer wieder beschäftigt ihn die Frage: „War die Teilung Deutschlands nach dem Krieg wirklich notwendig? War der Preis, den Deutschland dafür zahlen musste, dass Hitler den Krieg entfesselt hatte, gerechtfertigt?“ Als er sich in die Lösung der deutschen Frage einschaltete, „handelte ich im Sinne der zwingenden Logik der Geschichte.“

 Auf die Frage, wie sein gemeinsames europäisches Haus aussehen könnte, solange die Berliner Mauer existierte, bekundete er frühzeitig: „Die Mauer kann verschwinden, wenn die Voraussetzungen wegfallen, die sie hervorgebracht haben. Ich sehe hier kein großes Problem.“ Doch eine dazu notwendige Erneuerung der DDR wurde vom SED-Regime kategorisch abgelehnt. Am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, muss er in Ost-Berlin erkennen, dass der Staatratsvorsitzende Honecker „schon damals den Realitätssinn verloren hatte.“ Die Geschichte gerät in Bewegung und „riss uns mit sich fort.“ Modrow schlägt ihm vor, den Prozess „zu bremsen und dafür die Rechte der Siegermächte auszunutzen.“ Gorbatschow: „Was er unter Stabilisierung verstand, weiß ich bis heute nicht. Sollte die starke Massenbewegung, welche die Wiedervereinigung forderte, von außen gestoppt werden?“

 Fortan ging es nur noch um die Modalität der Nato-Mitgliedschaft. Gorbatschow schildert seinen vergeblichen Einsatz für die „Unabhängigkeit“ oder „Nichtpaktgebundenheit“ eines neuvereinigten Deutschland, ohne mit seiner Niederlage zu hadern.

 Gorbatschow wich aber nicht von seinem einmal eingeschlagenen Kurs ab, dass die Deutschen ihre Wahl selbst treffen müssten. Dies schien fundamental für das von ihm proklamierte „neue Denken in der Weltpolitik“, das mit der Aufgabe der alten Breschnew-Doktrin eingeleitet worden war.  Und gegen die militärstrategische Integrationslogik eines Nato-Verbleibs Deutschlands ließ sich nur schwach argumentieren, nachdem auch Mitgliedstaaten des in Agonie befindlichen Warschauer Paktes dies ausdrücklich begrüßt hatten.

 Als Gorbatschow kurz nach der einzig freien DDR-Wahl mit Mitterrand in Moskau zusammentrifft, muss er seinen letzten Widerstand aufgeben.

 Objektive Tatsachen könne man nicht negieren. Die

 Bundesrepublik habe als Mitglied der Nato die DDR

 „verschluckt“ - so der französische Präsident:

 „Deutschland wird seine Einheit herstellen und ganz zur Nato gehören. Übrigens ist das logisch.  Westdeutschland ist bereits Mitglied.“ Daher sahen beide keine Möglichkeiten mehr, „die Deutschen daran zu hindern, das zu tun, was sie erstreben“.  Dies war im Mai 1990. Danach schien das Kohl-Treffen im Kaukasus nur noch eine Formsache.

 Gorbatschow ist noch heute gekränkt, weil etwa am Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart 1997 der baden-württembergische Ministerpräsident Teufel vollmundig erklärte: „Wir verdanken den Vereinigten Staaten nicht viel, sondern alles.“ Genscher hatte es zuvor anders ausgedrückt: „Die Herstellung der deutschen Einheit verdanken wir vor allem Ihrem persönlichen Beitrag.“

 Ebenso schmerzt es ihn, wenn Kreuzzugsideologen im Westen die Beendigung des Kalten Krieges als Triumph des eigenen Systems feiern. Erst dadurch seien die Negativurteile in Russland über Perestroika ins Kraut geschossen, der Vorwurf virulent geworden, er habe sich in der deutschen Frage „übervorteilen lassen“.

 Sein Buch macht nochmals deutlich, dass die Auflösung der Sowjetunion nicht seinem „neuen Denken“ entsprach. Er glaubt nicht, dass die autonom gewordenen Sowjetrepubliken lebensfähiger seien. Über die Ereignisse von 1991 - dem Putschversuch gegen ihn auf der Krim, dem verlorenen Schaukampf mit Jelzin vor der Duma wie der Gründung des „Deckmäntelchens“ GUS - sind er und seine vor kurzem verstorbene Gattin Raissa nie hinweggekommen.

 Gorbatschow teilt zwar nicht die Angst vor einer Nato-Osterweiterung, hält die Entscheidung jedoch prinzipiell für falsch. „Der Westen hat kein einheitliches Konzept für eine Friedensordnung des gesamten Europa.“ Sein Projekt, von einem „großen zu einem vereinten Europa“ überzugehen, habe eine Etappenniederlage erlitten, aber nicht an Aktualität eingebüßt.

 Michail Gorbatschow: Wie es war. Die deutsche Wiedervereinigung. Ullstein Verlag, Berlin 1999. 222 Seiten. 36 DM.

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 Erhabenheit und Lächerlichkeit

 Der Briefwechsel zwischen Ernst Jünger

 und Carl Schmitt

 Richard Herzinger

 Carl Schmitt und Ernst Jünger sind der Stolz der deutschen intellektuellen Rechten. Sage noch einer, alle bedeutenden Schriftsteller stünden links und alle großen Gesellschaftstheoretiker seien Erben der Aufklärung! Das Ansehen dieser beiden Vorzeigedenker eines trotzigen Antiliberalismus, die sich weder von der amerikanischen Reeducation noch von den deutschen Reueübungen des sozialliberalen Zeitalters zum Kotau vor der von ihnen verachteten pluralistischen Demokratie zwingen ließen, reicht aber längst weit über die Grenzen rechter Elitezirkel hinaus. Auch bei Feuilletonisten, die sich vom „Gutmenschen“ abgrenzen wollen, sind Jünger und Schmitt inzwischen Kult. Nach wie vor haftet der Lektüre der Reiz des Naschens von verbotenen, protofaschistischen Früchten an.

 So war es wohl Zeit, jetzt auch den Briefwechsel zwischen den beiden Starintellektuellen der Konservativen zugänglich zu machen. Nun haben es derart voluminöse Briefsammlungen an sich, dass man zunächst nicht recht weiß, was man mit Ihnen anfangen soll. Für die Verehrer ist gewiss jedes Wort ihrer Heroen eine Eröffnung; noch jedes Füllsel und jede Platitüde wird goutiert, wenn nur der geliebte Sound wiedererkannt wird: der Schmittsche eher sarkastisch-lakonisch knapp, der Jüngersche eher sperrig-erhaben bis ausschweifend.

 Wer kein spezifisches Interesse mitbringt, wird sich mit der Lektüre schwer tun. Um auf mehr oder weniger anregende Äußerungen zu stoßen muß sich der Leser durch zahllose Versicherungen gegenseitiger Wertschätzung, Grüße an die Frau Gemahlin oder Mitteilungen über Wetterlagen hindurchschlagen. Beide haben zudem das Bewahren von Haltung zum Programm erhoben, und so pflegen sie einen mal zackigen, mal geradewegs verklemmt anmutenden, fast immer aber einen korrekt-distanzierten Tonfall.  Herzerwärmende Selbstauskünfte, wie man sie in pietistisch-romantischer Tradition von Freundschaftsbriefen bedeutender Leute erwartet, wird man hier vergeblich suchen.

 Zudem handelte es sich beim Verhältnis Jünger-Schmitt um eine von Krisen und Verstimmungen durchwachsene Männerfreundschaft. Nach 1945 schwingt in den Briefäußerungen Carl Schmitts gar ein geheimer Subtext mit: In seinem privaten Glossarium ist er, wie wir heute wissen, in wüster Weise über den in seinen Augen charakter- und geistlosen Schwätzer Jünger hergefallen. Schmitt, der als nazibelasteter Jurist kurzzeitig von den Amerikanern inhaftiert worden war und Lehrverbot erhielt, verübelte es Jünger, daß er schon bald nach dem deutschen Zusammenbruch wieder in hohem internationalen Ansehen als Schriftsteller stand. Verachtung gegenüber dem vermeintlichen Kollaborateur mit der verhaßten, oktroyierten Demokratie mischte sich da mit Neid auf Erfolge, die nach Überzeugung Schmitt allein ihm selbst gebühren.

 So wird zwischen den sonst Gleichgesinnten auch „tongue in cheek“ geredet. Der kompetente Kommentar und das instruktive Nachwort des Herausgebers, des Heidelberger Germanisten Helmuth Kiesel, geben dem Publikum aber Hinweise, wie man sich in dieser Gemengelage der Kontexte und Ranküne, aus der heraus die Briefe erst ihre Bedeutung gewinnen, einigermaßen zurechtfindet.

 Anfang der dreißiger Jahre, als es darum ging, der Weimarer Demokratie den Garaus zu machen, waren sich die Herren noch ganz einig. Schmitts Definition der Politik als „Freund-Feind-Unterscheidung“ jenseits von Moral und Idealen stößt beim heroischen Nihilisten Jünger auf volle Zustimmung: „Vor allem muß man sich entscheiden“. Man kultiviert mit schneidigen Worten das nationalrevolutionäre Vernichtungspathos. Geistesarbeit und Kriegsführung verschwimmen metaphorisch in eins.  Jünger 1930 an den „Sehr geehrten Herrn Professor“ Schmitt: „Der Rang eines Geistes wird durch sein Verhältnis zur Rüstung bestimmt. Ihnen ist eine besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine Mine, die lautlos explodiert. (. . .)

 Was mich betrifft, so fühle ich mich durch diese

 substantielle Mahlzeit recht gestärkt.“

 Nach 1933 scheiden sich freilich ihre Geister. Nicht in der Zielrichtung, wohl aber in der konkreten Beurteilung des neuen Systems. Jünger bezieht die Beobachterposition des Seismographen, welcher Totalitarismus, Krieg und Vernichtung als Ausdruck der Bewegung „elementarer“ Kräfte registriert.  Schmitt arbeitet aktiv an der Entwicklung eines „völkischen“ Rechtsbegriffs, schreibt Apologien für die Verbrechen des „Führers“ und steigt zum „Kronjuristen des Dritten Reiches“ auf.  Fraktionskämpfe und Intrigen im Naziapparat führen jedoch seit 1936 zu seiner zunehmenden Isolierung. Ihre Differenzen sprechen sie in all den Jahren kaum an. Unterschiede im Verhältnis zur banalen Wirklichkeit scheinen den Geistesheroen sekundär gegenüber den Tiefen ihres Bildungsgutes. Man tauscht Lektüreempfehlungen aus, ergeht sich in kultur- wie ideengeschichtlichen Spekulationen. Selten zeigt die furchtbare Wirklichkeit ihre Spuren, wie etwa, als der schwer getroffene Jünger den Verlust seines gefallenen Sohnes Ernst beklagt. Nach dem Krieg nimmt die Korrespondenz einen quasi-verschwörerischen Tonfall an.

 Schmitt sieht sich von Inquisitoren der

 Weltdemokratie und von Kleingeistern umstellt, die ihm seinen herausragenden Rang in der Geistesgeschichte streitig machen wollen. Er wähnt sich in der „Situation eines outlaw, gegen den ein alter, tiefer Haß jetzt freie Bahn erhalten hat“.  (Schmitt 1949 an Jünger). Jünger hält in Treue zu ihm und zeigt sich fassungslos über das angebliche Unrecht, das ihm und anderen erhabenen Gestalten der deutschen Kulturnation wie Martin Heidegger geschieht. Wieder sehen sie sich in der Rolle einer sakrosankten Elite der wenigen Aufrechten. „Die Zahl der Zeitgenossen, mit denen noch ein Gespräch sich lohnt, vermindert sich rapid“, notiert Jünger 1972 so lapidar wie blasiert.  Da bleibt nur, in Elementarbwegungen zu denken und, vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs, auch schon mal die Bedingungen für einen deutschen Partisanenkampf auszuphantasieren: „Wer im Kleinen Raum gewinnt, kann eine günstige Wendung der Großwetterlage abwarten (. . .).  Ränder sind besser für solche Händel, für die Deutschen ist die Mittellage in dieser Hinsicht ein Übel, und das nicht nur im geographischen Sinn.  Deshalb konnte auch der Werwolf (!) die Katastrophe nicht hinauszögern.“ (Jünger 1974 an Schmitt). Attacken auf die liberale Verfassung werden gern in gepflegte Klassikerzitate verpackt:

 „Die Idee des Rechststaates ist die legale Sanktion der Selbstsucht und die zersetzende, zerstörende Element der menschlichen Gesellschaft“ - dieses Wort von Jeremias Gotthelf sendet Jünger dem Brieffreund 1975.

 Sich derart in ihre autoritäre Idiosynkrasien einschließend und auf dem schmalen Grat zwischen Erhabenheit und Lächerlichkeit wandelnd, gleichen Jünger und Schmitt teils ehrwürdigen patrizischen Eremiten, die sich aus dem Trubel der Welt in das der Ideen zurückgezogen haben, teils ähneln sie Stadler und Waldorf, den verbitterten, sich aber krampfhaft heiter gebenden, stets nur zuschauenden alten Giftpickeln in der Muppet-Show. So dokumentiert ihr Briefwechsel am Ende vor allem eins: Das Elend jenes Anteils der deutschen Geisteselite, der vom Rausch nationalrevolutionärer Weltumsturzerwartung in den Katzenjammer einer totalen Niederlage stürzte und für allen Schrecken andere, nichtswürdige Geister für schuldig ansehen konnte. Dass man selber kräftig das Grauen mitgesät hatte? Nichts als üble Verleumdung, böswilliges Missverständnis.  Aus zwei deutschen Leben: Der Briefwechsel Jünger-Schmitt ist ein so aufschlussreiches wie deprimierendes Lehrstück über die gefährlichen Defizite eines hohen Intellekts, der in seiner Selbstverliebtheit unfähig ist, sich in Frage zu stellen und sich daher für das Maß aller Dinge halten muß.

 Ernst Jünger, Carl Schmitt: Briefwechsel 1930-1983. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel. Verlag Klett-Cotta, 1999, 893 Seiten.

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 Stasi in Westdeutschland

 Der Historiker Hubertus Knabe auf den

 Spuren überzeugter Kollaborateure

 Richard Herzinger

 Die Einflussnahme der Geheimdienste der DDR auf das politische Leben der Bundesrepublik ging weit über das im internationalen Staatenverhältnis übliche Maß nachrichtendienstlicher Tätigkeit hinaus. Nicht nur die von Markus Wolf geleitete „Hauptverwaltung A“ betrieb die Ausspähung und zielgerichtete Instrumentalisierung westdeutscher Parteien, Institutionen und Persönlichkeiten. Für das gesamte Ministerium für Staatssicherheit gehörte die systematische Intervention in innere Angelegenheiten der Bundesrepublik zu den vordringlichen ideologisch-politischen Aufträgen.  Die Aufgabenbereiche innerer und äußerer Feindüberwachung und -bekämpfung gingen fließend ineinander über.

 Noch im Nachhinein zeigt sich der Historiker Hubertus Knabe erschrocken darüber, wie massiv die Stasi an entscheidenden politischen Wendepunkten der bundesdeutschen Geschichte beteiligt war. Herausragendes Beispiel ist das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt 1972:

 Mindestens einer der beiden CDU-Abgeordneten, die gegen den Herausforderer Rainer Barzel stimmten und damit wider alle Erwartungen den Fortbestand der sozialliberalen Koalition sicherten, war von der Stasi bestochen worden.

 Doch nur wenige Fälle sind so klar dokumentierbar wie dieser. Bei der Rekonstruktion der Stasi-Infiltration der Bundesrepublik kann sich der Historiker nur auf bruchstückhaftes Quellenmaterial stützen. Große Teile des Aktenmaterials der West-„Aufklärung“ des MfS wurde nach der Wende - mit Zustimmung des Runden Tisches - vernichtet.  Die Forschungsarbeit Knabes, der Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen ist, war daher schon im Vorfeld der Veröffentlichung umstritten. Sie liegt jetzt gleich in zwei Fassungen vor: Die Ausgabe des Christoph Links-Verlags enthält die von der Gauck-Behörde autorisierte Version, die sich auf die akribische Darstellung der organisatorischen Strukturen der Westarbeit des MfS konzentriert. Eine interpretierende, für ein breites Publikum anschaulichere Fassung, die ihr Augenmerk auf die Wirkungen der Einflussnahme auf politische Bewegungen und Entscheidungen in Westdeutschland richtet, bringt Propyläen heraus.

 Knabe betont im Vorwort zu dieser Ausgabe, dass er seine Recherchen außerhalb der Dienstzeiten in der Gauck-Behörde durchgeführt habe und dass sein Buch nicht die Auffassung des Bundesbeauftragten wiedergibt. Solche Vorsicht weist auf die Brisanz des Problems hin, das Knabes Studie aufwirft. Das dichte Netz von geheimen Mitarbeitern, das der DDR-Apparat über die bundesrepublikanische Demokratie geworfen hat, belegt die hohe Kollaborationsbereitschaft zahlreicher Politiker, Journalisten, Gewerkschafter, Wirtschafts- und Kirchenleute, von Bürgern verschiedenster ideologischer Couleur aus allen Gruppen und Schichten der westdeutschen Gesellschaft, mit einem totalitären Regime. Wird das ganze Ausmaß dieser Bereitschaft (Knabe schätzt die Zahl von West-IM’s auf 20 000 bis 30 000) aufgearbeitet, können sich die Westdeutschen nicht mehr als unbeteiligte Zuschauer fühlen, die der Bestand der DDR-Diktatur nur als ein äußerliches Phänomen betroffen habe. Das greift tief in das Selbstverständnis der bundesrepublikanischen Gesellschaft ein: In gewisser Weise ist die Kollaborationsbereitschaft von Westdeutschen sogar eine noch bedrückendere Tatsache als die Existenz von rund 500 000 informellen und operativen Stasi-Mitarbeitern in der DDR selbst.

 Denn wer sich hier zu einer solchen

 Zusammenarbeit bereit erklärte, tat dies, ohne den unmittelbaren Druck eines diktatorischen Regimes im Nacken zu spüren. Viele Informanten und Ansprechpartner mussten nicht einmal formal angeworben werden, sondern boten ihre Dienste eifrig, aus Überzeugung an.

 Es ist also vermintes Gelände, das Knabe betritt.  Seine Arbeit über die „Unterwanderte Republik“, von der im Folgenden die Rede sein soll, hat jedoch nichts von einer sensationsheischenden Enthüllungspublizistik. Knabe will nicht einzelne Personen oder Gruppen bloßstellen, sondern die Systematik der Unterwanderungsmaschinerie des SED-Staates beleuchten. Er konzentriert sich dabei auf Fallbeispiele - so die Stasi-Kampagnen zur Diskreditierung Heinrich Lübkes als „KZ-Baumeister“ und Herbert Wehners als vermeintlichen Gestapo-Kollaborateur - und auf zentrale Felder strategischer Einmischung in die bundesdeutsche Innenpolitik.

 Einen besonderen Platz nimmt dabei die Ära sozialliberaler Entspannungspolitik der sechziger und siebziger Jahre ein. Mit allen Mitteln versuchte das MfS, Opposition gegen die sozialliberale Poltik zu schwächen und leistete sogar direkte Wahlhilfe für die SPD/FDP-Koalition. Knabe kritisiert, dass manchen sozialdemokratischen Entspannungspolitiker dabei die Maßstäbe abhanden kamen für die Grenze zwischen notwendiger inoffizieller Abstimmung und zwielichtiger Kungelei. Zugleich erschien, wie Knabe nachweist, den DDR-Oberen die „Ostpolitik“ der SPD aber auch als gefährliche, weil raffiniert getarnte Aufweichungsstrategie gegen die sozialistische Macht.

 Aufregend sind die Kapitel über die Stasipräsenz in

 der Studentenbewegung der sechziger und der

 Friedensbewegung der siebziger und achtziger

 Jahre. Dem MfS gelang es, weite Teile des SDS

 unter seine Kontrolle zu bringen. Mancher Mythos

 vom großen basisdemokratischen studentischen Aufbruch erhält da einen Knacks. Knabe zeigt jedoch auch, dass sich der antiautoritäre, aktionistische SDS-Flügel um Rudi Dutschke jeglicher Kontrolle entzogen hat und der Stasi daher zutiefst suspekt war.

 Immense Anstrengungen wandte das MfS zur Steuerung der Anti-Nato-Nachrüstungsbewegung der frühen achtziger Jahre auf. Dies war ihre vielleicht erfolgversprechendste Intervention in die westdeutschen Angelegenheiten, denn es herrschte in diesen Jahren in den westdeutschen Eliten ein starker Hang zu atompazifistischen, gar neutralistischen Stimmungen. Die Unterwanderung der Friedensbewegung war jedoch gleichzeitig auch die endgültig letzte „Großtat“ der Stasi-Krake.

 Wo aber sind all ihre westlichen Helfershelfer abgeblieben? Knabes Studien können die Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels deutscher Kollaborationsgeschichte nur eröffnen. Sie weiterzuführen, ist eine unerlässliche Aufgabe für die zukünftige Geschichtsschreibung.  Hubertus Knabe: Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen. Propyläen Verlag, Berlin 1999. 400 Seiten. Ca.48DM.

 Ders.: West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von „Aufklärung“ und „Abwehr“. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.  Christoph Links Verlag, Berlin 1999. 598 Seiten. 48 DM.

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